Donnerstag der 14. Woche im Jahreskreis

Hos 11,1-4.8a.c-9; Ps 80,2acu. 3b.15-16; Mt 10,7-15

Hos 11
1 Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb, ich rief meinen Sohn aus Ägypten.
2 Je mehr man sie rief, desto mehr liefen sie vor den Rufen weg: Den Baalen brachten sie Schlachtopfer dar, den Götterbildern Räucheropfer.
3 Ich war es, der Efraim gehen lehrte, der sie nahm auf seine Arme. Sie aber haben nicht erkannt, dass ich sie heilen wollte.
4 Mit menschlichen Fesseln zog ich sie, mit Banden der Liebe. Ich war da für sie wie die, die den Säugling an ihre Wangen heben. Ich neigte mich ihm zu und gab ihm zu essen.
8 Wie könnte ich dich preisgeben, Efraim, wie dich ausliefern, Israel? Gegen mich selbst wendet sich mein Herz, heftig entbrannt ist mein Mitleid.
9 Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken und Efraim nicht noch einmal vernichten. Denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte. Darum komme ich nicht in der Hitze des Zorns.

Gestern haben wir davon gehört, dass Gott seinem Volk alles gegeben hat, sodass es ein üppiger Weinstock war. Doch es hat ihn mit Götzen betrogen und so begann sein Untergang mit allerlei Zerstörung und Verlust.
Im heutigen Abschnitt aus dem Buch Hosea erinnert sich Gott bzw. erinnert er sein Volk an die „guten alten Zeiten“ und daran, wie der Abwärtstrend seinen Anfang nahm. Die Gottessprüche Hoseas sind wie ein einziges Plädoyer Gottes, wie ein Krisengespräch zwischen zwei Liebenden.
Israel wird bei der heutigen Rückschau zunächst nicht als Braut, sondern als Sohn angesehen. Dahinter steht die Heilsgestalt Jakob, der von Gott den Namen Israel erhalten hat und den Vater der zwölf Stämme Israels darstellt. Diesen gewann Gott in seinen jungen Jahren lieb, das heißt als es noch nicht so lange bestand. Gott rief ihn aus Ägypten, er befreite ihn aus der Sklaverei der Ägypter.
Doch die Nachkommen (nun im Plural ausgedrückt) hörten irgendwann nicht mehr auf die Stimme Gottes. Vielmehr liefen sie vor ihr weg. Das meint weniger ein lokales Wegrennen als vielmehr die innerliche Entfremdung von Gott im von ihm verheißenen Land. Sie verehrten die Baale und brachten den Götzen zahlreiche Opfer dar.
Gottes Plädoyer setzt sich fort und die Stämme des Nordreiches, um die es hier geht, werden kurz als „Efraim“ bezeichnet. Eigentlich handelt es sich dabei nur um einen Teilstamm (Efraim und Manasse teilen sich den Stamm Josefs), doch die zehn Stämme des Nordreichs werden bei Hosea in ihrer Gesamtheit oft „Efraim“ genannt. Gott lehrte Efraim also das Gehen und trug es in seinen Armen. Gottes Zärtlichkeit ist den Israeliten so sehr erwiesen worden, was auch durch die Formulierung „die den Säugling an ihre Wangen heben“ deutlich wird. Doch es hat sein Heil nicht wertgeschätzt. Gott hat es mit den Banden der Liebe gezogen und es gehegt und gepflegt. Efraim ist Gott so unendlich wertvoll, dass er durch den Propheten Hosea nun sagt: „Wie könnte ich dich preisgeben, Efraim, wie dich ausliefern, Israel?“ So kostbar ist ihm sein auserwähltes Volk. Gott hat Mitleid mit ihm, das nun so sehr an den Konsequenzen der eigenen Sünde leiden muss. Seine Barmherzigkeit ist so groß, dass er es nicht einfach vernichten kann, obwohl es das verdient hätte. Gott ist Gott und nicht Mensch. Er ist absolut gerecht, aber auch absolut barmherzig. Er lässt sich nicht von Emotionen überwältigen und handelt nicht durch unverhältnismäßige Affekte. Gott ist der Heilige. Und er handelt heilig.
Was wir hier lesen, ist sehr wichtig. Oft schließen wir von unserem menschlichen Zorn auf Gottes Zorn. Das ist irreführend, weil bei Gott alles kontrolliert ist, weil er sich nicht von Emotionen leiten lässt, sondern „Zorn“ heißt bei ihm „in seinem Gerechtigkeitssinn angemessen reagieren“. Gott ist nicht launenhaft, sondern heilig.

Ps 80
2 Du Hirte Israels, höre, der du auf den Kerubim thronst, erscheine.
3 Wecke deine gewaltige Kraft und komm zu unserer Rettung!
15 Gott der Heerscharen, kehre doch zurück,/ blicke vom Himmel herab und sieh, sorge für diesen Weinstock!
16 Beschütze, was deine Rechte gepflanzt hat, und den Sohn, den du dir stark gemacht!

Psalm 80 ist durch und durch von der Messiassehnsucht durchtränkt, die uns gestern in der Hosealesung bereits angedeutet worden ist. Es ist ein einziger Ruf nach Gottes Kommen. Man sieht es sprachlich anhand der vielen Imperative wie „höre“, „erscheine“, „wecke“, „kehre doch zurück“, „blicke herab“, „sieh“, „sorge“ etc. Die Menschen schreien zu Gott und dieser erhört sie. Er wird seinen Sohn schicken. Er hört, er blickt herab und sieht. Er erscheint als kleines Kind in einem Stall, er sorgt wie ein Hirte für seine Herde und sagt über sich „ich bin der gute Hirte“ und „ich bin der Weinstock“. Wir beten diesen Psalm aus der Perspektive der Gebetserhörung und zugleich mit Blick auf sein zweites Kommen. So beten auch wir „kehre doch zurück“ und „komm zu unserer Rettung“. Mit Blick auf das Volk Israel unter der Herrschaft der Assyrer ist es ein Schrei um Befreiung und Vergebung.
Es ist bemerkenswert, wie hier bestimmte Metaphern verwendet werden, die später Jesus aufgreift. Dies zeigt erneut die pädagogische Sensibilität Gottes, denn Jesus greift das auf, was Tradition ist, was bekannt ist. Es verschafft den frommen Juden einen Aha-Effekt nach dem anderen. Wir erkennen diese überwältigenden Querverweise nicht so intensiv wie diejenigen, die ganz mit den Psalmen und dem AT lebten, die die Schriften durch und durch auswendig kannten, die in ihnen dachten. Der Weinstock ist ein absolut traditionelles Bild. Ebenso verhält es sich mit dem Bild des Hirten für Gott. Wenn Jesus von sich aus sagt, dass er der gute Hirte sei, deutet er für die Juden verständlich an, dass er Gott ist! 
Wir können uns sehr gut vorstellen, wie das Volk um Gottes Rettung und Beistand in Zeiten der assyrischen Fremdherrschaft schreit. Gott, der auf den Kerubim thront, ist ein typisches Bild, das Gottes absolute Transzendenz und seine Herrlichkeit umschreibt. Dazu gehört auch sein Blick vom Himmel herab. Seine Gegenwart ist in der Ewigkeit, von der aus er das Geschehen des Diesseits beobachtet.
Gottes gewaltige Kraft, die alles vermag, soll das Volk nun retten, das in Bedrängnis geraten ist. Der üppige Weinstock, der von Gott immer so liebevoll umsorgt worden ist, soll nun vor der Zerstörung bewahrt werden. Die Israeliten appellieren an ihre Beziehung mit Gott, damit sich bei ihm Mitleid regt. Insofern ist der Psalm komplementär zur Lesung zu verstehen: Beide Texte ergänzen einander und zeigen unterschiedliche Perspektiven. Dies zeigt sich auch an dem Bild der Sohnschaft des Volkes gegenüber Gott. Die Israeliten erinnern Gott an die Bundespartnerschaft und an das Treueversprechen Gottes.
Auch wir dürfen Gott jederzeit um Vergebung bitten. Seine Barmherzigkeit ist so groß, dass er uns alles vergeben möchte, was wir aufrichtig bereuen und wenn wir die Umkehr wirklich ernst meinen. Wenn das Volk Israel eine neue Chance bekommen hat, nachdem es so undankbar und götzerisch gehandelt hat, dann wird Gott auch unsere Sünden vergeben, die wir uns selbst vielleicht nur schwer vergeben können.

Mt 10
7 Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe!
8 Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.
9 Steckt nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel!
10 Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab; denn wer arbeitet, ist seines Lohnes wert.
11 Wenn ihr in eine Stadt oder in ein Dorf kommt, erkundigt euch, wer es wert ist, euch aufzunehmen; bei ihm bleibt, bis ihr den Ort wieder verlasst.
12 Wenn ihr in ein Haus kommt, dann entbietet ihm den Gruß.
13 Wenn das Haus es wert ist, soll euer Friede bei ihm einkehren. Wenn das Haus es aber nicht wert ist, dann soll euer Friede zu euch zurückkehren.
14 Und wenn man euch nicht aufnimmt und eure Worte nicht hören will, geht weg aus jenem Haus oder aus jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen!
15 Amen, ich sage euch: Dem Gebiet von Sodom und Gomorra wird es am Tag des Gerichts erträglicher ergehen als dieser Stadt.

Gestern hörten wir davon, dass Jesus seinen Zwölferkreis beruft. Die Apostel werden namentlich aufgezählt. Sie sollen als Arbeiter im Weinberg des Herrn arbeiten. Der Weinberg, der Weinstock, das Pflanzen – all diese Elemente stellen den roten Faden dieser Tage dar. Dieses Bildfeld ist vor allem für die Endzeit und die Evangelisierung verbreitet.
Heute geht es um die Worte, die Jesus ihnen noch mit auf den Weg gibt.
Sie sollen das unmittelbar bevorstehende Himmelreich verkünden. Was Jesus ihnen aufträgt, ist die Nähe Gottes bei den Menschen,  das angebrochene Reich Gottes und die bevorstehende Endzeit zu verkünden. Dieses Reich ist ganz eng mit der Person Jesu Christi verknüpft. Durch die Menschwerdung Gottes ist das Reich selbst zu ihnen gekommen. Gott ist mitten unter ihnen und den Menschen deshalb sehr nahegekommen!
Jesus beauftragt seine Apostel zu verschiedenen Heilstaten, die einerseits die körperlichen Leiden, andererseits die seelischen Leiden beenden sollen. Die Apostel sollen sogar Totenerweckungen vornehmen. Die hier aufgezählten Wunder sind messianische Zeichen, an denen die Israeliten erkennen sollen: Ja, das Reich Gottes ist wahrhaft angebrochen! So lange haben wir auf den Messias gewartet, nun ist er da, sonst würden seine Zeichen nicht geschehen!
Bei der Evangelisierung sollen die Apostel sich von der Vorsehung Gottes leiten lassen. Das absolute Gottvertrauen soll ihr einziges Gepäck sein: Deshalb sollen sie keine Vorräte mitnehmen, keine Wechselkleidung oder Schuhe. Sie sollen auf jeglichen Komfort verzichten, deshalb ohne Wanderstab und barfuß umherziehen. Sie sollen darauf vertrauen, dass sie von anderen Menschen aufgenommen und versorgt werden.
Ihnen soll es zuerst um das Reich Gottes gehen, alles Andere wird ihnen dazugegeben. Dadurch vollziehen die Apostel für die Menschen eine prophetische Zeichenhandlung. So wie Jesus alles, was er verkündet, auch an seinem Leben verdeutlicht, so sollen seine Nachfolger ebenfalls an ihrer Lebensführung das Verkündete lebendig werden lassen. So können die Menschen an ihrer Person das Gesagte ablesen und werden es als authentisch annehmen. Ihre Botschaft soll nämlich sein: „Das Reich Gottes ist nahe“. Und aus dem Grund sollen sie schon so auftreten, als seien sie mit mindestens einem Bein bereits in der Ewigkeit. Die weltlichen Güter sollen sie nicht von der Ewigkeit ablenken, die ihre bereits auf Erden neue Lebensweise bestimmt. Sie sollen eschatologisch auftreten.
Sie sollen zudem in dem Haus bleiben, in das sie einkehren. Das soll heißen, dass sie nicht schauen sollen, wo es angenehmer ist. Sie sollen dankbar annehmen, was ihnen angeboten wird.
Wenn man sie an dem Ort aber nicht annimmt, also ihre Botschaft nicht annimmt, sollen sie diesen Ort verlassen. Sie sollen als Zeichen gegen die Ablehner den Staub von ihren Schuhen abschütteln. Das heißt einerseits, sie sollen nicht mehr zurückschauen oder sich an den Ort gebunden fühlen. Wenn man sie nicht möchte, sollen sie stattdessen dorthin gehen, wo das Evangelium angenommen wird. Dieses Abschütteln des Staubs hat noch eine andere Bedeutung, die uns heutzutage nicht mehr so vor Augen steht. Es war nämlich eine Geste der Gerichtsankündigung. Damit wird also ausgesagt: Ihr sollt das Richten Gott überlassen, der mit ihnen tun wird, wie er es für richtig hält. Ihr sollt nicht verurteilen, sondern es Gott überlassen. Nehmt den Segen/Frieden mit zu jenen, die ihn annehmen. Und dieses Gericht wird schlimmer sein als in den Tagen von Sodom und Gomorrha. Jetzt ist Gott selbst nämlich Mensch geworden und wirbt um sie. Wenn sie ihn dann trotzdem ablehnen, obwohl er so offensichtliche Zeichen getan hat, wird sie ein strengeres Gericht erwarten.

Heute hören wir sehr viel von Gottes Werben um seine geliebten Kinder. Sowohl damals in Zeiten assyrischer Fremdherrschaft als auch schon zu Davids Zeiten als auch zu Jesu Zeiten tut Gott alles, um die Liebe seines Volkes zu erhalten. Er schickt sogar seine Jünger aus, um so viele Menschen wie möglich mit dieser Liebe zu berühren. Und in all den Texten heute hören wir davon, dass die Ablehnung der Liebe Gottes drastische Konsequenzen haben kann. Sie schadet uns letztendlich selbst. Gott appelliert auch heute an unsere Gegenliebe. Wie antworten wir darauf?

Ihre Magstrauss

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