Am 7,10-17; Ps 19,8.9.10.11-12; Mt 9,1-8
Am 7
10 Amazja, der Priester von Bet-El, sandte zu Jerobeam, dem König von Israel, und ließ ihm sagen: Mitten im Haus Israel hat sich Amos gegen dich verschworen; seine Worte sind unerträglich für das Land.
11 Denn so sagt Amos: Jerobeam stirbt durch das Schwert und Israel muss in die Verbannung ziehen, fort von seinem Boden.
12 Zu Amos aber sagte Amazja: Seher, geh, flieh ins Land Juda! Iss dort dein Brot und prophezeie dort!
13 In Bet-El darfst du nicht mehr prophezeien; denn das hier ist das königliche Heiligtum und der Reichstempel.
14 Amos antwortete Amazja: Ich bin kein Prophet und kein Prophetenschüler, sondern ich bin ein Viehhirte und veredle Maulbeerfeigen.
15 Aber der HERR hat mich hinter meiner Herde weggenommen und zu mir gesagt: Geh und prophezeie meinem Volk Israel!
16 Darum höre jetzt das Wort des HERRN! Du sagst: Prophezeie nicht gegen Israel und geifere nicht gegen das Haus Isaak!
17 Darum – so spricht der HERR: Deine Frau wird zur Hure in der Stadt, deine Söhne und Töchter fallen unter dem Schwert, dein Boden wird mit der Messschnur verteilt, du selbst stirbst auf unreinem Boden und Israel muss in die Verbannung ziehen, fort von seinem Boden.
Heute hören wir wieder aus dem Buch Amos. Der Ausschnitt ist dem siebten Kapitel entnommen, das eigentlich den Beginn eines Visionszyklus darstellt. Dieses verläuft bis zum neunten Kapitel. Die gehörten Verse stellen jedoch einen Einschub in diesen Zyklus dar, in welchem die Begegnung des Amos mit dem königstreuen Priester Amazja geschildert wird. Amazja stört sich an der Botschaft des Amos, die er im Nordreich Israel verbreitet. Anscheinend ist bekannt, dass er gebürtig aus dem Südreich Juda kommt, denn Amazja legt ihm nahe, dorthin zu fliehen und als Prophet zu wirken. Amos hat nämlich sehr harte Gerichtsworte gegen das Nordreich, die ihn in Schwierigkeiten bringen werden. Amazja hat seine Gerichtsworte nämlich an König Jerobeam weitergegeben, um sich über Amos zu beschweren.
Amos ist klug, denn er betont gegenüber Amazja, dass er kein Prophet oder Prophetenschüler sei, also nichts Offizielles tue. Er ist von Beruf Viehhirte und Züchter von Maulbeerfeigenbäumen. Da er als Einzelperson handelt, kann er auf diese Weise weniger belangt werden. Zugleich steht er zur göttlichen Beauftragung und nimmt auch nichts von den harten Gerichtsworten zurück. Vielmehr wiederholt er seine Botschaft, weil es nicht seine eigene Botschaft ist, sondern die Gottes:
Die Frauen werden zur Prostitution gezwungen werden, die Kinder mit dem Schwert getötet, ein Tod auf unreinem Boden vorausgesagt, also der Tod fernab des heiligen Landes, was besonders schlimm ist. Nicht bei den Vätern begraben zu werden, ist eine große Schande und ein Fluch für den Israeliten. Der „Boden wird mit der Messchnur verteilt“, ein Bild für die Auslieferung an einen Feind. Das Gottesvolk wird in ein fremdes Land verbannt. Was Amos ankündigt, ist die assyrische Verbannung des Nordreichs.
Gottes Worte sind sehr hart und die Botschaft wirklich beängstigend. Die Härte ist aber nicht da, um Angst einzujagen, sondern um wachzurütteln. Jerobeam ist ein sehr böser König, der sich gegen Gott versündigt mit Götzendienst und anderen Dingen. Deshalb ist auch die Gerichtsankündigung so harsch, um überhaupt zu ihm und den Israeliten durchzudringen. Noch ist dies alles nicht eingetreten und es wäre eine Chance zur Umkehr, doch weil diese ausbleibt, werden die Worte des Amos eintreten. Die Assyrer werden in Israel einfallen und die Israeliten in die Verbannung schicken.
Ps 19
8 Die Weisung des HERRN ist vollkommen, sie erquickt den Menschen. Das Zeugnis des HERRN ist verlässlich, den Unwissenden macht es weise.
9 Die Befehle des HERRN sind gerade, sie erfüllen das Herz mit Freude. Das Gebot des HERRN ist rein, es erleuchtet die Augen.
10 Die Furcht des HERRN ist lauter, sie besteht für immer. Die Urteile des HERRN sind wahrhaftig, gerecht sind sie alle.
11 Sie sind kostbarer als Gold, als Feingold in Menge. Sie sind süßer als Honig, als Honig aus Waben.
12 Auch dein Knecht lässt sich von ihnen warnen; reichen Lohn hat, wer sie beachtet.
Wir beten heute einen Lobpsalm auf die Schöpfung Gottes und auf seine Weisung, also die Torah. Er passt als Antwort zu den Gerichtsworten des Amos, weil das Gericht Gottes jene erwartet, die die Torah missachtet haben. Die Gedanken des Psalms zeigen auf, warum es gut für den Menschen ist, die Gebote Gottes zu halten und warum die Missachtung der Gebote den Menschen ins Unglück stürzen.
In Vers 8 wird die Vollkommenheit der Weisung gepriesen. Sie „erquickt den Menschen“. Gott gibt keine Gebote auf, die den Menschen einschränken, belasten und unglücklich machen sollen. Es geht immer darum, dass er nur das Beste für den Menschen bereithält und genau weiß, was dieser braucht. Die Torah macht vielmehr frei und bringt dem Menschen Heil. Deshalb ist es Gottes Timing, die Gebote ausgerechnet nach dem Auszug aus Ägypten zu übergeben, das ja eine einzige Befreiungsaktion des Gottes darstellt.
„Das Zeugnis des HERRN ist verlässlich“ bezieht sich ebenfalls auf die Torah, denn das hebräische Wort עֵד֥וּת edut, das hier mit „Zeugnis“ übersetzt wird, kann auch mit „Gebot“ übersetzt werden. Es macht den Unwissenden weise, denn es ist die Schule Gottes. Gott lehrt uns und erzieht uns durch seine Gebote.
Gottes Befehle sind „gerade“ und „erfüllen das Herz mit Freude“. Gott erwartet nichts Unmögliches, bei dem man ganz überfordert ist. Die Geradlinigkeit steht für die Nachvollziehbarkeit und Machbarkeit. Sie erfüllen mit Freude, weil Gott den Menschen glücklich machen möchte. Er gibt keine tausend Gebote und Verbote. Er gibt eine überschaubare Menge an Geboten, zehn Stück, an zwei Händen abzählbar.
Gottes Weisung ist rein und erleuchtet die Augen. Sie ist ganz frei von bösen Absichten und Hinterhältigkeit. Sie ist so, dass sie den Weg vor dem Menschen erkennbar macht und dieser erkennt, wie er sich verhalten soll. Auch in Vers 10 wird mit ähnlichen Ausdrücken wiederholt, dass Gottes Weisung wahr und gerecht ist. Dort ist aber auch die Rede von der Gottesfurcht, die lauter ist. Dieses uns kaum noch geläufige Wort ist ein Synonym für „rein“ und soll verdeutlichen, dass die Gottesfurcht bei der Befolgung der Torah essenziell ist. Sie bedeutet, dass wir Angst haben, Gott zu beleidigen und damit die Beziehung zu ihm zu zerstören.
Gottes Torah ist wertvoller als Gold, weil sie uns zum ewigen Leben verhilft. Sie ist köstlicher als Honig, was als der Süßstoff schlechthin galt. Sie schmeckt süß, weil sie den Menschen erquickt (siehe oben). Gott ist ein Gott des Lebens und was er uns schenken möchte, ist ein gutes Leben voller Glückseligkeit.
Auch David bemüht sich, die Gebote zu halten, auch wenn es nicht immer klappt. Er versündigt sich sogar sehr schwer, wenn er die Ehe bricht und den betrogenen Mann absichtlich im Krieg fallen lässt. David ist der Begierde anheimgefallen, der Begierde nach der Frau eines anderen. Die Konsequenzen hat er deutlich zu spüren bekommen. Umso mehr kann er betonen, dass die Menschen auf Gottes Gebote achten sollen, damit sie ein gutes Leben haben.
Danken auch wir dem Herrn für seine Gebote, denn sie machen auch uns heute glücklich! Wir werden mit dem Segen Gottes ganz überschüttet, wenn wir uns immer um seinen Willen bemühen. Und wenn wir fallen, weil wir schwache Menschen sind, die auch nach der Taufe zum Bösen neigen, dann ist Gott noch so barmherzig, dass er uns bei aufrichtiger Reue die Schuld vergibt! Er schenkt uns sogar das Sakrament der Versöhnung, damit wir wieder rein und untadelig vor ihm stehen dürfen! Wie groß ist Gottes Gnade und wie sehr möchte er, dass wir glücklich werden!
Mt 9
1 Und Jesus stieg ins Boot, fuhr über den See und kam in seine Stadt.
2 Und siehe, man brachte einen Gelähmten auf seinem Bett zu ihm. Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Hab Vertrauen, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!
3 Und siehe, einige Schriftgelehrte dachten: Er lästert Gott.
4 Jesus wusste, was sie dachten, und sagte: Warum denkt ihr Böses in euren Herzen?
5 Was ist denn leichter, zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben! oder zu sagen: Steh auf und geh umher?
6 Damit ihr aber erkennt, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, auf der Erde Sünden zu vergeben. Darauf sagte er zu dem Gelähmten: Steh auf, nimm dein Bett und geh in dein Haus!
7 Und der Mann stand auf und ging in sein Haus.
8 Als die Leute das sahen, erschraken sie und priesen Gott, der solche Vollmacht den Menschen gegeben hat.
Im Evangelium kommt Jesus wieder in seine Stadt. Aus den parallelen Stellen in Mk und Lk wissen wir, dass damit Kafarnaum gemeint ist, das eine Art „Basis“ in der Galiläa-Mission darstellt. Der genaue Aufenthaltsort bleibt unbestimmt, aber wir können vermuten, dass es wieder das Haus des Petrus ist.
Man bringt einen Gelähmten auf einer Trage oder wie es hier heißt „auf seinem Bett“ zu Jesus. Es ist bemerkenswert und wird schnell überlesen, aber Jesus erkennt den Glauben der Begleiter dieses Mannes, nicht den Glauben des Gelähmten selbst. Weil seine Begleiter fest daran glauben, dass Jesus ihn heilen kann, sagt dieser zum Mann: „Hab Vertrauen, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“ Dies ist eine unerwartete Bemerkung, denn eigentlich kommen sie zu Jesus, damit er seine Lähmung heilt. Was Jesus uns damit aber sagen möchte: Das allererste, was geheilt werden muss, ist unser seelischer Zustand. Und oft sind auch die Übel unseres Lebens auf die Sünde zurückzuführen. Wenn die Sünde weggenommen ist, dann ergeht auch in anderen Lebensbereichen eine Heilung, besonders körperlicher Art.
Es ist nun so, dass eigentlich nur Gott die Sünden vergeben kann. Jesu Aussage ist also sehr provokativ für die Umstehenden, die seine Identität noch nicht begriffen haben.
Dementsprechend reagieren einige Schriftgelehrte auch mit Unmut und empfinden Jesu Worte als Blasphemie. Sie haben Jesu Gottheit nicht erkannt und reagieren deshalb so ablehnend. Jesus sieht ihr Herz und möchte sie lehren. Er erklärt ihnen, dass die Sündenvergebung schwieriger ist als die körperliche Heilung. Hier geht es um etwas Existenzielleres, nämlich um das ewige Leben. Das „Land der Lebenden“ ist nicht nur das biologische Dasein und das Leben im Verheißenen Land, sondern über den jüdischen Tellerrand hinaus das Leben bei Gott und der Zustand der moralischen Unversehrtheit, die der Mensch sich nicht selbst geben kann.
Jesus möchte den Anwesenden zeigen, dass er der Messias ist, der Sünden vergeben kann. Er hat dazu die Vollmacht vom Vater erhalten. Dies ist wichtiger als alles andere, denn die Sünde schneidet uns von Gott ab, sodass wir das ewige Leben verlieren. Jesus geht es immer, wirklich immer zuerst um das Reich Gottes (so wie er es uns verkündet, lebt er es vor). Dann erst kommt als „Bonus“ körperliche Heilung – auch gerade dann, wenn diese vom seelischen Zustand des Betreffenden abhängt.
Jesus möchte diese Reihenfolge den Menschen verdeutlichen und heilt deshalb zunächst die Seele, die Gottesbeziehung des Gelähmten, und erst dann die Lähmung selbst.
Diese Heilung ist wirklich wörtlich zu nehmen. Bis heute heilt Jesus Menschen, auch Gelähmte. Darüber hinaus können wir die Lähmung des Mannes auf moralischer Ebene betrachten, ohne die wörtliche zu entkräften: Die Sünde legt den Menschen lahm. Er kann nicht mehr gegen den Bösen ankämpfen, sondern ist eigentlich ein Fall für das Lazarett. Der Böse ist aber nicht so fair und verschont ihn, sondern macht den Menschen ja gerade hilflos. Gott richtet uns auf, wenn wir das Sakrament der Versöhnung in Anspruch nehmen. Dann tut er mit unserer Seele genau das, was wir immer wieder von Jesus lesen: Er fasst uns bei der Hand und richtet uns auf. Wenn wir durch die Beichte wieder mit Gott versöhnt sind, sagt er zu uns „geh nach Hause“, das heißt zurück in die Gemeinschaft der Kirche. Und wenn wir im Stand der Gnade sterben, kann Gott auch uns am Ende unseres Lebens sagen: „Geh nach Hause“, nämlich zu ihm in sein himmlisches Reich.
Der Gelähmte und seine Angehörigen beweisen ihren großen Glauben durch ihr Verhalten. Sie haben wirklich die Sehnsucht und trauen Christus zu, dass er den Gelähmten heilen kann. Nehmen wir das unbedingt ernst! Gott kann seine Gnade anderen erweisen durch unseren Glauben! Wir können also auch anderen damit helfen, dass wir Gott alles zutrauen und entsprechend handeln.
Heute hören wir davon, wie glücklich uns ein Leben nach Gottes Geboten macht, ja sogar von unserer Lähmung befreit, zugleich ein Leben gegen Gottes Gebote uns ins Verderben stürzt, wenn wir an Jerobeam und das Nordreich Israel denken. Es liegt an uns, so wie Mose es in seiner Abschiedsrede in Deuteronomium sagt: Segen und Fluch lege ich dir vor, wähle also das Leben!
Ihre Magstrauss