Mittwoch der 32. Woche im Jahreskreis

Tit 3,1-7; Ps 23,1-3.4.5.6; Lk 17,11-19

Tit 3
1 Erinnere sie daran, sich den Obrigkeiten und Machthabern unterzuordnen und ihnen zu gehorchen und zu jedem guten Werk bereit zu sein,

2 niemanden zu schmähen, friedfertig zu sein, gütig und alle Freundlichkeit allen Menschen gegenüber zu zeigen!
3 Denn auch wir waren früher unverständig und ungehorsam, dem Irrtum verfallen, Sklaven aller möglichen Begierden und Leidenschaften, lebten in Bosheit und Neid, waren verhasst und hassten einander.
4 Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien,
5 hat er uns gerettet – nicht aufgrund von Werken der Gerechtigkeit, die wir vollbracht haben, sondern nach seinem Erbarmen – durch das Bad der Wiedergeburt und die Erneuerung im Heiligen Geist.
6 Ihn hat er in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter,
7 damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen.

Im heutigen Ausschnitt aus dem Titusbrief geht es wie gestern um die Berufung der Christen durch die Taufe. Paulus erklärt seinem Mitarbeiter, was er den Getauften erklären soll.
Sie wissen schon einiges durch ihr Katechumenat vor der Taufe. Deshalb sagt Paulus auch „erinnere sie daran“. Sie wissen bereits, dass sie sich „Obrigkeiten und Machthabern“ unterordnen sollen und „zu jedem guten Werk bereit“ sein sollen. Natürlich impliziert das auch die Bedingung, dass die Machthaber nichts Antichristliches von ihnen verlangen und sie für ihren Glauben unterdrücken. In einem solchen Fall sollen sie sich sogar weigern, Gehorsam zu leisten. Das hat mit dem vierten Gebot zu tun. Das vierte Gebot des Dekalogs lautet „ehre Vater und Mutter“, aber von Anfang an hat die Kirche dieses Gebot nicht nur auf die Eltern bezogen, sondern auf alle älteren Verwandten, sogar auf die Geschwister (aus Liebe zu den Eltern respektvoll mit den eigenen Geschwistern umgehen), auf Autoritätspersonen wie Lehrer, politische Herrscher, Geistliche etc. Und auch da gilt immer die Bedingung, dass der Gehorsam gegenüber dieser Personen nur solange gilt, bis sie nichts verlangen, was dem Glauben widerspricht. Denn „man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apg 5,29). Das ist die Gratwanderung, die Christen vornehmen, damals wie heute.
Paulus sagt, dass die Christen zu jedem guten Werk bereit sein sollen. Das zeigt uns, dass die guten Werke trotz Taufgnade nicht ausgeschlossen sind, auch für Paulus nicht. Auch wenn die Erlösung durch die Taufe vollends geschehen ist, heißt das nicht, dass man sich darauf ausruhen kann. Man muss sich bewähren. Gute Werke sind jetzt sogar ein Muss, denn der Mensch ist nun dazu befähigt und rechenschaftsfähig.
Dann nennt er weitere Verhaltensweisen, die Titus den Christen auf Kreta beibringen soll: Niemand soll geschmäht werden, das heißt, man soll sich aller Menschen annehmen, wenn sie in Not sind. Man soll also auch niemanden aufgeben oder abschreiben. Die Christen sollen Friedensstifter sein, das hat schon Jesus in den Seligpreisungen gesagt. Es geht nicht um eine Harmoniebedürftigkeit zu Ungunsten einer Konfrontation und Aussprache. Vielmehr meint er den echten Frieden, der mit einer heroischen Vergebungsbereitschaft verbunden ist.
Die Christen sollen gütig sein, das heißt miteinander barmherzig umgehen. Sie sollen freundlich zu allen Menschen sein, da soll es kein Ansehen der Person geben. Die Liebe Gottes soll auf diese Weise alle Menschen erreichen. Als Jesus das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt hat, stellte er genau dies heraus: Der Nächste ist der allernächste Mensch in meinem Leben, der in Not ist, egal wer er ist.
Paulus erinnert Titus an das alte Ich, das sie beide vor ihrer eigenen Taufe waren. Sie waren eben nicht liebenswürdig, sondern voller Hass, ihren Leidenschaften verfallen und ungehorsam. Sie haben alle Laster an sich gehabt, die man so haben kann. Kurz: Sie waren wirklich eine gefallene Schöpfung. Doch durch die Taufe sind sie neugeboren im Hl. Geist, der sie dazu befähigt hat, gut zu sein. Dies wird ausgedrückt durch das Bad der Wiedergeburt. Dadurch hat Gott seine Menschenfreundlichkeit und Güte offenbart.
Paulus verdeutlicht noch einmal, dass die Erlösung den Getauften nicht durch ihre eigenen Werke zuteilgeworden ist, sondern durch die Gnade Gottes. Was er oben aber gesagt hat – nämlich dass die Kreter stets zu guten Werken bereit sein sollen – betrifft die Zeit NACH der Taufe. Die Rede von der Irrelevanz von guten Werken in Vers 5 betrifft den Weg zur Erlösung, also VOR der Taufe. Es gibt also keinen Widerspruch in beidem und Paulus vertritt somit weder das reformatorische sola gratia, noch ist er „werksgerecht“. Das ist übrigens kein echter Katholik. Werksgerechtigkeit vertraten die radikalen Judenchristen, mit denen sich Paulus in Galatien angelegt hat.
Der Hl. Geist ist in reichem Maße auf die Getauften ausgegossen worden durch Jesus Christus. Warum durch ihn? Weil er den Neuen Bund am Kreuz besiegelt hat, den der Täufling bei der Taufe gläubig annimmt. Aufgrund dieses Bundesschlusses können die Getauften mit dem Hl. Geist erfüllt werden, der sie reinigt von aller Schuld und Sühne, sie ausstattet mit den göttlichen Tugenden, den Früchten, Gaben und Charismen, um die Gebote Gottes zu halten und nach dem Evangelium Jesu Christi leben zu können. Die Taufgnade ist es also, die den Menschen durch das Kreuzesopfer Jesu Christi gerecht macht. Durch die Taufe ist der Mensch eingesetzt zum Erben im Reich Gottes. Die Getauften bilden die Familie Gottes.

Ps 23
1 Ein Psalm Davids. Der HERR ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. 

2 Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. 
3 Meine Lebenskraft bringt er zurück. Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen. 
4 Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich. 
5 Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, übervoll ist mein Becher. 
6 Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN für lange Zeiten.

Heute beten wir den wunderbaren und bekannten Psalm 23. Er zeigt uns, dass die Christen in der Nachfolge Christi und ähnlich König David Hirten sein sollen – weil Gott der oberste Hirte ist. Im Titusbrief werden auch Aussagen über die Weihekandidaten getätigt, weshalb der Psalm sehr gut dazu passt.
Der „HERR ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen“. Er versorgt den Menschen, sodass er keinen Mangel leiden muss. Diese Versorgung ist auch Aufgabe der Ältesten in Gemeinden. Das griechische Wort „Presbyteros“ ist der Ursprung unseres Begriffs „Priester“. Die Priester also sollen mit geistigen Gaben ausstatten, mit den Sakramenten und Sakramentalien, mit der Verkündigung des Wortes Gottes. So müssen die Gemeindemitglieder keinen Mangel leiden.
„Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.“ Das Lagern auf grünen Auen ist ein Gegenbild zur trockenen Wüste. Gott führt uns auf Weiden, an denen wir uns sättigen können. Das Sättigen ermöglichen uns die Ältesten auch, indem sie uns täglich die Eucharistie ermöglichen, das tägliche Brot, das uns ernährt. Sie ermöglichen auch die Versorgung mit dem Wort Gottes durch die Erklärung und Vorlesung. Auch dies nährt den Menschen und vor allem den Glauben (denn Paulus sagt „Der Glaube kommt vom Hören“ Röm 10,17). Der Herr führt auch zum Ruheplatz am Wasser. Das ist ekklesiologisch gesehen ein Bild für den Hl. Geist, den Gott uns schenkt. Die Ruhe ist dabei eine Frucht des Hl. Geistes. Die Ältesten einer Gemeinde rufen den Hl. Geist in jeder Eucharistiefeier auf die Gaben von Brot und Wein herab und auch durch die anderen Sakramente spenden sie den Gläubigen den Hl. Geist. Dieser ruht auf den Ältesten selbst, die durch ihn zu ihrer Weihe gekommen sind.
Gott bringt die Lebenskraft zurück, die נֶפֶשׁ nefesch. Das ist umfassend zu verstehen, denn er bringt den ganzen Menschen zurück. Man kann es moralisch auffassen: Gott verhilft dem Menschen zur Umkehr, der sich von ihm entfernt hat und aus dem Stand der Gnade gefallen ist. Er holt dann das Leben, nämlich diesen Stand der Gnade zurück. Gott hat den ganzen Menschen wiederhergestellt, indem er seinen einzigen Sohn als neuen Adam in diese Welt gebracht hat. Er hat ihm nach dem Tod die Lebenskraft wieder zurückgegeben, indem er ihn von den Toten hat auferstehen lassen. Es ist auch auf Jesus selbst zu beziehen, der das Leben so vieler Menschen zurückgegeben hat – ob damit die Lebensqualität nach einer Krankenheilung oder nach einem Exorzismus gemeint ist oder ob es die Sündenvergebungen oder sogar die Totenerweckungen sind. Und schließlich hat Jesus seine Apostel bevollmächtigt, es ihm gleichzutun. Sie sind bevollmächtigt, die Sünden zu vergeben. So ist diese Aussage auch auf die Kirche zu beziehen: Die Ältesten vergeben den Gemeindemitgliedern die Sünden und bringen so deren Lebenskraft zurück. Schließlich können wir es anagogisch auslegen: Gott gibt uns das Leben zurück, wenn wir von den Toten auferstehen. Wir werden in das ewige Leben auferstehen und am Ende der Zeiten sogar mit unseren Leibern wieder vereint. Dann können wir maximal sagen, Gott hat uns unsere Lebenskraft zurückgegeben.
So wie Gott die Menschen „auf Pfaden der Gerechtigkeit“ führt, soll der Älteste die Gemeindemitglieder den von Gott gebotenen moralischen Lebenswandel aufzeigen. Er soll ihnen erklären und zugleich vorleben (als Vorbild der Gemeinde!), wie dieser Pfad der Gerechtigkeit auszusehen hat. Titus ist so ein Geistlicher, der den kreter Christen den richtigen Lebenswandel im Auftrag von Paulus erklären soll. Die vielen Vorgaben haben wir gestern und heute in der Lesung bedacht.
So wie Gott immer bei den Menschen ist (Jahwe „ich bin“, Jesus der Immanuel, „Gott mit uns“), so soll der Älteste immer für die Gemeindemitglieder da sein. Wenn sie in der Finsternis wandeln, weil sie eine schwere Zeit durchmachen, z.B. durch Krankheit, sollen die Ältesten als Seelsorger diese Belasteten tragen und sie trösten. Wir denken hier z.B. auch an das Sakrament der Krankensalbung, das den Gespendeten Trost gibt, sie innerlich aufrichtet und Hoffnung verleiht.
Der Älteste deckt den Gemeindemitgliedern den Tisch, nämlich zum eucharistischen Mahl, und tut dies wegen Gottes Tischdecken. Gott segnet uns mit allen Gaben vor den Augen unserer Feinde. Das heißt, dass er das letzte Wort hat und auch unsere Feinde das erkennen müssen. Obwohl sie uns so viel Böses wollten und unser Leben zerstören wollten, konnten sie unseren Glauben nicht antasten. Gott kompensiert die Leiden, die wir vor allem in seinem Namen erlitten haben, indem er uns überreich segnet. Er ist immer stärker als der Satan, unser eigentlicher Feind hinter all den bösen Menschen.
Wir sind gesalbt mit Öl, was in diesem Kontext zunächst eine Geste des Wohlstands ist. Gott sorgt dafür, dass es uns gut ergeht. Wir denken aber schon viel weiter und sehen in der Salbung eine liturgische Geste. Jesus ist der Messias, der Gesalbte, in dessen Nachfolge auch die Ältesten Gesalbte sind. Und auch bei anderen Sakramenten werden die Gläubigen gesalbt – bei Taufe und Firmung.
Die Ältesten salben ihre Gemeindemitglieder und erheben diese zu einem königlichen und priesterlichen Geschlecht.
Ein übervoller Becher ist Zeichen der ewigen Freude des Himmelreichs. Gott schenkt uns überreiche Freude, was wiederum eine Frucht des Hl. Geistes ist. Diese Freude wird uns schon ansatzweise in den Sakramenten geschenkt, besonders in der Eucharistie als antizipiertes Hochzeitsmahl des Lammes.
Weil Gott uns so sehr beschenkt und weil er treu ist, sind wir ein Leben lang mit diesem Segen ausgestattet. Seine Güte und Huld sind unendlich groß und deshalb setzt er keine Grenzen oder Bedingungen. Es liegt an uns, ob wir diesen Segen auch bekommen oder nicht – je nach unserer Entscheidung für oder gegen ihn.
Und wenn wir in Gemeinschaft mit Gott gelebt haben, werden wir heimkehren in sein Reich, den Himmel. Das ist unsere eigentliche Heimat, deshalb kehren wir zurück (nicht im Sinne, dass wir dort schon waren, höchstens im Sinne von „die Menschheit kehrt zurück, nachdem sie von dort verbannt worden ist, nämlich aus der Gemeinschaft mit Gott“). Diese Welt und dieses irdische Leben sind vorübergehend. Wir sind zu Gast und in Vorbereitung auf das eigentliche Leben in der Ewigkeit. Heimkehren in das Haus des HERRN muss aber nicht erst anagogisch verstanden werden – es kann auch den Tempel in Jerusalem meinen (so haben es auch schon die Juden verstanden). In typologischer Weiterführung ist mit dem Haus des HERRN seit der Stiftung Christi die Kirche gemeint. Ebenso kann es den Stand der Gnade meinen, indem wir heimkehren nach einer Umkehr zu Gott.
Insgesamt haben wir heute den Psalm einmal anders gelesen als sonst. Vor dem Hintergrund des vierfachen Schriftsinns und gerade als ekklesiologische Antwort auf die Lesung birgt er eine ganz andere Stoßrichtung. Das eine schließt das andere nicht aus, sondern es offenbart uns den unendlichen Schatz der Hl. Schrift.

Lk 17
11 Und es geschah auf dem Weg nach Jerusalem: Jesus zog durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa.

12 Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen
13 und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
14 Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie rein.
15 Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme.
16 Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samariter.
17 Da sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun?
18 Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
19 Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.

Im Evangelium erklärt Jesus heute, wie wichtig die Dankbarkeit ist. Das scheint auf den ersten Blick nicht zusammenpassend mit den bisherigen Lesungen, aber bei genauerem Hinsehen dann doch: Was nämlich auf die überreiche Taufgnade folgt, auf die Güte Gottes, der der gute Hirt ist, kann nur ein entsprechendes Leben nach Gottes Willen sein. Das ist unser angemessener Ausdruck von Dankbarkeit.
Jesus ist unterwegs nach Jerusalem und zieht durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa, also durch den nördlicheren Teil des Hl. Landes. Als er in ein Dorf hinein möchte, kommen ihm zehn Aussätzige entgegen. Aussätzige hatten entweder eine Glocke bei sich, um die Menschen schon von Weitem zu warnen, oder sie riefen „Aussatz, Aussatz!“ Die Krankheit war höchst ansteckend, weshalb sie diese Maßnahmen ergreifen und isoliert vom Rest der Bewohner leben mussten.
Von Weitem rufen sie nun „Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“ Sie rufen also nicht das Übliche, um Jesus vorzuwarnen, sondern sie rufen voller Sehnsucht und Glauben den Messias um Heilung an.
Es ist der Wille Gottes, dass sie geheilt werden. So sagt Jesus zu ihnen: „Geht, zeigt euch den Priestern!“ Was hat es damit auf sich? In Lev 14 werden verschiedene rituelle Anordnungen zusammengefasst, die von Aussatz Geheilte betreffen. Wer wieder rein ist, das wird offiziell von einem Priester festgestellt. Dann muss sich die Person einigen Riten unterziehen, um rituell wieder eingegliedert und kultfähig zu werden.
Das erinnert uns an die Ältesten wie Titus, die für die „Reinheit“ der Getauften vor Gott sorgen, indem sie sie taufen und später ihnen in der Beichte die Sünde vergeben. Reinheit ist im Neuen Bund nichts Äußerliches mehr, sondern betrifft das Innere des Menschen. Zwar wird äußerlich das „Bad der Wiedergeburt“ vorgenommen, also die Taufe in echtem Wasser vollzogen, doch geht es dabei nicht um die Säuberung des Körpers. Ob die Haut rein ist, ob irgendwelche körperlichen Symptome vorliegen, spielt keine Rolle mehr. „Kultunfähig“ ist nun nur noch, wer moralisch gesehen unrein ist.
Das Bemerkenswerte ist: Jesus behandelt die zehn Aussätzigen so, als ob sie bereits geheilt wären. Sonst würde er sie nicht zu einem Priester schicken. Das wird auch den Aussätzigen nicht entgangen sein. Doch ihr Glaube ist so stark, dass sie sich auf den Weg machen. Womöglich haben sie einen bereits einsetzenden Heilungsprozess angenommen. Jesus zeigt ihnen durch seine Anordnung darüber hinaus, dass er sich der Torah unterstellt. Er ist ein gesetzestreuer Jude und das soll den Menschen zum Zeichen dienen. Er ist nicht gekommen, die Torah zu entkräften. Gewiss hat er sie erfüllt mit seiner ganzen Person, doch er wollte keinen Bruch.
Die Aussätzigen haben ihren Glauben bewiesen dadurch, dass sie als Aussätzige den Weg zum Priester aufgenommen haben, obwohl sie noch nicht geheilt sind, zumindest noch nicht sichtbar. Deshalb erhört Gott ihre Bitte und sie werden unterwegs zum Priester geheilt.
Wir führen uns vor Augen: Die Heilung von Aussatz macht den Menschen in Israel wieder kultfähig. Aber nur ein einziger der Geheilten kehrt um für den Lobpreis.
Dieses Umkehren können wir auf verschiedene Weise verstehen. Es kann die Umkehr zu Christus meinen, und zwar lokal. Der eine Aussätzige ist zu Jesus zurückgekommen, um sich bei ihm zu bedanken. Wir können es aber auch moralisch verstehen: Der Mensch ist moralisch gesehen umgekehrt. Vielleicht war er weit weg von Gott, hat mit ihm gehadert, weil er mit so einer Krankheit geschlagen worden ist. Vielleicht hat ihm diese Heilung von Neuem gezeigt, dass Gott wirklich da ist und nur das Beste für ihn will. Vielleicht ist ihm ein neuer Glaube geschenkt worden, wenn er vorher nicht existierte. So kommt dieser Mensch also innerlich zurück, um Gott anzubeten. Vielleicht kehrt er zurück zum Kultort, um Opfer darzubringen, die vorgeschrieben sind. Er ist vielleicht der Einzige, der seine wiedergewonnene Kultfähigkeit nutzt, um Gott zu danken für die Gnade, die dieser ihm geschenkt hat. Er kommt zu Jesus und wirft sich vor ihm nieder. Das ist eine Anbetungsgeste. Womöglich hat er verstanden, dass dieser Mann der Messias ist. Wir erfahren, dass dieser eine dankbare Geheilte ein Samariter ist. Auch die Samariter haben den Messias erwartet.
Jesus thematisiert die Undankbarkeit der anderen, die zwar dieselbe Gnade erhalten haben, doch keine Reaktion zeigen. Und so fragt Jesus wie Gott in der Genesis nach dem Sündenfall: „Wo sind die neun?“ Gott sucht jeden Menschen. Er fragt immer wieder: „Wo bist du?“ Insbesondere dann stellt er die Frage, wenn der Mensch sich von ihm entfernt, wenn er gesündigt hat, wenn er nicht dankbar die Gaben Gottes empfängt, sondern sich gierig nimmt wie im Garten Eden.
Er sucht jedes verlorene Schaf wie der gute Hirte in seinem Gleichnis, das wir vor kurzem gehört haben.
Die anderen sind trotz dieser spektakulären Heilung nicht umgekehrt, um Gott zu loben. Wenn wir das moralisch betrachten, erkennen wir einen wichtigen Aspekt bezüglich der Wunder Jesu: Sehr oft vollbringt er die Wundertaten, damit die Menschen zum Glauben kommen oder um den Glauben der Menschen zu stärken. Das ist aber keine Garantie dafür, dass es wirklich klappt. Zu glauben ist nicht nur ein Geschenk, sondern auch eine Entscheidung. Selbst wenn alles auf einem Silbertablett serviert wird, kann es abgelehnt werden.
Zum Samariter sagt Jesus: „Steh auf und geh! Dein Glaube hat dir geholfen.“ Er soll aufstehen, weil er sich ja vor Christus niedergeworfen hat. Es ist aber auch so zu verstehen, dass Jesus ihn zum Aufbruch in das neue Leben auffordert. Er ist nun reich beschenkt worden. Nun liegt es an ihm, aus dem neu gewonnenen Leben etwas zu machen. Es ist wie mit der Taufe, die eine Reinheit und „Kultfähigkeit“ vor Gott ermöglicht hat. Selbst konnte sich der Aussätzige nicht heilen. Es war die Gnade Gottes, die ihn geheilt hat. Doch was er nun mit seinem Leben anfängt, liegt in seiner Hand.
Wie wichtig ist es doch, dankbar zu sein! Wir lesen immer wieder im Alten Testament, wie das Volk Israel undankbar wird, Gottes Heilstaten vergisst und sich dann anderen Göttern zuwendet. Und das geht immer schlecht aus, denn Gott lässt das nicht mit sich machen. Seine Braut soll ihm nicht fremdgehen. Er kämpft um sie, um ihre Liebe, darum, dass sie zurückkommt. Und so heißt es schon in den Psalmen Davids immer wieder „vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“. Wir Christen wirken einer solchen „Amnesie“ entgegen durch die tägliche Eucharistie, der „Danksagung“. Das Kreuzesopfer Jesu Christi, das uns die Taufe und damit verbundene Gnade, das ewige Leben und die Erbschaft im Reiche Gottes ermöglicht hat, wird immer wieder vergegenwärtigt. Immer wieder danken wir dem Herrn dafür, dass er so weit gegangen ist, um uns zu retten. Und aus der Kraft dieses Sakraments heraus führen wir ein Leben, das der Dankbarkeit gegenüber Gott auch wirklich gerecht wird: ein Leben nach den Zehn Geboten, ein Leben nach dem Evangelium Jesu Christi.

Und damit das so bleibt, müssen wir – übrigens zusammen mit dem geheilten Aussätzigen – immer wieder Gewissenserforschung betreiben und uns fragen: Wird mein Leben dem gerecht, dass Christus sein Leben für mich hingegeben hat? Gott ist so barmherzig, dass wir auch dann immer wieder umkehren dürfen und von Neuem beginnen dürfen, ein Leben zu führen, dass der Erlösung Jesu Christi entspricht.

Ihre Magstrauss

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