Vierter Fastensonntag (B)

2 Chr 36,14-16.19-23; Ps 137,1-2.3-4.5-6; Eph 2,4-10; Joh 3,14-21

2 Chr 36
14 Auch alle führenden Männer Judas und die Priester und das Volk begingen viel Untreue. Sie ahmten die Gräueltaten der Völker nach und entweihten das Haus, das der HERR in Jerusalem zu seinem Heiligtum gemacht hatte.
15 Immer wieder hatte der HERR, der Gott ihrer Väter, sie durch seine Boten gewarnt; denn er hatte Mitleid mit seinem Volk und seiner Wohnung.
16 Sie aber verhöhnten die Boten Gottes, verachteten sein Wort und verspotteten seine Propheten, bis der Zorn des HERRN gegen sein Volk so groß wurde, dass es keine Heilung mehr gab.
19 Die Chaldäer verbrannten das Haus Gottes, rissen die Mauern Jerusalems nieder, legten Feuer an alle seine Paläste und zerstörten alle wertvollen Geräte.
20 Alle, die dem Schwert entgangen waren, führte Nebukadnezzar in die Verbannung nach Babel. Dort mussten sie ihm und seinen Söhnen als Sklaven dienen, bis das Reich der Perser zur Herrschaft kam.
21 Da ging das Wort in Erfüllung, das der HERR durch den Mund Jeremias verkündet hatte. Das Land bekam seine Sabbate ersetzt, es lag brach während der ganzen Zeit der Verwüstung, bis siebzig Jahre voll waren.
22 Im ersten Jahr des Königs Kyrus von Persien sollte sich erfüllen, was der HERR durch Jeremia gesprochen hatte. Darum erweckte der HERR den Geist des Königs Kyrus von Persien und Kyrus ließ in seinem ganzen Reich mündlich und schriftlich den Befehl verkünden:
23 So spricht Kyrus, der König von Persien: Der HERR, der Gott des Himmels, hat mir alle Reiche der Erde verliehen. Er selbst hat mir aufgetragen, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu bauen. Jeder unter euch, der zu seinem Volk gehört – der HERR, sein Gott, sei mit ihm – , der soll hinaufziehen.

In der ersten Lesung des vierten Fastensonntags hören wir in diesem Jahr aus dem zweiten Buch der Chroniken, das die Geschichte Israels erzählt. Die Chronikbücher sind von ihrer Handlung her analog zu den Königsbüchern zu verstehen, wobei ein stärkerer Akzent auf rituellen Aspekten liegt. Das 36. Kapitel berichtet vom Ende des Südreichs Juda. Um dieses geht es auch, wenn die Sünden des Volkes zu Anfang erwähnt werden. Die „Untreue“ des 14. Verses bezieht sich dabei auf die Untreue gegenüber Gott. Sie halten den Bund nicht, den sie mit Gott eingegangen sind. Besonders gravierend ist, dass die Bewohner Judas den Tempel entweihen, nicht auf die Propheten hören und das Wort Gottes nicht befolgen. Gott gibt ihnen gerade durch die warnenden Worte der Propheten immer wieder die Chance zur Umkehr, doch sie haben die Zeit der Gnade nicht erkannt. Irgendwann hat sich so viel angehäuft, dass es das Fass zum Überlaufen bringt: Sie müssen nun die Folgen ihrer eigenen Verstocktheit zu spüren bekommen durch die politische Katastrophe, die sich zuträgt: das babylonische Exil. Dies wird uns verdeutlicht durch die Invasion der „Chaldäer“, das meint die babylonischen Chaldäer unter Nebukadnezzar II. Sie zerstören die Stadt Jerusalem und verbrennen das Haus des Herrn, also den Tempel. Die Oberschicht der Judäer in Jerusalem – so erfahren wir aus anderen biblischen Büchern – werden nach Babel deportiert und müssen fortan fern des verheißenen Landes und des Tempels leben. Sie werden von den Babyloniern versklavt – ein déjà vu ägyptischer Art.
Vers 21 ist eine Andeutung dessen, was in Lev 26 angekündigt wird als Zeichen des Fluchs. Dort kündigt Gott an, dass wenn Israel seine Weisung nicht befolgen wird, unter anderem diese Dinge geschehen werden: „33 Euch aber zerstreue ich unter die Völker und zücke hinter euch das Schwert. Euer Land wird zur Wüste und eure Städte werden zu Ruinen. 34 Dann erhält das Land seine Sabbate ersetzt, in der ganzen Zeit der Verwüstung, während ihr im Land eurer Feinde seid. Dann hat das Land Ruhe und erhält Ersatz für seine Sabbate. 35 Während der ganzen Zeit der Verwüstung hat es Sabbatruhe, die es an euren Sabbaten nicht hatte, als ihr noch darin wohntet.“ Nun tritt es tatsächlich ein. Das Südreich Juda liegt brach. Alle Sabbate werden nachgeholt. Anscheinend hat das Reich Juda das Sabbatgebot nicht gehalten und vor allem dadurch die Katastrophe heraufbeschwört. Das wird auch die Erkenntnis der später zurückkehrenden Juden sein, weshalb die Pharisäer und Schriftgelehrten zur Zeit Jesu so streng auf die Sabbatruhe achten werden – damit all dies nicht wieder geschieht.
Gottes Züchtigung dauert nicht ewig an. Siebzig Jahre später kommt die „Erlösung“. Schon durch den Propheten Jeremia ist dem Volk verheißen worden, dass die Schreckenszeit der Babylonier siebzig Jahre anhalten werde. Der König der Perser Kyros II. erobert das Reich der Babylonier 539 v.Chr. Mit ihm kommt die Wende, denn Gott gebraucht ihn, das Volk Israel wieder zur Heimführung in die Heimat und zum Neubau eines Tempels zu bringen. Seine Rolle im Heilsplan Gottes mit den Menschen ist ganz besonders. Er wird als messianische Gestalt im politischen Sinne verstanden, denn er bringt die Erlösung vom großen Trauma des Babylonischen Exils. Wir begreifen im Nachhinein, dass er ein Typos Christi ist. So wie Kyros das Volk heimführt und einen neuen Tempel bauen lässt, so ist es Christus, der das Volk Gottes heimführen will in das Reich des Vaters. Er ist es auch, der noch letzte Woche bei der Tempelreinigung sagte: Reißt diesen Tempel nieder und ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen. Das Heiligtum, das er aber errichtet, ist der Tempel seines Leibes. Christi Reich ist kein irdisches wie das der Perser. Sein Reich ist nicht von dieser Welt und überbietet alle irdischen Reiche. Was hier geschieht, weist über sich selbst hinaus. Wir sehen ein größeres Bild, die gesamte Menschheit im Exil, in der anhaltenden Verbannung aufgrund des Sündenfalls der ersten Menschen. Erst mit Jesus Christus kommt die Heimführung in die himmlische Heimat. Er ist der wahre Messias. Wir führen diesen Gedanken sakramental-ekklesiologisch weiter: Die Heimführung in die Heimat des Reiches Gottes erfolgt durch die Taufe, in der wir die Erlösung gläubig annehmen. Auf moralischer Ebene sehen wir die immer wieder erfolgende Heimführung des Sünders aus dem Exil seiner Sünde zurück in den Stand der Gnade. Es ist Christus, der uns allen im Sakrament der Versöhnung immer wieder die Schuld vergibt. Und wenn wir alle sterben, spätestens am Ende der Zeiten, werden wir alle in die ewige Heimat zurückgeholt, zu der wir von Anfang an berufen sind.

Ps 137
1 An den Strömen von Babel, da saßen wir und wir weinten, wenn wir Zions gedachten.
2 An die Weiden in seiner Mitte hängten wir unsere Leiern.
3 Denn dort verlangten, die uns gefangen hielten, Lieder von uns, unsere Peiniger forderten Jubel: Singt für uns eines der Lieder Zions!
4 Wie hätten wir singen können die Lieder des HERRN, fern, auf fremder Erde?
5 Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll meine rechte Hand mich vergessen.
6 Die Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht mehr gedenke, wenn ich Jerusalem nicht mehr erhebe zum Gipfel meiner Freude.

Als Antwort auf das große Trauma des Babylonischen Exils beten wir Ps 137. Er ist einer der bekanntesten Psalmen, der sehr oft vertont worden ist. Er artikuliert die Sehnsucht des Volkes nach der Heimat und nach dem Tempel Gottes.
Wir können uns sehr gut vorstellen, wie die deportierten Juden „an den Strömen von Babel“ sitzen und weinen. Die Ströme sind Euphrat und Chabur. Sie haben alles verloren, vor allem ihre Gunst bei Gott und ihre Heimat. Voller Sehnsucht erinnern sie sich an die Weiden und an die Leiern, auf denen sie gespielt haben. Wir sehen den jungen David vor uns, der als Schafhirte gerne auf der Leier gespielt hat.
Stattdessen werden die Juden gezwungen, Heimatlieder im Exil zu spielen. Das stellt eine regelrechte Folter für sie dar. Wie zynisch können die Babylonier sein, ihnen so etwas abzuverlangen?
Noch etwas wird uns durch die Flüsse Babels bewusst, was uns zur Genesis zurückführt: Der Garten Eden wird beschrieben als Ort, der von vier Flüssen abgegrenzt wird. Wir sehen das Volk Israel also zugleich als Menschheit, die aus dem Paradies verbannt worden ist und fernab von Gott die Sünde beweint. Dieses Exil ist viel existenzieller, denn es betrifft das ewige Leben, das die Menschen nicht haben können. Wir haben diese Lesart in der Lesung bereits bedacht. Die Menschen stehen an der Schwelle und dürfen doch nicht hinein. So stellen wir uns auch die Gerechten des Alten Testaments vor, die auf die Erlösung des Messias warten, damit er ihnen die Tür zum Himmelreich aufschließe.
Jerusalem ist für die Juden ein Teil von ihnen. Die eigene Stadt zu vergessen, ist wie das Vergessen der eigenen Körperteile. Die Verse 5-6 sind wie ein Versprechen der Beter, die Stadt nicht zu vergessen. Sonst erfolge eine Selbstbestrafung. Auch das Kleben der Zunge am Gaumen ist auf diese Weise zu verstehen. Jerusalem soll auch fernab von der Heimat Grund der Freude und des Lobpreises sein. Möge der Tempel jetzt auch zerstört und der König von Juda deportiert worden sein. Das Volk hält daran fest, dass die Stadt heilig und Gottes Eigentum ist, selbst als Ruine.
Viele dieser Gedanken hier können die deportierten Völker oder Bevölkerungsgruppen von heute voll unterschreiben. Die Heimat zu verlieren, ist ein großes Trauma. Man weiß nicht mehr, wo man noch hingehört. Doch als Christen können wir ganz klar sagen: Und wenn man uns unsere Heimat nimmt, so wissen wir doch, dass unsere wahre Heimat im Himmel ist. Dass wir von Heimat sprechen dürfen, hat Christus uns erwirkt, der durch seine Erlösung, die viel größer ist als die „Erlösung“ des Perserkönigs Kyros, in die himmlische Heimat zurückgeführt hat.

Eph 2
4-5 Gott aber, der reich ist an Erbarmen, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr gerettet.
6 Er hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz in den himmlischen Bereichen gegeben,
7 um in den kommenden Zeiten den überfließenden Reichtum seiner Gnade zu zeigen, in Güte an uns durch Christus Jesus.
8 Denn aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt – ,
9 nicht aus Werken, damit keiner sich rühmen kann.
10 Denn seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus zu guten Werken erschaffen, die Gott für uns im Voraus bestimmt hat, damit wir mit ihnen unser Leben gestalten.

In der heutigen Lesung aus dem Epheserbrief geht es um Leben und Tod, um das existenzielle Thema schlechthin. Diese Begriffe verwendet Paulus in diesem Zusammenhang aber nicht biologisch oder auf dieses Dasein bezogen, sondern mit Blick auf die Ewigkeit und den hier bereits vorliegenden moralischen Zustand des Menschen, der über diese Ewigkeit entscheidet. Diese Lesart haben wir in der ersten Lesung bereits angesprochen, denn auch der Zustand der Todsünde ist ein einziges Exil.
Wir müssen ein wenig den größeren Kontext betrachten, damit wir den Einsatz in Vers 4 verstehen. Paulus spricht zuvor von der Sklaverei der Sünde und bezieht sie auf alle, die nicht getauft sind. Man mag denken: Paulus hat aber ein ganz schön pessimistisches Menschenbild, weil er über den ungetauften Menschen sehr negativ spricht. Aber es liegt daran, dass der Mensch von Natur aus eine gefallene Natur ist. So ist er nicht geschaffen worden. Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, aber der Mensch hat durch seinen Ungehorsam alles verdorben. Deshalb kann man nicht anders, als so ein „pessimistisches“ Menschenbild an den Tag zu legen. Dabei bleibt Paulus aber nicht stehen und auch wir müssen nicht schwarz sehen. Denn Gott hat in seiner überreichen Barmherzigkeit der Menschheit die Befreiung aus diesem Sklavenhaus geschenkt, indem er Mensch geworden ist und am Kreuz die Sünde der ganzen Welt auf sich nahm. Seine Gnade hat uns erlöst und das bewirkt, was unsere gefallene Natur nicht mehr zustande bringt – unsere Rechtfertigung. Deshalb ist es eine absolut tiefe Wahrheit, wenn er sagt: „Aus Gnade seid ihr gerettet.“ Wir haben uns nicht selbst erlöst und werden das nie können. Das hat die Gnade erwirkt. Der Einwand gegen das reformatorische sola gratia (allein die Gnade) besteht in der Konsequenz der Gnade: Sie befähigt uns, nun mit Gottes Unterstützung gut zu sein und seine Gebote zu halten. Zurücklehnen können wir uns nicht, denn wir können die Taufgnade auch wieder verlieren.
Der getaufte Mensch erfährt im Moment seiner Taufe eine Auferstehung von den Toten, weil er vom Zustand der Todsünde in den Stand der Gnade erhoben wird. Durch diesen Gnadenakt Gottes steht ihm in Aussicht, Christus nach dem Tod in den Himmel zu folgen. Christus hat zu seinen Aposteln in den Abschiedsreden gesagt, dass er vorausgeht, um ihnen eine Wohnung zu bereiten, und dass es beim Vater viele Wohnungen gibt. Wir dürfen darauf vertrauen, dass es für uns einen Platz geben wird, wenn wir im Stand der Gnade aus dieser Welt geschieden sind. Wenn wir die Taufe betrachten, dann staunen wir über die überreiche Gnade Gottes an uns. Doch das ist nur der Anfang! Denn wie Paulus hier andeutet, wird uns im Himmelreich die Fülle der Gnade zuteilwerden, deren „Unterpfand“ wir in diesem Leben erfahren.
Noch einmal betont Paulus mit Nachdruck, dass die Epheser nicht aus eigener Kraft gerettet worden sind, sondern durch die Gnade Gottes, die man gläubig angenommen hat in der Taufe. Er betont es, „damit keiner sich rühmen kann“. Anscheinend gab es solche, die sich damit gerühmt haben. Wir haben uns nicht selbst erlöst. Das müssen wir Menschen heute immer wieder bedenken, da die Versuchung der Selbsterlösung sehr groß ist durch die vielen esoterischen Angebote. Wir sind ganz auf Gottes Gnade angewiesen, wenn wir gerecht sein wollen. Dass wir aber gerecht sein sollen, ist unsere Berufung – die Berufung zur Heiligkeit. Weil wir sie von unserer Natur her nicht mehr erlangen können, müssen wir sie zusammen mit der Gnade Gottes anstreben. Paulus bietet hier zum Schluss also eine Definition für die Heiligkeit an: „Mit guten Werken, die Gott für uns im Voraus bestimmt hat, unser Leben gestalten.“ Dabei sind wir nicht allein, genauso wenig wie die Epheser, die Paulus hier anspricht. Gottes Gnade entlastet uns, weshalb wir aber dennoch hundert Prozent geben müssen. Aber die Überforderung fällt weg. Gott heiligt und vervollkommnet unsere Begrenztheit.

Joh 3
14 Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden,
15 damit jeder, der glaubt, in ihm ewiges Leben hat.

16 Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.
17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.
18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des einzigen Sohnes Gottes geglaubt hat.
19 Denn darin besteht das Gericht: Das Licht kam in die Welt, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse.
20 Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden.
21 Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind.

Heute hören wir den Abschluss des Gesprächs Jesu mit Nikodemus. Dort werden mehrere wichtige Themen angeschnitten:
Zunächst greift Jesus ein Ereignis aus dem Alten Testament auf und deutet es typologisch: Es geht um die Wüstenwanderung, während der Gott zulässt, dass Giftschlangen die Israeliten beißen. Dies lässt er deshalb zu, weil sie ihn auf die Probe gestellt und mal wieder gemurrt haben. Als sie zu Mose schreien, dass er Gott um Gnade bitten soll, befiehlt Gott dem Mose, eine Schlange aus Kupfer herzustellen und sie auf einem Stock aufzustellen. Wenn jemand von den Schlangen gebissen wird, soll er auf die Schlange schauen, damit er nicht stirbt (Num 21). Dies nimmt Jesus zum Anlass, auf seine eigene kommende Erlösungstat hinzuweisen: So wie die erhöhte Schlange zur Rettung für die Sterbenden wird, so rettet er als Erhöhter am Kreuz die Menschen, deren ewiges Leben bedroht ist.
Ewiges Leben haben jene, die glauben. Und dieser Glaube ist mehr als ein theoretisches Fürwahrhalten Gottes. Vielmehr hat es eine praktische Auswirkung. Wer den Glauben konkret lebt wie Noach, als er trotz schönem Wetter die Arche gebaut hat, wie Abraham, als er ohne Sicherheit seine Heimat verlässt, der wird gerettet werden. Diese Dinge werden im Laufe des Nachtgesprächs mit Nikodemus noch deutlicher zutage treten, wenn Jesus von der Neugeburt spricht. Glaube und Taufe hängen aufs Innigste miteinander zusammen. Wer glaubt, lässt sich als Zeichen taufen.
Zunächst geht es um die Liebe Gottes zu uns Menschen, aufgrund derer er sein Allerliebstes abgegeben hat – seinen einzigen Sohn. Gott möchte für uns alle, dass wir das ewige Leben haben. Er möchte, dass wir alle gerettet werden, denn zu einem ewigen Leben bei ihm hat er uns alle ja berufen. Dafür sind wir geschaffen worden. Und für dieses Ziel ist ihm kein Mittel zu schade, auch wenn er das Kostbarste für den Menschen opfern muss. Das ist der Ausdruck der größten Liebe!
Jesus ist nicht in die Welt gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten. Jesus wird dennoch die ganze Welt richten, was wir ja auch im Glaubensbekenntnis beten. Mit seinem ersten Kommen soll das Erlösungswerk vollbracht werden. Das meint sein Wort „damit die Welt gerettet werde.“ Wenn er als verherrlichter Menschensohn wiederkommen wird am Ende der Zeiten, dann wird er als Weltenrichter wirken. Im Johannesevangelium sagt Jesus aber jetzt schon immer wieder, dass die Menschen durch die Ablehnung des Evangeliums und seiner Person schon gerichtet sind – weil sie sich selbst gerichtet haben. Aber die Chancen zur Umkehr sind jetzt noch gegeben, solange Jesus noch nicht wiedergekommen ist. Solange wird auch keiner endgültig verurteilt – bis zum letzten Atemzug. Wir wissen nicht, was ein sterbender Mensch bis zu seinem Tod im Herzen bedacht hat, ob er seine Sünden bereut und sich der Barmherzigkeit Gottes anvertraut hat.
Jesus erklärt daraufhin Nikodemus, worin das Gericht besteht. Dafür gebraucht er Metaphern, die diesem etwas sagen: „Das Licht kam in die Welt (er meint damit sich selbst!), doch die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse.“ Wer ins Licht kommt, der zeigt, wie dreckig er wirklich ist. Deshalb bevorzugt er die Finsternis, weil man den Dreck dann nicht sieht. Wer zu Jesus kommt, sieht sich in erster Linie selbst mit seinem Dreck. Das hält der Mensch aber nicht aus, weil er dann dazu gedrängt wird, sich zu säubern. Das heißt, wer Christus zulässt, wird zur Umkehr berufen. Man wird vor die Entscheidung gestellt, sein Leben zu ändern. Das ist anstrengend und kostet Überwindung. Dabei ist es viel einfacher, weiterzumachen wie bisher. Was Jesus hier sagt, betrifft vor allem die religiöse Elite Israels. Diese Menschen genießen vor dem Volk hohe Achtung, doch wenn Jesus mit seinem Licht sie anstrahlt, sieht man plötzlich, wie dreckig sie eigentlich sind – wie korrupt und unwahrhaftig, wie heuchlerisch und ungläubig. Wir können das auch auf die früheren Zeiten Israels beziehen. Immer wieder ruft Gott durch die Propheten sein Volk zur Umkehr auf, aber das kostet Überwindung. Es ist viel einfacher, weiterzumachen wie bisher. Nur hat dies schlimme Auswirkungen. Der Mensch schadet sich selbst, wenn er lieber in der Dunkelheit verharrt. Das Exil sollte den Israeliten eine Lehre sein. Diese unfreiwillige „Dunkelheit“, das heißt Gottesferne, hat ihnen gereicht, auch wenn es „nur“ siebzig Jahre anhielt. Und nun stellen wir uns vor, auf ewig diese „Dunkelheit“ erfahren zu müssen! Wie schrecklich muss das sein!
So wie die Israeliten damals wollen nun die Elitären zur Zeit Jesu den realistischen Blick vermeiden und tun alles daran, das Licht auszulöschen, um nicht entlarvt zu werden. Jesus fällt ihrer Intrige zum Opfer, aber dieses Opfer wird zum endgültigen Sühnopfer aller Zeiten! Die Auslöschung des Lichtes geschieht auch nach dem Tod Jesu, als nämlich die Apostel das Licht weitertragen in die ganze Welt. Licht und Wahrheit sind dabei dasselbe. Die Apostel verkünden die Wahrheit, die Jesus Christus ist, und sind dadurch selbst das Licht der Welt. Jesus hat es ihnen schon angekündigt. Die Menschen nehmen es bereitwillig auf und so werden ihnen die Augen aufgetan. Mit diesem erhellten Blick schauen die Menschen aber auch anders auf die religiöse Elite, die ihre gesellschaftliche Stellung gefährdet sieht. Deshalb muss auch bei den Aposteln das Licht ausgelöscht werden, bevor sie entlarvt werden.
Jesus spricht zum Schluss davon, dass wer die Wahrheit tut, kein Problem mit dem Licht hat. Wer wahrhaftig lebt, bei dem wird nichts entlarvt, sondern höchstens anerkannt. Und das ist ja sogar etwas Erstrebenswertes.
Deshalb ist es auch für uns Menschen heute so wichtig, dass wir wahrhaftig leben, in erster Linie uns selbst gegenüber. Petrus musste das besonders intensiv lernen, indem er sein wahres Ich kennenlernen musste (seine feige Natur, die ängstlich um sich selbst kreist). Erst als er diese Ehrlichkeit zu sich selbst gelernt hat, wurde er zu einem Menschen, den Gott als sein Werkzeug des Heils in dieser Welt einsetzen konnte.
Es gibt nichts, was nicht ans Licht kommt. Deshalb ist es entscheidend, ehrlich zu leben, auch in den kleinsten Dingen. Was dann ans Licht kommt, ist unser reines Herz, dem ein aufrichtiges Verhalten entspringt. Dann werden wir keine Angst haben, entlarvt zu werden, da es nichts gibt, was entlarvt werden muss.

Jesus spricht vor Nikodemus sehr viel über Licht und Dunkel im Kontext eines Nachtgesprächs. Es sind Anregungen und Appelle an den Pharisäer, auf dass er von der Dunkelheit ins Licht komme. Nach Jesu Tod wird dieser Mensch immer mehr zum Licht kommen und sich bekehren.
So führt Jesus uns alle vom Dunkel ins Licht, das heißt zur Erkenntnis. Jesus lehrt uns alle, damit wir ihn immer besser begreifen und ausgehend davon immer mehr in Liebe zu ihm wachsen.

Er möchte, dass alle gerettet werden, dass ich gerettet werde. Dafür hat er sein ganzes Blut bis auf den letzten Tropfen für mich ausgeblutet.

Ihre Magstrauss

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