Jes 53,10-11; Ps 33,4-5.18-19.20 u. 22; Hebr 4,14-16; Mk 10,35-45
Jes 53
10 Doch der HERR hat Gefallen an dem von Krankheit Zermalmten. / Wenn du, Gott, sein Leben als Schuldopfer einsetzt, wird er Nachkommen sehen und lange leben. / Was dem HERRN gefällt, wird durch seine Hand gelingen.
11 Nachdem er vieles ertrug, erblickt er das Licht. / Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die Vielen gerecht; / er lädt ihre Schuld auf sich.
In der ersten Lesung wenden wir unseren Blick auf das vierte Gottesknechtslied, das wir auch an Karfreitag hören. Es geht um einen nicht namentlich erwähnten Gottesknecht, der leiden muss, obwohl er unschuldig ist. Diese Worte aus dem Buch Jesaja werden von Anfang an in der kirchlichen Tradition auf Christus bezogen, der als einziger ganz Gerechter leiden musste.
Wir hören das Ende dieses Liedes, das nicht beim Beklagen des Leidens stehen bleibt, sondern Gottes Heil in Aussicht stellt:
Gott lässt den Gottesknecht nicht im Leiden. Er hört den Ruf seines Gottessohns: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“. Er nimmt dieses reinste Opfer aller Zeiten an aus den Händen des Hohepriesters Christus – Hohepriester und Opfer zugleich. Er nimmt das Opfer als Schuldopfer der ganzen Menschheit an. Er spricht zusammen mit dem Sohn das „Es ist vollbracht“. Ihr gemeinsamer Heilsplan kommt zur Vollendung.
Dieses Opfer ist uns zum Sakrament geworden durch die Auferstehung Jesu Christi. Er wird „lange leben“, ein Code für das ewige Leben. Er sieht Nachkommen zuhauf, denn sein Opfer trägt reiche Frucht. Die Familie Gottes mit den vielen Kindern, die durch die Taufe im Hl. Geist hineingeboren werden, sind Ausdruck seiner großen Fruchtbarkeit.
Er erfüllt den Willen des Vaters treu bis zum Schluss. Weil er in allem den Willen des Vaters erfüllt hat, ist alles durch seine Hand erfolgreich. Das zeigt nicht nur den absoluten Segen Gottes, sondern auch, was schon im Anfang der Fall ist: Der Sohn ist die Exekutivgewalt des Vaters – bereits bei der Schöpfung, umso mehr bei der Erlösung.
Mit Karfreitag endet nicht das Wirken Jesu Christi. Am dritten Tag er blickt er das Licht und ersteht von den Toten mit dem Aufgang der Sonne. Ja, er ist die Sonne der Gerechtigkeit und erfüllt die messianische Verheißung, dass der Messias aus dem Osten kommt – er kommt als Auferstandener mit dem Sonnenaufgang. Nicht umsonst ist es ein und dasselbe Wort im Griechischen – anatole.
Zum Ende der Ersten Lesung wird nochmal betont, dass seine Tat eine Opferhandlung ist. Er hat durch seinen Opfertod „die Vielen“ gerecht gemacht, das heißt vor Gott gerechtfertigt. Dies ist geschehen durch das Aufladen der Sünden der Welt auf den Gottesknecht Jesus Christus. Paulus reflektiert dies später in seinen Briefen, vor allem im ersten Korintherbrief, wenn er seine Sühnetheologie entfaltet. Auch der Hebräerbrief, den wir gleich noch hören, reflektiert diesen wichtigen Aspekt im umfassenden Kontext von Kult und Opfer.
Ps 33
4 Denn das Wort des HERRN ist redlich, all sein Tun ist verlässlich.
5 Er liebt Gerechtigkeit und Recht, erfüllt von der Huld des HERRN ist die Erde.
18 Siehe, das Auge des HERRN ruht auf denen, die ihn fürchten, die seine Huld erwarten,
19 dass er ihre Seele dem Tod entreiße und, wenn sie hungern, sie am Leben erhalte.
20 Unsre Seele hofft auf den HERRN; er ist unsere Hilfe und unser Schild.
22 Lass deine Huld über uns walten, HERR, wie wir auf dich hofften!
Der Psalm reflektiert Gottes Heilsplan. Er wird unter anderem in der Fastenzeit gebetet und passt somit ideal in den Gesamtduktus der heutigen Sonntagslesungen. Das Wort und die Tat Gottes sind verlässlich. Gott ist treu und hält sich an seine Versprechen, auch wenn wir ihm untreu werden.
Gott liebt die Gerechtigkeit und das Recht. Das ist für uns keine Drohbotschaft im Sinne eines strengen Richterbildes. Gott sorgt für Gerechtigkeit, wo wir Unrecht erleiden. Sein Recht setzt sich durch, auch wenn es in unserem Leben aktuell nicht so erscheinen mag. Das ist eine totale Trostbotschaft.
Auch die Rede vom „Auge des HERRN“ muss als Geborgenheitsausdruck verstanden werden. Gott sieht auf die Gottesfürchtigen, die sich um den Stand der Gnade bemühen. Die anderen verstecken sich wie Adam und Eva im Garten Eden oder meinen, Gott sehe sie nicht. Er sieht alles und jeden. Gemeint ist aber, dass die Gottesfürchtigen eine Beziehung zu Gott haben und er in ihrem Leben Gutes wirkt, denn sie heißen ihn willkommen. Gott entreißt ihre Seele dem Tod (נַפְשָׁ֑ם nafscham, also eigentlich „ihr Leben“, denn nefesch meint immer das gesamte Leben, nicht nur einen Teil). Gott entreißt auch unser Leben dem Tod – sowohl dem moralischen Tod durch die regelmäßige Sündenvergebung im Beichtsakrament als auch vom ewigen Tod am Ende des Lebens. Wenn wir uns nämlich voller Glauben immer um den Stand der Gnade, um eine gute Beziehung zu Gott bemühen und mit einem umkehrbereiten Herzen durchs Leben gehen, dann wird seine Barmherzigkeit uns auffangen, sodass wir den ewigen Tod nicht schauen müssen.
Gott erhält die Gottesfürchtigen am Leben, wenn sie hungern. Dies ist wörtlich zu verstehen im Sinne von Segen im Leben. Gott sorgt dafür, dass man genug zu essen hat, wenn man seinen Willen tut. Jesus wird es später aufgreifen, wenn er sagt: „Zuerst muss es euch um das Reich Gottes gehen. Alles Andere wird euch dazugegeben.“ Jesus selbst hat es vorgelebt, indem er in allem das Reich Gottes als höchste Priorität vor Augen hat. Dabei ist er absolut gehorsam und unterstellt seinen freien Willen dem Willen des Vaters. Und auch wir Christen werden am Leben erhalten, denn Gott nährt uns nicht nur leiblich, sondern auch mit seinem Wort Gottes in Schrift und Sakrament, in der Eucharistie! Beides nährt uns auf unserem Lebensweg seelisch, sodass die Seele nicht stirbt, ebenso wenig die Hoffnung!
Und diese Hoffnung ist eine Hoffnung auf Gott, der „Hilfe und Schild“ ist. Gott leitet nicht nur den Weg, er beschützt auch auf diesem Weg, er unterstützt uns mit seiner helfenden Gnade, damit wir trotz unserer Schwächen den Willen Gottes in unserem Leben umsetzen können.
Wie König David beten auch wir um Gottes Huld, möge er uns die Gnade schenken, die wir unsere ganze Hoffnung auf ihn setzen! Er kann uns nicht enttäuschen, denn er ist Gott – ein Gott des Lebens, der uns in der Taufe die Hoffnung des Ostermorgens als göttliche Tugend eingegossen hat!
Hebr 4
14 Da wir nun einen erhabenen Hohepriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, lasst uns an dem Bekenntnis festhalten.
15 Wir haben ja nicht einen Hohepriester, der nicht mitfühlen könnte mit unseren Schwächen, sondern einen, der in allem wie wir versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat.
16 Lasst uns also voll Zuversicht hinzutreten zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit!
In der zweiten Lesung hören wir aus dem Hebräerbrief eine Betrachtung der hohepriesterlichen Identität Christi, der zugleich das dargebrachte Opfer ist. Es vertieft die Gedanken der ersten Lesung. Dieser Abschnitt ist ebenfalls Bestandteil der Karfreitagsliturgie, weil er das Leiden und den Tod Christi als Opferhandlung reflektiert. Diese und die erste Lesung gehören sehr eng zusammen.
Wir haben einen erhabenen Hohepriester, der nun beim Vater ist, der förmlich „die Himmel durchschritten hat“. Aus dem Grund werden wir durch den Brief dazu ermutigt, standhaft am Bekenntnis Jesu Christi festzuhalten. Er hat „die Himmel durchschritten“ bei seiner Heimkehr zum Vater. Auf demselben Wege werden wir ihn am Ende der Zeiten als verherrlichten Menschensohn und Weltenrichter zurückkehren sehen. Er ist nicht nur ein erhabener Hohepriester, er ist der erhabenste. Sein Opfer ist so wirksam, dass es alle bisherigen Opfer hinfällig gemacht hat und für alle Zeiten Rechtfertigung erwirkt. Es ist also so kraftvoll, dass es sich für uns unbedingt lohnt und wir ganz darauf vertrauen dürfen, dass wenn wir uns mutig zu ihm bekennen, er uns nicht im Stich lässt.
Er ist ein mitfühlender Hohepriester, der selbst alle Leiden durchgemacht hat. Er ist den ganzen menschlichen Weg gegangen, ohne dabei zu sündigen. Er ist selbst zum Opfertier geworden, um die Sünde von den Menschen zu nehmen. Niemand kann uns also so gut verstehen in unserer menschlichen Not wie er. Wir dürfen und müssen unser ganzes Leben ihm hinhalten, nichts vor Gott verstecken. Das ist auch nicht möglich, wie wir beim Psalm bedacht haben. Halten wir dem Herrn alles hin, auf dass er es wandle. Christus musste alles durchmachen, damit alles erlöst werde. Haben wir also Mut, Gott alles, auch die dunkelsten Flecken unseres Lebens hinzuhalten.
Was Jesus in seiner hohepriesterlichen Identität für uns getan hat, erfüllt uns bis heute mit Zuversicht und zeigt, dass Gottes Thron ein Gnadenthron ist. Gott ist Mensch geworden, um die Welt zu retten. Er wird uns heute auch nicht im Stich lassen, sondern wir werden „Hilfe erlangen zur rechten Zeit“. Viele Menschen wollten wie Gott sein, aber nur ein Gott wollte Mensch werden – und wurde Mensch.
Mk 10
35 Da traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.
36 Er antwortete: Was soll ich für euch tun?
37 Sie sagten zu ihm: Lass in deiner Herrlichkeit einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen!
38 Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?
39 Sie antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.
40 Doch den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben; dort werden die sitzen, für die es bestimmt ist.
41 Als die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes.
42 Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen.
43 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein,
44 und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.
45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Jesus nähert sich im heutigen Evangelium seinem Todesort Jerusalem. Er kündigt seinen Aposteln sein Leiden an, was sie vielleicht noch nicht richtig verstanden haben werden: Er wird den Hohepriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert und von den Heiden hingerichtet werden, aber nach drei Tagen wieder auferstehen. Für einen Juden eine undenkbare Sache! Deshalb wird es den Aposteln schwer gefallen sein, es bis aufs Letzte zu begreifen. Diese Dinge geschehen unmittelbar, bevor es zu unserem heutigen Abschnitt kommt.
Da kommen Jakobus und Johannes, die beiden Brüder, auf Jesus zu, um ihn um einen Gefallen zu bitten: Lass in deiner Herrlichkeit einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen!“ Vielleicht ist es gar nicht ihr Anliegen, dadurch zu sagen, dass sie einen Ehrenplatz erhalten wollen, sondern dass sie überhaupt bei Jesus auch in der Ewigkeit sitzen dürfen. Es ist Ausdruck einer Sehnsucht, die uns alle erfüllt. Wir möchten alle auf ewig bei Gott sein und ewige Freude haben. Jesus entgegnet jedenfalls etwas ganz Wichtiges: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet.“ Das ist auch in unserer heutigen Zeit so. Oft bitten wir um Dinge, deren Konsequenzen wir gar nicht sehen. Selbst wo wir eine noble Bitte an Gott richten wie ein Leiden, um für die Menschen zu sühnen, haben wir nicht die ganze Tragweite vor Augen, die damit einhergeht. So stellt Jesus ihnen die Frage, ob sie den Kelch trinken können, den Jesus trinkt (ob sie bereit zum Leiden und Martyrium sind), indem er ankündigt, dass sie den Kelch tatsächlich trinken werden. Gleichzeitig erklärt er, dass die Vergabe der Plätze nicht ihm zustehe. Was ist es aber für eine Taufe, von der Jesus spricht? Ist es die Johannestaufe, die er am Jordan an sich geschehen ließ? Er bezieht sich auf die sogenannte Bluttaufe, womit das Martyrium gemeint ist. Taufe bedeutet ja stets die absolute Rechtfertigung vor Gott. Märtyrer empfangen mit der Bluttaufe ebenfalls einen Vorgang der absoluten Rechtfertigung, weshalb die Kirche glaubt, dass sie sofort ins Himmelreich gelangen.
Als die anderen Apostel von der Bitte der Zebedäusbrüder erfahren, reagieren sie verärgert, weil sie eine Extrawurst bei ihnen riechen. Es kommt ein Konkurrenzdenken auf, was im Reich Gottes absolut fehl am Platz ist. Deshalb erklärt Jesus: Auf dem Thron zu sitzen und auch schon in dieser Welt eine hohe Position zu haben bei der Evangelisierung, hat nichts mit herrschen zu tun, sondern mit dienen. Es geht nicht um Macht, sondern um Verantwortung. Wer ein hohes Amt bekleidet, muss am meisten zum Sklaven aller werden, sie bedienen und sich um sie kümmern. Es ist also nichts, um das man streiten soll, weil man selbst diese Macht haben will. Jesus ist auch nicht gekommen, um über die Menschen zu herrschen, sondern um sie zu bedienen. Er wird es seinen Aposteln noch einmal anhand von einer bestimmten Geste verdeutlichen, nämlich im Abendmahlssaal, als er ihnen die Füße wäscht. ER, der Messias! Er geht in die Knie und übernimmt die Aufgabe, die ein Haussklave normalerweise tut. So sollen die Apostel „herrschen“. In den bisherigen Lesungen, die auch an Karfreitag verlesen werden, wird seine Identität als Sklave ganz intensiv reflektiert.
Und wie der Menschensohn gekommen ist, um sein Leben als Lösegeld für viele hinzugeben, so ist es auch mit uns. Wir sollen uns hingeben. Das ist das entscheidende Stichwort auch für unsere heutige Zeit. Jeder Mensch ist zur Hingabe berufen, umso mehr jene, die durch die Taufe zur Heiligkeit berufen sind. Unser Lebensziel soll die Hingabe sein, nicht die Selbstverwirklichung.
Was für uns Laien gilt, gilt umso mehr für die Geistlichen. Sie sollen die Menschen bedienen, in die Knie gehen, der Sklave aller sein und nicht irgendeine Macht ausspielen, die sie an sich reißen, die aber nichts mit Christi Nachfolge zu tun hat. Und wenn wir dann neidisch auf diese Macht schauen und dafür kämpfen, diese Macht umzuverteilen oder an uns zu reißen, dann sind wir schlimmer als die Apostel damals. Sie haben sich nur beschwert, aber es kam nicht zu Machtkämpfen unter ihnen. Warum lernen wir nicht aus Jesu Worten im Evangelium, sondern fordern Dinge, die gegen Gottes Gebote gehen? Warum schreien unsereins „Frauen in alle Ämter!“ und sprechen von „Männermacht“, wenn die von Gott gestiftete Weihe überhaupt nichts mit Macht zu tun hat? Haben wir Jesus wirklich so wenig verstanden?
Ihre Magstrauss