Num 24,2-7.15-17a; Ps 25,4-9; Mt 21,23-27
Num 24
2 Als Bileam aufblickte, sah er Israel im Lager, nach Stämmen geordnet. Da kam der Geist Gottes über ihn,
3 er begann mit seinem Orakelspruch und sagte: Spruch Bileams, des Sohnes Beors, Spruch des Mannes mit geöffnetem Auge,
4 Spruch dessen, der Gottesworte hört, der eine Vision des Allmächtigen sieht, der niedersinkt mit entschleierten Augen:
5 Jakob, wie schön sind deine Zelte, deine Wohnungen, Israel!
6 Wie Bachtäler ziehen sie sich hin, wie Gärten an einem Strom, wie Aloebäume, vom HERRN gepflanzt, wie Zedern am Wasser.
7 Von seinen Schöpfeimern rinnt das Wasser, reichlich Wasser hat seine Saat. Sein König möge Agag überlegen sein und seine Königsherrschaft sich erheben.
15 Und er begann mit seinem Orakelspruch und sagte: Spruch Bileams, des Sohnes Beors, Spruch des Mannes mit geöffnetem Auge,
16 Spruch dessen, der Gottesworte hört und die Kunde des Höchsten kennt, der eine Vision des Allmächtigen sieht, der niedersinkt mit entschleierten Augen:
17 Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel. Er zerschlägt Moab die Schläfen und allen Söhnen Sets den Schädel.
Wir haben in der Lesung gestern gehört, dass Gott seinen Hl. Geist schon im AT ausgegossen hat und in Zukunft auf ganz umfassende Weise ausgießen wird. Dies wird z.B. dort erfahrbar, wo in seinem Namen Propheten auftreten. Heute hören wir ein wunderbares Beispiel dafür: Bileam ist ein nichtisraelitischer Prophet, in Jos 13 allerdings als Wahrsager bezeichnet. Er erkennt Jahwe als seinen persönlichen Gott an und wird deshalb von seinem Geist erfüllt. Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass Gottes Geist weht, wo er will und auch im AT schon außerhalb des Volkes Israel wirkt. Bileam wird vom moabitischen König Balak beauftragt, Israel zu verfluchen. Gottes Hand ist aber auf dem Volk. Kein Fluch kann etwas anrichten. Bileam kann es nicht einmal versuchen. Stattdessen wird ihm immer nur Segen von Gott eingegeben. Es heißt, dass der Geist Gottes auf Bileam kommt. Sogar so jemand wie Bileam, der zu etwas Bösem beauftragt wird, wird zum Werkzeug des Heils. Letztendlich läuft alles auf den Heilsplan Gottes hinaus, auch wenn die Gegenspieler noch so sehr versuchen, ihn zu vereiteln. Wir müssen bedenken, dass hinter dem Auftrag König Balaks eigentlich die alte Schlange, der Satan steckt. Er ist der Gegenspieler Gottes, der zu allen Zeiten versucht, sich gegen Gott aufzulehnen. Er bedient sich verschiedener Menschen, verkleidet sich in immer neuem Gewand und doch ist es immer derselbe Versuch, Gottes Heil zu zerstören. Es ist dieselbe Feindschaft, die in Gen 3 bereits angekündigt wird – die Feindschaft zwischen der Schlange und den Nachkommen der Frau – Israel. Aber es bringt alles nichts. Gott ist immer stärker und wird am Ende siegen. So ist es auch mit der Kirche, dem neuen Israel. Die Mächte der Finsternis werden sie nicht überwältigen. Denn sie ist von Christus gestiftet worden, der selbst von den Toten auferstanden ist. Der Satan hat gerade in diesem Fall verloren. Jesus blieb nicht im Tod, sondern besiegte ihn. Und wenn jeder einzelne Mensch ständig kämpfen muss, um nicht in Sünde zu fallen, ist das ein vorübergehender Kampf. Am Ende wird Gott siegen, mit dessen Hilfe wir die Sünde überwinden können. Wenn wir wirklich kämpfen und die Waffen Gottes dabei verwenden, wird unsere Seele nicht verloren gehen. Und am Ende der Zeiten wird die Feindschaft den Höhepunkt erreichen. Dann wird es zu einer großen Schlacht kommen, die aber kein Kampf mehr sein wird, sondern ein Abrechnen Gottes mit dem Bösen. Im Nu wird er den Satan mit seinem Heer und sogar den Tod vernichten. Dann wird er einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, in der es nichts Böses und deshalb keinen Kampf mehr geben wird.
Bileam versucht, Israel zu verfluchen, aber es klappt nicht. Gott erfüllt ihn und aus seinem Mund kommt stattdessen ein Segen. Dabei ist bemerkenswert, dass das Volk Israel wieder mit Wassermetaphern umschrieben wird. Das ist ein Zeugnis für diejenigen, die es hören. Sie sollen begreifen: Israel sitzt an der Quelle, die Gott ist. Wir denken hier wieder an den Hl. Geist und führen es weiter auf die Kirche. Sie ist der Ort der Quelle, weil in ihrer Mitte Gott Materie annimmt in der Eucharistie, weil Gott leibhaftig da ist und weil der Geist Gottes in ihr lebt und wirkt. Alles begann mit dem Pfingstereignis und es ist ein viel umfassenderes Wirken als im AT. Dort wirkt der Geist an vereinzelten Menschen. Gott gibt Bileam daraufhin einen Orakelspruch ein, der es in sich hat. Er sieht einen aufgehenden Stern in Jakob, ein Zepter in Israel, aber nicht jetzt. Es geht also um etwas, das sich in weiterer Zukunft ereignen wird. Liest man vor allem das Zerschlagen der Schläfen Moabs, kommt einem eine politische Figur in den Sinn, die die Moabiter besiegen wird, ebenso die Söhne Sets. Dies ist eine Verheißung für Israel, in Zukunft politisch stark zu sein und sich gegenüber der Fremdvölker zu behaupten. Zugleich lernen wir aus dieser Erzählung, dass der Fluch, den wir aussenden, auf uns zurückfallen wird (die Schläfe Moabs wird getroffen!). Die Israeliten werden diesen Stern womöglich mit König David erfüllt gesehen haben. Wir lesen es aber über diese irdische Herrschaft hinaus messianisch. Mitten in die Intrige hinein wirkt Gott mit der messianischen Verheißung eines aufgehenden Sterns in Jakob. Dies ist einerseits wörtlich zu verstehen – es geht tatsächlich ein Stern auf bzw. wird am Himmel sichtbar (Sterne sind ja Fixpunkte) und wird zum Wegweiser für die Magoi aus dem Osten, die auf diese Weise zum kleinen Kind nach Bethlehem geführt werden. Es ist aber auch im übertragenen Sinne zu verstehen: Der Messias ist selbst ein Stern, ein Wegweiser ins Reich Gottes. Jesus wird als Erwachsener selbst sagen: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich (Joh 14,6). Er wird für uns zum wegweisenden Stern bei der christlichen Lebensführung. Er hat erklärt, wie die Gebote Gottes richtig verstanden werden müssen. Jesus ist auch der Wegweiser für die Kirche. Wenn sie in seinem Namen verkündet, Liturgie feiert und caritativ tätig ist, wird sie nicht untergehen. Wenn sie die Sakramente nach seinem Stiftungswillen feiert, wird sie Frucht bringen und sich vermehren. Und am Ende der Zeiten werden wir durch diesen Stern in das Reich Gottes eingehen, in das himmlische Jerusalem. Die Zerschlagung Moabs ist der Böse, der entmachtet wird am Ende der Zeiten, als Verführer unserer Seelen und als Feind der Kirche.
Ps 25
4 Zeige mir, HERR, deine Wege, lehre mich deine Pfade!
5 Führe mich in deiner Treue und lehre mich; denn du bist der Gott meines Heils. Auf dich hoffe ich den ganzen Tag.
6 Gedenke deines Erbarmens, HERR, und der Taten deiner Gnade; denn sie bestehen seit Ewigkeit!
7 Gedenke nicht meiner Jugendsünden und meiner Frevel! Nach deiner Huld gedenke meiner, HERR, denn du bist gütig!
8 Der HERR ist gut und redlich, darum weist er Sünder auf den rechten Weg.
9 Die Armen leitet er nach seinem Recht, die Armen lehrt er seinen Weg.
Der Psalm greift die Sternmetapher zwar nicht explizit auf, dafür aber implizit. „Zeige mir, HERR, deine Wege“ ist die Bitte, die Gott durch den aufgehenden Stern in Jakob erfüllen wird. Gott zeigt seine Wege, also seinen Plan durch die Propheten des AT und wird dies zeigen durch Jesus Christus, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Gott wird den hellen Stern zum Orientierungspunkt dieses Weges machen. Der Weg ist dann nicht nur sein Heilsplan, sondern auch der moralische Weg, die Weise, wie wir leben sollen. Dies wird Jesus erklären, insbesondere durch die Gleichnisse und die Bergpredigt. Es ist der Weg ins Himmelreich, ins ewige Leben.
Dass auch dieser Psalm messianisch zu lesen ist, sehen wir an der hebräischen Formulierung אֱלֹהֵ֣י יִשְׁעִ֑י elohe, jisch’i. Die Wurzel des Wortes „Heil“ ist dieselbe wie der Name Jesu. „Auf dich hoffe ich den ganzen Tag“ ist ein besonders intensiver Ausdruck messianischer Erwartung. Wir hoffen auch den ganzen Tag auf den Messias, insbesondere jetzt in dieser Adventszeit. Ganz eindrücklich können wir es an den Kindern sehen, die es kaum abwarten können, dass endlich Weihnachten ist. Wir warten liturgisch auf das erste Warten des Messias, aber auch auf das zweite Kommen am Ende der Zeiten. Je drastischer die Weltsituation ist, desto lauter wird der Schrei nach dem Gott des Heils.
Mit der Erwartung Gottes kommt auch hier die Frage nach dem Zustand der Menschen auf: „Gedenke deines Erbarmens“ und „gedenke nicht meiner Jugendsünden“ zeigen das Verständnis auf, dass wenn Gott kommt, die Menschen vor ihm gut dastehen möchten. Das ist, was wir vor allem in dem gestrigen Abschnitt aus dem Jakobusbrief gelesen haben. In diesem fordert Jakobus die Christen auf, ein moralisch gutes Verhalten an den Tag zu legen, um mit reinem Herzen Gott zu begegnen. Auch hier ist der Wunsch spürbar, dass wenn Gott kommt, barmherzig mit den sündigen Menschen umgehen soll. So sollen auch wir beten und das tut die Kirche auch immer nach dem Vaterunser in der Hl. Messe: „Schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke uns nach deinem Willen Einheit und Frieden.“ Das wird vor dem Kommen Jesu in der Kommunion gebetet, also bevor die Menschen ihn in ihr Herz aufnehmen. Es ist dieselbe Haltung wie die Davids in dem Psalm. Leben wir mit dieser Einstellung und tun wir von uns aus das Nötige, damit der HERR Glauben vorfindet, wenn er kommt – sowohl zu Weihnachten als auch am Ende der Zeiten.
Mt 21
23 Als er in den Tempel ging und dort lehrte, kamen die Hohepriester und die Ältesten des Volkes zu ihm und fragten: In welcher Vollmacht tust du das und wer hat dir diese Vollmacht gegeben?
24 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch ich will euch eine Frage stellen. Wenn ihr mir darauf antwortet, dann werde ich euch sagen, in welcher Vollmacht ich das tue.
25 Woher stammte die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von den Menschen? Da überlegten sie und sagten zueinander: Wenn wir antworten: Vom Himmel!, so wird er zu uns sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt?
26 Wenn wir aber antworten: Von den Menschen!, dann müssen wir uns vor den Leuten fürchten; denn alle halten Johannes für einen Propheten.
27 Darum antworteten sie Jesus: Wir wissen es nicht. Da erwiderte er: Dann sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich das tue.
Heute hören wir wieder etwas von Johannes dem Täufer. Jesus bezieht sich auf ihn, als er mit der Frage konfrontiert wird, mit welcher Vollmacht er im Tempel lehre. Jesus ist manchmal sehr schlau und antwortet entweder mit Codes, Gleichnissen oder wie hier mit Gegenfragen.
Er würdigt im Nachhinein die Johannestaufe und weist in seinem Gespräch dieselben zurecht wie Johannes am Jordan. Jesus sagt zwar nicht „Schlangenbrut“ zu ihnen, aber liegt dennoch mit seiner Kritik auf einer Linie mit Johannes. Ich betone das an dieser Stelle deshalb, weil die Exegese die beiden gerne gegeneinander ausspielt. Das ist absolut unhaltbar.
Jesus macht einen Deal, der auf den ersten Blick riskant erscheint. Er verrät seine Vollmacht den Pharisäern und Schriftgelehrten nur, wenn sie die richtige Antwort auf seine Frage geben. So riskant ist das nicht, weil Jesus als Gott ihre Antwort erstens schon kennt und zweitens genau weiß, dass sie keine Antwort geben werden. Er verursacht absichtlich ein Dilemma, sodass er auch keine direkte Antwort geben muss. Dies hat unter anderem einen pragmatischen Grund: Würde er inmitten des Tempels sagen, dass er Gott ist, würde es sofort zu einer Verhaftung kommen. Er könnte dann nicht mehr zuende führen, was der Vater ihm aufgetragen hat. Jesu Verhalten dient den Umstehenden und auch uns Bibellesern immer zur Unterweisung. Er will uns dadurch etwas beibringen. In diesem Fall geht es darum, den Hörern der rhetorischen Frage zum Nachdenken zu bringen. Es ist insgesamt bemerkenswert, dass Jesus auf den schon verstorbenen Johannes Bezug nimmt, wenn es eigentlich um seine Vollmacht geht! Damit lehrt uns Jesus, dass sie beide in derselben Vollmacht aufgetreten sind. Dies ergibt deshalb Sinn, weil Jesus in den letzten Tagen schon angekündigt hat, dass ihn dasselbe Schicksal ereilen wird wie dem Täufer.
Das entstehende Dilemma – Johannes‘ Vollmacht anzuerkennen oder nicht, wird auch bei Jesu Tod und Auferstehung aufkommen. Durch Jesu Antwort werden die Menschen schon darauf vorbereitet, was mit ihm passieren wird und wie sie selbst in seine gegenwärtige Situation kommen werden. Man wird auch sie fragen: In welchem Namen tust du das? Wir lesen in der Apg von Heilstaten im Namen Jesu, bei denen die Aposteln sich vor dem Hohen Rat rechtfertigen müssen.
Jesus möchte mit dem Dilemma die Pharisäer und Schriftgelehrten nicht bloßstellen oder niedermachen. Er will ihnen helfen, dass auch sie zum Glauben an ihn kommen. Er gibt ihnen die Chance, die Sünde zu bereuen, Johannes nicht geglaubt zu haben. Gott liebt jeden Menschen und kämpft um sein Herz. Er weiß, dass sie das in dem Moment nicht tun werden, aber der Same ist gelegt. Einzelne dieser Menschen werden sich zu ihm bekennen und auch im Nachhinein Johannes anerkennen. Wir lesen z.B. davon, dass Jesus bei einem Pharisäer zum Essen eingeladen wird. Wir hören in der Apg dann von der Bekehrung des eifrigsten Pharisäers Paulus, der die Christen verfolgt hatte. Unter den Hohepriestern wird es auch Unterstützer geben. Wir denken besonders an Nikodemus, der zum Sanhedrin gehört und Jünger Jesu wird.
Machen wir uns heute Gedanken darüber, ob wir Gottes Taten auch in unserem Leben anerkennen. Erkennen wir, dass alles Gute von Gott kommt? Trauen wir Jesus zu, dass er auch in unserem Herzen, dem Tempel des Hl. Geistes, lehren kann? Glauben wir, dass er uns verwandeln kann? Halten wir ihm unser Leben hin und er wird in unserem Herzen Mensch werden. Dann werden wir in wenigen Tagen auch ein inneres Weihnachtsfest erleben.
Ihre Magstrauss