Apg 15,7-21; Ps 96,1-2.3 u. 10; Joh 15,9-11
Apg 15
7 Als ein heftiger Streit entstand, erhob sich Petrus und sagte zu ihnen: Brüder, wie ihr wisst, hat Gott schon längst hier bei euch die Entscheidung getroffen, dass die Heiden durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und zum Glauben gelangen sollen.
8 Und Gott, der die Herzen kennt, hat dies bestätigt, indem er ihnen ebenso wie uns den Heiligen Geist gab.
9 Er machte keinerlei Unterschied zwischen uns und ihnen; denn er hat ihre Herzen durch den Glauben gereinigt.
10 Warum stellt ihr also jetzt Gott auf die Probe und legt den Jüngern ein Joch auf den Nacken, das weder unsere Väter noch wir tragen konnten?
11 Wir glauben im Gegenteil, durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet zu werden, auf die gleiche Weise wie jene.
12 Da schwieg die ganze Versammlung. Und sie hörten Barnabas und Paulus zu, wie sie erzählten, welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte.
13 Als sie geendet hatten, nahm Jakobus das Wort und sagte: Brüder, hört mich an!
14 Simon hat berichtet, dass Gott selbst zuerst darauf geschaut hat, aus den Heiden ein Volk für seinen Namen zu gewinnen.
15 Damit stimmen die Worte der Propheten überein, die geschrieben haben:
16 Danach werde ich mich umwenden und die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichten; ich werde sie aus ihren Trümmern wieder aufrichten und werde sie wiederherstellen,
17 damit die übrigen Menschen den Herrn suchen, auch alle Völker, über denen mein Name ausgerufen ist – spricht der Herr, der das ausführt,
18 was ihm seit Ewigkeit bekannt ist.
19 Darum halte ich es für richtig, den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten aufzubürden; 20 man weise sie nur an, Verunreinigung durch Götzenopferfleisch und Unzucht zu meiden und weder Ersticktes noch Blut zu essen.
21 Denn Mose hat seit alten Zeiten in jeder Stadt seine Verkünder, da er in den Synagogen an jedem Sabbat verlesen wird.
Gestern hörten wir bereits von den Streitigkeiten bei der Frage nach der Heilsnotwendigkeit der Beschneidung. Die judäer Christen befürworteten sie und sprachen sich in Antiochia bei ihrem Besuch dafür aus. Die Heidenchristen lehnen sie aber ab und so reisen Barnabas und Paulus nach Jerusalem, um die Streitfrage vor der höchsten Autorität, den Aposteln, darzulegen. Wir hörten dann davon, dass die Apostel und Ältesten gemeinsam über die Sache nachdenken. Es findet das erste Apostelkonzil statt.
Heute entfacht über die Beschneidungsfrage ein großer Streit. Wenn es hier heißt, dass er „heftig“ ist, müssen wir uns im orientalischen Kontext wirklich eine hitzige Diskussion vorstellen…da ging es richtig laut und temperamentvoll zu.
Inmitten dieser heftigen Auseinandersetzung ergreift Petrus das Wort und fungiert wieder als Vermittler und Diplomat zwischen den Parteien: Er erinnert die Anwesenden daran, dass nicht sie die Entscheidung treffen, sondern Gott. Er hat schon längst seinen Willen bei dieser Sache und Petrus diesen auch kundgetan. Er deutet das zweite Pfingsten von Caesarea im Hause des Kornelius an, bei dem Gott ihm auftrug, den Heiden das Evangelium zu verkünden. Durch ihn sollten sie zum Glauben an Jesus Christus kommen. Die Ausgießung des Heiligen Geistes über die Heiden im Haus des Kornelius bestätigt Gottes Auftrag an Petrus.
Petrus erklärt, dass Gott keinen Unterschied zwischen den Pfingstereignissen gemacht hat, sondern dass es ihm um die Herzenshaltung der Anwesenden ging. Dies soll den Anwesenden klarmachen, dass sie den Heiden nun nicht mehr auferlegen sollten als Gott selbst, der von ihnen keine Beschneidung für das Pfingstereignis vorausgesetzt hat.
Petrus erinnert die Anwesenden auch daran, dass nicht ihr eigenes Tun, sondern die Gnade Gottes sie gerettet hat. Warum soll es bei den Heiden nun anders sein? Ja, die Apostel waren zuvor Juden und deshalb beschnitten. Aber nicht diese Beschneidung hat ihnen die Erlösung geschenkt, sondern Jesu Christi Kreuzestod, auf den hin sie im Heiligen Geist neugeboren worden sind! Genauso ist es bei den Heiden, deren Taufe im Heiligen Geist ebenfalls durch ihren Glauben vollzogen worden ist, durch ihr Ja und ihr ganz geöffnetes Herz.
Durch seine Worte schafft er es, die ganze hitzige Situation zum Schweigen zu bringen. Das zeigt uns, wie begnadet Petrus von Gott ist, die verschiedenen Akzente in der Kirche zusammenzuhalten.
In diese entschärfte Situation hinein kommen nun Paulus und Barnabas zu Wort, die von ihrer ersten großen Missionsreise berichten und die Bekehrungswelle der Heiden zur Sprache bringen können.
Daraufhin kommt der Herrenbruder Jakobus zu Wort, der nach Petrus‘ Abreise der Gemeindevorsteher der Jerusalemer Urgemeinde wird. Er ist von seiner theologischen Position der strengen judenchristlichen Richtung zuzuordnen, die die Beschneidung auch von Heidenchristen verlangt. Er greift die Worte des Petrus auf und bettet sie in die Heilsgeschichte ein, die die Schriften des Alten Testaments belegt. Dort ist es schon angekündigt worden, dass auch die übrigen Völker den Herrn suchen würden. Dazu führt er Amos 9,11-12 an, wie es die Septuaginta (das griechische Alte Testament) formuliert, wenn die zerfallene Hütte Davids wieder aufgebaut würde – dies meint nun nicht mehr den Tempel von Jerusalem, sondern den Tempel des Leibes Christi, der die Kirche ist!
Aus dem Grund kann auch Jakobus sich damit anfreunden, den Heiden die Beschneidung nicht abzuverlangen. Dennoch schlägt er eine Mindestanforderung vor, die sich auf die Enthaltung von Götzenopferfleisch, Ersticktem und Blut sowie die Vermeidung von Unzucht bezieht. Jakobus beruft sich hier auf das sogenannte Heiligkeitsgesetz ab Lev 17 und wendet es auf die momentane Situation an: Es handelt sich dabei um Gesetze für Fremde, die in Israel leben. Dabei geht es um Ritualgebote, die ein Zusammenleben der Juden und Heiden ermöglichen sollen, ohne dass die Juden sich rituell verunreinigen. In Lev 17 wird deshalb erklärt, dass sowohl Juden als auch Heiden, die im Heiligen Land wohnen, die Tiere schächten müssen. Es verbietet auch bestimmte sexuelle Verhaltensweisen wie den Inzest, die Sodomie oder homosexuelle Praktiken. Diese Dinge gelten ebenfalls für Juden sowie Heiden im Heiligen Land. Auf diese Dinge verweist Jakobus und verlangt sie auch von den Heidenchristen. Es geht bei den jakobinischen Klauseln eigentlich um Ritualgebote, die einzuhalten sind aus Rücksicht vor den Judenchristen, die ja durch die Beschneidung weiterhin die Torah halten müssen (der Alte Bund geht weiter!). Dennoch werden einige Dinge auch durch die zehn Gebote abgedeckt, die die Heidenchristen ja halten müssen (Götzenopferfleischverzehr ist Götzendienst, also ein Verstoß gegen das erste Gebot, Unzucht in allen Facetten ist eine Sünde gegen das sechste Gebot).
Dass es Jakobus vor allem um die Rücksicht auf die Juden geht, erkennen wir an dem letzten Vers, wo es heißt, dass Mose in jeder Stadt seine Verkünder hat. Es gibt ja viele Synagogen, in denen das mosaische Gesetz weiterhin verkündet wird. Juden sind im ganzen römischen Reich verteilt und so muss flächendeckend Rücksicht auf ihre rituelle Unversehrtheit genommen werden.
Was wir hier also lesen, ist kein göttliches Gebot, sondern eine pragmatische Mindestanforderung für die Situation, dass es in einer Gegend Juden(christen) gibt. Nun gibt es aber keine Judenchristen mehr. Sie sind „ausgestorben“ und nach vielen Jahrhunderten Unterbrechung ist nun eine Art „Neo-Judenchristentum“ entstanden – die Gruppe der messianischen Juden. Sie erkennen Jesus als Messias an, bleiben aber Juden und leben nach der Torah. Sie sind beschnitten und doch haben sie das Evangelium Jesu Christi angenommen.
Noch einmal deutlich: Die jakobinischen Klauseln gelten heute nicht mehr. Wir müssen unser Fleisch nicht schächten, aber aufgrund der zehn Gebote ist Götzendienst und Unzucht natürlich weiterhin eine schwere Sünde, die beiden schwersten Sünden überhaupt!
Ps 96
1 Singt dem HERRN ein neues Lied, singt dem HERRN, alle Lande,
2 singt dem HERRN, preist seinen Namen! Verkündet sein Heil von Tag zu Tag!
3 Erzählt bei den Nationen von seiner Herrlichkeit, bei allen Völkern von seinen Wundern!
10 Verkündet bei den Nationen: Der HERR ist König! Fest ist der Erdkreis gegründet, er wird nicht wanken. Er richtet die Völker so, wie es recht ist.
Als Antwortpsalm beten wir einen Lobpreispsalm, der das universale Heil und die Weltherrschaft Gottes zum Thema hat.
Wie so oft erfolgt ein Lobpreisaufruf zu Beginn. „Alle Lande“ werden zum „neuen Lied“ aufgefordert. Das umfasst nicht mehr nur die zwölf Stämme Israels, sondern alle Völker. Vor dem Hintergrund der Erlösung aller Menschen durch Jesus Christus können wir es als lobpreisende Antwort der Erlösten betrachten. In der Apostelgeschichte sind sowohl die Apostel in Jerusalem als auch die Heiden in Caesarea mit dem Heiligen Geist erfüllt worden, sodass es zwei Pfingstereignisse gab. Es ist ein Zeichen Gottes, was mit allen Menschen passiert, die Gott in ihrem Herzen willkommen heißen.
„Verkündet sein Heil“ wird dann für uns Christen auffällig christologisch, weil in den Worten „sein Heil“ hier wieder der Name Jesus enthalten ist. Während hier wörtlich das Heil Gottes als messianische Verheißung verkündet werden soll, sind wir Christen dadurch aufgerufen, Jesus Christus zu verkünden, der das Heil ist (Nomen est omen). Das ist einer der drei Hauptvollzüge der Kirche – die Verkündigung (martyria). Jeder einzelne Christ bezeugt dieses Heil durch sein Handeln. Wo wir einander lieben und die Gebote Gottes halten, kommt das Heil in die Welt, das Reich Gottes wird dann schon jetzt spürbar. Am Ende der Zeiten werden wir das Heil verkünden – aber als ewigen Lobpreis in Gottes Gegenwart, mit allen Engeln und Heiligen.
Der Psalm sagt zudem aus: Gott ist der König, der Herrscher. Die messianische Erwartung des Psalms geht über eine menschliche Figur hinaus (auch wenn zuerst eine politische Figur darunter verstanden worden war). Die Menschen sollen es bei den Nationen verkünden, bei allen Nationen: Das deckt sich mit dem, was Jesus seinen Jüngern vor seiner Himmelfahrt aufträgt: alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen. „Bei den Nationen“ haben sowohl Petrus als auch Barnabas und Paulus diesen Auftrag treu umgesetzt, bei denen so viele zum Glauben gekommen sind. Das Stichwort im Hebräischen für die Heiden ist an dieser Stelle wieder בַגֹּויִ֨ם baggojim, die Gojim.
Auch die Völker werden von diesem Weltenrichter und König gerichtet, wie es recht ist. Das bedeutet auch, dass sie ebenso die Aussicht auf ein positives Gerichtsurteil und somit auf das ewige Leben im Himmelreich haben, wenn sie zum Glauben an Gott gekommen sind.
Joh 15
9 Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!
10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe.
11 Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.
Im heutigen Evangelium hören wir einen relativ kurzen Abschnitt aus der zweiten Abschiedsrede. Es geht um die Liebe.
Jesus stellt wie so oft den Zusammenhang heraus, der sich aus ihm, dem Vater und seinen Jüngern ergibt. Die Liebe zwischen Vater und Sohn ist Vorbild für die Liebe, die zwischen den Jüngern herrschen soll. Die Liebe zwischen Vater und Sohn hat Christus schon übertragen auf seine Liebe zu den Jüngern. Darin hat er ihnen überhaupt die Liebe zwischen ihm und dem Vater offenbart. Was sie also zutiefst berührt hat, sollen sie einander weitergeben. Die Zeitform wird hier mit dem Perfekt übersetzt, weil es sich um eine Abschiedsrede handelt. Jesus spricht diese Worte zu ihnen im Rückblick auf die letzten Jahre, in denen sie so viel Zeit miteinander verbracht haben. So wie es war, so sollen sie nun weitermachen.
Das Leben in dieser Liebe kommt dem Halten der Gebote gleich bzw. ist sie die Grundhaltung und die Absicht, die Gebote Gottes zu halten. Und dies führt wiederum dazu, dass sie in der Liebesgemeinschaft mit Gott bleiben. Die Liebe ist also nicht nur Ursprung/Absicht, sondern auch Ziel des Haltens der Gebote. Das Bleiben in der Liebe ist eine Umschreibung für den Stand der Gnade. In diesem befinden wir uns, wenn wir in rechter Absicht die Gebote Gottes halten.
Er erklärt es ihnen, weil er ihre Freude in sie hineinlegen möchte, die sich ganz in ihnen entfalten soll. Warum nun Freude? Sie ist eine Frucht des Heiligen Geistes, eine übernatürliche Gabe, die ein Mensch sich nicht selbst geben kann. Sie ist mehr als nur eine situativ abhängige Emotion. Sie ist innere Gewissheit, dass Gott am Ende steht mit seinem ewigen Heil, ganz egal, wie es momentan im Leben des Einzelnen aussehen mag. Freude im Leben kann der Mensch dabei nur haben, wenn er in der Liebe Gottes bleibt (also nach den Geboten Gottes lebt). Nur so kann der Mensch glücklich werden.
Diese Worte Jesu sind für das Verständnis der Apostelgeschichte wichtig. Auch für die Heiden gilt: Das Halten der Gebote Gottes ermöglicht das Bleiben in der Liebe Gottes und die Freude im Leben. Die Gebote Gottes sollen sie nicht aus Angst oder Pflichtbewusstsein halten, sondern aus Liebe zu Christus, den sie in ihr Herz gelassen haben. Was genau sie allerdings halten müssen, das wird beim Apostelkonzil in Jerusalem heute ja diskutiert. Damit das Halten der Gebote nicht in eine Pflichtübung ausartet, soll die Beschneidung und das Halten der gesamten Torah den Heiden nicht auferlegt werden, sondern nur eine Mindestanforderung.
Vergessen auch wir beim Streben nach Vollkommenheit nicht, dass auch wir die Gebote Gottes aus Liebe zu ihm halten sollen. Das erkennen wir daran, dass die ersten drei Gebote des Dekalogs auf der Gottesliebe fußen (Verbot des Götzendienstes und der Verunehrung seines Namens, die Heiligung des Sonntags). Die weiteren sieben Gebote betreffen die Nächstenliebe (und da ist es kein Zufall, dass die Ehrung der Eltern ganz oben steht!). Aus diesem Grund heißt es auch, dass das Doppelgebot der Liebe das ganze Gesetz zusammenfasst. Einfach im Verständnis, schwer in der Umsetzung. Wäre dem nicht so, bräuchten wir die Beichte nicht.
Ihre Magstrauss