Jer 14,17b-22; Ps 79,5 u. 8.9.11 u. 13; Mt 13,36-43
Jer 14
17 Meine Augen fließen über von Tränen bei Nacht und bei Tag und finden keine Ruhe. Denn einen großen Zusammenbruch erlitt die Jungfrau, die Tochter, mein Volk, eine unheilbare Wunde.
18 Gehe ich aufs Feld hinaus – siehe: vom Schwert Durchbohrte! Komme ich in die Stadt – siehe: vom Hunger Gequälte! Ja, auch Prophet und Priester ziehen in ein Land, das sie nicht kennen.
19 Hast du denn Juda ganz verworfen, wurde dir Zion zum Abscheu? Warum hast du uns so geschlagen, dass es für uns keine Heilung mehr gibt? Wir hofften auf Heil, doch kommt nichts Gutes, auf die Zeit der Heilung, doch siehe: nur Schrecken!
20 Wir erkennen, HERR, unser Unrecht, die Schuld unsrer Väter: Ja, wir haben gegen dich gesündigt.
21 Um deines Namens willen verschmäh nicht, verstoß nicht den Thron deiner Herrlichkeit! Gedenke! Brich nicht deinen Bund mit uns!
22 Gibt es etwa Regenspender unter den Götzen der Völker? Oder ist es der Himmel, der von selbst regnen lässt? Bist nicht du es, HERR, unser Gott? Wir setzen unsre Hoffnung auf dich; denn du hast dies alles gemacht.
Die Drastik der prophetischen Worte Jeremias nehmen von Tag zu Tag zu. So lesen wir heute eine Botschaft Gottes an Juda, die seine Reaktion auf die Klage des Volkes darstellt. Er lässt sich von ihren unaufrichtigen Worten nicht mehr beeindrucken. Auf die Nachfrage Jeremias nach den tröstlichen Worten der anderen Propheten hin stellt Gott klar: Sie reden den Menschen nach dem Mund, aber ich habe sie nicht beauftragt. Sie werden ihre Strafe für die falschen Prophetien erhalten. Vielmehr soll Jeremia dem Volk die Worte sagen, die wir heute hören:
„Meine Augen fließen über von Tränen“ sowie „keine Ruhe“ sind deutliche Zustände fern von Gottes Segen. Wo Gott ist, da ist Freude und da kommt das Herz des Menschen zur Ruhe. Doch hier ist das Gegenteil der Fall, „denn einen großen Zusammenbruch erlitt die Jungfrau, die Tochter, mein Volk, eine unheilbare Wunde.“ Jeremia soll also die traumatische Erfahrung Judas ankündigen, wenn Nebukadnezzar Jerusalem und den Tempel zerstören lässt und die Bewohner deportiert. Das ist eine so tiefe Wunde, dass nur noch Tränen fließen. Die Jungfrau und Tochter ist ein Bild für Israel bzw. in diesem Fall Juda.
Der Zeuge des Unheils wird auf dem Feld Erstochene sehen, die durch das Schwert umgekommen sind, und in der Stadt die Hungersnot bezeugen. Priester und Propheten, die den Übriggebliebenen Trost spenden könnten, sind deportiert worden.
Wer hier spricht? Es ist wie aus der Sicht des Jeremia oder eines anderen Propheten formuliert. Gott selbst wird eher nicht gemeint sein, denn dieser wird in Vers 19 direkt angesprochen: „Hast du denn Juda ganz verworfen, wurde dir Zion zum Abscheu?“ Die Klage wird groß sein und wie bis heute die Frage nach dem Warum gestellt: „Warum hast du uns so geschlagen, dass es für uns keine Heilung mehr gibt? Wir hofften auf Heil, doch kommt nichts Gutes auf die Zeit der Heilung, doch siehe: nur Schrecken!“ Die Frage ist rhetorisch gemeint, weil im nächsten Vers die eigene Sündenschuld klar benannt wird. Die Frage dient der Reflexion, insbesondere durch uns, die wir diese Episode hören und lesen: Warum ist das passiert? Wir haben die letzten Tage und Wochen immer wieder davon gehört, dass Gott Propheten mit Warnungen und Umkehrrufen zu seinem Volk geschickt hat. Er hat immer wieder Gerichtsankündigungen übermittelt, eine Strafe, die sehr drastisch und schmerzhaft sein wird, wenn sie nicht sofort umkehren. Doch irgendwann ist es zu spät und wer nicht hören will, muss fühlen. Gott ist kein Sadist, sonst hätte er sein Volk einfach ins offene Messer laufen lassen. Er wollte nicht, dass das passiert, aber das Herz Judas war so weit weg von ihm, verstrickt in tiefsten Götzendienst, dass ihm nichts anderes übrig blieb.
Und wenn das alles dann so gekommen ist und die Klage laut ist, werden die Bewohner Judas sagen: „Wir erkennen, HERR, unser Unrecht, die Schuld unsrer Väter: Ja, wir haben gegen dich gesündigt.“ Dann werden sie ihre Sünden laut bekennen und Gott um Vergebung bitten. Wie sehr werden sie sich gewünscht haben, die Zeit zurückdrehen zu können, um damals schon auf die Warnrufe der Propheten zu hören! Doch der Schaden ist dann entstanden. So werden sie dann inmitten ihrer Trümmer Gott um Verzeihung bitten und rufen: „Um deines Namens willen verschmäh nicht, verstoß nicht den Thron deiner Herrlichkeit! Gedenke! Brich nicht deinen Bund mit uns!“ Sie werden an seine unendliche Treue appellieren und Gott anflehen, seine Gegenwart auf Erden nicht hinwegzunehmen. Mit der Zerstörung des Tempels wohnt Gottes Herrlichkeit ja nicht mehr auf Erden. Das ist ein ganz großes Trauma für die Hinterbliebenen, denn daran erkennen sie, dass Gottes Warnrufe nun wirklich wahr geworden sind und er es wirklich ernst meint. Er hat sogar sein Zelt abgebaut und Zion „verlassen“.
Sie werden ihn zu überzeugen versuchen, indem sie die Götzen als Götzen anerkennen. Diese sind nicht Gott und können deshalb keinen Regen spenden. Selbst der Himmel ist es nicht, der entscheidet, Regen auf die Erde herabregnen zu lassen. Es ist Gott allein, der das alles steuert. Sie werden dann mit aller Deutlichkeit bekennen, dass Gott der Schöpfer ist und alles beherrscht. Dann werden sie aufhören, auf ihre Götzen zu setzen.
All das soll Jeremia Juda verkünden, damit sie verstehen, dass sie JETZT umkehren und die Götzen aus ihrer Mitte entfernen sollen. Sonst werden sie es sein, die so heulen und bereuen werden. Auch Christus hat in seiner Verkündigung ganz drastische Gerichtsworte gesprochen, und das nicht selten. Er hat dies nicht getan, um Angst einzujagen, sondern um die Menschen zur Umkehr zu bewegen. Wenn auch wir die Rede von der Hölle hören, sollen wir nicht einfach sagen: „Ach, das hat man früher gelehrt, damit die Menschen kontrollierbar sind, aber die Hölle gibt es nicht. Gott ist die Liebe, da passt das mit der Hölle doch gar nicht zusammen.“ Denn nicht daran zu glauben, schützt uns nicht vor ihr. An Gott festzuhalten und sich stets um die Gebote Gottes zu bemühen, das rettet uns davor. Selbst wenn wir scheitern, aber dann bereuen und von vorne beginnen, müssen wir keine Angst vor der Hölle haben. Dort kommt nur der hin, der bis zum Schluss aus freien Stücken Nein zu Gott sagt.
Ps 79
5 Wie lange noch, HERR? Willst du für immer zürnen, wird brennen wie Feuer dein Eifer?
8 Rechne uns die Schuld der Vorfahren nicht an! Mit deinem Erbarmen komm uns eilends entgegen! Denn wir sind sehr erniedrigt.
9 Hilf uns, Gott unsres Heils, um der Herrlichkeit deines Namens willen! Reiß uns heraus und vergib uns die Sünden um deines Namens willen!
11 Das Stöhnen des Gefangenen komme vor dein Angesicht! Durch deinen mächtigen Arm erhalte die Kinder des Todes am Leben.
13 Wir aber, dein Volk und die Herde deiner Weide, wir wollen dir danken auf ewig, von Geschlecht zu Geschlecht dein Lob verkünden.
Der heutige Psalm ist ein Bittgebet und ein Flehen, das ganz in die Situation des Volkes im babylonischen Exil passt.
„Wie lange noch, HERR?“ Ist ein typischer Ausdruck, den wir vor allem in Klagepsalmen lesen.
„Willst du für immer zürnen, wird brennen wie Feuer dein Eifer?“ Diese Frage können wir als rhetorische Frage bewerten, denn anhand von prophetischen Schriften wie denen des Jeremia ist klar, dass auch die schweren Schicksalsschläge nicht ewig andauern.
Dann wird etwas gesagt, das die Haltung der Bewohner Judas erklärt, wie sie schon bei Jeremia angekündigt wird: „Rechne uns die Schuld der Vorfahren nicht an!“ Das ist eine tiefe Wahrheit, die auch heutzutage gerne ignoriert wird. Wir müssen die Konsequenzen der Sünde unserer Vorfahren mittragen. Das hat nichts mit Reinkarnation zu tun, sondern hängt mit der Natur der Sünde zusammen. Diese hat Generationen übergreifende Auswirkungen. Aber so wie wir unter den Vergehen unserer Eltern, Großeltern etc. zu leiden haben, können wir auch als ihre Nachkommen stellvertretend für sie Gott um Verzeihung bitten. Das ist sogar ganz wichtig und notwendig! Wir wissen nicht, ob sie immer noch dafür im Fegefeuer büßen müssen, und können so ihre Zeit im Fegefeuer verkürzen. Ein wenig Ahnenforschung ist dann absolut nützlich, weil wir so ihrer offensichtlichsten und größten Sünden gewahr werden (wenn es zum Beispiel einen Mord gab oder einen großen Streit, der öffentlich bekannt wurde, den man sogar in der Zeitung lesen konnte, der vielleicht bekannt wurde, weil die Personen berühmt sind). So können wir zumindest für diese bewusst um Vergebung bitten.
„Hilf uns, Gott unsres Heils“ – ja, Gott ist ein Gott, der nur das Heil für uns bereithält! Er ist es nicht, der uns dieses Unheil schickt, in dem wir uns befinden. Er ist allein der Gute. Alles Böse kommt vom Bösen und was uns Schlimmes widerfährt, haben wir sehr oft uns selbst zuzuschreiben. Dann sind es die Konsequenzen unserer falschen Entscheidungen. Gott ist aber so groß und barmherzig, dass er uns noch aus diesen selbstgemachten Katastrophen herausholt, obwohl wir sie eigentlich rein rechnerisch gesehen verdient haben. „Reiß uns heraus“ dürfen dann auch wir zu Gott rufen. Aber dann sollen wir ihm zugleich unsere Aufrichtigkeit zeigen, indem wir gleichzeitig sagen: „vergib uns die Sünden“.
Gott ist nicht gleichgültig gegenüber unserem Leiden. Es ist nicht sein Wille, dass wir leiden müssen. Er hat das Schreien seines Volkes in Ägypten gehört und er hört es auch im babylonischen Exil. Er hört auch unser Schreien, unser Stöhnen, die wir gefangen sind – im Gefängnis unserer eigenen Sünden. Er lässt zu, dass wir die schmerzhaften Konsequenzen unserer Sünden tragen müssen, aber danach neu anfangen können.
Gott erhört unser Gebet, vor allem wenn es durch und durch reumütig und aufrichtig ist. So können wir am Ende Gott für seine Rettung danken, wie es hier in Vers 13 geschieht: „Wir wollen dir danken auf ewig.“ Und wenn es dann heißt „von Geschlecht zu Geschlecht dein Lob verkünden“, hat das in diesem Kontext eine besondere Wirkung: Durch die Vergebung unserer Vorfahren können auch diese dann ganz bei Gott sein und ihn auf ewig preisen. Gott ist groß. Er möchte unser Heil und tut alles dafür, dass wir zu ihm umkehren. Denn wir können nur dann glücklich sein, wenn wir bei ihm sind, wenn wir auf seinen Wegen gehen und nach unserem Tod dann ewig bei ihm im Himmel sind. Damit er uns das Heil schenken kann, muss er zuvor das Gericht bringen. Denn bei ihm hat nichts Böses Platz.
Mt 13
36 Dann verließ er die Menge und ging in das Haus. Und seine Jünger kamen zu ihm und sagten: Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker!
37 Er antwortete: Der den guten Samen sät, ist der Menschensohn;
38 der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Kinder des Reiches; das Unkraut sind die Kinder des Bösen;
39 der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende der Welt; die Schnitter sind die Engel.
40 Wie nun das Unkraut aufgesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch bei dem Ende der Welt sein:
41 Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gesetzloses getan haben,
42 und werden sie in den Feuerofen werfen. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.
43 Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten. Wer Ohren hat, der höre!
Im Evangelium hören wir, wie Jesus seinen Jüngern ein wichtiges Gleichnis deutet – das Gleichnis vom Weizen und Unkraut. Zuvor hat er eine längere Gleichnisrede gehalten, in der er das Reich Gottes mit verschiedenen Bildern erklärt hat. Als Jesus und seine Jünger allein sind, fragen sie nach der Deutung des Gleichnisses vom Weizen und Unkraut. Dabei geht es um folgende Episode: Ein Bauer streut guten Samen auf seinen Acker, doch in der Nacht kommt sein Feind und sät ein Unkraut darauf. Das fällt aber erst auf, als die Saat zu wachsen beginnt. Das Problem ist, dass man das Unkraut nicht ausreißen kann, ohne den Weizen mit auszureißen. So trägt der Bauer seinen Knechten auf, bis zur Ernte zu warten und dann beides abzuernten und voneinander zu trennen. Der Weizen soll in die Scheune gebracht, das Unkraut aber im Feuer verbrannt werden.
Jesus deutet das Gleichnis christologisch: Er selbst ist der Gutsherr des Ackers, der den Samen ausstreut, also das Wort Gottes. Er ist mit diesem so innigst verbunden, dass man schon sagen kann: Er streut sich selbst aus, weil er ja das fleischgewordene Wort Gottes ist. Weizen und Unkraut meint die Kinder des Reiches und die Kinder des Bösen. Am Ende der Zeiten wird Jesus wiederkommen, das heißt zur Ernte. Und seine Schnitter, die die Ernte vornehmen werden, sind die Engel, die er aussenden wird. Das ist eine eschatologische Vorstellung aus dem Judentum, die wir in den apokalyptischen Texten des Alten Testaments sowie des Neuen Testaments nachlesen können. Der Teufel ist der Unkraut säende Feind und das Feuer die Hölle.
Dieses Gleichnis könnte man nach dem vierfachen Schriftsinn auch noch vertiefen, was Jesus seinen Jüngern nicht zumutet. Der Gutsherr ist Gott selbst, der die Welt erschafft. Der Acker ist die Welt. Der Same sind die Geschöpfe. Der Feind ist der Satan und das Unkraut ist die Sünde. Er möchte Gottes gute Schöpfung sabotieren, damit das ganze Getreide am Ende nicht in die Scheune kommt, die das Himmelreich ist, sondern verbrannt wird, was die Hölle meint. Gott könnte nun alles ausreißen, das heißt alles zunichte machen, damit die Sünde nicht mehr in der Welt ist. Doch stattdessen zeigt er seine unendliche Barmherzigkeit. Und nun realisieren wir die Beschränktheit von Bildern: Gott ist so langmütig und geduldig, dass er uns bis zur Ernte, das heißt bis zur Endzeit noch wachsen lässt und auch wenn das mit echtem Getreide und Unkraut nicht möglich ist: Wir können von Unkraut zu Getreide werden. Oder anders gesagt: Wir können unser Unkraut selbst herausreißen mit der Gnade Gottes. Dieses Ausreißen vor der Ernte ist ein Bild für die persönliche Umkehr. Gott möchte uns bis zum Schluss noch die Chance geben, zu ihm zurückzukehren und die Sünden abzulegen. Gott ist unendlich barmherzig und möchte kein Geschöpf verlieren. Wir könnten das gesamte Gleichnis auch auf moralischer Ebene deuten, dann ist es unsere eigene Seele, die weder ganz gut noch ganz böse ist. Es ist eben eine Mischung aus Weizen und Unkraut, die Gott in seiner Langmut an uns aushält und die auch wir bei unserem Mitmenschen geduldig aushalten sollen.
Jesus sagt zum Ende seiner Deutung: „Wer Ohren hat, der höre“. Das ist immer ein Aufruf zum Hinhören, statt verstockt zu sein.
Auch wenn es hier eine drastische Gerichtsrede ist, zeugt sie von Gottes unendlicher Barmherzigkeit. Jesus spricht diese Worte ja nicht, um Angst einzujagen, sondern um die Menschen zur Umkehr zu bewegen, bevor es zu spät ist. Wäre Gott herzlos, könnte er die Menschen einfach ins offene Messer laufen lassen, ohne sie vorzuwarnen. Aber das möchte er ja nicht, denn alle seine Kinder hat er liebevoll gesät, sie sind seine Früchte. Er möchte sie alle am Ende in seiner Scheune haben.
Und hier schließt sich der Kreis. Gott warnt, wie eine Mutter das Kind warnt, das auf die Straße rennt. Gott rennt hinterher, um es vor dem herannahenden Auto weg zu ziehen. Das ist Ausdruck seiner Liebe zu uns. Hören wir auf ihn, denn er möchte unser Heil, nicht unsere Zerstörung. Und je früher wir auf ihn hören und uns ändern, desto besser ist es für unser ewiges Leben.
Ihre Magstrauss