2 Kön 17,5-8.13-15a.18; Ps 60,3-4.5 u. 12.13-14; Mt 7,1-5
2 Kön 17
5 Der König von Assur fiel über das ganze Land her, rückte gegen Samaria vor und belagerte es drei Jahre lang.
6 Im neunten Jahr Hoscheas eroberte er die Stadt, verschleppte die Israeliten nach Assur und siedelte sie in Halach, am Habor, einem Fluss von Gosan, und in den Städten der Meder an.
7 Das geschah, weil die Israeliten sich gegen den HERRN, ihren Gott, versündigten, der sie aus Ägypten, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten, heraufgeführt hatte. Sie verehrten fremde Götter,
8 ahmten die Satzungen der Völker nach, die der HERR vor den Israeliten vertrieben hatte, und folgten dem Beispiel, das die Könige von Israel gaben.
13 Der HERR warnte Israel und Juda durch alle seine Propheten, durch alle Seher: Kehrt um von euren bösen Wegen, achtet auf meine Gebote und meine Satzungen genau nach der ganzen Weisung, die ich euren Vätern geboten und euch durch meine Knechte, die Propheten, verkündet habe!
14 Doch sie wollten nicht hören, sondern versteiften ihre Nacken wie ihre Väter, die nicht auf den HERRN, ihren Gott, vertrauten.
15 Sie verwarfen seine Gesetze und den Bund, den er mit ihren Vätern geschlossen hatte, und verschmähten die Warnungen, die er an sie richtete.
18 Darum wurde der HERR über Israel sehr zornig. Er verstieß es von seinem Angesicht, sodass der Stamm Juda allein übrig blieb.
In dieser Woche hören wir weiterhin aus dem zweiten Buch der Könige. Wie in den Werktagen zuvor geht es heute um einen gottlosen König, der aber nicht ganz so schlimm wie seine Vorfahren ist. In Samaria herrscht zu jener Zeit Hoschea, der Sohn Elas. In seinen neun Jahren Regierungszeit tut er, „was böse ist in Gottes Augen“. Für uns ist so eine Wendung zumeist ein Hinweis auf Götzendienst. In den Kapiteln zuvor werden immer wieder Könige des Nordreichs aufgezählt, die gottlos regiert haben. Sie werden immer wieder mit Jerobeam verglichen, der hier als ultimativer Gottesfeind charakterisiert wird. Hoschea ist im heutigen Abschnitt also längst nicht so götzendienerisch wie Jerobeam und dessen Nachfolger. Und doch missachtet er die Gebote Gottes. Deshalb lässt dieser zu, das die Assyrer über das Land herfallen. Ganze drei Jahre belagern sie Samaria und erobern dann die Hauptstadt. Die Israeliten werden nach Assur verschleppt. Das Nordreich ist von den Assyrern eingenommen und das ist nicht allein die Schuld Hoscheas, sondern die Konsequenz der Sünde der gesamten königlichen Vorfahren (ausgenommen einige gottesfürchtige Ausnahmen). Hier wird die Begründung explizit genannt. Es liegt an dem Treuebruch gegenüber ihrem Gott, der sie aus Ägypten heraufgeführt hat. Stattdessen hat Israel (mit „Israel“ ist zu jener Zeit immer das Nordreich im Gegensatz zum Südreich gemeint, das dann mit „Juda“ betitelt wird) fremde Götter angebetet. Bevor es so weit gekommen ist, hat Gott durch seine Propheten immer wieder gewarnt – sowohl das Nord- als auch das Südreich. Doch sie haben nicht auf sie gehört, sondern „den Nacken versteift.“ Mit dieser Formulierung wird die Verstocktheit des Volkes umschrieben.
Deshalb geschieht das Drastische. Die Assyrer nehmen das Nordreich in Besitz und die Stämme werden deportiert. Nun ist nur noch Juda übrig. Dies meint nicht den Stamm Juda, sondern das Südreich, zu dem auch die Leviten gehören. So hat sich Israel die Katastrophe selbst ausgesucht. Juda wird noch ein Jahrhundert länger frei bleiben, doch dann wird es das Südreich auch treffen. Die Babylonier werden zuschlagen und sogar den Tempel zerstören. Das wird das größte Trauma darstellen.
Gott gibt immer wieder Chancen zur Umkehr, aber wir müssen bedenken, dass Gott in unserer Verstocktheit immer drastischere Maßnahmen ergreifen muss. Sonst kann er unser taub gewordenes Gewissen gar nicht erreichen. Dies gilt für das Nord- und Südreich in alttestamentlicher Zeit. Dies gilt aber auch für uns heute.
Ps 60
3 Gott, du hast uns verstoßen, du hast eine Bresche in uns geschlagen, du hast uns gezürnt – wende dich uns wieder zu!
4 Erschüttert hast du das Land und gespalten. Heile seine Risse! Denn es kam ins Wanken.
5 Hartes ließest du schauen dein Volk, du hast uns getränkt mit betäubendem Wein.
12 Bist nicht du es, Gott, der du uns verstoßen hast und nicht ausziehst, Gott, mit unseren Heeren?
13 Bring uns doch Hilfe gegen den Feind, denn die Rettung durch Menschen ist nichtig!
14 Mit Gott werden wir Machtvolles tun. Er selbst wird unsere Feinde zertreten.
Als Antwort auf die Geschehnisse der Lesung beten wir einen Klagepsalm, der durch die Pluralform als ein liturgischer Psalm zu verstehen ist. Er wird in der Gruppe gebetet, die zunächst über die Schläge klagt. Gott hat sein Volk verstoßen und die Bresche in ihn geschlagen. Das ist die Anklage, doch Gott verstößt das Volk keineswegs. Er lässt Dinge zu, damit das Volk wieder zur Besinnung kommt, doch nie denkt Gott darüber nach, seine geliebte Braut zu verlassen. Er ist der wahrhaft Treue, der an seinem Bund festhält. Sein Zorn ergeht nicht an dem Volk, weil er es aufgibt, sondern gerade, damit es zu ihm zurückkommt! Schon zur Zeit Davids züchtigt Gott auf diese Weise seinen König, weil dieser sich schwer gegen ihn versündigt hat. Er begreift zwar sehr schnell, was er getan hat, doch die Sünde hat stets ihre Folgen. Die Beter bitten Gott darum, sich ihm wieder zuzuwenden. Die Wahrnehmung der Beter ist, dass Gott das Land gespalten hat. Das entspricht der objektiven Wahrnehmung nicht. Denn gespalten haben es die Israeliten selbst durch ihre Abwendung von Gott. „Ins Wanken“ kam das Land nicht durch Gottes böse Taten, sondern durch die bösen Taten des Volkes.
Gott hat das Volk wirklich hartes schauen lassen, weil alles Andere nicht gewirkt hat. Anders kam es nicht zur Umkehr. Die Klage des Psalms geht noch weiter, sodass Gott in Vers 12 durch eine rhetorische Frage als der Verstoßer des Volkes angesehen wird.
All diese Klagen zielen darauf ab, Gott die drastische Situation vor Augen zu führen und um Hilfe zu bitten. Die Beter verstehen, dass das Unheil so übermächtig ist, dass sie mit menschlicher Kraft dieses nicht mehr abwenden können. Gott selbst wird es sein, der die Feinde besiegen wird. In Vers 14 wird das Vertrauen auf Gott deutlich, der die Gebete erhören wird.
So ist Gott. Wir haben viele Leiden und uns böse Dinge im Leben selbst zuzuschreiben, wenn auch nur teilweise. Und doch hört Gott uns geduldig an, wenn wir uns über die Situation beklagen. Er hilft uns sogar noch heraus, obwohl wir es verdient haben. Das ist die Barmherzigkeit Gottes!
Mt 7
1 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!
2 Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden.
3 Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?
4 Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken!
5 Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!
Im Evangelium geht die Bahnlesung aus der Bergpredigt weiter. Heute hören wir von dem Verbot, andere zu verurteilen. In den vergangenen Abschnitten aus der Bergpredigt haben wir gehört, warum der Mensch dafür keine Kompetenz besitzt: Das Ausschlaggebende besteht in den Absichten und innersten Regungen des Herzens. Diese können wir bei unseren Mitmenschen gar nicht einsehen. Dies kann nur Gott und so ist er der einzig Kompetente für ein gerechtes Urteil.
Jesus erklärt heute auch noch ein anderes Argument: Wir werden mit demselben Maß gerichtet werden, wie wir bei unseren Mitmenschen angewandt haben. Dieses Maß spezifiziert Jesus an anderer Stelle mit der Barmherzigkeit. Wenn wir den anderen mit Barmherzigkeit begegnen, anstatt ihn zu verurteilen, wird auch uns Barmherzigkeit entgegen gebracht werden, wenn wir vor Gott stehen. Das Problem bei der Verurteilung ist nämlich, dass wir uns zum Gerechten aufspielen, also zu jemandem, der besser ist als der zu Verurteilende. Dabei gibt es keinen Menschen, der ohne Sünde ist und somit besser als der andere anzusehen ist. Jeder Mensch sündigt, nur unterschiedlich. Wer also verurteilt, ist heuchlerisch. Jesus erklärt es anhand eines Bildes: Wer meint, den Splitter aus dem Auge des anderen ziehen zu müssen, sollte zuerst den Balken aus seinem eigenen Auge ziehen. Wir sehen auch die Verhältnismäßigkeit bei diesem Bild. Oft hängen sich Selbstgerechte an Kleinigkeiten beim Gegenüber auf und lenken von den wirklich schweren Vergehen bei sich selbst ab. Das sagt Jesus vor allem als Kritik an den selbstgerechten Pharisäern und Schriftgelehrten. Sie suchen die Splitter bei den Juden, die für die vielen Ritualgebote und menschlichen Erweiterungen stehen. Doch die göttlichen Gebote halten sie gar nicht richtig. Sie hebeln mit ihren menschlichen Geboten die göttlichen Gebote sogar noch aus. Das sind richtige Balken.
Wir fragen uns, wie man mit solch riesigen Brettern überhaupt noch die Splitter in den Augen des Gegenübers erkennen kann. Das ist wirklich ein Kunststück. Und doch ist es logisch, dass die eigenen Balken zuerst herausgezogen werden müssen, bevor man sich den Splittern des Gegenübers widmen kann. Kehren auch wir zuerst vor der eigenen Haustüre!
Auch hier müssen wir Jesu Worte richtig bewerten. Das heißt natürlich nicht, dass man sündhaftes Verhalten beim Mitmenschen nicht mehr ansprechen darf. An anderer Stelle erklärt Jesus ja sogar die einzelnen Schritte von einer Unterweisung unter vier Augen bis hin zu einer öffentlichen Anklage. Wir sollen also durchaus die Sünde kritisieren. Doch wir sollen zugleich selbstkritisch sein. Auch hier geht es wieder um die richtige Haltung: Wenn wir uns zuerst mit uns selbst auseinandersetzen und ein realistisches Selbstbild von uns haben, dann ist die Art unserer Zurechtweisungen anders: Wir werden nicht von oben herab und mit einer Selbstgerechtigkeit auf den Sünder dreinschlagen, sondern in der Weise Gottes handeln. Wir werden auf Augenhöhe mit dem anderen sprechen und barmherzig sein. Selbst wenn wir härtere Worte wählen werden, weil alles Andere an ihm abprallt, wird dies aus Liebe geschehen, nicht aus Selbstbeweihräucherung. Gott hat im Laufe seiner Rettungsaktionen auch unterschiedliche Töne angewandt. Weil die sanften Umkehrrufe der Propheten nicht gewirkt haben, musste erst eine Katastrophe wie die assyrische oder babylonische Fremdherrschaft kommen. Auch wir Menschen müssen je nach Situation auch mal ein härteres Wort anwenden, wenn alles Andere beim Gegenüber abprallt. Wichtig ist, dies dann ebenfalls als Rettungsaktion zu tun, nicht aus mangelnder Barmherzigkeit. Gott prüft auf Herz und Nieren, wie wir letzte Woche gehört haben. Prüfen wir uns auch stets selbst, damit es am Ende keine böse Überraschung gibt.
Ihre Magstrauss