30. Sonntag im Jahreskreis (C)

Sir 35, 15b-17.20-22a; Ps 34 (33), 2-3.6-7.17-18.19-23 ; 2 Tim 4, 6-8.16-18; Lk 18, 9-14

Sir 35
15 und vertrau nicht auf ungerechte Opfer! Denn der Herr ist Richter / und es gibt vor ihm kein Ansehen der Person.

16 Er bevorzugt niemanden gegenüber einem Armen, / die Bitte eines ungerecht Behandelten wird er erhören.
17 Er missachtet nicht den Hilferuf der Waise / und die Witwe, wenn sie ihren Jammer ausschüttet.
20 Wer Gott wohlgefällig dient, wird angenommen / und seine Bitte dringt bis in die Wolken.

21 Das Gebet eines Demütigen durchdringt die Wolken, / und bevor es nicht angekommen ist, wird er nicht getröstet / und er lässt nicht nach, bis der Höchste daraufschaut.
22 Und er wird für die Gerechten entscheiden und ein Urteil fällen.

Die heutige erste Lesung entstammt dem weisheitlichen Buch Jesus Sirach. Der Kontext der heutigen Verse ist eine Betrachtung von Ethos, Opfer und Gebet. Es wird erneut das Anliegen deutlich, sich nicht nur mit äußeren Taten zufrieden zu geben, wenn es um das Verhältnis zu Gott geht, sondern auch die richtige Absicht zu verfolgen. Man kann Gott nichts vormachen, deshalb heißt es in Vers 14, den wir heute nicht mehr hören: „Bestich [Gott] nicht, denn er wird es nicht annehmen.“ Er braucht keine ungerechten Opfer und wird darauf reagieren, wenn der Mensch ihn hintergeht. Er ist Richter und unabhängig davon, wer ihn auszutricksen versucht, wird er für Gerechtigkeit sorgen. Dann wird es selbst für den Hohepriester zu einer Demütigung kommen, obwohl dieser an der Spitze der Tempelhierarchie steht. Auch der König kann Gott nichts vormachen. Er wird seine Lektion erhalten.
Gott ist unparteiisch, wenn es um die Darbringung von Opfern geht, zumindest in der Hinsicht, dass er keinen Reichen einem Armen vorzieht. und Unterschiede in der Aufmerksamkeit macht, wenn es um eitle Faktoren wie Reichtum und Ansehen geht. Wenn es dagegen um die besonders schwachen Mitglieder des Bundesvolkes geht, ist er schon besonders hellhörig, das heißt insbesondere bei den Hilferufen der Waise und Witwe. Jene, die besonders schützenswert sind, erhalten auch den Schutz Gottes, wenn ihnen Ungerechtigkeit widerfährt. Dies nennen wir Option für die Armen.
Wichtig ist bei der Opferung eine demütige Haltung. Demut durchdringt gleichsam die Wolken und sorgt dafür, dass das Gebet des Demütigen erhört wird. Demut ist eine Haltung, die sich in allem zeigt, auch in der Lebensführung. Wer sich von Herzen bemüht, Gottes Gebote zu halten, und nicht bei einem Erfolgserlebnis übermütig wird, ist dafür prädisponiert, ein wolkendurchbrechendes Gebet sowie Opfer zu erzielen.
Also: Aufrichtigkeit, zweckfreies Opfern, Demut. Mit diesen Zielsetzungen wird unser Herr auch im Neuen Bund unser Gebet erhören und unser Opfer wird rein sein.

Ps 34
2 Ich will den HERRN allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund. 

3 Meine Seele rühme sich des HERRN; die Armen sollen es hören und sich freuen. 
6 Die auf ihn blickten, werden strahlen, nie soll ihr Angesicht vor Scham erröten.
7 Da rief ein Armer und der HERR erhörte ihn und half ihm aus all seinen Nöten.

17 Das Angesicht des HERRN richtet sich gegen die Bösen, ihr Andenken von der Erde zu tilgen.
18 Die aufschrien, hat der HERR erhört, er hat sie all ihren Nöten entrissen.
19 Nahe ist der HERR den zerbrochenen Herzen und dem zerschlagenen Geist bringt er Hilfe.
20 Viel Böses erleidet der Gerechte, doch allem wird der HERR ihn entreißen.
21 Er behütet all seine Glieder, nicht eins von ihnen wird zerbrochen.
22 Den Frevler wird die Bosheit töten, die den Gerechten hassen, werden es büßen.
23 Der HERR erlöst das Leben seiner Knechte, niemals müssen büßen, die bei ihm sich bergen.

Heute beten wir einen Lobpreispsalm. „Ich will preisen“ ist ein typischer Psalmenbeginn – die Selbstaufforderung zum Lob. David bekundet sein „Jawort“ gegenüber Gott durch einen andauernden Lobpreis.
Mit „meine Seele“ wird das hebräische Wort נַפְשִׁ֑י nafschi übersetzt, was eigentlich viel mehr als nur die Seele meint. Das biblische Menschenbild ist nicht geteilt, sodass man sagen kann, er hat einen Körper und eine Seele. Vielmehr ist der Mensch Körper und Seele. Das hebräische Wort ist also umfassender zu übersetzen im Sinne von „mein Leben“. Es meint die gesamte Existenz des Menschen, die sich des HERRN rühmen soll. David möchte Gott in allen Lebenslagen, mit seinem ganzen Sein preisen. Er möchte das tun, was wir Menschen in der Ewigkeit dauerhaft vornehmen werden – den Lobpreis Gottes.
„Die Armen sollen es hören und sich freuen“ erinnert uns an die Lesung. Dort wurde uns einmal mehr bewusst, dass die Armen vor Gott besonderen Schutz erfahren. Auch die, die arm im Geiste sind, können sich freuen, das heißt die Demütigen. Ihr Gebet wird wirklich erhört werden. In diese Richtung geht auch Vers 7, in dem die Gebetserhörung eines Armen beschrieben wird. Auch hier können wir über verschiedene Facetten von Armut nachdenken.
Wer auf den Herrn schaut, wird strahlen und muss nie vor Scham erröten. Wir denken im alttestamentlichen Kontext direkt an Mose, der wirklich im Angesicht Gottes ein strahlendes Gesicht bekommen hat, sodass er bei der Rückkehr zum Gottesvolk sein Gesicht verhüllen musste. Es ist aber auch moralisch zu begreifen: Wer den Herrn anschaut in dem Sinne, dass er sein Leben nach ihm ausrichtet und auf seine Gebote achtet, wird nicht beschämt werden. Wer nämlich Gott zu gefallen versucht, wird mit einem positiven Gerichtsurteil belohnt. Wer Gott stets anschaut, vergisst auch nicht, wer er ist, bleibt also demütig. Und wir wissen alle durch zahlreiche Sprichwörter, dass die Beschämung den Hochmütigen ereilt. Hochmut kommt vor dem Fall, aber über die Demütigen heißt es: „Er erhöht die Niedrigen“. Wir begreifen diese Worte aber auch allegorisch: Der, den wir anschauen, ist Christus, der Erhöhte, der alle an sich zieht. Wenn wir auf ihn schauen, werden wir nicht zugrunde gehen und am Ende beim Gericht nicht beschämt werden.
„Das Angesicht des HERRN richtet sich gegen die Bösen, ihr Andenken von der Erde zu tilgen.“ Das Angesicht Gottes ist immer am selben Fleck, doch der Mensch wendet sich von Gott ab. Wenn er Nein zu Gott sagt, dann nimmt dieser es ernst und zieht sich zurück. Dann muss der Mensch die Ablehnung Gottes aber schmerzlich erfahren.
Wenn die Wendung „ihr Andenken von der Erde zu tilgen“ verwendet wird, ist das ein Zeichen des Fluchs. Auf immer in Erinnerung zu bleiben, ist ein erstrebenswertes Ziel für die Israeliten. Es ist ein Zeichen des Segens Gottes.
„Die aufschrien, hat der HERR erhört, er hat sie all ihren Nöten entrissen.“ Gott ist barmherzig und er hört das Schreien seines Volkes. Er hat dies schon getan, als sein auserwähltes Volk unter der Sklaverei Ägyptens litt. Er hat das Schreien der Propheten gehört, die für seine Weisung umgebracht worden sind. Er hat auch das Schreien seines eigenen Sohnes am Kreuz gehört. So hat er ihn von den Toten auferweckt und ihn über alle erhöht.
Dann macht David eine entscheidende Beobachtung: Gott bringt den zerschlagenen Geistern und zerbrochenen Herzen Hilfe. Erstens müssen wir das auf David selbst beziehen, der hier aus Erfahrung spricht. Seine Sünde hat ihn unglücklich gemacht, in erster Linie wegen der zerbrochenen Beziehung zu Gott. Er hat sich selbst gedemütigt, er hat sich selbst in seiner ganzen Unvollkommenheit und Erlösungsbedürftigkeit gesehen. Er ist arm geworden, indem er seine eigene Armut erkannt hat. Dieser realistische Selbstblick ist, was wir Demut nennen und das der fruchtbare Ausgangspunkt für Gottes Gnade ist. So ist es auch mit dem ganzen Volk Israel, das immer wieder schuldig geworden ist durch Götzendienst, das immer wieder die schmerzhaften Konsequenzen tragen musste und so nach dem Messias geschrien hat. So wird es auch mit eben jenen Menschen sein, die ganz großspurig Gott die Treue geschworen haben.
Auf der Höhe der Zeit ist der Messias gekommen, er ist die Hilfe, er ist Jesus, „Jahwe rettet“. Gott rettet auch die Menschen heute, indem er jenen die Taufgnade schenkt, die umkehren und an ihn glauben. Er rettet jeden einzelnen Menschen, der schuldig geworden ist und voller Reue, mit einem zerschlagenen Geist und einem zerbrochenen Herzen zu ihm zurückkehrt. Er ist sofort bereit, den Menschen zu vergeben, die von Herzen umkehren. Er versetzt uns alle dann wieder zurück in den Stand der Gnade. Das Sakrament der Versöhnung ist ein ganz großes Geschenk, das viel zu selten angenommen wird. Und am Ende der Zeiten wird Gott allen zerbrochenen Herzen und zerschlagenen Geistern die Tränen von den Augen abwischen. Sie alle werden das Heil schauen und in Ewigkeit bei Gott sein. Jesus hat so viel gelitten als der Gerechte schlechthin und ist am Ende schandvoll gestorben, doch mit der Auferstehung hat er, haben auch alle seine Lieben, vor allem seine mitleidende Mutter, allen Grund zu feiern und sich zu freuen. Sie sind beide jetzt mit Leib und Seele bei Gott und sind in der ewigen Glückseligkeit, die auch wir erfahren dürfen, wenn wir den Weg Jesu nachgehen.
„Er behütet all seine Glieder, nicht eins von ihnen wird zerbrochen.“ Das ist hier in einem poetischen Kontext (Psalmen sind Poesie) bildhaft gemeint. Gott behütet uns ja nicht vor jedem Knochenbruch oder körperlichem Schaden. Im Gegenteil. Menschen lassen gerade heute ihr biologisches Leben um des Himmelreiches willen! Wir müssen das so verstehen, dass Gott das ewige Leben bewahrt. Das irdische Dasein können die Verfolger einem nehmen, aber nicht den Glauben. Sie können auch das ewige Leben nicht nehmen. Selbst wenn sie den Menschen umbringen – Gott entscheidet, was mit der Seele passiert. Und am Ende der Zeiten wird dieser umgebrachte Körper wie bei Jesus von Gott wiederhergestellt und gewandelt. Dann werden wir in Ewigkeit bei ihm leben als ganze Menschen! Unter dem Strich sorgt Gott also tatsächlich dafür, dass uns kein Haar gekrümmt wird, auch körperlich – und wenn doch, dann nur vorübergehend!
„Der HERR erlöst das Leben seiner Knechte“ – Er hat die Menschen erlöst dadurch, dass er seinen Sohn dahingegeben hat. Dadurch sind wir alle erlöst! Und seinen Sohn hat er zuerst aus dem Tod erlöst, der dadurch zum Anfang der neuen Schöpfung geworden ist.
„Niemals müssen büßen, die bei ihm sich bergen“ – wenn wir Gottes Willen tun und seine Gebote halten, werden wir nicht büßen müssen. Durch die Taufe bergen wir uns auf besondere Weise bei Gott, der so zu unserem Vater geworden ist. Als seine Erben steht uns das ewige Heil in Aussicht. Und doch müssen wir entsprechend leben, weil wir das Erbe verlieren können. Mit jeder Sünde beleidigen wir Gott und müssen alles, was wir ihm angetan haben, büßen. Er gibt uns in diesem Leben schon die Gelegenheit, dies zu tun. Doch was in diesem irdischen Leben noch nicht gebüßt ist, muss danach gebüßt werden. Das ist ein schmerzhafter Prozess, den wir Fegefeuer nennen. Doch selbst da können wir uns sicher sein, danach ganz die Herrlichkeit Gottes schauen zu dürfen. Haben wir Gott in diesem Leben aber ganz und gar abgelehnt, uns nicht bei ihm geborgen, sondern unser eigenes Leben fernab von ihm gelebt, werden wir auf ewig büßen müssen nach dem Tod. Er läuft uns aber immer nach und ruft uns zu, rüttelt uns wach, versucht alles, um um unsere Liebe zu werben, damit es am Ende nicht so mit uns ausgeht. Er möchte die Liebe jedes Menschen. So ist Gott.

2 Tim 4
6 Denn ich werde schon geopfert und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe.
7 Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt.
8 Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen, die sein Erscheinen ersehnen.
16 Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten; alle haben mich im Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. 17 Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Völker sie hören; und so wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen.
18 Der Herr wird mich allem bösen Treiben entreißen und retten in sein himmlisches Reich. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen.

Als zweite Lesung hören wir wieder einen Ausschnitt aus dem zweiten Timotheusbrief. Es geht nun wirklich um das Ende des Briefes. Das einzige, das wir heute nicht mehr hören, ist das Postskript mit abschließenden Grüßen.
Auch in der zweiten Lesung geht es um Opferung: Paulus deutet nämlich sein Martyrium an. Timotheus soll alles von Paulus Erklärte gut umsetzen, weil Paulus ahnt, dass er ihn bald alleine lassen wird („Denn ich werde schon geopfert und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe“).
Während Paulus Timotheus in die „Kampfarena“ schickt, hat Paulus schon den guten Kampf vollendet bzw. den Lauf vollendet. Auch hier verwendet Paulus wieder Sportmetaphorik, um den Eifer des Christen in den Tugenden auszudrücken.
Paulus hat die Kämpfe durchgestanden und ist nicht vom Glauben abgefallen. Er hat Gott die Treue bewahrt, die er ihm bei der Taufe versprochen hat.
Er weiß, dass schon vor seinem Tod alles für sein Kommen bereitet ist. Er wird den Kranz der Gerechtigkeit erhalten vom Weltenrichter, der wirklich gerecht beurteilen wird. Auch der Kranz ist Sportmetapher, denn er wurde bei den Agonen als Preis verliehen. Und der Preis für den Christen ist das ewige Sein bei Gott. Wie es Paulus ergehen wird, so ist es auch mit allen Menschen, die sich ebenfalls so verhalten wie Paulus – in der Treue bis zum Schluss.
Paulus lässt durchblicken, dass bei seiner ersten Verteidigung – gemeint ist die Anhörung vor Gericht – niemand für ihn eingetreten ist. Er nimmt es niemandem übel, denn wie Christus schon am Kreuz gebetet hat: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Und letztendlich war Paulus nicht allein, denn der Herr hat ihm die Kraft verliehen, sich zu verteidigen und zugleich das Evangelium den Heiden zu verkünden. Durch seine Worte sind womöglich die Ungläubigen gläubig geworden.
Ihm sind viele Dinge widerfahren und er sieht dem Tod ins Auge. Dennoch hat er Vertrauen und die Zuversicht, dass der Herr ihn den Nöten entreißen und ihn in sein Reich aufnehmen wird. Er schließt den Epilog mit einer doxologischen Formel ab: „Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen.“ Wie so oft ist der Rahmen seiner Briefe gebetsartig. Das sagt viel über seine Haltung und sein Leben im Allgemeinen aus. Er betrachtet sein ganzes Dasein als Gebet für Gott, als Opfer, das er ihm darbringt, so auch sein Lebensende.

Lk 18
9 Einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, erzählte Jesus dieses Gleichnis:
10 Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.
11 Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.
12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
13 Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause hinab, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Heute hören wir im Evangelium von zwei Menschen mit ganz unterschiedlichen Haltungen. Der eine ist hochmütig, der andere demütig. Es kommt nun also alles zusammen, was wir in den anderen Lesungen bereits bedacht haben. Jesus führt die beiden in einem Gleichnis an, um die Rechtfertigung vor Gott zu erklären. Er beobachtet nämlich die Selbstgerechtigkeit einiger Juden, die die anderen verachten.
Es handelt sich im Gleichnis um zwei Männer, die zum Gebet in den Tempel gehen. Der eine ist Pharisäer und betet: „Gott ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.“ Er verweist damit auf den zweiten Mann, der ganz hinten stehen bleibt. Doch zunächst zum Pharisäer. Was er hier zu Anfang betet, ist noch nicht das Falsche. Auch wir dürfen Gott danken, dass wir noch nicht gefallen sind. Aber der entscheidende Unterschied ist dabei, worauf wir diese Gerechtigkeit zurückführen – auf Gott, der uns die Gnade und Kraft geschenkt hat, der Versuchung zu widerstehen, oder auf uns selbst, die wir durch unsere eigenen Taten diese Gerechtigkeit erreicht haben. Und das ist der springende Punkt, weshalb Jesus den Pharisäer als Negativbeispiel anführt: Er zählt nämlich auf: „Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.“ Der Pharisäer zählt vor Gott auf, was er Gutes getan hat, und setzt dabei voraus, dass dies ihn vor Gott gerecht macht. Er gibt mit den guten Seiten an und blendet komplett aus, was er noch nicht gut gemacht hat. Vor allem aber zählt er Dinge auf, die nichts mit der Beziehung zu Gott zu tun haben. In Psalm und Lesung haben wir heute ja bereits gelernt, dass es Gott auf diese Beziehung ankommt und der Mensch ihm gegenüber aufrichtig sein muss. Also noch einmal: Wir dürfen beten: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht in schwere Sünde gefallen bin.“ Aber dann müssen wir anerkennen, dass es nicht allein unser Verdienst ist, sondern eine Kooperation mit der Gnade Gottes. Dabei können wir auch nicht stehenbleiben, sondern wir müssen uns ganz sehen, auch mit unserem Scheitern. Das vermissen wir beim Pharisäer. Er setzt nicht nach und bittet Gott um Verzeihung, wo er nicht nach dessen Willen gehandelt hat, so als ob er perfekt wäre und keiner Umkehr bedürfe.
Und da sehen wir nun den anderen Mann, der von Beruf Zöllner ist. Er kommt mit einer ganz anderen Haltung zu Gott. Er weiß genau, dass er Unrechtes getan hat. Er kommt mit einem absolut reumütigen Herzen. Er schämt sich seiner Sünde so wie Adam und Eva nach dem ersten Sündenfall, als sie sich vor Gott verstecken. Deshalb bleibt er auch hinten stehen. Er kommt mutig zu Gott, traut sich aber nicht, den Blick zu erheben. Er schlägt sich an die Brust und betet: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Dies ist eine Haltung, mit der Gott „arbeiten“ kann. Hier kommt jemand zu ihm, weil er sich von Gott verwandeln lassen will. Er kehrt aktiv um, er möchte sein Leben ändern und da kann Gott seine helfende Gnade fließen lassen. Er kann zu einem besseren Menschen werden, weil er sich von Gott helfen lässt.
Der Pharisäer dagegen meint, dass er keine Umkehr nötig hat, deshalb kann Gott ihm keine Gnade erweisen. Er öffnet sich gar nicht dafür und lässt sich nicht helfen, obwohl er ein Mensch ist wie der Zöllner auch. Kein Mensch ist ohne Sünde, nur dass die Sünden unterschiedlich verteilt sind. Der Pharisäer sündigt auch, nur anders als der Zöllner. Er erkennt seine Erlösungsbedürftigkeit nur nicht.
Jesus schließt das Gleichnis damit, dass der Zöllner gerechtfertigt nach Hause geht, der Pharisäer aber nicht. Im Gleichnis vom verlorenen Sohn einige Kapitel zuvor hat Jesus bereits erklärt, dass dem, der von Herzen bereut und umkehrt, Gott alles vergeben will. Er kann aber nur vergeben, wer um Vergebung bittet.
Und so sagt Jesus zum Schluss: „Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ Erniedrigung heißt aber nicht, dass der Mensch das „Aschenputtel-Syndrom“ bekommen soll, sondern dass der Mensch sich realistisch sieht, mit dem Guten UND vor allem dem Bösen. Erst wenn wir uns so sehen, wie wir wirklich sind – das nennen wir Demut: wissen, was man kann und was man nicht kann; erkennen, wo die Tugenden und die Laster sind – dann können wir Gott das hinhalten und ihn bitten, uns dabei zu helfen, die Schwächen, die Laster, das Schlechte an uns zu überwinden. Nur so können wir ihm immer ähnlicher werden. Wenn wir aber in der Selbstillusion eines unfehlbaren Menschen verharren, wird der Dreck unserer Seele nie zutage kommen, um gereinigt zu werden. Dann gibt es spätestens am Ende unseres Lebens eine böse Überraschung, denn im Angesicht Gottes wird der gesamte angesammelte Dreck auf einmal zutage treten. Dann werden wir selbst uns so sehr schämen und so einen überwältigenden Schmerz verspüren, dann werden wir die ultimative Erniedrigung verspüren. Ändern wir uns jetzt, solange es noch geht! Demütigen wir uns und bitten wir den Herrn um Verzeihung, dann werden wir am Ende unseres Lebens Ehrengäste beim himmlischen Hochzeitsmahl sein!

Ihre Magstrauss

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