Ex 32,7-11.13-14; Ps 51,3-4.12-13.17 u.19; 1 Tim 1,12-17; Lk 15,1-32
Ex 32
7 Da sprach der HERR zu Mose: Geh, steig hinunter, denn dein Volk, das du aus dem Land Ägypten heraufgeführt hast, läuft ins Verderben.
8 Schnell sind sie von dem Weg abgewichen, den ich ihnen vorgeschrieben habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht, sich vor ihm niedergeworfen und ihm Opfer geschlachtet, wobei sie sagten: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben.
9 Weiter sprach der HERR zu Mose: Ich habe dieses Volk gesehen und siehe, es ist ein hartnäckiges Volk.
10 Jetzt lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und sie verzehrt! Dich aber will ich zu einem großen Volk machen.
11 Mose aber besänftigte den HERRN, seinen Gott, indem er sagte: Wozu, HERR, soll dein Zorn gegen dein Volk entbrennen, das du mit großer Macht und starker Hand aus dem Land Ägypten herausgeführt hast.
13 Denk an deine Knechte, an Abraham, Isaak und Israel, denen du selbst geschworen und gesagt hast: Ich will eure Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel, und: Dieses ganze Land, von dem ich gesprochen habe, will ich euren Nachkommen geben und sie sollen es für immer besitzen.
14 Da ließ sich der HERR das Unheil reuen, das er seinem Volk angedroht hatte.
Heute hören wir aus dem Buch Exodus die große Sünde des Volkes Israel, das noch nicht einmal vom Sinai weggezogen, jedoch schon untreu geworden ist. Mose verbringt lange Tage auf dem Berg, um von Gott die Zehn Gebote zu erhalten. In seiner Abwesenheit wird das Volk unruhig und fordert Moses Bruder Aaron dazu auf, ein Kultbild zu gießen, das sie als Gott anbeten können. Warum aber gießen sie ein Kalb? Dies hängt mit dem in Ägypten importierten Baalskult zusammen, wo eine Verschmelzung mit dem ägyptischen Gott Seth stattgefunden hat. So wird der Stier zum Symbol des Fruchtbarkeits- und Wettergottes Baal, der mit Stierhörnern dargestellt worden ist. Die Israeliten haben viele Jahrhunderte in Ägypten verbracht und so ist der Baalskult für sie etwas Vertrautes.
Gott warnt Mose nun, dass das Volk ins Verderben läuft. Er möchte nicht, dass sein auserwähltes Volk, seine Braut, mit der er den Bund geschlossen hat, ins offene Messer läuft. So schickt er Mose hinunter, um den Götzendienst des Volkes zu beenden. Innerhalb kürzester Zeit haben sie all das Gute vergessen, dass Gott ihnen getan hat. Sie haben sich ein Kultbild gemacht und Opfer dargebracht. Sie sagen sogar: „Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben.“ Sie tun so, als ob dieser Götze der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs sei. Warum heißt es eigentlich „Götter“ und nicht „Gott“, wenn es nur ein Kultbild ist? Im Hebräischen wird hier das Wort אֱלוֹהִים elohim verwendet. Grammatikalisch handelt es sich um einen Plural. Das Wort für Gott gibt es dabei nur als Pluralform, sodass man in der Übersetzung entscheiden muss, ob es wörtlich mit „Götter“ zu übersetzen ist (bei Religionen mit Polytheismus macht das Sinn) oder mit „Gott“ (und dann auf den Monotheismus der Juden bezogen). Hier hat die Einheitsübersetzung sich entschieden, die wörtliche Übersetzung zu verwenden, um den Vielgötterglauben der Ägypter zu betonen.
Das Volk Israel ist hartnäckig, so sagt es Gott zu Mose. Wir könnten auch ein typisch neutestamentliches Wort hier einsetzen, nämlich verstockt. Es ist stur und will nicht auf den Herrn hören. Es lässt sich nicht formen nach Gottes Willen, da es aus einem ganz harten Material besteht. Auch die Pharisäer und Schriftgelehrten sind so hart, dass sie sich nicht belehren, das heißt von Jesus formen lassen. Er möchte ihnen so viele Lektionen geben, so viele Chancen, dazu zu lernen. Doch sie erkennen das alles nicht, sondern sehen immer wieder das Haar in der Suppe. Sie haben die Zeit der Gnade weder erkannt noch genutzt. Auch wir Menschen heute sind oft so verstockt, dass Gott gar nicht an uns wirken kann. Das liegt nicht an seiner mangelnden Allmacht, sondern an unserem fehlenden Willen. Er schätzt unsere Freiheit so sehr, dass er nur dann an uns wirkt, wenn wir es freiwillig zulassen. Wie sehr ist doch unser Herz verstockt, dass wir so viele Zeiten der Gnade erhalten und doch nicht erkennen, dass es die Zeit der Umkehr ist! Beten wir füreinander, dass unsere Herzen weich werden und wir ihn in unser Leben lassen, bevor es zu spät ist und er dann nicht auch zu uns sagt: „Jetzt lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt.“ So möchte Gott sein Volk vernichten, doch Mose versucht alles, um ihn zu besänftigen. Er erinnert ihn daran, dass er doch das Volk aus Ägypten herausgeführt hat, nicht um es dann umzubringen. Das würde den Heiden die Bestätigung geben, dass er kein guter Gott sei. Gott sündigt nicht und muss nicht bereuen. So beschreibt es Mose aber, weil er es zu seiner Zeit nur so ausdrücken kann.
Mose erinnert Gott an die Verheißungen, die er Abraham und seinen Nachkommen gemacht hat. Er erinnert Gott an seinen eigenen Heilsplan.
So lässt sich Gott besänftigen und er verschont sein Volk. Im weiteren Verlauf wird Mose hinuntergehen und dem Volk Israel im wahrsten Sinne des Wortes die Leviten lesen.
Ps 51
3 Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen!
4 Wasch meine Schuld von mir ab und mach mich rein von meiner Sünde!
12 Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz und einen festen Geist erneuere in meinem Innern!
13 Verwirf mich nicht vor deinem Angesicht, deinen heiligen Geist nimm nicht von mir!
17 Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde!
19 Schlachtopfer für Gott ist ein zerbrochener Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen.
Im heutigen Psalm bittet König David um Gottes Barmherzigkeit. Wenn diese Worte zur Zeit des Volkes am Sinai schon existieren würden, könnte man sich dieses Gebet wunderbar passend als Entschuldigung gegenüber Gott vorstellen.
Gott soll dem Volk Israel gnädig sein nach seiner Huld und die Frevel tilgen. Die Sünden können nicht ungeschehen gemacht werden, aber er kann die Sünde vergeben. Der Mensch kann sich nicht selbst rechtfertigen, aber der Herr kann es tun. Jesus Christus hat durch seine Erlösungstat alle unsere Frevel gesühnt. Wenn wir seine Erlösung annehmen und uns taufen lassen, werden wir ganz reingewaschen.
„Wasch meine Schuld von mir ab und mach mich rein von meiner Sünde“, ist ein Vers, den die Priester bei der Gabenbereitung zum Schluss beten, während der Messdiener ihnen Wasser über die Hände gießt. Er ist derjenige, der der Messe vorsteht und in persona Christi das Kreuzesopfer vergegenwärtigen soll. Deshalb ist er derjenige, der am tiefsten herabsinken muss, der am lautesten Gott um Vergebung bitten muss. Aber auch wir beten diesen Vers, jedesmal wenn wir das kostbare Blut Jesu auf uns herabrufen, mehrfach in der Hl. Messe, ganz besonders intensiv in der Beichte und jedesmal, wenn wir uns mit Weihwasser bekreuzigen. Das Volk Israel musste auch entsühnt werden und in einer Episode erstellt Mose sogar ein Reinigungswasser, mit dem dies geschehen soll. Das ist der Typos des Weihwassers.
So wie David sich nach einem reinen Herzen und einem festen Geist sehnt, sehnen wir uns nach einem Neuanfang und dürfen beten: Herr, schenke mir ein neues Herz, ein neues Leben in deinem Segen. Und wenn wir mit derselben Haltung zu ihm kommen, wie König David hier im Psalm durchblicken lässt, dann wird Gott auch nicht zögern, unser Leben zu erneuern.
David bittet Gott darum, die Freundschaft mit ihm nicht zu kündigen („verwirf mich nicht von deinem Angesicht“). Er bittet ihn darum, die Salbung nicht zurückzunehmen, seinen gesamten Heilsplan mit David („nimm deinen Hl. Geist nicht von mir“, denn Salbung bedeutet Geistgabe). Er bittet Gott insgesamt darum, den Bund mit ihm nicht zu kündigen wegen dem, was er ihm angetan hat. Gott hat ihm aber zugesagt, dass er treu ist und einen Bund nicht zurücknimmt. Das erfahren wir auch in der Zeit des Volkes Israel am Sinai. Gott hätte den Bund direkt wieder zurücknehmen können, denn sie waren ja noch am Ort der Bundesschließung. Gott ist treu und gibt seinem Volk deshalb eine neue Chance. Und so bitten auch wir Gott darum, dass er den Bund mit uns nicht kündigt, aber nun den neuen Bund. Gott bleibt bei uns, aber es hängt von uns ab, ob wir uns selbst durch die Ablehnung Gottes aus dem Stand der Gnade verabschieden oder nicht. Mit diesem Stand der Gnade ist der Hl. Geist verbunden. Dieser kann in uns nur dann wirken, wenn die Leitung nicht verstopft oder sogar abgeschnitten ist.
Gott möge ihm die Lippen öffnen, damit er wieder Lobpreis machen kann. Dies kann er zurzeit nicht, denn sein Herz ist nicht bereit dafür. Dieses muss Gott erst verwandeln. Für David kommt kein oberflächliches Loben in Frage. Schließlich möchte er mit dem Herzen immer dabei sein und es ist für David ein Ausdruck der innigen Beziehung zu Gott. Auch wir Menschen können Gott wieder loben und preisen, wenn alles Störende ausgeräumt ist. Wenn wir wieder im Stand der Gnade sind, können wir wieder feiern. Dann ist die Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt. Wir denken da besonders an die Eucharistie. Bei dieser antizipierten Hochzeit des Lammes können wir den Leib Christi erst empfangen, wenn die Gemeinschaft intakt ist.
Gott möchte nicht, dass die Israeliten den Opferkult abschaffen. Er hat ihn ja selber vorgeschrieben. Er möchte aber, dass die Menschen ihm aufrichtig opfern, also mit der richtigen Haltung. Es genügt nicht, ein paar Tiere zu schlachten, ohne dabei umkehrbereit zu sein und Reue für die eigenen Sünden zu empfinden. Das ist heuchlerisch und Gott ist kein Automat, dem man einen Preis hinwerfen kann. Er möchte eine Beziehung zum Menschen, an der dieser auch arbeiten muss. Wenn der Mensch gesündigt hat, liegt er mit Gott im Streit. Da es die Schuld des Menschen ist, muss dieser sich aufrichtig entschuldigen, um Versöhnung zu schaffen. Wenn der Mensch das aber nicht einsieht, sich nicht entschuldigt und Gott materiell entschädigen will, ist es absolut nachvollziehbar, dass das Gott nicht gefällt. Gott möchte ein zerschlagenes Herz, das über die eigene Sünde weint.
1 Tim 1
12 Ich danke dem, der mir Kraft gegeben hat: Christus Jesus, unserem Herrn. Er hat mich für treu gehalten und in seinen Dienst genommen,
13 obwohl ich früher ein Lästerer, Verfolger und Frevler war. Aber ich habe Erbarmen gefunden, denn ich wusste in meinem Unglauben nicht, was ich tat.
14 Doch über alle Maßen groß war die Gnade unseres Herrn, die mir in Christus Jesus den Glauben und die Liebe schenkte.
15 Das Wort ist glaubwürdig und wert, dass man es beherzigt: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Von ihnen bin ich der Erste.
16 Aber ich habe gerade darum Erbarmen gefunden, damit Christus Jesus an mir als Erstem seine ganze Langmut erweisen konnte, zum Vorbild für alle, die in Zukunft an ihn glauben, um das ewige Leben zu erlangen.
17 Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen.
Als zweite Lesung hören wir einen Ausschnitt aus dem ersten Timotheusbrief. Es handelt sich um einen der drei Pastoralbriefe, die deshalb so genannt werden, weil sie sich an pastorale Mitarbeiter des Paulus richten. Die Situation des Briefes ist Folgende: Paulus war in Ephesus zusammen mit Timotheus. Als er weiter nach Mazedonien zog, blieb sein Begleiter in Ephesus zurück. Er soll die Gemeinde weiter betreuen, ja ihr erster Bischof werden und vor allem die richtigen Weihekandidaten wählen. Deshalb zählt Paulus die entscheidenden Kriterien für Weihebewerber auf.
Der heutige Abschnitt ist das Proömium, ein in Lobpreisform an Gott formulierter Einleitungsteil. Paulus dankt Christus für die Kraft, die dieser ihm verleiht, und das Erbarmen, das er von ihm empfängt. Dass Christus ihm überhaupt so eine Sendung überträgt, obwohl er früher ein Christenverfolger war, zeugt von Gottes unendlicher Güte. Er erklärt, dass ihm die Barmherzigkeit Gottes zuteilgeworden war, weil er nicht wusste, was er tat.
Beten wir also viel öfter für unsere Missetäter und all die Menschen, die heutzutage Gott beleidigen. Oft wissen auch diese Menschen nicht, was sie tun. Dann müssen auch wir ihnen helfen, dass sie die Gnade einer tiefen Umkehr erhalten, auch wenn wir von ihnen Unrecht erfahren haben.
Gottes Gnade ist übermäßig groß. Er hat einen Christenverfolger zu einem Völkerapostel gemacht. Er kann auch heutzutage aus einem Atheisten einen brennenden Christen machen. Er kann auch uns verwandeln, wir müssen nur unser Ja geben.
Das Erbarmen Gottes zeigt sich darin, dass er Mensch geworden ist. „Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten.“ Paulus ist ein Kandidat, der besonders laut „o glückselige Schuld“ beten könnte in der Osternacht. Seine große Sünde ist ihm zum großen Erbarmen geworden. Er bezeichnet sich sogar als „der Erste“, das heißt als den größten Sünder, dem die größte Gnade zuteilgeworden ist.
Es geht aber nicht um ihn, sondern darum, dass an ihm „seine ganze Langmut“ offenbar werde. Es geht um Christus, der gekommen ist, um die Welt zu retten. An Paulus sollen die Menschen erkennen, wie sehr Gott die Menschen liebt. Wir sind nun jene, von denen er hier sagt, „die in Zukunft an ihn glauben, um das ewige Leben zu erlangen.“ Wir sehen an Paulus wirklich, dass Gottes Güte sehr groß ist. Ein solcher Mörder und Christenverfolger durfte den Menschen das Evangelium verkünden. Ihm verdanken wir, dass wir in diesen Breitengraden Christen sind.
Zum Abschluss des Dankgebets formuliert Paulus eine Doxologie. Diese ist eine abschließende Gebetsformel, die wir Christen aus dem jüdischen Kontext übernommen haben. Jene, die gepriesen werden, stehen im Dativ. Was ihnen erwiesen werden soll, steht im Nominativ. Dieser abschließende Preis wird dem „König der Ewigkeit“ erwiesen. Das ist Gott selbst, der zugleich ewig ist, unsichtbar, jedoch in Christus sichtbar geworden, und doch ist es ein einziger Gott, an den wir glauben. Ihm soll Ehre und Herrlichkeit erwiesen werden. Diese hat er bereits inne, doch unser Sinn im Leben besteht darin, ihm Ehre und Herrlichkeit zu erweisen, indem wir ganz bei ihm sind. Zum Schluss dieser Doxologie wird die Ewigkeitsformel verwendet, die auch dem jüdischen Gebetsformular entnommen ist. Im Deutschen wird die Kurzform „in alle Ewigkeit“ verwendet, wobei die ausführliche Form im griechischen Text „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ steht. Amen ist ein Ausruf der Bekräftigung.
Lk 15
1 Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören.
2 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen.
3 Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und sagte:
4 Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet?
5 Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern,
6 und wenn er nach Hause kommt, ruft er die Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf wiedergefunden, das verloren war!
7 Ich sage euch: Ebenso wird im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die keine Umkehr nötig haben.
8 Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das Haus und sucht sorgfältig, bis sie die Drachme findet?
9 Und wenn sie diese gefunden hat, ruft sie die Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir, denn ich habe die Drachme wiedergefunden, die ich verloren hatte!
10 Ebenso, sage ich euch, herrscht bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.
11 Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne.
12 Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht! Da teilte der Vater das Vermögen unter sie auf.
13 Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen.
14 Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er begann Not zu leiden.
15 Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten.
16 Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.
17 Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, ich aber komme hier vor Hunger um.
18 Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt.
19 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner!
20 Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
21 Da sagte der Sohn zu ihm: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.
22 Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße!
23 Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein.
24 Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein Fest zu feiern.
25 Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz.
26 Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle.
27 Der Knecht antwortete ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wiederbekommen hat.
28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu.
29 Doch er erwiderte seinem Vater: Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich dein Gebot übertreten; mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
30 Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.
31 Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein.
32 Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.
Heute hören wir das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Zuvor geht es um andere beispielhafte Situationen, bei denen es darum geht, etwas Verlorenes wiederzufinden. Jesus erzählt es deshalb, weil die Pharisäer und Schriftgelehrten auf Jesu Gemeinschaft mit den Zöllnern und Sündern mit Missgunst reagieren.
Und so setzt Jesus zu den Gleichnissen an, um sein Verhalten zu erklären: Wenn man hundert Schafe hat und eines geht verloren, dann wird man als guter Hirte die 99 zurücklassen, um das eine Schaf wiederzufinden. Man möchte, dass nicht ein einziges Schaf verloren geht. Jesus greift dieses erste Bild nicht umsonst auf. Er selbst ist der gute Hirte und bringt deshalb immer wieder das Bildfeld von Hirt und Herde an. Er wird alles tun, um auch den letzten Sünder zurück zur Herde zu führen. So ist Gott. Er möchte, dass jeder Mensch gerettet wird. Er gibt ihm immer und immer wieder Chancen zur Umkehr, noch bis zum letzten Moment. Sein Wunsch ist es schließlich, dass er mit allen seinen geschaffenen Menschen im Himmel die ewige Liebesgemeinschaft abhalten kann. Das Bild des verlorenen Schafes ist ein Bild. Es weist über sich hinaus und ist unvollkommen. Denn Gott ist allmächtig. Er muss die anderen 99 Schafe nicht zurücklassen, sondern er kümmert sich um jedes einzelne Schaf so sehr, als wäre es das einzige. Wenn Gott einem verlorenen Schaf nachgeht, muss er die anderen Schafe nicht vernachlässigen. Doch Christus ist nun als Mensch unter Menschen. Er kümmert sich in dem Moment um die Sünder und Zöllner. Die zurückgelassenen Schafe sind die Pharisäer und Schriftgelehrten, die gewissermaßen eifersüchtig reagieren.
Was wäre also die richtige Haltung der Zurückgelassenen? Sie sollten sich mit den Zöllnern und Sündern freuen, dass sie bereit sind, ihr Leben zu ändern. Sie sollten beten und mitfiebern, dass diese Menschen wirklich zum Glauben kommen und nicht wieder weggehen. Sie sollten Jesus helfen, die verlorenen Schafe zurückzuholen. Sie sollten diese mit offenen Armen willkommen heißen und ihnen ein gutes Beispiel sein, damit sie davon motiviert wirklich am Ball bleiben. Letztendlich sind sie doch gemeinsame Söhne Israels, eine einzige Familie. Sie sitzen im selben Boot und tragen füreinander Verantwortung. Wo bleibt also die Solidarität zwischen den eigenen Stammesgenossen? Das ist auch der Grund, warum im Gleichnis der Hirte Freunde und Nachbarn ruft und feiert mit den Worten: „Freut euch mit mir!“ Er hat etwas Verlorenes wiedergefunden, das ihm sehr wertvoll war. So sollen die Pharisäer und Schriftgelehrten mitfeiern und sich für jene freuen, statt zu murren.
Jesus erklärt diese Dinge noch anhand eines zweiten Gleichnisses: das der verlorenen Drachme. Dabei handelt es sich um ein Geldstück, das denselben Wert besitzt wie ein Denar, nur dass das erste eine griechische Währung darstellt im Gegensatz zum römischen Denar. Ein Denar oder eine Drachme stellt den Mindestlohn eines Tages dar. Wenn man als Tagelöhner einen Tag gearbeitet hat, ist einem dieser Betrag ausgezahlt worden. Mit diesem Geld kann man einen Tag überleben.
Wenn eine Frau nun zehn Drachmen besitzt und eine Drachme davon verliert, wird sie das ganze Haus fegen und unermüdlich suchen, bis sie diese eine Münze gefunden hat. Das ist viel Geld für sie und so wird sie sich freuen und sogar ihre Freundinnen einladen, um wegen des wiedergefundenen Geldes zu feiern. Auch hier ist die Kernaussage: „Freut euch mit mir!“ Denn sie hat die Münze wiedergefunden. Freude vermehrt sich, wenn man sie mit anderen teilen kann. Und so sollen die Pharisäer und Schriftgelehrten sich über jeden einzelnen Sünder freuen, der umkehrt. So tun es nämlich auch die Engel im Himmel. Der ganze Himmel jubelt über jeden einzelnen Sünder, der umkehrt! Denn wie gesagt sind die Menschen dazu geschaffen worden, am Ende mit Gott in ewiger Liebesgemeinschaft zu verbringen. Wie sehr freut sich also der ganze Himmel, wenn noch eine Seele den Weg in diese wahre Bestimmung gefunden hat! So sollen auch wir uns freuen, wenn jemand anderes die Barmherzigkeit Gottes erfährt. Wir sollen dann nicht denken: „Ach was! Jetzt plötzlich kriegt er oder sie so viele Gnaden, wird von der Kirche auf Händen getragen, bekommt eine bessere Behandlung als ich! Dabei hat er oder sie das ganze Leben hindurch in Saus und Braus gelebt, während ich mich immer um die Gebote Gottes bemüht habe.“ Wir sollen auch diese Abstempelung von Personen aufgeben, weil jeder Mensch sich verändern kann mithilfe der Gnade Gottes. So sollen wir einander immer von der besten Seite sehen und barmherzig sein wie der Vater im Himmel.
Schließlich setzt Jesus zu einem der ergreifendsten Gleichnisse an: Ein Vater hat zwei Söhne und eines Tages fordert der Jüngere sein Erbteil, obwohl sein Vater noch lebt. Auch im Evangelium haben Vergebung, Sünde und Erbe miteinander zu tun. Der Jüngere bekommt sein Erbteil und verprasst es durch ein sündhaftes Leben, bis eine Hungersnot kommt, er nichts mehr hat und ausgerechnet Schweine hüten muss – unreine Tiere für Juden. Er darf nicht mal die Schoten der Schweine essen und merkt, in welches Leben er sich durch sein Verhalten gebracht hat. Was Jesus hier schildert, ist der Verlauf eines jeden Menschen, der sein von Gott zuerdachtes Erbe nimmt und verprasst (das Erbe des Alten Bundes für die Juden, das Erbe des Neuen Bundes für uns heute). Das Ziehen in ein fernes Land ist besonders ersichtlich – wir gehen weit weg von Gott, vor allem moralisch (so wie der Sohn sündigen wir und tilgen alle Gnaden, bis nichts mehr da ist). Ohne Gott können wir aber nur eingehen wie eine Pflanze. Jesus meint im Kontext des Evangeliums mit diesem jüngeren Bruder die Sünder und Zöllner, mit denen er sich gerade abgibt, als die Pharisäer und Schriftgelehrten über ihn murren.
Der jüngere Sohn geht in sich und kehrt von seinen Sünden um. Er schämt sich so dafür, dass er bereit ist, zu seinem Vater als Tagelöhner zurückzukehren. Wir sehen an ihm die absolut richtige Haltung: in sich gehen (Gewissenserforschung), Entschluss zur Rückkehr zum Vater (Reue), Entschluss, als Tagelöhner bei ihm zu arbeiten (Buße und Vorsatz). All diese Dinge sind wichtig und entscheidend für eine gültige und gnadenreiche Beichte. Jesus möchte mit diesem Gleichnis verdeutlichen, dass die Sünder bei ihm mit genau dieser Haltung zu ihm gekommen sind.
Der verlorene Sohn kehrt im Gleichnis zum Vater zurück, dieser wartet voller Sehnsucht auf ihn und sieht ihn schon von Weitem. Er läuft ihm entgegen und empfängt ihn mit offenen Armen. So ist Jesus zu den Zöllnern und Sündern im Evangelium. Er kommt ihnen mit seiner barmherzigen Liebe entgegen, was nichts von ihren Sünden relativiert, sondern sie zum nächsten Schritt ermutigt: zum Bekenntnis! So ist es nämlich auch im Gleichnis: Der Vater umfängt den Sohn mit seiner väterlichen Liebe nicht, um alles ungeschehen zu machen, was passiert ist. Er lässt ihn ausreden. Und was sagt der Sohn? „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.“ Er bekennt ihm seine Sünden! Er spricht aus, was der Vater im Grunde schon weiß. Und erst nach diesem Bekenntnis kommt der entscheidende Schritt. Der Vater sagt: „Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße! Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein Fest zu feiern.“ Was der Vater ihm zusagt, ist die Wiedereingliederung des Sohnes zum Erben. Der Ring am Finger ist ein Zeichen dafür. Wir sehen an diesen Worten, wie Gott auch mit uns verfährt, wenn wir mit derselben Haltung und denselben Schritten zur Umkehr handeln wie der verlorene Sohn: Er wird auch uns ein neues Gewand anziehen – das Gewand der Taufe ist so ein neues Gewand und jedesmal, wenn wir beichten, reinigen wir unser verdrecktes Gewand wieder. Er steckt auch uns wieder den Ring an den Finger, das heißt auch wir werden wieder zu Erben, zu denen wir in der Taufe eingesetzt werden. Und auch wir dürfen nach dieser Versöhnung wieder ein Fest feiern, nämlich die Eucharistie, das Hochzeitsmahl des Lammes auf Erden! Was Jesus hier also primär im Evangelium sagen möchte: Diese von den Pharisäern und Schriftgelehrten beschimpften Sünder und Zöllner halten mit Jesus offensichtlich Mahl, weil sie all diese Schritte schon durchlaufen haben! Und jetzt kommt die eigentliche Pointe des Gleichnisses im Kontext des Evangeliums: Der ältere Bruder kommt im Gleichnis vom Feld und bemerkt die Feier. Als er erfährt, dass der Bruder heimgekehrt ist und der Vater ihm vergeben hat, ihm den Ring wieder angesteckt und das Mastkalb für ihn geschlachtet hat, wird er wütend. Er weigert sich, hineinzugehen und mitzufeiern. Dieser ältere Bruder steht für die Pharisäer und Schriftgelehrten, die es den umgekehrten Sündern nicht gönnen, wieder mit Gott versöhnt zu sein. Sie sehen nur, dass Gott ihnen besondere Gnaden schenkt, weil sie umgekehrt sind. Sie sehen nur, dass sie selbst diese Geschenke nicht bekommen. Aber auch jene sind Söhne des Vaters und so erzählt Jesus im Gleichnis, dass der Vater zu seinem anderen Sohn nach draußen kommt. Er redet ihm gut zu, denn auch mit ihm möchte er versöhnt sein. Dieser macht ihm Vorwürfe, weil sein Bruder barmherzig behandelt worden ist und dabei solche Dinge bekam, die nicht mal ihm, dem braven heimgebliebenen Sohn zuteil wurden. Er sieht nicht, dass er in steter Gemeinschaft mit dem Vater sein darf, alles mitbenutzen darf, direkt an der Quelle sitzt. Er denkt, dass die Gunst des Vaters vom Tun des Sohnes abhängt und versteht deshalb nicht, warum der jüngere Sohn nach solchen Vergehen so eine Feier bekommt, er selbst als Gerechter aber nicht. Der Punkt ist: Es geht nicht um den älteren Sohn, es geht nicht um eine Werksgerechtigkeit, sondern um Umkehr und Vergebung. Der ältere Bruder sieht nur, was ihm nicht gegeben wird, dass er sich nicht an seinem Bruder freuen kann. Dabei ist der jüngere Bruder sein eigenes Fleisch und Blut und war tot! Jetzt ist er aber wieder lebendig und das ist doch ein Grund zur Freude! Das ist es, was Jesus an den Pharisäern und Schriftgelehrten kritisiert – sie freuen sich nicht daran, dass die Zöllner und Sünder sich bekehren. Sie sehen auch nicht, dass sie einer Gesetzestreue verfallen sind, die nicht zielführend ist: Es muss mehr sein als nur die Treue zur Torah, es muss um stete Umkehr und Versöhnung gehen, auch für sie! Kein Mensch kann von sich behaupten, ganz vollkommen zu sein. Wir alle müssen jeden Tag immer wieder zu Gott umkehren und von vorne beginnen. Wenn man mit Gott wirklich in einer Beziehung lebt, dann hat man auch stets das Bedürfnis, an dieser Beziehung zu arbeiten. Das ist genau diese Umkehrbereitschaft, um die es geht.
Wir wissen nicht, wie der ältere Bruder im Gleichnis reagiert. Es bleibt offen, damit die Pharisäer und Schriftgelehrten die Entscheidung selbst treffen. Und so sollen auch wir uns die Frage beantworten: Können wir uns für jene freuen, die nach so vielen Jahren in schwerer Sünde wieder lebendig werden? Es heißt nicht umsonst Todsünde, was uns den seelischen Tod bringt. Gönnen wir anderen Menschen die Barmherzigkeit Gottes? Handeln wir wie der barmherzige Vater und sind selbst so barmherzig mit jenen, die wirklich von Herzen bereuen und uns um Verzeihung bitten?
Ihre Magstrauss