23. Sonntag im Jahreskreis (C)

Weish 9,13-19; Ps 90,3-4.5-6.12-13.14 u. 17; Phlm 9b-10.12-17; Lk 14,25-33

Weish 9
13 Denn welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen / oder wer begreift, was der Herr will?

14 Unsicher sind die Überlegungen der Sterblichen / und einfältig unsere Gedanken;
15 denn ein vergänglicher Leib beschwert die Seele / und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Verstand.
16 Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, / und finden nur mit Mühe, was auf der Hand liegt; / wer ergründet, was im Himmel ist?
17 Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben / und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast?
18 So wurden die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht / und die Menschen lernten, was dir gefällt;
19 durch die Weisheit wurden sie gerettet.

Als erste Lesung hören wir einen Ausschnitt aus dem Buch der Weisheit. Es handelt sich dabei um einige Verse aus dem Gebet Salomos um Weisheit. Wir erfahren in den Königebüchern von dem weisen König, der sich nicht Reichtum oder Macht, sondern ein verständiges Herz von Gott gewünscht hat, deshalb mit aller Weisheit ausgerüstet und mit allem Reichtum der Welt überhäuft worden ist. Sein Gebet ist auch für uns Christen von heute wichtig, denn die Weisheit, mit der wir uns an den vergangenen Werktagen sehr beschäftigt haben, als wir aus dem ersten Korintherbrief hörten, ist absolut entscheidend. Sie ist die erste Gabe des hl. Geistes, die wir in der Pfingstnovene erbitten, denn Jesaja zählt sie als erstes auf. Es geht um die Weisheit Gottes, die er dem Menschen schenkt.
Wir brauchen die Weisheit, um Gottes Plan überhaupt erkennen zu können und seinen Willen in unserem Leben zu entdecken. Alles, was der Mensch plant und denkt, was er sich vorstellt und worum er sich bemüht, ist beschränkt. Im Buch der Weisheit wird die Ratio des Menschen im Vergleich zu Gott als „einfältig“ bezeichnet. Der vergängliche Leib beschwert die Seele, ein dualistisch anmutender Satz, zusammenhängend mit philosophischen Anschauungen während der Abfassungszeit, und dennoch in der Hinsicht zutreffend, wenn wir Leib und Seele auslegen wie Paulus: Leib als Inbegriff der gefallenen Schöpfung und Geist als Inbegriff der neuen, geistlichen Schöpfung. In der Hinsicht verstellen die Folgen der Erbsünde den Menschen, sodass er auch nach der Taufe zu kämpfen hat. Der erlöste Mensch bleibt nach wie vor in dieser Welt. Das „irdische Zelt“ ist auch das Umfeld, das gesamte irdische Leben. Als dieser Welt anhaftendes Geschöpf sieht der Mensch nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Er sieht nicht, was Gott sieht. Er weiß nicht, was Gott weiß. Wir machen uns viele Sorgen, aber wir haben keinen Gesamtblick, kein Allwissen. Wir sehen, was in unserem Umfeld passiert, durch das Internet und die Medien vielleicht auch, was in anderen Regionen der Welt los ist, doch immer durch die Brille medialer Berichterstattung. Wenn es uns schon so schwerfällt, zu erkennen, was auf Erden passiert, umso schwerer fällt uns die Ergründung der Ewigkeit.
Gottes Vorsehung ist uns ein Geheimnis und nur so weit bekannt, wie er uns offenbart hat. Dass wir diese Offenbarung erkennen und verstehen können, dass wir uns überhaupt angesprochen fühlen, verdanken wir dem hl. Geist, der uns dafür öffnet.
Das hat uns letztendlich gerettet, denn der dem Untergang geweihte Mensch dank des Sündenfalls ist von den krummen Wegen der Sünde abgekommen, als Gott sich ihm nach und nach offenbart, ihm seine Gebote gegeben und auf der Höhe der Zeit selbst gekommen ist, um das Reich Gottes zu verkünden und die Menschheit zu erlösen. Durch die Weisheit in Person ist die Menschheit gerettet worden, Jesus Christus. Je mehr wir ihm gleichgestaltet werden, desto mehr wachsen wir auch in der Weisheit Gottes. Wir lernen mehr und mehr, so zu denken wie Gott, die Welt und alle Geschehnisse zu betrachten wie Gott. Je früher wir realisieren, dass wir ohne Gottes Weisheit nichts sind, desto eher kommen wir auf den richtigen Weg. Wenn wir uns einbilden, dass unsere eigene beschränkte, menschliche Weisheit ausreicht, werden wir ganz schnell in eine Sackgasse geraten.

Ps 90
3 Zum Staub zurückkehren lässt du den Menschen, du sprichst: Ihr Menschenkinder, kehrt zurück!

4 Denn tausend Jahre sind in deinen Augen wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht.
5 Du raffst sie dahin, sie werden wie Schlafende. Sie gleichen dem Gras, das am Morgen wächst:
6 Am Morgen blüht es auf und wächst empor, am Abend wird es welk und verdorrt.
12 Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.

13 Kehre doch um, HERR! – Wie lange noch? Um deiner Knechte willen lass es dich reuen!
14 Sättige uns am Morgen mit deiner Huld! Dann wollen wir jubeln und uns freuen all unsre Tage.
17 Güte und Schönheit des Herrn, unseres Gottes, sei über uns! Lass gedeihen das Werk unserer Hände, ja, das Werk unserer Hände lass gedeihn!

Als Antwort auf die sehr nachdenkliche Lesung beten wir Psalm 90. Er ist deshalb besonders, weil er Mose zugeschrieben wird. Es handelt sich um einen Klagepsalm, der die Vergänglichkeit des Menschen beklagt.
Zunächst kommen Aussagen, die uns an die Lesung erinnern, weil sie die Beschränktheit der menschlichen Weisheit betrachten.
„Zum Staub zurückkehren lässt du den Menschen, du sprichst: Ihr Menschenkinder, kehrt zurück!“ Das drückt den Kreislauf des Lebens gut aus, denn laut Schöpfungsbericht ist der Mensch ja aus dem Ackerboden geschaffen worden. Deshalb heißt er ja auf Hebräisch auch Adam. Es leitet sich von dem Wort Adamah ab, das „Ackerboden“ heißt. Der Mensch ist ganz dem Leib verhaftet, auch dem Leib der Erde.
„Tausend Jahre sind in deinen Augen wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht.“ Die Nachtwachen dauern laut jüdischer Zählung um die vier Stunden im Gegensatz zur römischen Zählung von drei. Das hängt damit zusammen, dass die Juden die Nacht in drei Phasen aufteilen. Bei Gott gibt es keine Zeit. Er lebt in der Ewigkeit und die Kategorie der Zeit gehört zum Bereich der Schöpfung. Bei Gott ist Timing also ganz anders als bei den Menschen.
Das Leben des Menschen ist schnell vorbei, es ist wie mit dem Gras, das schnell wächst, aber auch schnell verdorrt. Mose vergleicht den Tod mit dem Schlaf. Wer gestorben ist, wird wie ein Schlafender. Diese Tradition zieht sich durch die gesamte Bibel, soweit dass sogar Paulus von den Entschlafenen spricht und die Auferstehung Jesu von den Toten „Auferweckung“ genannt wird.
Mit Vers 12 erreichen wir den Kern des Psalms, denn er beinhaltet die zentrale Bitte an Gott: „Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz.“ Gott möge den Israeliten damals wie uns Christen heute die Gnade schenken, das Leben bewusst zu leben. Jesus nennt es „wachsam sein“ und nüchtern bleiben statt berauscht von der Weltlichkeit der Welt. Wir sollen immer so leben, als wäre es unser letzter Tag. Dann werden wir ihn bewusst durchleben und uns von Herzen um ein Leben nach den Geboten bemühen. Wir sollen nicht so dahinvegetieren, als gebe es kein Morgen, perspektivlos und unmotiviert. Wir sollen stets sinnerfüllt leben. Wenn Gott uns seine Weisheit schenkt, wird unser Herz weise. Diese Weisheit ist ewig und vollkommen, weil sie eine Gabe Gottes darstellt.
„Kehre doch um, HERR! – Wie lange noch? Um deiner Knechte willen lass es dich reuen!“ Gott soll nicht umkehren wie ein Mensch im Sinne einer Bekehrung von den Sünden. Gott ist vollkommen und heilig, er ist nur gut. Aber er soll sein Angesicht den Israeliten wieder zuwenden. Mose betet diese Worte wohl im Kontext eines Leidens aufgrund der Sünden des Volkes. Wir verstehen heute, dass nicht Gott sein Angesicht von uns abwendet, sondern der Mensch sich von ihm entfernt. Gott muss nichts „bereuen“, weil das eine Eigenschaft ist, die sündige Menschen haben können, nicht der heilige Gott. Das ist eine menschliche Sichtweise auf Gott, die ihrer Zeit geschuldet ist. Wir erkennen an so einer Bibelstelle, dass es auch menschliche Einflüsse gibt, viele Anthropomorphismen, Gottesbilder aus Sicht von Menschen einer bestimmten Zeit und Kultur.
„Sättige uns am Morgen mit deiner Huld“ – Gott soll dem Israeliten Segen verleihen für den Tag. Das gilt auch für uns heute. Wenn wir den Morgen mit einer guten Meinung begehen und alles im Laufe des Tages Gott zur Ehre und in seiner Gegenwart tun, dann wird es geheiligt und gereinigt. Dann erfüllt es unseren Tag mit Sinn. Dann leben wir so, dass wir die Beschränktheit unseres Lebens stets vor Augen haben. Und wenn Gottes Segen über allem steht, dann ist der Mensch zeitlebens glücklich. Von Gott hängt ab, ob das Werk unserer Hände gedeiht, Früchte trägt, etwas Gutes bringt. Wir können wirklich zusammenfassen: An Gottes Segen ist alles gelegen.

Phlm
9 Ich, Paulus, ein alter Mann, jetzt auch Gefangener Christi Jesu,
10 ich bitte dich für mein Kind Onesimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin.
12 Ich schicke ihn zu dir zurück, ihn, das bedeutet mein Innerstes.
13 Ich wollte ihn bei mir behalten, damit er mir an deiner Stelle dient in den Fesseln des Evangeliums.
14 Aber ohne deine Zustimmung wollte ich nichts tun. Deine gute Tat soll nicht erzwungen, sondern freiwillig sein.
15 Denn vielleicht wurde er deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst,
16 nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder. Das ist er jedenfalls für mich, um wie viel mehr dann für dich, als Mensch und auch vor dem Herrn.
17 Wenn du also mit mir Gemeinschaft hast, nimm ihn auf wie mich!

Heute hören wir einen Ausschnitt aus dem Philemonbrief. Dieser ist sehr kurz und besteht aus nur einem Kapitel. Philemon ist ein Mann, der seine Bekehrung wohl Paulus zu verdanken hat. Er kommt aus Kolossä und ist später dort wohl Bischof geworden. Er soll unter Kaiser Nero durch Steinigung umgekommen sein. Nach seiner Bekehrung arbeitete er offensichtlich mit am Missionswerk des Paulus und unterhielt eine Hausgemeinde.
„Obwohl ich durch Christus volle Freiheit habe, dir zu befehlen, was du tun sollst, ziehe ich es um der Liebe willen vor, dich zu bitten.“ Warum hat Paulus die Berechtigung, Philemon etwas vorzuschreiben? Wir können es uns so vorstellen, dass er Philemon zum Presbyter geweiht hat, denn Paulus‘ Apostelstatus entspricht dem Weihegrad eines Bischofs. Und in der Hierarchie steht ein Bischof höher als ein Presbyter. Es ist ja so, dass die Presbyter vor Ort (und damals waren es doch mehr Episkopen pro Gemeinde) den Episkopen, also Bischof, vertraten.
Es geht im Brief wesentlich um Onesimus, einen Sklaven. Er war früher nicht nützlich, jetzt schon. Das ist ein Wortspiel, denn „Onesimus“ bedeutet „der Nützliche“. Zuvor hat er seinem Namen also nicht gerade Ehre gemacht, jetzt ist sein Name Programm. Es ranken sich verschiedene Thesen um ihn. Womöglich hat er früher für Philemon gearbeitet, dann gab es einen Konflikt (vielleicht ist er ein flüchtiger Sklave), Paulus hat ihn dann getauft, jetzt schickt er den Mann zurück zu Philemon in der Hoffnung, dass dieser ihn wieder aufnimmt. Vielleicht ist diese Nützlichkeit aber auch auf den nichtgetauften Zustand zu beziehen. Dann ist klar, warum Onesimus jetzt nützlich geworden ist – nämlich in der Missionarbeit und im christlichen Leben der Gemeinde.
Paulus, der im Gefängnis sitzt, möchte ihn am liebsten bei sich behalten, damit er ihm diene. Doch nun schickt er ihn zurück und versucht die Trennung des Onesimus von Philemon zu deuten. Vielleicht sollte diese kurzzeitige Trennung sein, um daraufhin für immer bei Philemon zu sein.
Und weil Onesimus nun getauft ist, ist er kein Sklave mehr, sondern ein geliebter Bruder. Durch die Taufe wird er nämlich eingegliedert in die Gemeinschaft der Gläubigen, in der die sozialen Unterschiede keine Rolle mehr spielen. Paulus selbst sieht ihn längst nicht mehr als das, was er in der weltlichen Gesellschaft ist, als Sklaven.
Paulus nimmt Onesimus sehr in Schutz und versucht, so positiv wie möglich für ihn zu sprechen. Anscheinend ist wirklich etwas in der Vergangenheit vorgefallen, wodurch ein Bruch entstanden ist. Falls Onesimus nun also Schulden bei Philemon hat – was auch immer wir uns darunter vorstellen müssen – soll es Philemon auf Pauli Rechnung setzen. Das, was wir hier lesen, ist eine absolute Väterlichkeit des Apostels. So sollen sie sein, jene, die in der Hierarchie ganz oben stehen. Sie sollen die ihnen Anvertrauten mit Leib und Leben beschützen, für sie in die Bresche springen, wirklich ihr Leben für diese hingeben, wie Christus sich für seine Kirche hingegeben hat. Paulus setzt wirklich das um, was man von einem Geistlichen erwarten muss: ganz in persona Christi zu handeln, als Bräutigam für seine Braut sterben, wirklich ein alter Christus zu sein. Philemon soll Onesimus also wieder aufnehmen, wenn ihm etwas an Paulus liegt. Paulus nutzt dafür seine rhetorischen Fähigkeiten, um Philemon zu überreden. Insgesamt sehen wir an Paulus, wie man Gottes Weisheit, die einem geschenkt wird, konkret umsetzt. Er geht wahrlich weise vor, um einen Konfliktfall zwischen pastoralen Mitarbeitern oder allgemein unter Christen zu lösen.

Lk 14
25 Viele Menschen begleiteten ihn; da wandte er sich an sie und sagte:

26 Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.
27 Wer nicht sein Kreuz trägt und hinter mir hergeht, der kann nicht mein Jünger sein.
28 Denn wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und berechnet die Kosten, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?
29 Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertigstellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten
30 und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.
31 Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt?
32 Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.
33 Ebenso kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.

Im Evangelium ist Jesus von vielen Menschen umgeben und beginnt zu sprechen:
„Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein.“ Das klingt sehr provokativ, umso mehr, wenn man das griechische Wort wörtlich übersetzt mit „hassen“. Wie passt das mit dem vierten Gebot und dem Nächstenliebegebot zusammen? Dieses Geringachten meint nicht, dass Christen ihre Familien nicht mehr lieben oder verachten sollen. Genau dasselbe Missverständnis kommt auf, wenn man Jesu Worte gegenüber Maria oberflächlich versteht. Jesus meint hier vielmehr eine Hierarchie oder Priorisierung. Wer Jünger Jesu Christi sein will, muss Jesus an die erste Stelle setzen. Er ist die Nummer eins in unserem Leben. Erst dann kommt die Familie, kommen die Freunde etc. Das heißt wiederum nicht, dass Jesus die ganze Liebe abbekommt, sodass man die anderen nur noch halbherzig lieben soll. Im Gegenteil. Dadurch dass man zuerst Gott liebt und in dieser Liebesgemeinschaft aus der Liebesquelle schlechthin schöpft, empfängt man ein überwältigendes Potenzial, den Nächsten zu lieben, also die Familie, die Freunde etc. Aus der Liebe zu Gott heraus können wir unseren Nächsten heroisch lieben!
Wenn es aber zur Entscheidung kommt zwischen Christus und der eigenen Familie, aus der man stammt, soll man sich für Christus entscheiden. Wenn dieser jemanden zu einem geistlichen Beruf ruft, soll er ihm folgen und dem Reich Gottes zuliebe die Familie verlassen. Dann ist es nämlich eine „Ehe“ übernatürlicher Art. Man bindet sich ganz an Christus und seine Kirche. Und wir wissen aus Gen 2, dass die Bindung mit der Braut erst nach Ablösung vom Elternhaus geschieht.
Warum sagt Jesus das alles? Er möchte, dass die Jünger ihr gesamtes Dasein auf Christus aufbauen, der ihr Fels ist. Wie können sie seine Jünger sein, wenn sie nicht ihr ganzes Leben nach ihm ausrichten! Für sie gilt die Priorisierung besonders stark, weil sie um des Himmelreiches willen auf eine eigene Familie verzichten sollen.
Dass es ein schwerer Weg ist, verschweigt Jesus den Menschen auch nicht, denn er sagt, dass man in seiner Nachfolge ein Kreuz tragen muss. Dieses Bild kennen die Menschen ganz genau, denn die Römer richteten die Schwerverbrecher auf diese schändliche Weise hin. Sie ließen die Verurteilten mit ihrem Hinrichtungs-Instrument noch die gesamte Strecke durch die Stadt bis vor die Tore laufen, damit die Bewohner sie verspotten konnten. Es war also ein Weg der Schande, den die Jünger erwarten durften und auch heute dürfen, weil die Welt Christus weder erkennt noch die göttliche Weisheit begreift. Paulus ist diesen Weg gegangen und er hat die ganzen Strapazen auf sich genommen. Für ihn ist Christus wirklich die Nummer eins. Für ihn ist er mehrfach gesteinigt worden, hat mehrmals Schiffbruch erlitten, ist so oft beschimpft worden. Dafür sitzt er jetzt auch zur Abfassung des Philemonbriefs im Gefängnis und kümmert sich noch um das Wohl anderer.
Jesus erklärt anhand von Gleichnissen, was er sagen möchte: Wenn man einen Turm bauen will, berechnet man ja auch zuerst die Kosten und plant alles sorgfältig, sodass mittendrin nicht die Mittel ausgehen und man von den anderen über den halbfertigen Turm ausgelacht wird.
Ebenso zieht man ja nicht in den Krieg, ohne zu überlegen, mit wie viel Soldaten man loszieht, und ohne auszukundschaften, wie groß das Heer des Gegners ist. Sonst muss man ja sofort kapitulieren und um Frieden bitten.
Mithilfe dieser Bilder möchte Jesus verdeutlichen: Ihr könnt nicht aufbrechen, um meine Jünger zu sein, wenn ihr nicht zuvor die Bereitschaft habt, alles mir zuliebe zu verlassen und jedes notwendige Opfer um des Himmelreiches willen zu bringen. Wer nicht Christus als sein Fundament legt, dessen Evangelisierung ist zum Scheitern verurteilt. Was will man denn verkünden, wenn der Verkündete nicht die Mitte des eigenen Lebens darstellt? Wenn man nicht aus dessen Liebesquelle schöpft? Dann gehen einem mittendrin die Kapazitäten aus und das macht die ganze Verkündigung unauthentisch. Wir fühlen uns nun hoffentlich alle ertappt und denken an den heutigen Zustand der Kirche….wo Christus nicht mehr die Mitte der Verkündigung ist, ist es keine Verkündigung mehr. Sie bringt den Menschen nicht mehr zum Glauben, sie berührt nicht mehr die Herzen. Sie ist unfruchtbar. So sind die beiden Gleichnisse ganz bewusst gewählt. Es geht um den Bau, der die Kirche ist. Dieser Bau ist zum Einsturz vorprogrammiert, wenn Christus nicht das starke Fundament ist. Die Mittel, den Turm fertig zu bauen, erlangen die Jünger durch die Gaben Gottes, ganz besonders die Weisheit. Aus eigener Kraft gehen die Mittel schnell aus. Das Bild des Krieges ist auf die kämpfende Kirche hier auf Erden zu beziehen, die gegen die Nachstellungen des Teufels kämpft und die geistlichen Angriffe stets abwehren muss. Mit Christus als Feldheer, vor allem mit der Waffe, die er seinen Jüngern hinterlässt, kann man gegen das feindliche Heer siegen, ansonsten ist die Niederlage vorprogrammiert. Seine Waffe ist das Wort Gottes.
Jesus möchte, dass man als Jünger wirklich auf alles verzichtet, was einen daran hindert, ihm ganz nachzufolgen. Wir können dabei nicht auf den ganzen Besitz verzichten: Wir müssen irgendwie leben, haben eine Familie, um die wir uns kümmern müssen, müssen auch von etwas leben. Jesus geht es vor allem um die Geistlichen. Diese sollen wirklich so wenig wie möglich haben, weil sie schon für die Ewigkeit leben. Sie sollen wahrlich eschatologische Menschen sein. Paulus hat das wunderbar vorgelebt. Was besaß dieser Mann? Was er hatte, konnte er überall mit hinnehmen. Der eine Mantel, den er besaß, wurde ihm sogar einmal zum Verhängnis, weil er ihn in einem Ort zurückgelassen hat. Er hatte keinen festen Wohnsitz, sondern hielt sich unterschiedlich lange an Orten auf. Sein gesamter Fokus lag auf der Evangelisierung der Völker, seine ganze Liebe galt dem Herrn. Deshalb wirkte er so überzeugend und authentisch bei den Heiden, deshalb hat er viele Menschen zu Christus gebracht.

In den Sonntagslesungen geht es wesentlich um das Gute, das von Gott kommt und das wir stets erbitten müssen – seine Gnade, seine Gaben, seine Weisheit. Wenn wir nicht lernen, alles von ihm zu erlangen und dementsprechend auch unsere Evangelisierung ausrichten, wird es zu einer geistlichen Erneuerung der Kirche kommen. Sie wird neue Strahlkraft erlangen und wieder zu einem festen Bau auf Christi Fundament. Nicht nur der einzelne Christ, auch der sichtbare Teil der Kirche auf Erden ist stets der Gefahr ausgesetzt, der Welt anzuhaften, sich an den Bestrebungen der ersten, gefallenen Schöpfung anzupassen, statt durch die Weisheit Gottes die Welt zu verändern. Beten wir um geistliche Erneuerung, bemühen wir uns, das heute Gehörte in unserem eigenen Leben umzusetzen und dadurch einen Beitrag zu leisten.

Ihre Magstrauss

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