Hag 1,15b – 2,9; Ps 43,1-2b.3.4; Lk 9,18-22
Hag 1
15 Im zweiten Jahr des Königs Darius,
1 am einundzwanzigsten Tag des siebten Monats, erging das Wort des HERRN durch den Propheten Haggai:
2 Sag zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiëls, dem Statthalter von Juda, und zum Hohepriester Jehoschua, dem Sohn des Jozadak, und zu denen, die vom Volk übrig sind:
3 Wer ist unter euch noch übrig, / der diesen Tempel in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? / Und wie seht ihr ihn jetzt? / Erscheint er euch nicht wie ein Nichts?
4 Aber nun fasse Mut, Serubbabel – Spruch des HERRN -, / fasse Mut, Hohepriester Jehoschua, Sohn des Jozadak, / fass Mut, alles Volk des Landes – Spruch des HERRN -, / und macht euch an die Arbeit! Denn ich bin bei euch – / Spruch des HERRN der Heerscharen,
5 – wie ich im Bund mit euch bei eurem Auszug aus Ägypten versprochen habe – und mein Geist bleibt in eurer Mitte. Fürchtet euch nicht!
6 Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Nur noch kurze Zeit, / dann lasse ich den Himmel und die Erde, / das Meer und das Festland erbeben
7 und ich lasse alle Völker erzittern. / Dann strömen die Schätze aller Völker herbei / und ich erfülle dieses Haus mit Herrlichkeit, / spricht der HERR der Heerscharen.
8 Mir gehört das Silber und mir das Gold – / Spruch des HERRN der Heerscharen.
9 Die künftige Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die frühere, spricht der HERR der Heerscharen. / Und an diesem Ort schenke ich Frieden – Spruch des HERRN der Heerscharen.
In der heutigen Lesung aus dem Buch Haggai ergeht wieder eine Botschaft Gottes an den Propheten Haggai. Es wird dazu wieder das genaue Datum verzeichnet, an dem dies geschieht. Wir erkennen immer wieder, dass Gottes Wort sich immer zu einem ganz bestimmten Timing in der Geschichte Israels ereignet und auch dieses Timing zur Botschaft gehört. Deshalb legen die Propheten auch immer wert darauf, das genaue Datum zu nennen. Es ist ein wenig mehr als ein Monat seit der letzten Prophetie vergangen. Viel kann in der Zwischenzeit nicht geschehen sein. In der Botschaft des sechsten Monats ist Gott sehr streng aufgrund der falschen Prioritäten und der Selbstsucht der Judäer. Sie sitzen in getäfelten Häusern, während Gottes Haus noch in Trümmern liegt. Sie haben zugleich überhaupt keinen Segen. In der folgenden Botschaft ist Gott ein wenig sanfter. Es ist wieder eine Botschaft an den Hohepriester und den Statthalter, also an die religiöse und politische Elite jener Zeit, zugleich eine Botschaft an den gesamten Rest Judas:
Die schon damals Kritisierten sollen Mut fassen und an die Arbeit gehen. Gott ist bei ihnen. Er gibt ihnen nicht nur eine neue Chance, sondern er steht ihnen auch bei. Wieder offenbart er ihnen sein Wesen als JHWH, „ich bin“ und „ich werde sein“ – mit euch.
Gott hat es versprochen und er hält sich dran. Er ist der absolut Treue. Beim Exodus sagte er bereits, dass sein Geist in ihrer Mitte bleiben wird. Was brauchen sie also noch zu befürchten, wenn der Allmächtige auf ihrer Seite steht?
Gott ist so unglaublich barmherzig. Da sitzen die zurückgekehrten Judäer in ihren warmen und schönen Häusern, er selbst kommt zu kurz, und doch ist er bereit, für sein Volk weiterhin in die Bresche zu springen, für diese undankbaren Menschen! Das gilt auch uns und unserer heutigen Zeit. Christus ist für alle Menschen am Kreuz gestorben, für jeden einzelnen. Er tat es, obwohl so viele Menschen noch darüber gespottet haben und ihn bis heute ablehnen. Wie „verschwenderisch“ ist Gottes Liebe! Aber genau so muss Liebe sein.
Dann kündigt Gott über den Propheten Haggai an, dass er bald die ganze Welt erbeben lassen wird. Dies deutet das kommende Weltende an. Schon im Alten Testament wird dieses betrachtet und angekündigt. Damit verbunden wird auch das Kommen des Erlösers thematisiert. Wenn dieses Weltende kommt, dann wird es eine weltweite Wallfahrt aller Völker geben. Wir nennen dieses Ereignis die eschatologische Völkerwallfahrt. Sie wird auch in der Johannesoffenbarung aufgegriffen. Man muss diese Worte Gottes aber nicht anagogisch, also auf die Ewigkeit hin, auslegen. Es kann auch auf ein kommendes historisches Ereignis bezogen werden und die Schätze der Völker, also der nichtjüdischen Völker, auf die Zeit des neuen Tempels bezogen werden. Das heißt, dass in Zukunft die Nichtjuden voller Respekt und Anerkennung des Gottes Israels Schätze nach Jerusalem senden werden, um den Tempel neu auszustatten. Gott begründet es damit, dass er sagt: „Mir gehört das Silber und mir das Gold“.
Die Verheißung, dass die künftige Herrlichkeit des Tempels noch größer sein wird als die vergangene, ist sehr bedeutungsträchtig. Das lässt sich historisch begreifen, denn der neue Tempel wird wirklich sehr mächtig und prächtig sein. Und zur Zeit des Herodes wird er nochmal neue Ausmaße annehmen, weil er ihn noch viel mehr ausbauen wird. Dabei ist zu beachten, dass viele sogar davon sprechen, dass man diesen Umbau als einen dritten Tempelbau bezeichnen muss. Doch die Herrlichkeit des Tempels hat aus der Sicht Gottes ja weniger mit dem menschlichen Bau zu tun, weshalb wir diese Verheißung Gottes noch tiefer betrachten können. Die Herrlichkeit des neuen Tempels, des geistigen Tempels, wird ganz neue Ausmaße annehmen. Wir sehen den Tempel des Hl. Geistes vor uns, in dem Gott Fleisch angenommen hat, die Gottesmutter! Die Herrlichkeit dieses Gotteshauses ist so unvergleichlich größer, dass Gottes Gegenwart eine ganz neue Dimension annehmen wird, da sie physisch sein wird! Und auch ekklesiologisch-sakramental ist dies weiterzudenken: Gottes Herrlichkeit in eucharistischer Form ist so unvergleichlich größer als die geistige Gegenwart im Tempel von Jerusalem. Wie wunderbar doch dieses Privileg ist, das wir im Neuen Bund genießen dürfen! Nehmen wir das nicht für selbstverständlich!
Der Friede Gottes, den wahren Schalom, das umfassende Heil, das schenkt Gott in seiner Gegenwart. Wir sehen auch dies auf verschiedenen Ebenen: Als Christus geboren wurde, verkündeten Engel: Und Frieden auf Erden den Menschen seiner Gnade. Ja, Gottes physische Gegenwart bringt ein ganz neues Ausmaß an Frieden mit sich! Am Kreuz hat er uns Versöhnung mit Gott erwirkt, die wir aus eigener Kraft nie erlangt hätten, auch durch die vielen Opfer des Alten Bundes nicht. Und als er auferstanden ist und zu seinen Aposteln kommt, wünscht er ihnen den österlichen Frieden. Ja, der künftige Schalom, der durch den Mund Haggais angekündigt wird, kann nicht nur auf den künftigen Tempel bezogen werden, sondern muss auch auf den kommenden Neuen Bund ausgeweitet werden.
Ps 43
1 Verschaff mir Recht, Gott, / und führe meinen Rechtsstreit gegen ein treuloses Volk! Rette mich vor den bösen und tückischen Menschen! 2 Denn du bist der Gott meiner Zuflucht. / Warum hast du mich verstoßen?
3 Sende dein Licht und deine Wahrheit; sie sollen mich leiten; sie sollen mich bringen zu deinem heiligen Berg und zu deinen Wohnungen.
4 So will ich kommen zu Gottes Altar, zum Gott meiner Freude und meines Jubels. Ich will dir danken zur Leier, Gott, du mein Gott.
Als Antwort beten wir einen Korachpsalm, der die direkte Fortsetzung des Psalms 42 darstellt. Es werden mehrere Bitten aneinandergereiht, die vom bedrängten Beter formuliert werden, bevor in Vers 4 ein Umschwung in einen lobpreisenden Stil vorgenommen wird.
Gott soll dem Beter Recht verschaffen. Er ist der absolut Gerechte. Er allein vermag ganz gerechte Urteile zu verhängen. Wir müssen uns nicht überfordern, indem wir selbst für Gerechtigkeit sorgen. Das übersteigt unsere Kompetenz. Dagegen sollen wir das Gott überlassen. Gott soll den Rechtsstreit des Beters gegen das treulose Volk führen. Wir können diesen Psalm gut dem Propheten Haggai in den Mund legen, weil dieser bestimmt sehr darunter gelitten hatte, dass die Judäer sich nach ihrer Heimkehr schlecht verhalten haben. Was sollte so ein einzelner Mann ausrichten gegen die religiöse und politische Führung Judas? Gott selbst muss eingreifen und Ordnung bringen!
Der Psalmist bittet um Rettung vor bösen und tückischen Menschen. Gott ist nicht nur der gerechte Richter, er ist auch Zufluchtsort. Unter seinen Fittichen sind wir geborgen. Wie oft trachten uns Menschen nach dem Tod oder wünschen uns Böses, weil wir zum Herrn stehen? Dann dürfen wir uns ganz in den Wunden unseres gekreuzigten Herrn bergen. Auch wenn uns äußerlich die Feinde in die Knie zwängen können, sie werden unser Herz nicht antasten, wenn wir es dem Herrn zum Schutz anempfehlen. Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?
Es ist ein klassischer Klageduktus, wenn hier gefragt wird: „Warum hast du mich verstoßen?“ Gott verstößt niemanden, aber es ist der Ausdruck von Klage, ein Dampfablassen in einer Notsituation. Würde der Psalmenbeter das wirklich so wahrnehmen, würde er dieses Gebet nicht formulieren. Es ist ja Ausdruck des beibehaltenen Dialogs mit Gott.
„Sende dein Licht und deine Wahrheit; sie sollen mich leiten“ – Licht und Wahrheit ist Jesus Christus. Dieser Vers ist absolut messianisch. Gott ist selbst zu uns gekommen, um uns zu leiten auf dem Weg, den er für uns bereitet hat. Er hat vorgelebt, wie wir die Gebote Gottes richtig umsetzen sollen, damit wir die Chance auf den heiligen Berg haben, das Himmelreich. Auch das Bild der Wohnungen ist darauf zu beziehen. Jesus sagt in seiner Abschiedsrede in Joh 14,1-2: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?“ Was der Herr für uns getan hat bis hin zum Kreuz, ist für uns ein lebenslanges Lob wert. Und so ist es elementar für uns Christen, zum Altar zu kommen, um dem Herrn zu danken – die Eucharistie, „Danksagung“ ist deshalb der Herzschlag der Kirche. Wenn sie ausbleibt, bleibt das Herz stehen und die Kirche stirbt. So lange sie aber gefeiert wird, werden die Mächte der Finsternis sie nicht überwältigen. Auch durch unseren Lebenswandel sollen wir immerzu dankbar sein. Gott schenkt uns so viel Gutes, doch oft sind wir versucht, nur den Mangel zu sehen, den wir dabei so oft selbst verschulden. Er lässt uns nicht im Stich und lässt uns auch nicht verdursten.
So haben wir am Ende einen lobpreisenden Charakter, der zugleich mit einer gelübdeartigen Aussage verbunden wird. Der Beter möchte zum Altar treten, Gott ein Opfer des Dankes darbringen. Das heißt, dass eine Gebetserhörung stattgefunden hat, für die er danken möchte. Wie oft können wir dem Herrn danken für all das Gute, was er uns getan hat. Kommen auch wir dann zum Altar und bringen ihm ein Dankopfer dar, nicht umsonst heißt Eucharistia Danksagung.
Wir danken dem Herrn vielleicht nicht mehr zur Leier, dafür aber zur Orgel. Preisen auch wir den Herrn in der Gemeinschaft der Gläubigen und nehmen wir seine Gnade nicht für selbstverständlich.
Lk 9
18 Und es geschah: Jesus betete für sich allein und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie: Für wen halten mich die Leute?
19 Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.
20 Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Christus Gottes.
21 Doch er befahl ihnen und wies sie an, es niemandem zu sagen.
22 Und er sagte: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tage auferweckt werden.
Jesus ist im heutigen Evangelium im Gebet und seine Jünger sind bei ihm. Als er sie fragt, für wen die Leute ihn halten, fassen sie die Gerüchteküche um Jesu Identität zusammen: Er sei Johannes der Täufer, Elija oder einer der alten Propheten.
Das ist teilweise sehr sinnlos und unlogisch, denn Johannes der Täufer war ja zusammen mit Jesus zu sehen. Wie kann Jesus also zugleich der Täufer sein? Die Elija-Frage ergibt als logische Konsequenz der Täufer-Aussage Sinn, denn Johannes ist als wiedergekommener Elija vermutet worden. Jesu Heilstaten lassen dies vermuten, denn er tut einige der von Elija bekannten Heilstaten. Wir merken hier, wie Gerüchte funktionieren: Ob sie überhaupt Sinn ergeben, wie hoch der Wahrheitsgehalt ist, spielt eine untergeordnete Rolle. Das Sensationelle daran erhält das Gerücht am Leben.
Dass Jesus ihnen die Frage überhaupt gestellt hat, ist eine Hinführung zu seiner eigentlichen Frage: Für wen haltet IHR mich?
Petrus ist wie so oft der erste, der sich zu Wort meldet. Dass er so schnell die treffende Antwort gibt, zeigt sein geisterfülltes Sprechen: Für den Christus Gottes. Das ist keine Schlussfolgerung aufgrund von logischem Nachdenken. Dies hätte mehr Zeit beansprucht. Es handelt sich um etwas, wofür ihm der Hl. Geist die Augen des Herzens geöffnet hat. Wie sonst kann ein ungebildeter Fischer aus Galiläa eine solch tiefe Wahrheit erkennen, wenn nicht aus dem Geist Gottes heraus?
Wie die Nachgeschichte des Messiasbekenntnisses ist, erfahren wir bei Lukas nicht, das erzählt uns dafür Matthäus sehr ausführlich. Stattdessen wird hier nur erwähnt, dass Jesus seinen Jüngern verbietet, seine Identität anderen Menschen preiszugeben. Zum Messiasgeheimnis habe ich schon oft etwas gesagt – es hat pragmatische Gründe, denn Jesus kann nicht auf halbem Wege bereits verhaftet und hingerichtet werden. Sein Werk ist noch nicht vollendet. Es hat zudem den viel tiefer gehenden Grund, dass die Menschen es von selbst erkennen sollen, indem er ihnen viele messianische Signale gibt.
Zum Ende hin erfolgt eine Leidensankündigung wie auch in der Matthäusversion. Wie Petrus sich dagegen sträubt und wie heftig Jesus darauf reagiert, wird uns bei Lukas nicht berichtet. Jesus erklärt den Jüngern, dass er von den Hohepriestern und Schriftgelehrten hingerichtet werde, aber am dritten Tag auferstehen werde. Das mag für die Jünger alles noch unglaublich oder unverständlich geklungen haben, doch im Nachhinein werden sie alles verstehen.
Gott ist wirklich bereit, für seine geliebten Menschen in die Bresche zu springen. Er ist bei ihnen, der Immanuel, der treu sein Versprechen hält. Was schon im Alten Bund geschehen ist, verdichtet sich mit Jesus Christus. Danken wir ihm für seine „verschwenderische“ Liebe, eine Liebe, die nicht zählt, die kein Maß hat, die sich verzehrt, die nie aufhört, wie Paulus sagt. Lassen wir uns davon berühren und verwandeln und denken wir heute darüber nach, wo wir seine Liebe für selbstverständlich genommen haben.
Ihre Magstrauss