Kol 3,12-17; Ps 150,1-2.3-4.5-6; Lk 6,27-32
Kol 3
12 Bekleidet euch also, als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte, mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld!
13 Ertragt einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat! Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
14 Vor allem bekleidet euch mit der Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist!
15 Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen. Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar!
16 Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. In aller Weisheit belehrt und ermahnt einander! Singt Gott Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder in Dankbarkeit in euren Herzen!
17 Alles, was ihr in Wort oder Werk tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Dankt Gott, dem Vater, durch ihn!
Die heutige Lesung aus dem Kolosserbrief gibt uns heute konkrete Anweisungen, wie wir als Getaufte und besonders als christliche Familie zusammenleben sollen. Er sagt auch aus, warum wir wie beschrieben leben sollen: „als Erwählte Gottes, Heilige“. Durch die Taufe sind wir zur Heiligkeit berufen und dies soll sich an unserem Lebensstil bemerkbar machen.
Wir sollen einander ertragen. Wir können uns die Familienmitglieder sowie die Gemeindemitglieder nicht aussuchen und es kommt manchmal zu Spannungen. Charaktere treffen aufeinander, die nicht immer kompatibel sind. Wir sollen das aber aushalten.
Ein entscheidender Aspekt ist die Vergebung. Wir sollen einander immer verzeihen, jeden Tag aufs Neue. Wir sollen das bedingungslos tun, weil wir in der Nachfolge Christi stehen. Er hat immer und überall vergeben. Er hat noch seinen Henkern am Kreuz vergeben und für sie gebetet. Das soll unser Vorbild auch im Familienleben sein, ebenso in der Kirchengemeinde, die ja die Familie Gottes vor Ort ist.
Zu dieser Voraussetzung tritt das Band, das alles zusammenhält – die Liebe. Diese ist nicht immer nur ein schönes Gefühl, sondern in erster Linie eine Willensentscheidung, auch manchmal gegen die eigenen Emotionen – spätestens da, wo wir einander vergeben müssen, obwohl wir uns gegenseitig am liebsten auf den Mond schießen würden. Liebe ist manchmal harte Arbeit.
Der Wunsch einer friedlichen Familie kann nur in Erfüllung gehen, wo Gott Einzug in sie hält. Wo Gott das Zentrum der Familie ist, kann auch sein Frieden, der vollkommen ist, in ihr wirken.
Wir sollen dankbar sein. Das ist nicht zu unterschätzen. Das hat nämlich zur Folge, dass wir nichts, ich wiederhole, NICHTS für selbstverständlich nehmen sollen. Das zeigen wir im Alltag dadurch, dass wir uns für die Dinge bedanken, die uns der andere gibt und tut.
„Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch“ heißt, dass das Evangelium ganz und gar Realität in unseren Familien sein soll. Es soll davon geredet werden, aber vor allem soll es gelebt werden.
Wir sollen uns gegenseitig belehren (natürlich mit Liebe) und Gott loben mit Liedern und Gebeten. Das alles klingt, als ob hier nicht die Rede von Familie, sondern Kirche ist. Das formuliert Paulus bewusst so. Familie ist nämlich Hauskirche, eine Zelle des Leibes Christi. Diese geistige Dimension von Familie dürfen wir nicht vergessen. Deshalb ist das gemeinsame Gebet analog zur Leiturgia zu betrachten, die gegenseitige Ermahnung analog zur Martyria und das gegenseitige Lieben und Verzeihen analog zur Diakonia der Kirche. Diese drei wiederum sind die kirchlichen Grundvollzüge. Und so wie alles in der Kirche im Namen Jesu geschehen soll, gilt es auch für das Familienleben.
Ps 150
1 Halleluja! Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner mächtigen Feste!
2 Lobt ihn wegen seiner machtvollen Taten, lobt ihn nach der Fülle seiner Größe!
3 Lobt ihn mit dem Schall des Widderhorns, lobt ihn mit Harfe und Leier!
4 Lobt ihn mit Trommel und Reigentanz, lobt ihn mit Saiten und Flöte!
5 Lobt ihn mit tönenden Zimbeln, lobt ihn mit schallenden Zimbeln!
6 Alles, was atmet, lobe den HERRN. Halleluja!
Als Antwort beten wir Psalm 150, den letzten Psalm des Psalters. Es handelt sich um einen abschließenden Lobpreis, der sich gut an die Lesung anschließt. Dieser Psalm ist so wie die vorausgehenden Psalmen vom Hallelujaruf gerahmt.
Zunächst geht es um den Ort des Lobes – „in seinem Heiligtum“. Wir denken hier im Psalmenkontext wörtlich zunächst an den Tempel von Jerusalem. Darüber hinaus gehen wir schon weiter zum Neuen Bund, denn Christus ist zum Ort der wahren Anbetung geworden, dessen Gegenwart im Tabernakel jeder katholischen Kirche gegeben ist. So ist Gottes Heiligtum nun die Kirche als Gebäude, aber auch als Gemeinschaft der Heiligen. Schließlich sagte Jesus: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Durch die Taufe ist auch die Seele des Menschen zum Heiligtum Gottes geworden, der Tempel des Hl. Geistes. So müssen wir Gott von Herzen her loben und preisen, von wo aus unser Leben seinen Anfang nimmt – die Gedanken, Worte und Werke, die gesamte Lebensgestaltung. Unser Leben sei ein einziger Lobpreis – auch besonders im Familienleben, wie uns Paulus erklärt hat. Das irdische Leben muss bereits Lobpreis sein, denn es ist die „Generalprobe“ für den Himmel.
Dann geht es in Vers 2 um den Grund für den Lobpreis: „wegen seiner machtvollen Taten, lobt ihn nach der Fülle seiner Größe!“ Gott ist der wunderbare Schöpfer. Das ist der erste Grund unseres Lobpreises. Wir danken ihm allein schon für unsere Existenz. Im nächsten Schritt danken wir dem Herrn für das neue Leben, das er uns geschenkt hat durch seine Erlösungstat. Das Lamm Gottes hat die Sünde der Welt hinweggenommen, auf dass wir neugeboren werden können zu einer neuen Schöpfung im Hl. Geist. Und der dritte Aspekt ist für uns der Geist Gottes, für den wir stets danken können, der Atem Gottes, der uns am Leben erhält in einer Welt, die zunehmend zu einem Vakuum wird. Er ist das lebendige Wasser, das uns täglich tränkt und vor dem Austrocknen bewahrt in einer Welt, die immer mehr zur Wüstenlandschaft verdorrt.
Als nächstes geht es um das Wie des Lobpreises: Hier ist es der „Schall des Widderhorns“, die „Harfe und Leier“. Es sind zeitgenössische Instrumente, die vor allem für den liturgischen Kontext gebraucht worden sind. Für uns ist die Orgel zum Hauptinstrument der Liturgie geworden, aber zunehmend auch weitere Instrumente. Hier werden in den Versen 4 und 5 noch weitere Instrumente genannt, gleichsam ein ganzes Orchester für den Lobpreis zusammengestellt: „Lobt ihn mit Trommel und Reigentanz, lobt ihn mit Saiten und Flöte! Lobt ihn mit tönenden Zimbeln, lobt ihn mit schallenden Zimbeln!“ Es kommen nun auch rhythmische Instrumente hinzu und sogar der Tanz darf im jüdischen Kontext nicht fehlen. Der Hl. Augustinus sagte, Gesang ist doppeltes Gebet. Man kann noch hinzufügen: Der Tanz ist hier das dreifache Gebet.
Gott muss mit dem ganzen Sein gepriesen werden. Je lauter, desto besser. Der Lobpreis muss mit dem ganzen Leib ausgedrückt werden, deshalb der Tanz. Der Lobpreis muss von allen Lebewesen vorgenommen werden, denn es heißt: „Alles, was atmet, lobe den HERRN.“ Wenn wir uns am Morgen nach draußen stellen und die Augen schließen, realisieren wir, dass die ganze Schöpfung Gott wirklich lobt und preist! Die Vögel des Himmels zwitschern, die Blumen blühen, die Sonne strahlt. Sie verkünden in ihren geordneten Bahnen und Naturgesetzen die Größe und Schönheit Gottes.
Und wenn wir in das Himmelreich eingehen dürfen, werden wir uns dem immerwährenden Lobpreis der himmlischen Liturgie anschließen. Dann werden wir mit allen Engeln und Heiligen, mit den Scharen des Himmels zusammen Gott anbeten bis in Ewigkeit.
Lk 6
27 Euch aber, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen!
28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen!
29 Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd!
30 Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück!
31 Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen!
32 Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden.
Im Evangelium hören wir heute von der Feindesliebe. Das ist eine ganz neue Dimension. Gott hat die Menschen lange darauf vorbereitet, indem er zunächst einmal die Mindestanforderung „Auge für Auge“ gestellt hat. Bis dahin hat man für ein verletztes Vieh die ganze Herde des Täters umgebracht oder sogar dessen ganze Familie. Das war eine unglaubliche Gewalt- und Rachespirale, die ganze Sippen ausgerottet hat. Dagegen sollte man von nun an vom Täter nur noch genau das Maß zurückverlangen, das er einem angetan hat. Es war also für das Alte Israel eine absolut humane Maßnahme. Nun aber auf der Höhe der Zeit möchte Jesus einen Schritt weitergehen und von seinen Jüngern mehr verlangen – überhaupt keine Rache auszuüben und den Feind sogar zu lieben.
Das verlangt Jesus jetzt nicht einfach als übertriebene und unzumutbare Forderung, sondern er tut uns Menschen damit einen Gefallen. Wir können endlich frei sein von dieser ständigen Sorge um Gerechtigkeit. Dabei sollen wir keinen Widerstand leisten und alles mit uns machen lassen. Das hat nichts damit zu tun, dass wir nichts wert sind und deshalb mit Füßen zertreten werden sollen. David hat uns im Psalm ja mit seiner Betrachtung wunderbar vor Augen geführt, was für wertvolle Geschöpfe wir sind! Gott war bereit, für uns Mensch zu werden und für unsere Erlösung sein Blut zu vergießen! Keinen Widerstand zu leisten heißt vielmehr, dass wir aus der Spirale der Rache und der Gewalt heraustreten. Menschen, die merken, dass wir sie nicht zurückschlagen, sondern ihnen noch unsere andere Wange hinhalten, werden überrascht sein. Sie werden sich schämen, weil sie sich dann ihrer eigenen Schlechtigkeit bewusst werden.
Wenn man angeklagt wird oder einem etwas weggenommen wird und man dem anderen dann noch den Rest gibt, wird er merken, was er eigentlich tut. Das alles gilt natürlich nur, wenn der Mensch auch nur das kleinste Bisschen Gewissen hat.
Bei der Feindesliebe geht alles auf die goldene Regel zurück: Das Maß an Nächstenliebe wird davon bestimmt, was ich mir selbst Gutes tun würde. Das bedeutet, dass wir bereitwillig die andere Wange hinhalten sollen, wenn es so weit kommt. Und wenn jemand uns für unseren Glauben töten will, sollen wir es zulassen. Das heißt nicht, dass wir das Martyrium aktiv suchen sollen, sondern auf zuerst an uns geschehenes Unrecht reagieren sollen. Wenn wir nicht alleine sind, sondern für andere Menschen Sorge tragen, ist das auch ein Faktor, der zu berücksichtigen ist: Dann können wir vielleicht unsere Wange hinhalten, aber nicht die der uns Anvertrauten. Wenn jemand also unsere eigenen Kinder oder Familienangehörigen angreift, dürfen und sollen wir sie beschützen. Denn auch Jesus sagt im Johannesevangelium: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Umso mehr gilt dies für die eigene Familie.
Den zurückzulieben, der mich auch liebt, ist keine große Leistung. Das ist, was alle tun. Dann ist es aber keine Liebe mehr, sondern eine Win-Win-Situation. Die Liebe als Gabe Gottes, die Agape, ist dagegen dann wirksam, wenn man gehasst wird, wenn es schwierig wird, wenn man liebt, obwohl man keine Gegenliebe erwarten kann.
Wer gibt, weil er weiß, dass ihm zurückgegeben wird, hat seinen Lohn schon bekommen. Er braucht vom Vater im Himmel nichts mehr erwarten.
Jesu Worte dringen direkt ins Herz und sind eine Herausforderung. Man wird dazu aufgefordert, zu lieben, wo es einem gegen den eigenen Strich geht, gegen das eigene Ego. Aber genau diese Art von Liebe, von Ohnmacht, von Gewaltlosigkeit ist die göttliche Weisheit, von der Paulus spricht. Die Menschen verhöhnen einen noch in der heroischen Tat des Wangehinhaltens. Wir werden dann nichts Anderes erwarten können, denn Jesus selbst ist noch am Kreuz ausgelacht worden, weil er als Messias sich nicht vom Kreuz herabgeholt hat.
Die Liebe Gottes ist stärker als alle Schlechtigkeit dieser Welt. Wer uns hasst, den besiegen wir mit der Liebe. Sie ist das Band, das auch die Familie zusammenhält, weil es das Band der Familie Gottes ist, ja das Band der heiligsten Dreifaltigkeit. Wir sind geschaffen und erlöst zur Liebe. Denken wir auch heute darüber nach, wo und wie wir die Liebe konkret leben können, die Gott in unsere Herzen eingegossen hat.
Ihre Magstrauss