Ez 34,11-12.15-17; Ps 23,1-3.4 . 5.6; 1 Kor 15,20-26.28; Mt 25,31-46
Heute feiern wir das „Silvester“ des Kirchenjahres. Dazu hören wir Texte, die uns an das Ende der Zeiten erinnern, verbunden mit dem Glauben an die leibliche Auferstehung.
Ez 34
11 Denn so spricht GOTT, der Herr: Siehe, ich selbst bin es, ich will nach meinen Schafen fragen und mich um sie kümmern.
12 Wie ein Hirt sich um seine Herde kümmert an dem Tag, an dem er inmitten seiner Schafe ist, die sich verirrt haben, so werde ich mich um meine Schafe kümmern und ich werde sie retten aus all den Orten, wohin sie sich am Tag des Gewölks und des Wolkendunkels zerstreut haben.
15 Ich, ich selber werde meine Schafe weiden und ich, ich selber werde sie ruhen lassen – Spruch GOTTES, des Herrn.
16 Das Verlorene werde ich suchen, das Vertriebene werde ich zurückbringen, das Verletzte werde ich verbinden, das Kranke werde ich kräftigen. Doch das Fette und Starke werde ich vertilgen. Ich werde es weiden durch Rechtsentscheid.
17 Ihr aber, meine Herde – so spricht GOTT, der Herr – , siehe, ich sorge für Recht zwischen Schaf und Schaf. Ihr Widder und ihr Böcke.
In der ersten Lesung hören wir aus dem Buch Ezechiel. Dort spricht Gott von sich selbst als Hirte seiner Schafe, die die Herde „Israel“ bilden. Das Kapitel steht im größeren Kontext verschiedener Gerichtsreden gegen verschiedene Personengruppen. Hier haben wir aber schon verheißungsvolle Worte an jene, die gerecht geblieben sind und unter der Gottlosigkeit der bösen Schafe leiden.
Gott selbst wird sich um seine Schafe kümmern wie ein Hirt. Er kündigt an, dass es einen Tag geben wird, an dem er „inmitten seiner Schafe ist“. Das werden die Juden jener Zeit zunächst als Verheißung verstanden haben, dass Gottes Gegenwart zu seinen Schafen zurückkehren wird in Form eines neuen Tempels. Hier bildet ja die Babylonische Gefangenschaft den historischen Kontext und im Zuge der Invasion der Babylonier wurde der erste Tempel zerstört, für die Israeliten die Botschaft, dass Gott seine Sachen gepackt und ihre Mitte verlassen hat – traumatisch!
Umso heilvoller erklingt diese Zusage Gottes in ihren Ohren, doch wir sehen darüber hinaus. Es ist die messianische Ankündigung, dass Gott so weit gehen wird, Mensch zu werden und unter den Menschen zu leben, als guter Hirte, wie Christus im Johannesevangelium von sich sagt.
Schon zu jener Zeit sammelt Gott sein Volk zusammen, das Volk des neuen Bundes. Wie ein guter Hirte alle verirrten Schafe zurückbringt, so holt Christus durch seine Erlösung die verirrte Menschheit zurück in die Heimat der Gottesgemeinschaft. In der Taufe nehmen die Menschen diese Erlösung an und erhalten den Stand der Gnade. Diese Aussage ist aber auch anagogisch zu deuten, denn mit seinem zweiten Kommen wird er alle Menschen der Erde sammeln zum Weltgericht.
Was hier noch zukünftig formuliert wird, konnten wir in der letzten Woche beobachten, ist in der Johannesoffenbarung bereits geschehen, als das Lamm für sein Erlösungswirken gepriesen wird und unter anderem gesagt wird, dass es Menschen aus allen Völkern, Stämmen, Sprachen und Nationen für Gott erworben hat. Christus ist gekommen, um die Welt zu retten. Er wird wiederkommen, um sie zu richten.
Hier ist wörtlich zunächst die Sammlung der Juden in der Diaspora gemeint, die aufgrund des Exils fernab von ihrer Heimat leben müssen. Das ist nicht einfach nur eine Unannehmlichkeit und der Verlust irdischer Heimat, sondern vielmehr der Verlust der größten Gottesgabe – das verheißene Land, das Gott seinem Volk gegeben hat nach den Irrungen und Wirrungen der vierzigjährigen Wüstenwanderung. Und doch ist dies genau genommen ein Vorausbild für den eigentlichen Antitypos: das verheißene Land des Himmelreichs, die eigentlich größte Gottesgabe.
Gott wird für Gerechtigkeit sorgen: Wer unterdrückt worden ist, leidet und krank ist, wird in die Freiheit geführt, getröstet, gestärkt und gesund gemacht. „Doch das Fette und Starke“ wird er vertilgen. Das sind jene, die die Unterdrücker, Leidensbringer, Ungerechten und Gottlosen darstellen. Wer sich böse verhalten hat, wird auch den Preis dafür zahlen. Gott richtet nach den Taten der Menschen. Er wird scheiden zwischen Guten und Bösen, bevor das ewige Heil kommt. Denn nichts Böses kann ins Himmelreich gelangen.
Ps 23
1 Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen.
2 Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
3 Meine Lebenskraft bringt er zurück. Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen.
4 Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich.
5 Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, übervoll ist mein Becher.
6 Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN für lange Zeiten.
Heute beten wir den berühmten Psalm 23. Er passt perfekt zur Lesung, weil in diesem Vertrauenspsalm Gott als Hirte beschrieben wird. Immer wieder hören wir im AT davon, dass Gott sich als König für seine auserwählte Herde, sein Volk Israel, einen Hirten ausgesucht hat. Der König über die zwölf Stämme soll Gottes Stellvertreter in Israel sein. Er soll mit derselben Mentalität herrschen wie Gott es tut, nämlich als sorgender Diener aller. Das verkörpert auch der leidende Gottesknecht im Buch Jesaja, den die Kirche von Anfang an mit Jesus Christus identifiziert hat. Und auch Jesus selbst sagt im Johannesevangelium: „Ich bin der gute Hirte.“ Und zugleich mahnt er an: „Wer von euch der Erste sein will, soll der Diener aller sein.“ David hat diesen Psalm selbst gedichtet und man spürt, dass er diese Haltung selbst ganz gelebt hat. Gottes wunderbare Vorsehung hat alles so gefügt, dass er tatsächlich einen Hirten zum König erwählt hat. Diesen dichten Psalm verstehen wir vor dem Hintergrund des Jahresendes heute vor allem anagogisch.
Gott ist unser Hirte, der uns alles gibt, was wir brauchen. Es mangelt uns an nichts, wenn wir zuerst sein Reich suchen. Das sagt Jesus später nicht umsonst. Gott lässt uns, seine Schafe, auf grünen Auen lagern. Er führt uns nicht ins Verderben, sondern nährt uns immer ausreichend, damit wir auf dem Weg durchs Leben hin zu ihm nicht zugrunde gehen. Auch wenn es zeitweise Wüstenlandschaften sind und nicht die grünen Auen, ist es für uns heilsam, damit wir die Auen wieder mehr zu schätzen lernen, in unserem Glauben gestärkt und in unserer Wachsamkeit geschärft werden. Konkret heißt das, dass Gott uns mit allen irdischen Gaben (Finanzen, Gesundheit, Nahrung und sauberes Trinkwasser, Frieden, Erfolg etc.), aber auch mit allen überirdischen Gaben ausstattet, die wir durch die Heilsmittel der Kirche erhalten. Dazu gehören die Sakramente, allen voran die Eucharistie, und die Sakramentalien, durch die er uns den Hl. Geist senden möchte. Nicht umsonst betet David zuerst „er lässt mich lagern auf grünen Auen“ und dann „und führt mich zum Ruheplatz am Wasser“. Es sind einerseits zwei Bilder für das Essen und Trinken des Menschen, andererseits die Bilder für die wichtigsten überirdischen Güter – die Eucharistie und der Hl. Geist, das lebendige Wasser. Diese sind uns Wegzehrung, Proviant unterwegs in die himmlische Heimat. Sie führen uns in die ewige Gemeinschaft mit Gott.
Gott bringt die Lebenskraft zurück. Das hebräische Stichwort ist an dieser Stelle wie so oft nefesch. Gott bringt das ganze Leben zurück. Wir dürfen es sowohl moralisch als auch anagogisch verstehen, das heißt einerseits die Rückführung in den Stand der Gnade und zugleich die Rettung des ewigen Lebens. Vor allem die moralische Ebene wird uns klar, wenn wir danach lesen: „Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit.“ Am Ende des Kirchenjahres, wenn wir heute vor allem das Weltende und das ewige Leben bei Gott bedenken, erkennen wir in diesen Worten die umfassende Auferstehung, von der auch Paulus spricht (gleich werden wir es hören). Es ist eine leibliche Auferstehung, weil der Mensch kein geteiltes Wesen ist. Diese leibliche Auferstehung sehen wir bereits an Jesus Christus, dessen Grab leer war und der mit Leib und Seele zum Vater heimgekehrt ist. Wir sehen es auch an Maria, der zweiten österlichen Person, die ganz in den Himmel aufgenommen worden ist. Der Anfang ist markiert, der Zusammenhang hergestellt. Wenn wir auf den Tod und die Auferstehung Christi getauft sind, dann ist die letzte Konsequenz auch die leibliche Auferstehung.
Selbst der Psalm 23 greift die Situation auf, dass es nicht immer die ruhigen grünen Auen sind, auf denen die Herde sich bewegt, sondern auch mal das finstere Tal. So ist das Leben. Es gibt nicht nur schöne Tage, sondern auch die Krisen und dunklen Stunden. Doch selbst da begleitet Gott einen hindurch und hinaus. David selbst hat dunkle Stunden gehabt, doch gerade in diesen hat er sich umso mehr an Gott geklammert. Er wusste, wie entscheidend sich die Qualität eines Hirten in finsteren Tälern herausstellte. Er wusste auch, wie sicher sich ein Schaf bei einem guten Hirten fühlen konnte. Er ist in dieser Hinsicht nicht nur der Typos des guten Hirten Christus, sondern auch des Lammes Gottes, das sich ganz und gar in die Hände Gottes übergab und selbst am Kreuz noch betete: „Vater, in deine Hände lege ich mein Leben.“ Von David können wir das absolute Gottvertrauen lernen und mit ihm zusammen beten: „Dein Stock und dein Stab trösten mich.“ Ein besonders finsteres Tal erleben die Israeliten im Babylonischen Exil. Und da offenbart sich Gottes Hirtenqualität auf besonders eindrückliche Weise. Er wählt in den Gottessprüchen, die Ezechiel vermittelt, nicht umsonst das Bildfeld von Hirt und Herde.
Gott beschenkt uns, seine Kinder. Er hat nur Gutes für uns bereit. All der Segen Gottes wird hier mit verschiedenen Bildern umschrieben wie dem Decken des Tisches, dem Salben des Hauptes und dem übervollen Becher. All dies können wir zusammenfassen mit den darauffolgenden Worten: „Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang.“
Ins Haus des Herrn heimzukehren, bedeutet in diesem Kontext wörtlich den Tempel Gottes, der zu Davids Zeiten noch in Form des Offenbarungszeltes bestand. Wir lesen es auch als Verheißung des Exilsendes für die Israeliten. Wir lesen dies allegorisch weiter als das Reich Gottes und die Kirche. Moralisch verstehen wir damit unsere eigene Seele, die der Tempel Gottes ist und von wo aus die Entscheidungen zu einem Verhalten nach seinen Geboten getroffen werden. Schließlich kehren wir am Ende unseres Lebens heim in das Haus Gottes, den Himmel. Diese letzte Bedeutungsebene erstrahlt am heutigen Christkönigsfest besonders hell.
1 Kor 15
20 Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.
21 Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten.
22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.
23 Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.
24 Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft entmachtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt.
25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße gelegt hat.
26 Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod.
28 Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei.
In der zweiten Lesung hören wir nun von der Auferstehung der Toten. Paulus erklärt, wie es für uns getaufte Menschen ausgehen wird und was wir im Glaubensbekenntnis beten: Wir alle werden mit Leib und Seele in den Himmel kommen. Woher wir das wissen? „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“ Er macht den Anfang. Sein Grab ist leer, sein Leichnam ist nicht der Verwesung anheimgefallen, sondern er lebt mit Leib und Seele. Das ist ein Zeichen der neuen Schöpfung. Das ist eine ganz logische Konsequenz seiner Sündenlosigkeit. Dass unsere Seele sich im Tod vom Leib trennt, ist ja Folge der Erbsünde. Er war ohne Sünde und ist somit keine gefallene Schöpfung. Die gefallene Natur aber kann Gottes Herrlichkeit nicht schauen. Wir müssen zu einer neuen Schöpfung neugeboren werden, das erklärte Jesus bereits Nikodemus beim nächtlichen Gespräch mit ihm. Um es im Bildfeld der ersten Lesung auszudrücken: Erst durch die Taufe werden wir zu Schafen, die gut sind und in das Himmelreich eingehen können. Dieses Gutsein können wir aus eigener Kraft nicht erreichen – die Erbsünde hat den Menschen innerlich zerbrochen. Doch deshalb hat Christus uns erlöst. In der Taufe wird uns die Gnade geschenkt, gut zu sein.
Paulus stellt den Zusammenhang zwischen Adam und Jesus heraus und erklärt darin genau das, was ich mit der zerbrochenen Natur meine: Durch den einen Menschen kam der Tod und aus diesem hat der zweite Mensch die Schöpfung geholt, was wir Auferstehung nennen.
Alle werden in Christus lebendig gemacht werden. Bei Gott aber gibt es keine halben Sachen. Und so wird der ganze Mensch in seiner Leib-Seele-Einheit lebendig gemacht. Wäre dem nicht so, müssten wir uns fragen, warum Jesus dann nicht einfach seelisch auferstanden ist.
Paulus erklärt auch die Reihenfolge der Auferstehung: „Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.“ Man könnte sich jetzt fragen (und das tun die Nichtkatholiken ganz besonders laut, weil sie die marianische Lesart der Hl. Schrift nicht ausstehen können): Warum aber sagt Paulus nichts davon, dass auf Jesus Maria folgt? Das wäre hier doch eine „Steilvorlage“, weil es genau darum geht! Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort: Maria lebt noch, als Paulus diesen Brief an die Korinther schreibt. Sie lebt noch etwa zehn Jahre. Da gibt es noch nichts über ihren Tod und ihre Auferstehung zu schreiben.
Und wenn dann auch die Getauften auferstanden sind, kommt das Ende der gefallenen Schöpfung. Gemeint ist, dass alles zerstört wird, auch der Tod. Wir lesen die Ereignisse in der Johannesoffenbarung. Der letzte zu zerstörende Feind ist der Tod selbst.
Aber wie ist das mit der Übergabe der Herrschaft Christi an den Vater zu verstehen? Vater und Sohn sind eins. Diese Bibelstelle wird oft missbraucht, um Jesu Gottheit zu leugnen, da er dem Vater die Herrschaft zurückgeben soll. Die Fragezeichen lösen sich auf, sobald wir verstehen, dass das „Reich“ hier die Zwischenzeit der Kirche meint. Das Reich Gottes ist mit Jesus Christus angebrochen und in der Gemeinschaft der Gläubigen, die sein Leib ist, schon konkret sichtbar. Es ist die sakramentale Phase, in der Christus in den eucharistischen Gestalten gegenwärtig ist. Und mit der Durchsetzung des Gottesreiches, der Entmachtung des Bösen und der Offenbarung Gottes in der ganzen Welt brauchen wir den Schleier des Sakraments nicht mehr. Dann übergibt der Sohn seine Kirche, seinen Leib dem Vater. Dann beginnt die Ewigkeit. Christus hat in seiner Kirche geherrscht, bis alle Feinde unter dessen Füße gelegt worden sind. Der Satan mit seinem Heer ist diese Feindesmacht, die auf Erden ja noch Einfluss hat. Der letzte Vers ist ein Zitat aus dem Alten Testament, das Jesus selbst auch im Matthäusevangelium aufgreift (Dan 7,14; Ps 8,6; Mt 11,27; 28,18). Jesus ist der König des Gottesreiches, das schon angebrochen, am Ende der Zeiten aber offenbar werden wird.
Mt 25
31 Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen.
32 Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet.
33 Er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcke aber zur Linken.
34 Dann wird der König denen zu seiner Rechten sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist!
35 Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen;
36 ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.
37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben?
38 Und wann haben wir dich fremd gesehen und aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben?
39 Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
41 Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!
42 Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben;
43 ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.
44 Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen?
45 Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.
46 Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.
Im Evangelium hören wir heute vom Endgericht. Wir hören davon, wie es ausgehen wird je nachdem, ob wir die Gebote Gottes gehalten haben oder nach unseren eigenen Regeln das Leben gestaltet haben, gute oder böse Schafe sind.
Jesus berichtet nicht vom Ende des individuellen Lebens, sondern kündigt das Ende der Zeiten an, wenn er als verherrlichter Menschensohn wiederkommen wird. Er schildert also das Weltgericht, bei dem jeder nach seinen Taten gerichtet wird. Der Kreis zu den anderen Lesungen schließt sich.
Dabei wird Jesus zunächst die Schafe von den Böcken scheiden. Dieser Schritt ist den Juden, die Jesu Worten lauschen, aus dem Buch Ezechiel bereits bekannt (Ez 34). Jesus greift bewusst bekannte Bilder für das Endgericht auf (die Menschen sind ja nicht wörtlich Schafe und Böcke…).
Die Schafe zur Rechten (die Gerechten) werden als Erben im Reich Gottes eingesetzt werden, die er auch umschreibt mit den Worten „die ihr von meinem Vater gesegnet seid“. Auch diese Geste ist den Juden bekannt. Dieser Segen des eigenen biologischen Vaters ist entscheidend und insbesondere das Erstgeburtsrecht wird mit einem väterlichen Segen übertragen. Die Gnade, die durch den väterlichen Segen dem Sohn übertragen wird, ist existenziell. Nun sind es aber alle auf der rechten Seite, die mit einem solchen Segen ausgestattet werden und dieser ist viel größer als der bisherige väterliche Segen! Hier geht es um die Ewigkeit und um den himmlischen Vater!
Das Reich Gottes ist seit der Erschaffung der Welt der Plan Gottes für den Menschen. Dafür ist er geschaffen worden – um in Gemeinschaft mit Gott leben zu können. Der Mensch hat alles verspielt (Paulus deutet es in der zweiten Lesung an), doch Gott kann auch auf krummen Seiten gerade schreiben. Er hat die Menschheit erlöst durch die Hingabe seines einzigen Sohnes, damit auf Umwegen der Heilsplan Gottes dann doch am Ende siegen würde.
Dann zählt Jesus viele barmherzigen Taten auf, die wir in ähnlicher Form aus dem Buch Jesaja kennen (Jes 58).
Seine Pointe bei all den barmherzigen Taten, die die Schafe auf der rechten Seite getan haben, ist: All dies haben sie nicht einfach nur ihrem Nächsten getan, sondern Jesus selbst. Das ist die anagogische Konsequenz des Doppelgebots der Liebe. Man liebt Gott durch den Nächsten. Dafür wird man am Ende belohnt.
Dann wird sich Jesus den Böcken auf der Linken Seite zuwenden und ihnen sagen: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist.“ Aufgrund dieser Aussage kann man nun wirklich nicht leugnen, dass die Bibel eine Hölle kennt. Diese ist der „Ort“ der absoluten Gottesferne (in der Ewigkeit gibt es weder Zeit noch Raum). Sie sind dabei verflucht, weil sie es sich selbst ausgesucht haben. Sie haben sich im Grunde selbst verflucht und deshalb muss Jesus sagen „geht weg von mir“. Wenn wir uns vorstellen, wie Jesus sich dabei fühlen wird, können wir nur absoluten Schmerz empfinden. Was wird Gottes Herz doch zerreißen bei der Verurteilung derer, die ihn bis zur letzten Sekunde abgelehnt haben! Deshalb spricht Jesus von diesen Dingen überhaupt. Er möchte in aller Drastik aufzeigen, wie endgültig und schlimm die Ablehnung Gottes sein wird – nicht damit die Menschen Angst bekommen, sondern damit sie sich noch rechtzeitig bekehren und gerettet werden!
Auch hier zählt Jesus dann auf, warum sie dieses Urteil erwartet. Sie haben all die barmherzigen Taten wie das Nähren des Hungrigen, das Tränken des Durstigen, das Kleiden des Nackten etc. nicht getan. Somit haben sie Jesus all das nicht getan. Sie haben das Doppelgebot der Liebe, das den Kern der gesamten Torah darstellt, nicht gelebt. Wer aber auf Erden nicht die Liebe gelebt hat, kann unmöglich im Himmelreich in der ewigen Liebesgemeinschaft mit Gott verbringen.
Jesu gesamte Botschaft ist ja in dem Vers zusammengefasst: „Das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Er möchte mit dieser apokalyptischen Rede den Zuhörern, so auch uns, verdeutlichen: Kehrt noch heute um, entscheidet euch für mich und tut diese barmherzigen Taten an eurem Nächsten! Dann werdet ihr am Ende zu jenen gehören, die auf der rechten Seite stehen werden und das ewige Leben erben werden. Wenn wir uns wirklich mit ganzer Kraft bemühen, wird er uns seine helfende Gnade schenken, mit der wir zu barmherzigeren und gottesfürchtigeren Menschen werden können. So gehen wir dann als neue Menschen mit einer innigeren Beziehung zu Gott auf die Ewigkeit zu, die wir nun so langsam in den Advent hineinkommen.
Ihre Magstrauss
Hallo Mag!
Gerne möchte ich Sie fragen, wie Sie mit der Auslegung umgehen, wenn ein Prediger zu Mt 25 sagt, dass der Maßstab des Gerichtetwerdens die Liebe ist und dabei dann gleichzeitig eine Abwertung des Katechismus und Kirchenrechts damit verbunden wird? Dann wären ja praktizierte Formen des Glaubens wie Gottesdienstteilnahme, Sakramentenempfang nicht mehr so wichtig …
Herzliche Grüße
Leo
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Lieber Leo,
es ist vom Gesamtzeugnis der Bibel her schon korrekt, wenn wir sagen: Das Maß an Liebe ist der entscheidende Aspekt. Wir denken da an das Hohelied der Liebe, in dem Paulus sogar sagt, dass alles Tun ohne die Liebe nichts ist. Er stellt zugleich das Tun nicht infrage.
Wir dürfen daraus also keine falschen Schlüsse ziehen: Das heißt nämlich nicht, dass wir nichts Gutes mehr tun sollen, nicht mehr eifrig in den Tugenden wachsen sollen, nicht mehr die Zehn Gebote halten sollen, nicht mehr die Sakramente empfangen und vor allem auf die Messe verzichten sollen. Denn wie sollen wir die Kraft haben, stets gut zu sein, Gottes Gebote aus Liebe zu halten, wenn unsere menschliche Liebe so begrenzt ist? Wie können wir aus Liebe und Beziehung zu Gott seinen Willen tun aus eigener Kraft, wenn doch unsere menschliche Natur gefallen ist? Wir brauchen die helfende Gnade Gottes, seine Liebe, die uns erfüllen muss, damit wir auch in den schwersten Zeiten standhaft sind.
Was hat es denn mit Liebe zu tun, wenn wir die Gebote gar nicht mehr halten? Ja, man soll alles aus Liebe tun, aber das Gute überhaupt nicht zu tun, kann man ja wohl nicht mit Liebe begründen! Es kann also nichts von den Geboten wegfallen, auch nicht das Sonntagsgebot, auch nicht der Katechismus oder das Kirchenrecht. Liebe ist nicht einfach ein theoretisches Gebilde, leere Worte, die inflationär gebraucht werden, sondern Liebe ist konkrete Tat, ein Verhalten, durch das man sie beweist. Praktizierte Formen des Glaubens können also durch den Maßstab der Liebe Gottes nicht entwertet werden, sondern werden im Gegenteil noch verstärkt!
Also ja: Das Maß der Liebe bei allem, was wir tun, ist wichtig. Doch das kann nicht gegen das konkrete Glaubensleben ausgespielt werden. Das entspricht nicht der Definition von Liebe, wie sie uns Gott selbst am Kreuz vorgelebt hat.
Gottes Segen und alles Gute
M. Strauss
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