Bartholomäus, Apostel (Fest)

Offb 21,9b-14; Ps 145, 10-11.12-13b.17-18; Joh 1,45-51

Offb 21
9 Komm, ich will dir die Braut zeigen, die Frau des Lammes.

10 Da entrückte er mich im Geist auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam,
11 erfüllt von der Herrlichkeit Gottes. Sie glänzte wie ein kostbarer Edelstein, wie ein kristallklarer Jaspis.
12 Die Stadt hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf die Tore sind Namen geschrieben: die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels.
13 Im Osten hat die Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und im Westen drei Tore.
14 Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes.

In der ersten Lesung aus der Johannesoffenbarung hören wir davon, wie Johannes die Braut des Lammes schauen darf, deren Hochzeit ihm ja schon zwei Kapitel zuvor angekündigt worden ist.
Der Visionär wird auf einen Berg entrückt, um von dort Jerusalem zu sehen, wie sie vom Himmel her herabkam. Er wird sich nicht gewundert haben, denn dass Jerusalem als Braut Gottes bezeichnet wird, ist uralte Bildsprache, die er schon aus dem Alten Testament kennt. Die Propheten haben dies immer wieder so ausgedrückt, um den Ehebruch des Volkes gegen Gott herauszustellen.
Die Braut glänzt „wie ein kostbarer Edelstein, wie ein kristallklarer Jaspis“. So ist zuvor Gott umschrieben worden und alles, was zu seiner Sphäre gehört. Auch der Vergleich des hellen Gnadenlichtes Gottes mit Edelsteinen ist dem Alten Testament entnommen. Hier wird dem Seher das gezeigt, was er von seiner jüdischen Abstammung her kennt. Edelsteine werden zum Vergleich deshalb herangezogen, weil das Licht sich in schöne Farben bricht und das Lichtspiel durch sie bewundert worden ist. Das Licht der göttlichen Herrlichkeit ist ansatzweise damit vergleichbar.
Johannes schaut Details des himmlischen Jerusalem, unter anderem die Mauer und die Tore. Auf jedem der zwölf Tore, die mit den Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels beschriftet sind, stehen Engel. Zudem sind die zwölf Grundsteine der Mauer mit den Namen der zwölf Apostel des Lammes beschriftet. Was Johannes hier sieht, ist mit den 24 Ältesten auf 24 Thronen in Verbindung zu bringen. Gemeinsam bilden diese nämlich die Gesamtheit der Söhne Israels und der Apostel. Alter und Neuer Bund vereinen sich in Gottes Reich. Die Johannesoffenbarung ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass der Alte Bund nicht beendet worden ist, nur weil er den Neuen Bund geschlossen hat. Wenn wir an diesem heutigen Apostelfest vor allem auf die Grundsteine der Mauer schauen, erkennen wir ein Motiv, das auch in 1 Petr 2,5 zum Tragen kommt und die Verbindung dieses himmlischen Jerusalem mit der Kirche herausstellt: Sie sind lebendige Steine, die das himmlische Jerusalem umfangen. Was Johannes im Himmel sieht, ist auf Erden schon grundgelegt in der Kirche Jesu Christi. Die Grundsteine des Mauerwerks hat er selbst konstruiert, indem er die zwölf Apostel auserwählt hat. Die Kirche ist das Sakrament, das dieses himmlische Jerusalem antizipiert. Das heißt konkret, dass was hier auf Erden in der Kirche passiert, Abbild dessen ist, was im Himmel geschieht. Ich spreche v.a. von der Liturgie. Wenn dieser Zusammenhang besteht, heißt das auch, dass die Kirche einen apostolisches Mauerwerk haben muss, damit sie Kirche ist. Wo eine Gemeinschaft sich als Kirche propagiert, aber nicht die apostolische Sukzession hat, ist sie nicht sakramentale Wirklichkeit des himmlischen Jerusalem.

Ps 145
10 Danken sollen dir, HERR, all deine Werke, deine Frommen sollen dich preisen.

11 Von der Herrlichkeit deines Königtums sollen sie reden, von deiner Macht sollen sie sprechen,
12 um den Menschen bekannt zu machen seine machtvollen Taten und die glanzvolle Herrlichkeit seines Königtums.
13 Dein Königtum ist ein Königtum aller Zeiten, von Geschlecht zu Geschlecht währt deine Herrschaft.
17 Gerecht ist der HERR auf all seinen Wegen und getreu in all seinen Werken.
18 Nahe ist der HERR allen, die ihn rufen, allen, die ihn aufrichtig rufen.

Als Antwort auf die spannende Vision des Johannes loben wir Gott im Psalm. Es ist wieder ein Aufruf zum Lobpreis bzw. Dank, der diesmal in dritter Person formuliert ist. Der Aufruf an die Frommen, ihn zu preisen, färbt den Psalm sehr liturgisch. Es ist ein Appell, hinter dem ursprünglich wohl wirklich ein liturgischer Kontext stand.
Es ist bemerkenswert, dass die Rede vom Königtum Gottes ist. Gott ist ein Herrscher und seine Königswürde ist Herrlichkeit. Das hebräische Wort כָּבוֹד kavod ist auch dasselbe, das für die Gegenwart Gottes im Tempel verwendet wird und das zum Gottesprädikat δόξα doxa wird – sowohl im griechischen AT als auch im NT. Diese Herrlichkeit ist uns in der Lesung in Form des Edelstein-Bildes zugekommen. Die Herrlichkeit des Reiches Gottes macht auch Jesus zum Kern seiner Verkündigung. Und am Ende seines Wirkens, bevor er nämlich zum Vater zurückkehrt, trägt er seinen Jüngern auf, diese Herrlichkeit des Gottesreiches allen Menschen zu verkünden. Somit wird das umgesetzt, was hier im Psalm schon gesagt wird: „Von der Herrlichkeit deines Königtums sollen sie reden…um den Menschen bekannt zu machen“. Die Kirche tut dies in ihren Vollzügen: Sie verkündet das Reich Gottes (martyria), sie feiert das Reich Gottes (leiturgia), sie lebt das Reich Gottes (diakonia). Und wir Menschen ersehnen das Reich Gottes jedes Mal, wenn wir im Vaterunser beten „dein Reich komme“. Das Reich Gottes ist ewig, so sagt es schon der Psalm. Es ist das Himmelreich, das unter anderem auch mit dem Begriff „himmlisches Jerusalem“ bezeichnet wird und von dem wir in der Lesung gehört haben.
Gottes Königtum ist vollkommen im Gegensatz zu menschlichen Königtümern, denn er ist gerecht „auf all seinen Wegen und getreu in all seinen Werken.“ Wenn er etwas verspricht, hält er dies auch. Wir sehen die Korruption der heutigen politischen Welt vor Augen, die einen krassen Gegensatz dazu darstellt. Gerade in Wahlkampagnen verdichtet sich das Problem, wenn die Kandidaten allerlei Versprechungen machen, um Wähler anzulocken und dann im Amt nichts davon umsetzen. Gott ist dagegen ein treuer Herrscher, der alles umsetzt und der den Bund mit den Menschen auf ewig hält. Weil er absolut vertrauenswürdig ist, gebührt ihm auch der volle Gehorsam in Liebe.
„Nahe ist der HERR allen, die ihn rufen, allen, die ihn aufrichtig rufen.“ Gott lässt nicht lange auf sich warten, ja er wartet selbst sehnsüchtig darauf, dass wir seine Nähe suchen. Dazu hat er uns ja geschaffen. Er möchte unsere Liebe nicht erzwingen, deshalb wartet er auf jeden von uns wie der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Er kommt uns schon von weitem entgegen, wenn wir uns auf den Weg zu ihm machen. So sehr dürstet er nach unserer Gegenliebe. Wenn wir aufrichtig umkehren, ihn anrufen, auch nur stammelnd ein Gebet versuchen, zusammen zu kratzen, dann ist er schon ganz bei uns und schenkt uns die Gnade, die wir brauchen. So ein König ist unser Gott.

Joh 1
45 Philippus traf Natanaël und sagte zu ihm: Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus, den Sohn Josefs, aus Nazaret.

46 Da sagte Natanaël zu ihm: Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen? Philippus sagte zu ihm: Komm und sieh!
47 Jesus sah Natanaël auf sich zukommen und sagte über ihn: Sieh, ein echter Israelit, an dem kein Falsch ist.
48 Natanaël sagte zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete ihm: Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen.
49 Natanaël antwortete ihm: Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!
50 Jesus antwortete ihm: Du glaubst, weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum sah; du wirst noch Größeres als dieses sehen.
51 Und er sprach zu ihm: Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem Menschensohn.

Im Evangelium wird uns davon berichtet, wie Jesus seine Jünger berufen hat. Da wir heute das Fest des Hl. Bartholomäus begehen, steht seine Berufung im Vordergrund. Es ist anzumerken, dass im Johannesevangelium Bartholomäus Natanael genannt wird. Woran liegt das?
„Bartholomäus“ ist die latinisierte Form des hebräischen „Bar-Tolmay“, was „Sohn des Tolmay“ heißt. Es meint also nicht seinen Namen, sondern den Beinamen, den man als Zuschreibung der Person verwendet hat, so wie „Barjona“ für Petrus oder „Sohn des Zebedäus“ für die Donnersöhne. Natanael ist dagegen ein typischer Vorname (hier in der griechischen Fassung), der im Hebräischen die Form נתנאל netan’el hat. Der Name bedeutet „Gott hat gegeben“. Der volle Name der heutigen gefeierten Person lautet also Natanael Bar-Tolmai. Johannes nennt also einfach seinen Vornamen, während die Synoptiker und Apg sich für den Beinamen entscheiden.
Philippus, der ein neuberufener Apostel ist, geht zu Natanael und spricht ihn an. Das heißt, er kennt ihn schon, als Jesus die Apostel beruft. Zu ihm sagt Philippus nun: „Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus den Sohn Josefs, aus Nazaret.“ Diese Aussage zeigt uns schon, dass Natanael ein schriftkundiger Jude sein muss, denn er weiß um die messianischen Verheißungen des Alten Testaments und legt offensichtlich Wert darauf. Man nimmt heutzutage auch an, dass Natanael ein Schriftgelehrter gewesen sei. Vor allem irritiert ihn ja die Aussage, dass Jesus aus Nazaret kommt. Gemäß den Hl. Schriften erwartet man ja einen davidischen Messias, der also aus Betlehem stammt. Was die Apostel zu jener Zeit vielleicht noch nicht wissen, ist ja, dass Jesus Davidide aus Betlehem ist, der nun in Nazaret wohnt. Die Verheißung erfüllt sich also schon, doch der erste Eindruck täuscht. Nazaret liegt in Galiläa und deshalb kommt von Natanael die skeptische Bemerkung „Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?“ Es gibt zwar Juden in diesem Dorf, doch ist die Gegend für starke pagane Einflüsse bekannt. Galiläa wird von den Judäern grundsätzlich verachtet und Nazaret hat zu jener Zeit von allen Städten den schlechtesten Ruf. Es gilt als zweifelhafter Ort voller Sünder. Doch die Vorsehung Gottes hat offensichtlich genau dies so gefügt, dass Jesus in so einer Region aufwächst und nachher auch wirkt. Gott sucht sich das Kleine und Schwache aus, denn er ist die Demut schlechthin. Er sucht sich auch bewusst einen Ort aus, der von Juden und Heiden besiedelt wird. Schließlich ist er gekommen, den Neuen Bund Gottes mit Juden UND Heiden zu besiegeln. Wir müssen über die Frage Natanaels ein wenig genauer nachdenken. Ist es eine komplette Ablehnung? Nein, es ist vielmehr eine Unsicherheit oder Unschlüssigkeit angesichts der fehlenden Aussagen in der Hl. Schrift. Wäre es eine Frage kompletter Ablehnung, würde Natanael Philippus nicht zu Jesus folgen. Er würde dort bleiben, wo er aufgesucht worden ist.
Wie sehr oft im Johannesevangelium antwortet Philippus mit den Worten: „Komm und sieh!“ Und Natanael wird sich selbst von der Messianität Jesu überzeugen, als dieser nämlich zu ihm sagt, während er auf ihn zukommt: „Sieh, ein echter Israelit, an dem kein Falsch ist.“ Jesus lehnt sich mit seinen Worten an Psalm 32,2 an, was eine ganz logische und passende Bemerkung für einen Schriftgelehrten ist. Jesus zeigt ihm somit, dass er die Hl. Schrift gut kennt, und macht ihm ein Kompliment. Jesus macht ihm dieses Kompliment, weil er die Aufrichtigkeit erkennt, mit der der Schriftgelehrte den Messias sucht. Natanael fragt Jesus, woher er ihn kennt – denn die Aussage, dass er ohne Falschheit sei, kann er ja nur tätigen, wenn er dessen Lebenswandel kennt. Und so antwortet Jesus mit einer Sache, die er gar nicht wissen kann: „Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen.“ Das heißt nicht, dass Philippus ihn von einem Feigenbaum weggeholt hat, den Jesus von weitem gesehen hat. Das hat eine viel tiefere Bedeutung: Unter dem Feigenbaum sitzen die Menschen unter anderem in der Bibel, um sich zu erholen. Das ist ein Bild auch für den salomonischen Frieden. Es bezieht sich aber auch auf die frommen Juden, die aufrichtig nach Gott nachsinnen und die Hl. Schrift betrachten. Unter Rabbinern hat sich die Redewendung „unter dem Feigenbaum sitzen“ für die Betrachtung der Hl. Schrift eingebürgert. Jesus sagt Natanael also, was er zuvor getan hat. Er wird sich ganz ertappt gefühlt haben, denn als Johannesjünger hat dieser Mann stets über den Messias nachgedacht. Und nun sagt der Messias selbst ihm gleichsam zu: „Ich habe dich gesehen, wie du aufrichtig nach mir gesucht hast.“ Das ist die Antwort, auf die Natanael gewartet hat, und so antwortet er Jesus mit einem emotionalen Messiasbekenntnis.
Jesus nimmt dies zum Anlass, eine wichtige Lektion zu erteilen: Natanael kam zum Glauben an ihn, weil Jesus prophetische Worte zu ihm gesprochen hat. Doch er verdeutlicht, dass sowohl Natanael als auch die anderen Apostel noch größere Dinge sehen werden: die vielen Heilungen, Exorzismen, die Totenheilung des eigenen Freundes, die Auferstehung Jesu Christi. Sie werden durch die ganzen Wundertaten seine Herrlichkeit sehen. Dies umschreibt Jesus mithilfe eines biblischen Bildes, das er ganz bewusst für den Schriftgelehrten Natanael aufgreift: Die geöffnete Himmelstür mit auf- und absteigenden Engeln über dem Menschensohn. Die Himmelsleiter ist ein Motiv, das schon in der Jakobserzählung erscheint. Dort sieht der Patriarch im Traum die Himmelsleiter mit den sich bewegenden Engeln und Gott selbst am oberen Ende der Leiter. Jesus erklärt mithilfe dieses Motivs, dass Gott ans andere Ende der Leiter gekommen ist – er ist Mensch geworden in Jesus Christus, um bei den Menschen zu wohnen und die ganze Welt zu retten.

Natanael ist eine große Gnade zuteilgeworden. Er ist als Johannesjünger in der absoluten Messiaserwartung in die persönliche Begegnung mit ihm geführt worden. Bitten wir ihn heute ganz besonders um seine Fürsprache, dass auch wir Gott mit aufrichtigem Herzen suchen, damit auch er zu uns eines Tages sagt: „Ich habe dich unter deinem ganz persönlichen Feigenbaum sitzen gesehen“.

Ihre Magstrauss

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