Mittwoch der dritten Adventswoche (A)

Jer 23,5-8; Ps 72,1-2.12-13.18-19; Mt 1,18-24

Jer 23
5 Siehe, Tage kommen – Spruch des HERRN – , da werde ich für David einen gerechten Spross erwecken. Er wird als König herrschen und weise handeln und Recht und Gerechtigkeit üben im Land. 
6 In seinen Tagen wird Juda gerettet werden, Israel kann in Sicherheit wohnen. Man wird ihm den Namen geben: Der HERR ist unsere Gerechtigkeit. 
7 Darum siehe, Tage kommen – Spruch des HERRN – , da sagt man nicht mehr: So wahr der HERR lebt, der die Söhne Israels aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat!, 
8 sondern: So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel aus dem Nordland und aus allen Ländern, in die er sie verstoßen hatte, heraufgeführt und zurückgebracht hat! Dann werden sie auf ihrem eigenen Boden wohnen.

Die heutige Lesung aus dem Buch Jeremia ist eine weitere Prophezeiung eines davidischen Herrschers, der ganz Israel retten wird. Diese schließt sich insbesondere an die gestrigen Lesungen an, in denen bereits der sterbende Jakob ähnliches verheißen hat. Im Hebräischen steht ein Partizip für „kommen“. Das impliziert immer einen anhaltenden Zustand. Gott wird nicht kommen, er ist schon dabei, es zu tun! Partizipien werden immer gebraucht, um eine gewisse Zeitlosigkeit/übergreifende Zeitlichkeit auszudrücken. So wird das Kommen auf die Zukunft ausgeweitet. Was hier also verheißen wird, ist auf die Zukunft bezogen. Gott wird einen Spross erwecken, das heißt einen Nachkommen. Wir denken an dieser Stelle an den Stammbaum Jesu Christi des gestrigen Evangeliums.
Es wird ein König verheißen, der wirklich gerecht sein wird. Bei Jeremia geht es wörtlich-historisch um einen irdischen Herrscher, der Israel aus dem Nordland in die Heimat zurückführen wird, also politisch gerecht handeln wird. Er hat jahrelang den Untergang Jerusalems vorhergesagt, was dann mit der babylonischen Herrschaft eintrat. Umso bemerkenswerter ist es, dass er gleichzeitig zu seiner Untergangsprophetie die Trostbotschaft verbreitete, dass Gott sein Volk mit einem gerechten König retten wird. Das kommt in Vers 6 besonders zum Ausdruck, wo mit dem Verb תִּוָּשַׁ֣ע  tivascha „sie (Jerusalem) wird gerettet werden“ diese Befreiung prophezeit wird. Dabei haben wir wieder dieselbe Wurzel wie im Namen Jesu, also für uns ein messianisches Signal! Es handelt um mehr als nur um die Ankündigung eines gerechten Herrschers. Man denkt vor allem an den Perserkönig Kyros, über den wir in den letzten Wochen öfters gelesen haben. Dass es aber eben nicht auf ihn anspielt, oder zumindest nicht nur, sehen wir an dem Anfang der Lesung: Es soll ja ein Nachkomme Davids sein und nicht ein Perser! Es wird nicht nur ein Israelit, nicht nur jemand aus dem Stamm Juda sein, sondern sogar Davidide! Die Angabe ist schon sehr spezifisch und weist für uns auf den Messias hin. Der Angekündigte wird weise und gerecht handeln, was die Eigenschaften Salomos sind und auch von Jesus werden wir die Weisheit in Person lesen und davon, dass der Menschensohn gerechtes Gericht ausüben wird am Ende der Zeiten. Hier wird Jesus angekündigt! Er wird das Volk befreien – das Volk Gottes aus der Knechtschaft der Sünde. Er ist es, der uns aus unserem sündhaften Zustand in den Stand der Gnade zurückholt und er ist es, der uns aus der Knechtschaft der Welt ins Himmelreich holt.
Der entscheidende Unterschied wird sein: Jesus als Retter, wie sein Name schon verrät, wird nicht politisch retten und das Wohnen in Sicherheit bezieht sich nicht auf das irdische Dasein.
Wörtlich-historisch wird deutlich, dass mit dem befreienden König Gott selbst an den Israeliten handeln wird. Bei Jeremia lesen wir ein wichtiges Verständnis von Geschichte: Sie wiederholt sich und deshalb setzt er den Exodus aus Ägypten typologisch mit dem Auszug des Volkes Israel aus dem babylonischen Exil in Verbindung! Im NT wird eine weitere typologische Brücke dazu gezogen, wenn z.B. Paulus in Röm 6 Jesu Erlösungstat als Befreiung aus der Sklaverei der Sünde bezeichnet und in Joh 8 Jesus selbst so etwas sagt.
Und wie nach dem Auszug aus Ägypten die umstehenden Völker den Gott Israels aufgrund dieser spektakulären Heilstat anerkannten, wird dies auch mit der Befreiung aus dem Exil so sein. Wir erweitern die Typologie bis zu Jesus und können nach 2000 Jahren Kirchengeschichte wirklich bestätigen: Durch Gottes große Heilstaten, die allen Menschen offenbar werden, erkennen immer wieder Menschen der „Völker“ Christus an (das ist der Begriff für die Nichtjuden und in diesem Fall jetzt der Nichtchristen). Sie lassen sich von seiner Liebe berühren und werden durch die Taufe zu Erben seines Reiches. Auch in unserem Leben handelt Gott mit großen Heilstaten, sodass andere Menschen durch uns zum Glauben an ihn kommen. Am Ende der Zeiten werden alle Gott anerkennen, wenn er seine große Macht und Herrlichkeit entschleiern wird.
Es war für die Israeliten ein großer Trost, zu hören, dass sie auf eigenem Boden leben werden. Dieser Boden ist das verheißene Land, in dem Milch und Honig fließen und auf dem sie Gott opfern können im Tempel. Diese Verheißung ist auch weiter zu lesen als messianische Verheißung: Jesus wird kommen und das Reich Gottes verkündigen. Er wird sagen: „Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.“ Es handelt sich um ein Land, das nicht von dieser Welt ist und doch sakramental, nämlich durch die Kirche schon vorweggenommen wird, der Gemeinschaft der Gläubigen. Dann ist das schon ein eschatologisches Heimatgefühl, das doch vorübergehend ist. In einem Kirchenlied, das oft bei Beerdigungen gesungen wird, heißt es nicht umsonst: „Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh‘ mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu.“ Das zu erbende Land ist das himmlische Jerusalem am Ende der Zeiten.
Diese Rettung und das Ziel des Lebens in dieser Heimat beginnt mit der Menschwerdung Gottes. Deshalb können wir uns heute über diese Lesung eine Woche vor Weihnachten ganz besonders freuen! Bald kommt der König, der weiser und gerechter ist als alle irdischen Könige zusammen.

Ps 72
1 Für Salomo. Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König, dem Königssohn gib dein gerechtes Walten. 
2 Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit und deine Elenden durch rechtes Urteil. 
12 Ja, er befreie den Armen, der um Hilfe schreit, den Elenden und den, der keinen Helfer hat. 
13 Er habe Mitleid mit dem Geringen und Armen, er rette das Leben der Armen.  18 Gepriesen sei der HERR, der Gott Israels! Er allein tut Wunder. 
19 Gepriesen sei der Name seiner Herrlichkeit auf ewig! Die ganze Erde sei erfüllt von seiner Herrlichkeit. Amen, ja amen.

Dieser Psalm begegnet uns schon zum dritten Mal in diesem Kirchenjahr, weil er DER Psalm des erwarteten davidischen Messias ist. Zunächst passt er wörtlich-historisch zu der Lesung. Dort wird ein Nachkomme Davids verheißen, der als König das Volk Israel gerecht regieren und aus der Knechtschaft befreien wird. Hier lesen wir nun die Bitte Davids und Salomos um die Fähigkeit des gerechten Waltens. Durch den Psalm lernen wir heute, dass es sich um eine Gottesgabe handelt, wenn ein König gerecht ist.
Die Bitte Davids für seinen Nachfolger Salomo umfasst neben der Gabe, gerecht und solidarisch zu herrschen, in allem die Option für die Armen zu treffen.
Wir erkennen erneut die typologische Brücke zu dem neuen Salomo Jesus. Er ist tatsächlich gerecht. Er ist immer solidarisch mit den Randständigen, sehr zum Unmut der religiösen Elite seiner Zeit. Und das Entscheidende: Er ist es, der das Leben der Armen rettet. Sein Name ist Programm („Jahwe rettet“). Er rettet unser ewiges Leben, in dem er uns alle von der Erbsünde befreit und die ewige Heimat ermöglicht. Die Armut ist in dem Fall dann der Zustand der Sünde. So rettet Jesus das Leben jedes Einzelnen, der in Todsünde lebt. Er wird uns retten von den Leiden dieser Welt, wenn er wiederkommt am Ende der Zeiten.
David preist Gott für seine Wunder. Er hat das Heil für uns alle bereit. Er ist unendlich gut und verdient unser Lob zu aller Zeit.
Interessant ist der Schluss des Psalms: Die ganze Erde soll mit seiner Herrlichkeit erfüllt sein. Diese Sehnsucht ist jüdisch gesehen unerhört. Die Herrlichkeit Gottes wohnt nämlich im Tempel. Der Wunsch der Ausweitung auf die ganze Welt kommt daher, dass der Tempel Gottes ja zerstört werden wird, sodass Gott örtlich nicht mehr fassbar wird. Umso mehr entwickelt sich eine solche Sehnsucht im Exil. Mit Jesus wird dies Realität. Gott ist natürlich omnipräsent und deshalb überall. Aber durch die Eucharistie wird Gottes Herrlichkeit auch physisch und örtlich gebunden – in jedem Tabernakel der Kirche, in jeder Hl. Messe! Nicht mehr nur der Hohepriester einmal im Jahr hat das Privileg, das Allerheiligste aufzusuchen, sondern jeder Christ – zu jeder beliebigen Zeit! Umso trauriger, dass der Herr in vielen Kirchen alleine bleibt. Gott erweist uns so eine große Gnade, so ein Privileg, doch wir nehmen es nicht in Anspruch. Erfüllt ist die ganze Erde mit dem Hl. Geist, den Jesus uns vom Vater gesandt hat am Pfingsttag. Dieser Geist weht, wo er will, nicht nur im Hause Israels. Das ist eine Erfüllung des Wunsches von Ps 72.

Mt 1
18 Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. 
19 Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. 
20 Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. 
21 Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. 
22 Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: 
23 Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns. 
24 Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.

Das heutige Evangelium ist die Fortsetzung des gestrigen. Im Anschluss an den Stammbaum hören wir jetzt von der Geburt des Messias. Das Matthäusevangelium berichtet sie vor allem aus Sicht des Josef. Dies macht absolut Sinn, wenn wir uns an den Stammbaum erinnern. Juden denken bei der Weitergabe des Lebens und des eigenen Blutes patrilinear, also väterorientiert. Wenn es also um die Geburt eines Kindes geht, macht es Sinn, dass dieses Evangelium die Vaterperspektive betont. Wir lesen in dem heutigen Evangelium auch wieder solche Formulierungen, die die biologische Vaterschaft Josefs ausschließen: „Maria, seine Mutter“ ist eine Andeutung solcher Art, die im Stammbaum durch das Auslassen des Satzes „Josef zeugte den Jesus“ und den Verweis auf seine Frau Maria ausgedrückt worden ist. Dies wird noch viel eindeutiger im weiteren Verlauf des Evangeliums, wo immer wieder „das Kind und seine Mutter“ gesagt wird, nicht „Josefs Sohn“ (z.B. in Mt 2,13-14) – in einem Evangelium, das eigentlich sehr patrilinear orientiert ist! Das fällt auf.
Josef ist ein gerechter Mann. Gott hat sich etwas dabei gedacht, ausgerechnet diesen Menschen als Ziehvater seines Sohnes vorzubereiten. Josef wollte seine Frau nicht bloßstellen – denn erstens war Maria vor der Ehe schwanger geworden und zweitens als geweihte Jungfrau! Um ihre Ehre zu bewahren, möchte er sich von ihr trennen. Wir verstehen seine noble Tat erst, wenn wir die jüdischen Gesetze kennen:
Wenn ein unberührtes Mädchen, das einem Mann versprochen ist, von einem anderen Mann schwanger wird, sollen der andere Mann sowie die Frau gesteinigt werden (Dtn 22,23f.). Dem Betrogenen wird keine Schuld zugeschrieben. Warum will sich Josef dann von ihr trennen? Josefs Gerechtigkeit ist eine größere als die der buchstabentreuen Juden seiner Zeit. Er denkt keinen Moment daran, das mosaische Gesetz auszuführen, sondern er überlegt, die ganze Schuld auf sich zu nehmen. Indem er sich nämlich in aller Stille von ihr getrennt hätte, hätte es nach außen hin so ausgesehen, als hätte er sie verlassen, nachdem er mit ihr ein Kind gezeugt hatte. So hätte sie als „Verführte“ und „Verlassene“ keine Schuld getroffen. Er wäre bestraft, Marias Leben und das des Kindes aber gerettet worden. DAS meine Lieben, ist ein würdiger Ziehvater, den sich Gott auserwählt hat. Er hat seine Gerechtigkeit schon vor der Geburt des Gotteskindes unter Beweis gestellt und das alles, noch bevor er von Gottes Plan gehört hat!
Er handelt dann doch anders, als ihm im Traum ein Engel des Herrn den Heilsplan Gottes offenbart hat. Bei den Worten des Engels ist sehr auffällig, dass er Josef „Sohn Davids“ nennt. Die jüdischen Hörer dieses Evangeliums werden eins und eins zusammengezählt haben. Das Kind, das in die Welt kommen soll, erhält auf Erden einen davidischen Vater. Somit erfüllen sich die messianischen Verheißungen der Hl. Schriften. Dieser Messias wird von einem davidischen Vater erzogen werden, der selbst ein gerechter Mann ist. So wird der Messias selbst gerecht sein, als Gott durch die göttliche Eigenschaft der Gerechtigkeit, als Mensch dank Josef und seiner Tugend der Gerechtigkeit.
Das Kind ist vom Hl. Geist, aber Josef soll es benennen. Damit wird deutlich, dass er es als sein Kind großziehen soll.
Der Engel gibt ihm auch den Namen vor und erklärt dessen Bedeutung: Dieses Kind wird das Volk von seinen Sünden erlösen. Das ist eine Verheißung, die immer und immer wieder im AT verheißen wird. Damit wird dem frommen Juden Josef klar: Das Kind ist der Messias und muss deshalb Jesus heißen.
Daraufhin wird die Erfüllung der Verheißung noch durch ein Jesajazitat verdeutlicht, das wir in der Adventszeit bereits gehört haben. Die Jungfrau wird ein Kind empfangen…Die frommen Juden, die dieses Evangelium gehört haben, verstanden spätestens jetzt, was für ein Kind hier geboren wird.

Lassen wir uns heute berühren von Gottes großen Heilstaten. Er hat das lange jahrhundertelange Schreien seines auserwählten Volkes erhört und wie verheißen als davidisches Kind in dieser Welt Mensch geworden. Er hat für die Umsetzung seines Heilsplans sowohl die Jungfrau bereitet als auch den gerechten Mann, der sie mit allen Mitteln beschützt. Diese Familie ist besonders. Sie ist eine geistige Familie, da alles Biologische, was im Judentum sonst üblich ist, hier komplett entfällt. Danken wir heute besonders dem Hl. Josef, der so wunderbar gehandelt hat. Sonst wäre Jesus nicht in diese Welt gekommen, dessen Leben schon von Anfang an bedroht gewesen ist. Wir können wirklich viel von ihm lernen, besonders für unsere eigenen Familien. Hl. Josef erbitte du uns die Gnade, so selbstlos wie du in unseren Familien zu leben, mit derselben Hingabe und demselben Gerechtigkeitssinn. Wir bitten dich um deine Fürsprache, dass alle Männer so nobel und respektvoll mit ihrer Frau umgehen wie du es getan hast. Das erbitten wir durch Christus, unseren Herrn, Amen.

Überdenken wir heute besonders unsere Rolle in der Familie und nehmen wir uns in der letzten Woche vor Weihnachten vor, das Familienleben zu erneuern.

Ihre Magstrauss

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