17. Dezember

Gen 49,2.8-10; Ps 72,1-4.7-8.17; Mt 1,1-17

Gen 49
2 Kommt zusammen und hört, ihr Söhne Jakobs, hört auf Israel, euren Vater!
8 Juda, dir jubeln die Brüder zu, deine Hand hast du am Genick deiner Feinde. Deines Vaters Söhne werfen sich vor dir nieder. 
9 Ein junger Löwe ist Juda. Vom Raub, mein Sohn, stiegst du auf. Er kauert, liegt da wie ein Löwe, wie eine Löwin. Wer bringt sie zum Aufstehen?
10 Nie weicht von Juda das Zepter, der Herrscherstab von seinen Füßen, bis Schilo kommt, dem der Gehorsam der Völker gebührt.

Wir hören heute in der Lesung von dem Segen Jakobs vor seinem Tod. Er richtet sich an jeden Sohn mit einer Botschaft. Heute hören wir die letzten Worte, die er zu seinem Sohn Juda gesprochen hat. Warum? Weil der Messias aus dem Stamm Juda kommen wird und deshalb diese letzten Worte Jakobs prophetisch sind. Juda hat unter den Brüdern eine überragende Bedeutung („dir jubeln die Brüder zu“, „deines Vaters Söhne werfen sich vor dir nieder“). Das Verb יִשְׁתַּחֲוּ֥וּ jischtachavu ist eine Zukunftsform und mit „sie werden niederfallen“ zu übersetzen. Das Bemerkenswerte an dem Wort ist die Doppeldeutigkeit: Es kann ein Niederfallen vor einem Herrscher meinen oder das kultische Niederfallen, die Anbetung! Das lässt schon die verschiedenen Schriftsinne erahnen, die wir in diesem Vers sehen: Jakob spricht nicht von Juda selbst, sondern von seinem Nachkommen. Wörtlich historisch gelesen denkt man an einen Herrscher aus dem Stamm Juda, der Herrscher über alle Stämme sein wird. Er wird alle Feinde besiegen und Israel dadurch beschützen. Es kristallisiert sich ein bestimmter Herrscher heraus, nämlich David. Er ist wahrlich ein junger Löwe, denn er ist in jungen Jahren zum König gesalbt worden (1 Sam 16).
Die nächste Aussage ist vielleicht nicht ganz verständlich, hat aber zunächst mit dem Verhalten von Löwen zu tun, das die Israeliten damals beobachteten: Die Junglöwen gingen in die Berge, um sich dort ihre Beute zu holen. Dort lebten sie eine kurze Zeit, nachdem sie genug erbeutet haben. Dieses Verhalten hat sich mit den Kriegszügen Davids erfüllt, der um sich herum die ganzen Völker besiegte und sein Herrschaftsgebiet zu einem Großreich machte. So konnte er sich zur Ruhe setzen wie die Junglöwen in den Bergen, in seinem Fall im judäischen Bergland. Auch der nächste Satz und die sich anschließende Frage sind erklärbar von Tierbeobachtungen: Löwen zu stören (wer bringt sie zum Aufstehen), die sich zur Ruhe setzen, ist das Gefährlichste, das man tun kann. König David hat sich nach all seinen Siegen zu einem mächtigen Herrscher entwickelt. Besonders eindrücklich ist dies jedoch in der salomonischen Herrschaft. Andere Herrscher erkennen dies an, so z.B. auch die Königin von Saba. Sich mit so einem mächtigen König anzulegen, ist vergleichbar gefährlich wie einen schlafenden Löwen zu wecken. Die Metapher des Löwen ist also für die angekündigte davidische Dynastie sehr angemessen. Wir denken über diese wörtliche Dimension hinaus und sehen hier eine messianische Aussage, die sich mit Jesus erfüllt hat. Jesus ist Sohn Davids, er kommt aus dem Stamm Juda und sein Reich wird das größte aller Zeiten sein. Es ist jetzt schon angebrochen und ist die Kirche. Noch ist es nicht vollendet, denn die Feinde sind noch nicht endgültig besiegt. Dies werden wir erst in Offb 19-20 lesen. Bis dahin tragen wir innerhalb und außerhalb der Kirche noch viele Kämpfe aus. Und doch ist Christus bei uns, um uns zu schützen. Jesus ist der Löwe von Juda, wie er in Offb 5 bezeichnet wird. Er hat durch sein Erlösungswirken die Feinde schon entmachtet und sich auf den Berg zurückgezogen – ein Bild für sein Heimgehen zum Vater. Wenn er wiederkommen wird, dann als verherrlichter Menschensohn in seiner ganzen Macht. Dann Gnade denen, die seine Feinde sind! Er wird dann kommen, um zu herrschen in seinem Reich, das nicht von dieser Welt ist. Diese Welt wird es dann nämlich so nicht mehr geben. Wenn es dann im letzten Vers heißt „nie weicht von Juda das Zepter“, dann erfüllt sich das mit der ewigen Herrschaft Gottes, von dem wir im „großen“ Glaubensbekenntnis bekennen: „Seiner Herrschaft wird kein Ende sein“. Der Löwe von Juda lebt auch in unserem Herzen. Wir empfangen ihn immer wieder in der Kommunion. Wo wir seine Gebote erfüllen, erkennen wir seine Herrschaft an, auch in unserer Seele. Auch wenn wir in unserem Leben seine Gegenwart manchmal nicht so sehr spüren, als ob er schläft, ist er dennoch da. Nach Zeiten der seelischen Trockenheit, die wir geduldig ausgehalten haben, kommen Zeiten, in denen er umso mächtiger und offensichtlicher in unserem Leben Einzug hält. So auch in der Kirche. Es gibt Zeiten, in denen er weit weg zu sein scheint und die Feinde die Überhand nehmen. Dem Himmelreich scheint unendlich viel Gewalt angetan zu werden, wie wir vor Tagen gehört haben. Aber es wird auch jetzt schon auf Erden zur Erneuerung der Kirche kommen. Dann werden wir merken, dass der Herr die ganze Zeit da war und uns nie verlassen hat!

Ps 72
1 Für Salomo. Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König, dem Königssohn gib dein gerechtes Walten. 

2 Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit und deine Elenden durch rechtes Urteil. 
3 Dann tragen die Berge Frieden für das Volk und die Hügel Gerechtigkeit. 
4 Er schaffe Recht den Elenden des Volks, er rette die Kinder der Armen, er zermalme die Unterdrücker.
7 In seinen Tagen sprosse der Gerechte und Fülle des Friedens, bis der Mond nicht mehr da ist. 
8 Er herrsche von Meer zu Meer, vom Strom bis an die Enden der Erde. 
17 Sein Name soll ewig bestehen, solange die Sonne bleibt, sprosse sein Name. Mit ihm wird man sich segnen, ihn werden seligpreisen alle Völker.

In Ps 72 bittet Salomo, der Königssohn, um Gottes Gerechtigkeit und Rechtssprüche. Die davididische Bedeutung der Metapher „Löwe von Juda“ wird hier im Psalm also weitergeführt. König und Königssohn, David und Salomo, zeigen zunächst konkrete irdische Bitten: gerechtes Walten durch rechtes Urteil, die Kinder der Armen retten, die Unterdrücker zermalmen. Darüber hinaus kann man diese aber auch messianisch deuten: „Rechtssprüche“, was die Einheitsübersetzung hier mit“rechtes Urteil“ übersetzt, werden im NT z.B. in Offb (dikaiomata) für Gott verwendet. Es geht also um göttliches Gericht. Dieses ist immer gerecht und verschafft denen Gerechtigkeit, die sonst keine erfahren: Armen, Fremden, Witwen, Waisen. Die Gerechtigkeit ist dann bezüglich dem Königssohn typologisch auf Jesus als den neuen Salomo bezogen. Jesus verschafft in seiner Verkündigungszeit unzähligen „Armen“ Gerechtigkeit und erntet dafür viel Unzufriedenheit derer, die ihr bequemes egoistisches Leben gefährdet sehen. Wenn Jesus an den Rand gedrängte Menschen wieder in die Mitte der Gesellschaft holt wie die blutflüssige Frau, die Aussätzigen, die Blinden, Verkrüppelten etc., dann sind das Zeichen seiner bereits jetzt bestehenden Herrschaft als Königssohn. Und dies ist ekklesiologisch weitergedacht schon jetzt mit der Kirche gegeben. Wo die Kirche in Christi Nachfolge handelt, herrscht Christus auch jetzt in der Welt. Dies betrifft auch jeden einzelnen Christen. Wo ich ihm mein Ruder über mein Leben, meine Entscheidungen und mein Handeln überlasse, herrscht er in meinem Leben. Dies alles wird sich aber erst in der Ewigkeit vollenden. Dann werden alle Feinde besiegt sein und zusammen mit Gott wird es einen ewigen Sabbat, ein ewiges zur Ruhe Setzen geben.
Der Wunsch nach einem langen Leben deutet stark auf den Messias, da ein König ja nicht mehrere Generationen leben kann. Falls hier schon messianische Elemente zu sehen sind, wird der Mensch auf den Messias als ewig lebend vorbereitet.
Mit dem Messias wird die Fülle des Heils, also der Schalom verbunden. Der ewige Sabbat wird ein Zustand des ewigen Schalom sein. So verheißt es Vers 7. Das Herrschen von Meer zu Meer meint die Universalherrschaft des Königs. Auch das ist natürlich zuerst der Wunsch, dass der König ein großes Reich erhält, aber wörtlich ist dies für Israel ja unrealistisch. Das wird erst mit Gottes Königsherrschaft realisierbar.
Besonders messianisch ist dann der letzte Vers: Wir segnen einander mit dem Namen Jesu! Es ist der Segen des allmächtigen Gottes und deshalb angemessen. Dieser Segen bringt Heil und in Jesu Nachfolge wurden damals die messianischen Heilstaten bei den Aposteln weitergeführt und setzen sich bis heute fort. Dieser Segen wird zum ewigen Lobpreis im himmlischen Jerusalem, wo wir in Gottes Angesicht seine Größe preisen werden.

Mt 1
1 Buch des Ursprungs Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams:
2 Abraham zeugte den Isaak, Isaak zeugte den Jakob, Jakob zeugte den Juda und seine Brüder. 
3 Juda zeugte den Perez und den Serach mit der Tamar. Perez zeugte den Hezron, Hezron zeugte den Aram, 
4 Aram zeugte den Amminadab, Amminadab zeugte den Nachschon, Nachschon zeugte den Salmon. 
5 Salmon zeugte den Boas mit der Rahab. Boas zeugte den Obed mit der Rut. Obed zeugte den Isai, 
6 Isai zeugte David, den König. David zeugte den Salomo mit der Frau des Urija. 
7 Salomo zeugte den Rehabeam, Rehabeam zeugte den Abija, Abija zeugte den Asa, 
8 Asa zeugte den Joschafat, Joschafat zeugte den Joram, Joram zeugte den Usija. 
9 Usija zeugte den Jotam, Jotam zeugte den Ahas, Ahas zeugte den Hiskija, 
10 Hiskija zeugte den Manasse, Manasse zeugte den Amos, Amos zeugte den Joschija.
11 Joschija zeugte den Jojachin und seine Brüder; das war zur Zeit der Babylonischen Gefangenschaft. 
12 Nach der Babylonischen Gefangenschaft zeugte Jojachin den Schealtiël, Schealtiël zeugte den Serubbabel,
13 Serubbabel zeugte den Abihud, Abihud zeugte den Eljakim, Eljakim zeugte den Azor. 
14 Azor zeugte den Zadok, Zadok zeugte den Achim, Achim zeugte den Eliud, 
15 Eliud zeugte den Eleasar, Eleasar zeugte den Mattan, Mattan zeugte den Jakob. 
16 Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias; von ihr wurde Jesus geboren, der der Christus genannt wird. 
17 Im Ganzen sind es also von Abraham bis David vierzehn Generationen, von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft vierzehn Generationen und von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus vierzehn Generationen.

Man mag sich fragen: Warum kommt denn jetzt so ein Evangelium? Wie sinnlos ist es denn, die ganzen Namen zu hören? Das ist alles andere als sinnlos. Es hängt mit dem zusammen, was wir in der Lesung gelesen haben und was der Psalm aufgegriffen hat. Jesus ist Sohn Davids. Hier wird seine Herkunft aus dem Stamm Juda und der Dynastie Davids herausgestellt. Die genealogische Zuschreibung einer Person ist für das jüdische Verständnis elementar. Aus dem Grund ist der Stammbaum zu Anfang des Matthäusevangeliums gerade für jüdische Ohren ein Zugang zu Jesus Christus. Das gesamte Evangelium ist davon geprägt, dass die messianischen Verheißungen mit Jesus erfüllt werden.
Jesus wird zurückgeführt bis zu Abraham, weil er nicht nur als Sohn Davids, sondern auch Abrahams bezeichnet wird. Daraufhin folgen drei Blöcke mit jeweils vierzehn Generationen. Dies wird am Ende des Evangeliums auch explizit erklärt. Der kundige Jude weiß nämlich, dass die Zahl vierzehn die Zahl des hebräischen Namens David ist. Die hebräische Sprache kennt pro Buchstabe einen Zahlenwert. Addiert man die Buchstaben des Namens דוד David ergibt es die Zahl vierzehn. Der ganze Stammbaum Jesu ist also ein Zeugnis für seine messianische Identität!
Dieser Stammbaum ist ein jüdischer. Das merkt man auch an der Verwendung des Verbs „zeugen“. Die Zeugung und somit biologische Weitergabe der eigenen Identität ist nach jüdischem Verständnis entscheidend. Es geht sogar so weit, dass wenn ein Jude starb, bevor er mit seiner Frau einen Sohn bekam, dessen Bruder mit der Verwitweten „stellvertretend“ für seinen Bruder ein Kind zeugte. So wurde das gleiche Blut weitergegeben. Dies nennt man Leviratsehe. Die Juden erwarteten also auch einen Messias, der davidisches Blut in sich trug. Mit der Menschwerdung Jesu wurde diese Verheißung erfüllt. Über seine Mutter, die nicht nur aus dem Stamm Juda stammte, sondern auch Davididin war, bekam er das verheißene Blut.
Warum wird der Stammbaum aber bis zu seinem Ziehvater Josef gezogen und nicht bis zu Maria, seiner Mutter? Das hat damit zu tun, dass nach jüdischem Verständnis die Genealogie patrilinear ist, also vaterorientiert. Jesu Vater ist aber in diesem Fall nicht menschlich! Josef als Ziehvater konnte hier genannt werden, weil er ebenfalls wie Maria Davidide und der Vormund Jesu war. Dass Josef aber nicht der Vater Jesu ist, sehen wir an der Bemerkung „den Mann Marias; von ihr wurde Jesus geboren.“ Gemäß patrilinearem Verständnis hätte man sich diese Bemerkung sparen und wie zuvor in der Aufzählung sagen können: „Josef zeugte den Jesus.“ Es ist eine Besonderheit und vielleicht auch Ungeheuerlichkeit aus jüdischer Sicht.

Was wir durch die heutigen Lesungen lernen, ist die davidische Identität Jesu. Er ist Sohn Davids. Er ist aus dem Stamm Juda und der König der Könige. Vor ihm fallen alle nieder und am Ende der Zeiten wird jedes Auge ihn sehen. Dann wird seine königliche Herrschaft für alle sichtbar, auch für die, die ihn nicht annahmen und hinrichteten. Sein Königreich ist nicht von dieser Welt, deshalb ist in seinem Fall alles anders. Er lässt sich nicht einfügen in die Patrilinearität der Juden, er wird nicht in einem Palast geboren, er lebt nicht in Prunk und Reichtum. Er lässt sich keiner religiösen Gruppe seiner Zeit zuordnen und ganz besonders schlimm für seine Zeitgenossen: Er ist total unpolitisch. Alles, was er über sein Reich und seine Herrschaft sagt, ist unscheinbar, unerwartet und unattraktiv. Aber so wird er auch herrschen: Es wird ein Dienen sein und die Gesetze werden anders als die menschlichen sein. Die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten die Ersten. Es wird Gericht geben und die ganze Welt wird erst einmal untergehen. Seine Waffen und seine Armee, die für ihn kämpft, sind geistig. Die Menschen, denen er sein Reich verkündet, sollen geistig sein. Diese Art von Messias ist der Sohn Davids. So ist auch die neue Schöpfung eine geistige.

Bald ist Weihnachten und dann werden wir vom ärmlichen Stall in Bethlehem hören, von den Hirten, die als erste Zeugen der Menschwerdung Gottes sehen (neben der Hl. Familie versteht sich). Das ist übrigens auch kein Zufall. David war Hirte, bevor er zum König gesalbt worden ist! Der Messias wird selber auch zum Hirten und sagt dies auch über sich. Er ist aber zugleich das Lamm, das im Stall geboren wird und am Ende geopfert wird für die Versöhnung der ganzen Welt! Lassen wir uns heute schon und umso mehr zu Weihnachten berühren von seiner davidischen Abstammung und zugleich seiner ganz anderen unerwarteten Königsherrschaft. Wie der König der Könige, der Weltenherrscher sich die Freiheit nimmt, auf all den Prunk zu verzichten und an einem heruntergekommenen Ort, der für Juden auch noch absolut unrein ist, geboren zu werden.

Ihre Magstrauss

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