Dienstag der 18. Woche im Jahreskreis

Jer 30,1-2.12-15.18-22; Ps 102,16-17.18-19.20-21.29 u. 22; Mt 14,22-36

Jer 30
1 Das Wort, das vom HERRN an Jeremia erging:
2 So spricht der HERR, der Gott Israels: Schreib dir alle Worte, die ich dir gesagt habe, in ein Buch!
12 Ja, so spricht der HERR: Arg ist dein Schaden, unheilbar deine Wunde.

13 Niemand richtet dein Recht. Für das Geschwür gibt es keine Heilung, keine Genesung gibt es für dich.
14 Alle deine Liebhaber haben dich vergessen, sie fragen nicht nach dir. Denn wie ein Feind schlägt, habe ich dich geschlagen mit harter Züchtigung wegen deiner vielfachen Schuld und deiner zahlreichen Sünden.
15 Was schreist du über deinen Schaden und dein arges Leiden? Wegen deiner vielfachen Schuld und deiner zahlreichen Sünden habe ich dir das getan.
18 So spricht der HERR: Siehe, ich wende das Geschick der Zelte Jakobs, seiner Wohnstätten erbarme ich mich. Die Stadt soll auf ihrem Schutthügel aufgebaut werden, der Palast auf seinem rechten Platz stehen.

19 Lobgesang wird von dort erschallen und die Stimme von lachenden Menschen. Ich will ihre Zahl vermehren, sie sollen nicht weniger werden; ich will ihnen Ehre verschaffen, sie sollen nicht gering geachtet werden.
20 Die Söhne Jakobs werden sein wie ehedem, seine Gemeinde wird vor mir bestehen bleiben, doch alle seine Unterdrücker suche ich heim. 21 Sein Machthaber wird ihm selbst entstammen, sein Herrscher aus seiner Mitte hervorgehen. Ich gewähre ihm Zutritt, sodass er mir nahen kann; denn wer sonst dürfte sein Leben wagen, um mir zu nahen? – Spruch des HERRN.
22 Ihr werdet mein Volk sein und ich werde euer Gott sein.

Heute hören wir wieder aus dem Buch Jeremia. Das Unheil rückt immer näher. Die Babylonier werden Juda bald einnehmen und die Bewohner Jerusalems deportieren. Sie werden alles zerstören, vor allem den Tempel. Das Unheil ist nicht mehr aufzuhalten, weil die Sünde Judas zum Himmel schreit. Gott spricht heute durch Jeremia Worte an Juda, die dieser in ein Buch schreiben soll: Die Wunde ist nicht mehr heilbar. Zu groß ist der Schaden, den die schwere Sünde Judas angerichtet hat. Ihre Konsequenzen: Keiner wird mehr einen gerechten Gerichtsprozess mehr für Juda vollziehen, die „Liebhaber“ wenden sich ab, das heißt die Götzen können keine Gebete erhören. Gott hat Juda immer wieder gezüchtigt und lässt ab jetzt noch härtere Maßnahmen zu. Und wenn Juda sich dann beklagt, hat es kein Recht dazu. Das alles hat es sich nämlich selbst eingebrockt und kann Gott jetzt nicht dafür verantwortlich machen. Es wird alles zunichte gemacht, weil Juda die vielen Chancen der Umkehr und damit einhergehenden Verschonung nicht genutzt hat.
Aber dabei wird es nicht bleiben. Gott wird diese harten Schläge nicht einfach erteilen, weil er sadistisch ist und Freude am Leiden seiner geliebten Braut hat. Er möchte, dass Juda dann endlich zur Besinnung kommt und mit erneuertem Herzen dann von vorne beginnt. Nach dem Gericht kommt das Heil. So wird er dann „das Geschick der Zelte Jakobs“ wenden und sich Juda erbarmen. Er wird Jerusalem auf dem Schutthügel aufbauen und den Palast auf dem üblichen Platz aufstellen. Der Trauergesang wird wieder zum Lobgesang und man wird statt dem Klagegeschrei wieder das Lachen fröhlicher Menschen hören. Nachdem so viele umgekommen sind, wird Gott das Volk wieder vermehren und ihnen Ehre verschaffen. Das heißt konkret, dass die umliegenden Völker über die Israeliten nicht mehr lachen werden und ihren Gott verspotten, sondern wieder zu ihrer alten Stellung als Volk eines starken Gottes zurückkehren werden. Dann wird Gott die Unterdrücker heimsuchen, das heißt konkret die Babylonier und auch die Assyrer, die das Nordreich so unterdrückt haben.
Die Zeit der Fremdherrschaft wird vorbei sein, denn von da an wird der Herrscher über Juda wieder aus den eigenen Reihen stammen. Im Grunde kann man diesen Vers über den politisch-historischen Sinn hinaus auch christologisch verstehen. Es wird nicht nur der Herrscher in jener Zeit aus dem Stamm Juda hervorgehen, sondern eines Tages auch der Messias! Und er wird König sein eines neuen Reiches, das nicht von dieser Welt ist. Er wird aus ihrer Mitte stammen und doch ganz Gott sein! Und dieser wird sich Gott nahen – das heißt politisch-historisch erst einmal im Tempel. Der König wird eine innige Beziehung zu Gott haben können. Jesus Christus wird diese Beziehung aber in jeglicher Hinsicht übertrumpfen, denn er ist selbst Gott und der Sohn des Vaters. Er ist eins mit ihm und nennt ihn Abba.
Es werden Zeiten kommen, da werden die Braut und der Bräutigam wieder versöhnt sein und sie werden ihre Bundesbeziehung erneuern. Dann werden sie wieder ganz innig miteinander verbunden sein. Bis dahin wird die Braut aber noch so einiges zu erleiden haben, weil sie nicht auf Gott hören wollte.
Lernen wir aus dieser ganzen Geschichte. Hören wir auf Gott, bevor er uns die Konsequenzen unseres Ungehorsams fühlen lässt. Das ist sehr schmerzhaft und die Wiedergutmachung besonders anstrengend. Kehren wir noch heute um, damit der Rückweg zu Gott nicht so lang und beschwerlich wird und wir seine Abwesenheit nicht so schmerzlich realisieren!

Ps 102
16 Dann fürchten die Völker den Namen des HERRN und alle Könige der Erde deine Herrlichkeit.

17 Denn der HERR hat Zion dann wieder aufgebaut, er ist erschienen in seiner Herrlichkeit.
18 Er hat sich dem Bittgebet der verlassenen Stadt zugewandt, ihre Bittgebete hat er nicht verschmäht.
19 Dies sei aufgeschrieben für das kommende Geschlecht, damit den HERRN lobe das Volk, das noch erschaffen wird.
20 Denn herabgeschaut hat der HERR aus heiliger Höhe, vom Himmel hat er auf die Erde geblickt,
21 um das Seufzen der Gefangenen zu hören, zu befreien, die dem Tod geweiht sind,
29 Die Kinder deiner Knechte werden in Sicherheit wohnen, ihre Nachkommen bestehen vor deinem Angesicht.
22 damit sie den Namen des HERRN auf dem Zion verkünden und sein Lob in Jerusalem
.

Als Antwort auf die Lesung beten wir Ps 102, der betitelt ist mit „Bittgebet eines Gebeugten“. Es ist wie das Gebet Judas, das die Konsequenzen der eigenen Sünde nun zu spüren bekommt. Es ist nicht einfach nur gebeugt, sondern erlebt die absolute Niederstreckung.
„Dann fürchten die Volker den Namen des HERRN und alle Könige der Erde deine Herrlichkeit.“ Durch die spektakulären Heilstaten Gottes zum Beispiel bei dem Auszug aus Ägypten haben die  גֹ֭ויִם gojim, die heidnischen Völker, die Macht des Gottes der Israeliten anerkannt. Sie werden an der Rückkehr des Volkes nach Juda und am Wiederaufbau des Tempels erkennen, dass Gott wirklich der wahre Gott ist. Sie werden seine Allmacht erkennen. Spätestens mit der Geburt Jesu Christi wird sich dieses Schriftwort noch einmal deutlicher erfüllen, wenn die Repräsentanten der östlichen Könige vor dem neugeborenen Messias niederknien werden.
„Denn der HERR hat Zion wieder aufgebaut, er ist erschienen in seiner Herrlichkeit.“ Dies ist zunächst wörtlich auf die Situation der Israeliten zu beziehen. Es geht um den Wiederaufbau der Stadt Jerusalem nach dem babylonischen Exil. Gottes Herrlichkeit wurde durch seine Gegenwart im Tempel wieder geschaut. Wir lesen es noch weiter, denn bei der Tempelreinigung sagt Jesus zu den Menschen: Reißt den Tempel nieder. Ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen. Es geht nicht mehr um ein Gebäude, sondern um den Tempel seines Leibes. Er ist es. Mit diesem Leib, der sakramental weitergeführt die Kirche ist, ist das Reich Gottes ganz eng verbunden, das das neue Zion ist. Die sakramentale Antizipation dieses Reiches ist mit der Gemeinschaft der Gläubigen gegeben. In der Kirche sehen die Gläubigen die Herrlichkeit Gottes verborgen in der Eucharistie. Sie nimmt die endzeitliche Durchsetzung des Gottesreiches vorweg, die mit der Rückkehr des verherrlichten Menschensohnes einsetzen wird. Dann werden es alle sehen, dass Gott die Herrlichkeit ist.
„Er hat sich dem Bittgebet der verlassenen Stadt zugewandt, ihre Bittgebete hat er nicht verschmäht.“ Auch hier bezieht es sich wörtlich-historisch auf Jerusalem, das durch die Babylonier zerstört worden ist, aber auch dieser Vers ist in seinem geistigen Sinn weiterzudenken: Wir müssen es vor allem auf Jesus Christus beziehen, der durch sein Erlösungswirken das Paradies wieder ermöglicht hat. Es war wie eine verlassene Stadt, aus der die Menschheit verbannt wurde. Sie lebte bis zur Erlösung im Exil, doch nun können die Menschen die Stadt wieder beziehen. Es gilt für jeden von uns auf moralischer Ebene: In jedem getauften Christen hat Gott Wohnung bezogen. Unsere Seele wird zum inneren Zion, in dem die Herrlichkeit Gottes wohnt. Das nennen wir moralisch auch den Stand der Gnade. Mit jeder Sünde verbannen wir uns selbst aus diesem Zustand und so wird die Seele zu einer verlassenen Stadt. Dies geschieht nicht sofort mit jeder lässlichen Sünde, sondern erst mit der Todsünde, doch auch die kleinen Beleidigungen und Lieblosigkeiten gegenüber Gott und dem Nächsten lassen die Stadtmauer immer mehr zerfallen und angreifbar werden. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis alles in sich zusammenfällt und der Feind uns aus der Stadt hinausjagt.
Am Ende der Zeiten werden wir voller Dankbarkeit in der Anschauung Gottes sagen: „Er hat sich unserem Bittgebet zugewandt und uns aus dem Exil des sündhaften und untergehenden irdischen Daseins herausgeholt und in die verlassene Stadt gebracht, die wir nun beziehen dürfen – das himmlische Jerusalem, das der Himmel ist!
„Dies sei aufgeschrieben für das kommende Geschlecht“ – der Psalm gibt selbst preis, dass die Worte nicht nur historisch-wörtlich zu verstehen sind und nur für eine bestimmte Generation gelten. Es bestätigt, was wir zum vorherigen Vers bedacht haben.
„Das Volk, das noch erschaffen wird“, wird Gott loben. Das sind wir, die wir im Neuen Bund mit Gott leben! Wir gehören schon zu der neuen Schöpfung, die Jesus begründet hat! Wir werden am Ende der Zeiten aber noch vollendet, wenn wir mit Leib und Seele bei Gott sein werden.
Gott hat aus der Höhe herabgeschaut – so hat er die Israeliten von den Giftschlangen gerettet, er hat das Volk Israel aus dem babylonischen Exil gerettet, er hat die ganze Menschheit vor der Verderbnis der Erbsünde gerettet, indem er seinen Sohn dahingegeben hat! Er rettet uns aus der Verderbnis durch die Taufe, aber auch immer wieder durch das Sakrament der Buße. Er wird uns am Ende aus den Wirren dieser Welt retten, wenn wir sterben und vor ihm stehen, aber auch am Ende der Zeiten, wenn er in die Weltgeschichte eingreifen wird, um einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen.
Die Gefangenen, die dem Tod geweiht sind, betrifft die ganze Menschheit, die nicht mehr ins Paradies durfte wegen der Sünde des ersten Menschenpaares, es betrifft die Gerechten des Alten Testaments, die bis zur Erlösung Jesu Christi auf die Anschauung Gottes warten mussten, was wir „Vorhölle“ nennen. Es betrifft auch uns, die wir gefangen sind in unserer eigenen Sünde, die uns dem Tod weiht (nämlich dem seelischen Tod ganz von Gott abgeschnitten). Gott möchte uns nicht als Todgeweihte sehen und hat deshalb alles getan, damit wir als Lebendige auf dem Zion des Himmelreiches ihn ewig loben und preisen können. Er möchte, dass alle Menschen mit ihm ewig Gemeinschaft haben. Und deshalb hat er die ganze Welt erlöst. Nun liegt es an jedem einzelnen Menschen, diese Erlösung anzunehmen und dementsprechend zu leben.

Mt 14
22 Gleich darauf drängte er die Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken.

23 Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um für sich allein zu beten. Als es Abend wurde, war er allein dort.
24 Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind.
25 In der vierten Nachtwache kam er zu ihnen; er ging auf dem See.
26 Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst.
27 Doch sogleich sprach Jesus zu ihnen und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!
28 Petrus erwiderte ihm und sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme!
29 Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus.
30 Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst. Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich!
31 Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
32 Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind.
33 Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, Gottes Sohn bist du.
34 Sie fuhren auf das Ufer zu und kamen nach Gennesaret.

35 Als die Leute jener Gegend ihn erkannten, schickten sie in die ganze Umgebung. Und man brachte alle Kranken zu ihm
36 und bat ihn, er möge sie wenigstens den Saum seines Gewandes berühren lassen. Und alle, die ihn berührten, wurden geheilt.

Nach der wunderbaren Speisung des gestrigen Evangeliums „drängt“ Jesus seine Jünger heute, mit einem Boot ans andere Ufer zu fahren. Das Verb ἀναγκάζω anangkazo heißt „zwingen, überzeugen, beweisen“ und muss hier so verstanden werden, dass Jesus sich durchsetzt, obwohl die Jünger davon nicht so begeistert sind. Entweder klingt noch nach, dass Jesus zuvor etwas Absurdes von ihnen verlangt hat („gebt ihr ihnen zu essen“), sodass sie immer noch verwirrt vom Wunder sind, oder es ist etwas ganz anderes, was sehr an das Taborereignis erinnert: Sie wollen nicht weg, weil es so schön ist. Sie haben mit dem Wunder der Speisung von 5000 Gottes Herrlichkeit erahnt und wollen diesen wunderbaren Moment nicht direkt wieder verlassen. Sie sind Augenzeugen der Herrlichkeit Gottes geworden.
Die zweite Erklärung macht mehr Sinn. Warum? Jesus tat die ganzen Wunder im Laufe seines irdischen Lebens ja in erster Linie, damit die Menschen zum Glauben an ihn kommen bzw. gestärkt werden. Seine Jünger werden da keine Ausnahme gebildet haben!
Und nun lesen wir auch die Bestätigung dessen, was wir gestern schon vermutet haben: Jesus schickt die Leute nun selbst nach Hause, was die Jünger zuvor ja schon tun wollten. Jesus will von Anfang an niemanden quälen oder das leibliche Wohl vernachlässigen. Das Wunder ist ja nun vollbracht und die Lektion Gottes erteilt worden (die Vorbereitung der Anwesenden auf die Eucharistie und das himmlische Hochzeitsmahl). Jesus wollte die Menschen ja nicht überstrapazieren, indem er sie mitten in die Pampa lockt. Er hat sie genährt – körperlich, aber vor allem seelisch! Nun sollen sie „darüber schlafen“, also alles verarbeiten, was passiert ist.
Dann tut Jesus etwas, das auf den ersten Blick absurd erscheint: Er schickt seine Jünger auf den See, geht selbst aber auf einen Berg. Das muss man richtig verstehen. Jesus zieht sich immer wieder auf einen Berg zurück, um mit seinem Vater zu sein. Jesus könnte es auch anders machen, denn egal, wo er ist, ist er eins mit seinem Vater. Er tut es aber um der Menschen willen. Sie sollen immer wieder die göttlichen Lektionen erteilt bekommen und nach und nach tiefer in das Geheimnis Gottes eintauchen. Seine Jünger sind Juden. Sie wissen aus der Hl. Schrift, dass der Berg der Ort einer besonderen Nähe zu Gott ist. Die wichtigen heilsgeschichtlichen Stationen haben auf einem Berg stattgefunden: Mose erhielt die zehn Gebote auf dem Berg Sinai, Abraham opferte seinen Sohn fast auf einem der Berge im Gebirge Morija. Die Arche Noahs ging auf einem Berg an Land. Elija hatte ebenfalls eine Gottesbegegnung am Horeb. Man könnte noch ewig so weiter aufzählen. Die Jünger Jesu werden verstanden haben, warum Jesus ausgerechnet nach so spektakulären Wundertaten die Nähe zu seinem Vater sucht. Für uns ist das heute besonders erkenntnisreich: Wir sehen an Jesu Verhalten, wie eine Liebesgemeinschaft mit Gott geht. Wir sollen uns im Gebet mit Gott von seiner Liebe umarmen lassen und dabei unseren „Tank“ auffüllen, mit dem wir dann unseren Mitmenschen barmherzig sein sollen. Gestern lasen wir davon, dass Jesus mit den Menschen Mitleid hatte. Er hat diesen Tausenden seine ganze Liebe geschenkt. Und danach geht er wieder zum Vater und tankt neu auf. So sollen auch wir die Liebe, die wir dem Nächsten schenken, immer wieder vom Herrn holen. Sind wir ganz in seiner Gemeinschaft, werden wir selbst zu einer unerschöpflichen Quelle der Liebe. Andernfalls geraten wir sehr schnell an unsere Grenzen.
Jesus schickt seine Jünger alleine auf den See. Auch das ist eine Lektion für die Jünger. Sie sind ja eigentlich gesättigt von der wunderbaren Speise – nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Das war jedenfalls das Ziel der Speisung. Und dann kommt der Gegenwind. Sie nehmen ihre ganze Kraft zusammen, haben aber Probleme, voranzukommen. Gott lässt das zu, nicht weil er sadistisch ist, sondern weil er sie lehren will. Der Unterricht des Tages ist noch nicht zuende. In der vierten Nachtwache, also im Morgengrauen, kommt Jesus auf dem Wasser ihnen entgegen. Ihre Reaktion ist Angst, da sie ihn für ein Gespenst halten. Wir brauchen keine Angst zu haben, wenn wir in der Liebe Gottes leben. Deshalb sagt Jesus diesen wichtigen und so oft in der Bibel kommenden Satz „Fürchtet euch nicht!“ Mit Jesu Kommen legt sich der Wind. Das sagt etwas über seine Göttlichkeit aus. Die Schöpfung ist ihm untertan.
Petrus ist wie so oft der Wortführer und möchte wie Jesus auf dem Wasser gehen. Dies tut er auch erfolgreich, denn Jesus verleiht ihm die Gnade. Doch dann schaut er um sich und bekommt es mit der Angst zu tun. Wie gesagt. Diese Emotion kommt nicht vom Hl. Geist, weil sie einen Mangel an Gottvertrauen darstellt. Sofort beginnt er, unterzugehen. Uns zeigt es, wie wichtig das Gottvertrauen ist. Wer an Gottes Allmacht zweifelt, der verliert sofort die Gnade Gottes.
Und als Petrus nach Jesu Rettung schreit, hilft dieser ihm sofort, aber mit den tadelnden Worten „du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Petrus hat kurz zuvor noch Jesu göttliche Vollmacht bei dem Speisungswunder bezeugt und hier traut er ihm plötzlich nicht mehr zu, ihn über Wasser zu halten. So schnell bekommen wir Angst, obwohl auch in unserem Leben Gott bereits so vieles bewirkt hat.
Und dann legt sich der Wind und sie fahren nach Gennesaret. Dort setzt sich die Beschämung für den Kleingläubigen fort: Denn die Menschen in jener Gegend haben einen derart starken Glauben, dass sie nur den Saum des Gewandes Jesu berühren müssen, um geheilt zu werden. Was sich Petrus wohl gedacht hat? Vor seinen eigenen Augen geht Jesus spektakulär auf dem Wasser, nährte zuvor mehrere tausend Menschen und er hatte dennoch Angst, doch diese Menschen hier sehen diese Wunder nicht und berühren einfach dessen Gewand! Oft trifft auf Petrus der Spruch zu: „Hochmut kommt vor dem Fall.“ Bis er seine Übermütigkeit und vorlaute Art überwindet, werden noch so einige Dinge geschehen, aber Gottes Gnade wird an ihm Wunderbares bewirken.
Wir fassen noch einmal zusammen: Jesus tut das Speisungswunder, was an die Eucharistie erinnert. Er bereitet seine Jünger auf den Neuen Bund vor, den er beim letzten Abendmahl beginnen und am Kreuz vollenden würde. Dass er dann direkt zum Berg geht und die Jünger alleinlässt, ist demnach die Vorbereitung der Jünger auf die Zeit nach seinem Tod. Er will sie dafür sensibilisieren, dass er sie durch den Kreuzestod für eine kurze Zeit alleine lassen würde, nur um in der „vierten Nachtwache“ von den Toten aufzuerstehen! Er geht auf dem Wasser, um sie darauf vorzubereiten, wie er als Auferstandener die Naturgesetze überwinden und in verschlossenen Räumen erscheinen wird. Er kommt zu ihnen zurück und mit seiner Gegenwart verschwinden ihre Probleme schlagartig. All das hätte sie zur Einsicht oder zumindest zur Erahnung führen sollen, wer Jesus und wer Gott ist.
Jesus will ihnen durch die Lektion noch etwas anderes lehren: Er will sie darauf vorbereiten, was die Eucharistie bedeuten wird. Sie ist seine Gegenwart, auch wenn sie ihn in jetziger Gestalt nicht mehr sehen. Durch diese Gegenwart soll sich ihr Verhalten auch ändern. Sie sollen verstehen, dass er da ist und dass sie ihm genauso vertrauen können, wie als er in Menschengestalt bei ihnen war. Als Jesus zu ihnen ins Boot steigt, vertrauen sie ihm immer noch nicht, sondern sind immer noch bestürzt und fassungslos. Noch sind sie nicht bereit, den Kern der Eucharistie zu verstehen.
Wir lesen die Lektion mehrdimensional. Die Speisung und die sich anschließende Episode erinnert auch an die Fortsetzung: Jesus hinterlässt der Kirche ein Testament, nämlich seinen eigenen Leib. Dann geht er heim zum Vater und beauftragt seine Kirche, in seinem Namen die Verkündigung der frohen Botschaft fortzusetzen. Das Boot/Schiff ist nicht umsonst eine gängige Metapher für die Kirche. Die Gemeinschaft der Gläubigen auf dem Boot müht sich ab in den Stürmen und Gegenwinden der Welt. Sie ist ohne Christus ganz verloren. Vielleicht deutet diese Episode schon die ängstliche Verbarrikadierung der Jünger Jesu an, die erst mit dem Kommen des Hl. Geistes den Mut erhalten, hinauszugehen und das Wort Gottes zu verkündigen. Es lehrt uns heute als Kirche jedenfalls eine deutliche Lektion. Wo wir versuchen, das Boot der Kirche zu steuern, ohne dass Jesus mit im Boot ist, ist unser Schiffbruch vorprogrammiert. Die Gegenwinde sind zu stark, als dass wir aus unserer eigenen Kraft dagegen anrudern könnten. Das betrifft jede Zeit. So war es bei den ersten Christen, so ist es auch gerade heute in den Wirren der Gegenwart. Überlassen wir auch heute als Kirche dem Herrn das Ruder, damit er uns sicher ans andere Ufer bringt, nämlich in das himmlische Jerusalem zum Vater. Die Bootsfahrt der Jünger von einem Ufer ans andere versinnbildlicht somit unsere jetzige Epoche der Kirche von Jesu Bundesschluss bis hin zum Ende der Zeiten. Wir sind in dieser Endzeit und steuern in ganz schlimmen Stürmen auf das andere Ufer zu. Ohne Jesu Gegenwart, das heißt ohne die Eucharistie, sind wir verloren. Falls wir nicht Schiffbruch erleiden, landen wir irgendwo anders, aber nicht im Himmel…Das ist so auch mit jedem einzelnen Menschen, der von einem Ufer ans andere segelt auf dem See seines Lebens. Wir erleiden im Laufe unserer Lebenszeit so viele Stürme und ganz viel Widerstand auf dem Weg zum Himmelreich. Der Böse will uns dort nicht sehen, sondern tut alles daran, dass wir Schiffbruch erleiden. Deshalb versucht er uns immer wieder, damit wir in Sünde fallen. Selbst die „Kleinigkeiten“ bohren winzige Löcher ins Boot, die mit der Zeit immer mehr aufbrechen, Wasser ins Boot laufen lassen und das Schiff zum Sinken bringen können. Rudern wir dann aus eigener Kraft wie wild dagegen an, werden wir höchstens aufgerieben und erschöpft. Irgendwann hören wir dann vielleicht sogar auf zu rudern und werden in die entgegengesetzte Richtung getrieben. Sind wir aber in Gemeinschaft mit Gott, steigt Jesus zu uns ins Boot, dann muss er nur einmal schnippen und die Stürme legen sich. Laden wir stets Jesus in unser Boot, dann werden wir keinen Schiffbruch erleiden!
Schließlich lesen wir die Bootsepisode anagogisch. Jesus kommt am Ende der Zeiten, also in der letzten Nachtwache, unserem Boot der Kirche bzw. der gesamten Menschheit entgegen. Seine Herrlichkeit wird viele Menschen in Furcht bringen. Wir sollen aber keine Angst haben, sondern unsere Häupter erheben, denn „die Erlösung ist nahe“. Der verherrlichte Menschensohn ist unsere Erlösung, nicht unser Untergang. Wir haben nichts zu befürchten, wenn wir in einer Liebesgemeinschaft sind. Das mussten die Jünger damals noch lernen, das müssen auch wir heutzutage noch lernen. Deshalb steht der schon genannte Satz so oft in der Bibel, nämlich 365 Mal: Hab keine Angst. Er steht für jeden Tag in der Hl. Schrift, damit wir das nie vergessen.

Ihre Magstrauss

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