Vierter Fastensonntag (C)

Jos 5,9a.10-12; Ps 34,2-3.4-5.6-7; 2 Kor 5,17-21; Lk 15,1-3.11-32

Jos 5
9 Und der HERR sagte zu Josua: Heute habe ich die ägyptische Schande von euch abgewälzt.
10 Als die Israeliten in Gilgal ihr Lager hatten, feierten sie am Abend des vierzehnten Tages jenes Monats in den Steppen von Jericho das Pessach.
11 Am Tag nach dem Pessach, genau an diesem Tag, aßen sie ungesäuerte Brote und geröstetes Getreide aus dem Ertrag des Landes.
12 Vom folgenden Tag an, nachdem sie von dem Ertrag des Landes gegessen hatten, blieb das Manna aus; von da an hatten die Israeliten kein Manna mehr, denn sie aßen in jenem Jahr von der Ernte des Landes Kanaan.

In der ersten Lesung hören wir eine Lesung aus dem Buch Josua, einem Buch, das so eng mit den fünf Büchern Mose verbunden ist, dass man es als Fortsetzung bezeichnen kann. Es berichtet die Geschichte der Landnahme Israels und die Bewährung des Gottesvolkes inmitten des verheißenen Landes. Zum Kontext: Die Israeliten waren durch den Jordan trockenen Fußes ins verheißene Land gezogen wie ihre Väter durch das Rote Meer. Da Gott selbst unter ihnen ist in der Bundeslade, hat er das Wasser des Flusses gespalten, sodass die Menschen hindurchziehen konnten. Dieses Ereignis erschütterte die Könige des Landes. Da die derzeitige Generation noch nicht beschnitten war, nahm Josua das nun vor, ein kultischer Akt, denn damit geht ja der Bundesschluss mit Gott einher. Warum aber sind die Männer nicht beschnitten worden? Wir müssen bedenken, dass das ein Akt ist, der unter den gegebenen Umständen nicht sehr hygienisch war und für Entzündungen sorgte. Die Beschnittenen lagen danach also flach, wurden krank und mussten sich erstmal erholen. In der Hitze der Wüste hätte dieser Prozess noch länger gedauert und vielleicht wären viele daran verstorben. Über diesen praktischen Grund hinaus gibt es aber vor allem einen religiösen: Die Väter sind Gott untreu geworden, weshalb Gott selbst es so angeordnet hatte. Er wollte als Konsequenz dieser Untreue den Bundesschluss mit ihren Nachkommen hinauszögern als Zeichen der Sühne.
Dies alles trägt sich nun zu vor der heutigen Lesung. Nach der Beschneidung feiert das Volk Israel Pessach in Gilgal. Wir merken immer wieder, dass die Israeliten durch und durch ein kultisches Volk sind. Sie nehmen in jeder Lebenslage und politischen Situation die religiösen Feierlichkeiten wahr, opfern dem Herrn und singen ihm Lieder. Deshalb lassen sie es sich auch nicht nehmen, das Pessachfest zu begeben.
Gott hat bis dahin das Volk Israel mit dem Mann versorgt. Mit dem Abschluss der Feierlichkeiten endet diese Ära. Die Botschaft ist klar: Von nun an ernähre ich euch durch den Ertrag des verheißenen Landes. Gottes Vorsehung ist überwältigend. Zu seinem Timing begann die Ernährung mit dem Himmelsbrot, zu seinem Timing endete sie. Die Israeliten müssen gespürt haben: Nun beginnt eine neue Zeit.

Ps 34
2 Ich will den HERRN allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund. 

3 Meine Seele rühme sich des HERRN; die Armen sollen es hören und sich freuen. 
4 Preist mit mir die Größe des HERRN, lasst uns gemeinsam seinen Namen erheben! 
5 Ich suchte den HERRN und er gab mir Antwort, er hat mich all meinen Ängsten entrissen. 
6 Die auf ihn blickten, werden strahlen, nie soll ihr Angesicht vor Scham erröten. 
7 Da rief ein Armer und der HERR erhörte ihn und half ihm aus all seinen Nöten.

Heute beten wir einen Lobpreispsalm, der unter anderem das Thema der Lesung aufgreift:
„Ich will preisen“ ist ein typischer Psalmenbeginn – die Selbstaufforderung zum Lob. David bekundet sein „Jawort“ gegenüber Gott durch einen andauernden Lobpreis.
Mit „meine Seele“ wird das hebräische Wort נַפְשִׁ֑י nafschi übersetzt, was eigentlich viel mehr als nur die Seele meint. Das biblische Menschenbild ist nicht geteilt, sodass man sagen kann, er hat einen Körper und eine Seele. Vielmehr ist der Mensch ein Körper und eine Seele. Das hebräische Wort ist also umfassender zu übersetzen im Sinne von „mein Leben“. Es meint die gesamte Existenz des Menschen, die sich des HERRN rühmen soll. David möchte Gott in allen Lebenslagen, mit seinem ganzen Sein preisen. Er möchte das tun, was wir Menschen in der Ewigkeit dauerhaft vornehmen werden – den Lobpreis Gottes.
„Die Armen sollen es hören und sich freuen“: Warum haben die Armen einen Grund zur Freude? Wenn ein Mensch Gott mit allem preist, was er ist und hat, dann tut er dies auch durch die gelebte Nächstenliebe. Und deshalb können die Armen aufatmen, das heißt die Randständigen, Rechtlosen, die Witwen und Waisen, die Fremden und Kranken. Hier geht es um das Doppelgebot der Liebe. Je mehr jemand in Gott lebt, desto mehr gibt er sich auch für den Nächsten hin. Arm sind die Israeliten, die vierzig Jahre in der Wüste umherziehen müssen. Nun endet diese Phase jedoch. Sie dürfen endlich in dem Land leben, das der Herr ihnen verheißen hat. Der Tag der Freude ist gekommen nach einer langen Odyssee. Für die Israeliten wird deutlich: Die Zeit der Sühne ist vorbei. Zwischen dem Volk und Gott ist wieder alles gut.
Auch die Lobaufforderung in Vers 4 ist typischer Psalmenstil. Oft ist diese auch so formuliert, dass der Psalmist die ganze Schöpfung oder Bereiche der Schöpfung zum Lob auffordert.
„Ich suchte den HERRN und er gab mir Antwort“ ist, was Jesus in seiner Verkündigung aufgreift, wenn er sagt: „Wer sucht, der findet. Wer anklopft, dem wird aufgetan.“ Hier könnte man die Verbform דָּרַ֣שְׁתִּי daraschti mit „ich habe aufgesucht“ übersetzen, denn Gott antwortet dem Suchenden. Gott ist es, der auch unsere Ängste von uns nimmt. Angst ist nicht vom Hl. Geist und deshalb ist der Mut/die Tapferkeit auch eine Frucht des Hl. Geistes.
Vers 6 ist eine wunderbare Reflektion dessen, wen man eigentlich anschauen soll – nämlich Gott. Wenn man auf ihn schaut und von ihm aus dann auf die Menschen, dann ist es die richtige Haltung. Das betrifft auch das Doppelgebot der Liebe: Wir sollen unseren Nächsten lieben aus der Gottesliebe heraus.
Gott erhört die Gebete eines Armen und erlöst ihn aus seinen Nöten. Auch hier denken wir besonders an das Volk Israel, das endlich die Heimat betritt und damit auch die Gewissheit hat: Die Gemeinschaft mit Gott ist wiederhergestellt. In der Gemeinschaft mit Gott kann der Mensch alles erbitten. Dabei gibt es bei Gott kein „Nein“, nur ein „Ja“, „Anders“ oder „Später“.

2 Kor 5
17 Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
18 Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat.
19 Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er ihnen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und unter uns das Wort von der Versöhnung aufgerichtet hat.
20 Wir sind also Gesandte an Christi statt und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!
21 Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.

Als zweite Lesung hören wir aus dem zweiten Korintherbrief. Die Apostel haben die Aufgabe, Versöhnung zu schaffen. Inwiefern? Es geht in erster Linie um eine Aussöhnung jedes Menschen mit Gott. Das, was die Juden am Versöhnungstag gefeiert haben – die Bitte um Vergebung Gottes und Sühnung für die Sünden – das streben jene an, die die Menschen evangelisieren. Denn dadurch nehmen die Hörer den Glauben an Christus an, lassen sich auf seinen Namen taufen und empfangen so die vollkommene Vergebung ihrer Sünden. So werden die Apostel zu Werkzeugen der Versöhnung zwischen Gott und dem Menschen immer dann, wenn der Mensch von der Botschaft berührt wird. Das ist die erste Versöhnung, um die es jedem einzelnen Menschen zuerst gehen muss. Die Apostel tun das, was Josua in der ersten Lesung tut: Sie führen die Menschen in die Heimat – in die Bundesgemeinschaft mit Gott. Das ist allegorisch zu verstehen, indem das verheißene Land und die Kirche in eine Beziehung gesetzt werden. Das ist aber auch moralisch zu verstehen, denn die Gemeinschaft mit Gott haben wir im Stand der Gnade, den uns die Nachfolger der Apostel, die Geistlichen, durch das Sakrament der Versöhnung wieder erlangen. Auch dann kehren wir heim in unsere Heimat.
Die Apostel haben die Aufgabe, Versöhnung zu stiften, möchten dies aber auch ausdrücklich. Es ist nicht einfach eine Pflichterfüllung, sondern sie werden gedrängt von der Liebe Christi, die sie selbst erfahren haben. Paulus hat eine beeindruckende Glaubensgeschichte hinter sich. Das möchte er weitergeben. Was Christus an ihm getan hat und was er realisiert hat – Jesus ist für Paulus ganz persönlich gestorben – das möchte er allen Menschen ermöglichen. Ab der Taufe sind wir eine neue Schöpfung und zu einer geistigen Familie verbunden worden. Diese entstandene Familienbande hat Konsequenzen für unser Zusammenleben. Mitchristen sind nicht einfach Mitchristen, sondern meine Brüder und Schwestern, für die ich alles tun würde, auch sterben. Wenn sie leiden, leide ich mit, wenn ihnen das Kreuz zu schwer ist, helfe ich ihnen. Wenn sie vom richtigen Weg abkommen, setze ich mich dafür ein, dass sie wieder zurückfinden.
Wie schön ist es doch, mit Gott versöhnt zu sein! Wie wohltuend ist doch schon die Versöhnung nach einem Streit unter Menschen. Deshalb appelliert Paulus an die Korinther: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“
Zum Ende hin sagt Paulus etwas, das man missverstehen kann, was aber Pauli brillanter Rhetorik zuzuschreiben ist: Der Vater hat den Sohn zur Sünde gemacht, der keine Sünde kannte. Jesus war ohne Sünde. Daran besteht kein Zweifel. Gott hat ihm nicht die Sünde auferlegt in dem Sinne, dass Jesus gesündigt hätte, obwohl er Gott ist. Vielmehr soll das heißen, dass Jesus erstens das Kreuz auf sich nahm bzw. ans Kreuz geschlagen worden ist, dem Zeichen der Sünde schlechthin. Schließlich betrifft es die Schwerstverbrecher und die Juden gingen deshalb davon aus, wie auch in Deuteronomium festgestellt: Ein Gehenkter ist ein von Gott Verfluchter. Zweitens hat Jesus die Sünde der ganzen Welt auf sich genommen. In dieser Hinsicht ist er für uns zur Sünde geworden.

Lk 15
1 Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören.
2 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen.
3 Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und sagte:
11 Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne.
12 Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht! Da teilte der Vater das Vermögen unter sie auf.
13 Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen.
14 Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er begann Not zu leiden.
15 Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten.
16 Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.
17 Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, ich aber komme hier vor Hunger um.
18 Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt.
19 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner!
20 Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
21 Da sagte der Sohn zu ihm: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
22 Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße!
23 Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein.
24 Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein Fest zu feiern.
25 Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz.
26 Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle.
27 Der Knecht antwortete ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wiederbekommen hat.
28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu.
29 Doch er erwiderte seinem Vater: Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich dein Gebot übertreten; mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
30 Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.
31 Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein.
32 Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

Heute hören wir eines der ergreifendsten Gleichnisse, das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Jesus erzählt es deshalb, weil die Pharisäer und Schriftgelehrten auf Jesu Gemeinschaft mit den Zöllnern und Sündern mit Missgunst reagieren wie der ältere Bruder des verlorenen Sohns auf dessen Wiederkehr. Gehen wir das Gleichnis einmal von Anfang an durch:
Ein Vater hat zwei Söhne und eines Tages fordert der Jüngere sein Erbteil ein. Auch im Evangelium haben Vergebung, Sünde, Heimat und Erbe miteinander zu tun. Der Jüngere bekommt sein Erbteil und verprasst es durch ein sündhaftes Leben, bis eine Hungersnot kommt, er nichts mehr hat und ausgerechnet Schweine hüten muss – unreine Tiere für Juden. Er darf nicht mal die Schoten der Schweine essen und merkt, in welches Leben er sich durch sein Verhalten gebracht hat. Was Jesus hier schildert, ist der Verlauf eines jeden Menschen, der sein von Gott zuerdachtes Erbe nimmt und verprasst (das Erbe des Alten Bundes für die Juden, das Erbe des Neuen Bundes für uns heute). Das Ziehen in ein fernes Land ist besonders ersichtlich – wir gehen weit weg von Gott, vor allem moralisch (so wie der Sohn sündigen wir und tilgen alle Gnaden, bis nichts mehr da ist). Ohne Gott können wir aber nur eingehen wie eine Pflanze. Jesus meint im Kontext des Evangeliums mit diesem jüngeren Bruder die Sünder und Zöllner, mit denen er sich gerade abgibt, als die Pharisäer und Schriftgelehrten über ihn murren.
Der jüngere Sohn geht in sich und kehrt von seinen Sünden um. Er schämt sich so dafür, dass er bereit ist, zu seinem Vater als Tagelöhner zurückzukehren. Wir sehen an ihm die absolut richtige Haltung: in sich gehen (Gewissenserforschung), Entschluss zur Rückkehr zum Vater (Reue), Entschluss, als Tagelöhner bei ihm zu arbeiten (Buße und Vorsatz). All diese Dinge sind wichtig und entscheidend für eine gültige und gnadenreiche Beichte. Jesus möchte mit diesem Gleichnis verdeutlichen, dass die Sünder mit genau dieser Haltung zu ihm gekommen sind.
Der verlorene Sohn kehrt im Gleichnis zum Vater zurück, dieser wartet voller Sehnsucht auf ihn und sieht ihn schon von Weitem. Er läuft ihm entgegen und empfängt ihn mit offenen Armen. So ist Jesus zu den Zöllnern und Sündern im Evangelium. Er kommt ihnen mit seiner barmherzigen Liebe entgegen, was nichts von ihren Sünden relativiert, sondern sie zum nächsten Schritt ermutigt: zum Bekenntnis! So ist es nämlich auch im Gleichnis: Der Vater umfängt den Sohn mit seiner väterlichen Liebe nicht, um alles ungeschehen zu machen, was passiert ist. Er lässt ihn ausreden. Mit seiner väterlichen Liebe ermutigt er den Sohn dazu, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Und was sagt der Sohn nun? „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.“ Er bekennt ihm seine Sünden! Er spricht aus, was der Vater im Grunde schon weiß. Und erst nach diesem Bekenntnis kommt der entscheidende Schritt. Der Vater sagt: „Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße! Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein Fest zu feiern.“ Was der Vater ihm zusagt, ist die Wiedereingliederung des Sohnes zum Erben! Der Ring am Finger ist ein Zeichen dafür. Wir sehen an diesen Worten, wie Gott auch mit uns verfährt, wenn wir mit derselben Haltung und denselben Schritten zur Umkehr handeln wie der verlorene Sohn: Er wird auch uns ein neues Gewand anziehen – das Gewand der Taufe ist so ein neues Gewand und jedesmal, wenn wir beichten, reinigen wir unser verdrecktes Gewand wieder. Er steckt auch uns wieder den Ring an den Finger, das heißt auch wir werden wieder zu Erben, zu denen wir in der Taufe eingesetzt werden. Und auch wir dürfen nach dieser Versöhnung wieder ein Fest feiern, nämlich die Eucharistie, das Hochzeitsmahl des Lammes auf Erden! Was Jesus hier also primär im Evangelium sagen möchte: Diese von den Pharisäern und Schriftgelehrten beschimpften Sünder und Zöllner halten mit Jesus offensichtlich Mahl, weil sie all diese Schritte schon durchlaufen haben. Und jetzt kommt die eigentliche Pointe des Gleichnisses im Kontext des Evangeliums: Der ältere Bruder kommt im Gleichnis vom Feld und bemerkt die Feier. Als er erfährt, dass der Bruder heimgekehrt ist und der Vater ihm vergeben hat, ihm den Ring wieder angesteckt und das Mastkalb für ihn geschlachtet hat, wird er wütend. Er weigert sich, hineinzugehen und mitzufeiern. Dieser ältere Bruder steht für die Pharisäer und Schriftgelehrten, die es den umgekehrten Sündern nicht gönnen, wieder mit Gott versöhnt zu sein! Sie sehen nur, dass Gott ihnen besondere Gnaden schenkt, weil sie umgekehrt sind. Sie sehen nur, dass sie selbst diese Geschenke nicht bekommen. Aber auch jene sind Söhne des Vaters und so erzählt Jesus im Gleichnis, dass der Vater zu seinem anderen Sohn nach draußen kommt. Er redet ihm gut zu, denn auch mit ihm möchte er versöhnt sein. Dieser macht ihm Vorwürfe, weil sein Bruder barmherzig behandelt worden ist und dabei solche Dinge bekam, die nicht mal ihm, dem braven heimgebliebenen Sohn zuteil wurden. Er sieht nicht, dass er in steter Gemeinschaft mit dem Vater sein darf, alles mitbenutzen darf, direkt an der Quelle sitzt. Er denkt, dass die Gunst des Vaters vom Tun des Sohnes abhängt und versteht deshalb nicht, warum der jüngere Sohn nach solchen Vergehen so eine Feier bekommt, er selbst als Gerechter aber nicht. Der Punkt ist: Es geht nicht um den älteren Sohn, es geht nicht um eine Werksgerechtigkeit, sondern um Umkehr und Vergebung. Der ältere Bruder sieht nur, was ihm nicht gegeben wird, dass er sich nicht an seinem Bruder freuen kann. Dabei ist der jüngere Bruder sein eigenes Fleisch und Blut und war tot! Jetzt ist er aber wieder lebendig und das ist doch ein Grund zur Freude! Das ist es, was Jesus an den Pharisäern und Schriftgelehrten kritisiert – sie freuen sich nicht daran, dass die Zöllner und Sünder sich bekehren. Sie sehen auch nicht, dass sie einer Gesetzestreue verfallen sind, die nicht zielführend ist: Es muss mehr sein als nur die Treue zur Torah, es muss um stete Umkehr und Versöhnung gehen, auch für sie! Kein Mensch kann von sich behaupten, ganz vollkommen zu sein. Wir alle müssen jeden Tag immer wieder zu Gott umkehren und von vorne beginnen.
Wir wissen nicht, wie der ältere Bruder im Gleichnis reagiert. Es bleibt offen, damit die Pharisäer und Schriftgelehrten die Entscheidung selbst treffen. Und so sollen auch wir uns die Frage beantworten: Können wir uns für jene freuen, die nach so vielen Jahren in schwerer Sünde wieder lebendig werden? Es heißt nicht umsonst Todsünde, was uns den seelischen Tod bringt. Gönnen wir anderen Menschen die Barmherzigkeit Gottes? Handeln wir wie der barmherzige Vater und sind selbst so barmherzig mit jenen, die wirklich von Herzen bereuen und uns um Verzeihung bitten?

Letztendlich können wir alle uns manchmal mit dem verlorenen Sohn identifizieren. Manchmal sind wir der große Bruder. Und schließlich sind wir manchmal der Vater, der geduldig auf die Rückkehr seines Sohnes wartet. Der Kreis schließt sich. So wie die Israeliten nach der Wüstenwanderung in die Heimat kommen, ganz mit Gott ein Mahl halten, nämlich das Pessachmahl, und zuvor als Zeichen des Bundes und damit des Erbes beschnitten wurden, so kommt der verlorene Sohn, wird zum Erben wiedereingesetzt und darf Mahl halten mit seinem Vater. Beten wir für alle Menschen, die weit weg von Gott sind: Auf dass auch sie sich auf den Weg zurück machen, aufrichtig bereuen und sich vornehmen, ihr Leben umzukrempeln. Beten wir um die Gnade einer tiefen Umkehr und fangen wir bei uns selbst an. Nutzen wir die Fastenzeit für eine gute Beichte und erneuern wir unsere Bundesbeziehung mit dem Vater, damit auch wir voller Freude das Mastkalb schlachten können!

Ihre Magstrauss

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