Gen 3,9-15.20; Ps 98,1-4; Eph 1,3-6.11-12; Lk 1,26-38
Liebe Freunde,
was wir heute feiern, ist nicht die Empfängnis Jesu im Leib Mariens. Dies wird manchmal verwechselt, weil wir im heutigen Evangelium davon hören. Vielmehr feiern wir heute die Empfängnis Mariens im Leib ihrer Mutter Anna. Gott hat die Mutter Jesu schon von Anfang an von der Sünde bewahrt, weil sie so wie Jesus Teil der neuen Schöpfung sein sollte. Dieses Hochfest ist deshalb so wichtig, weil es eine Weichenstellung in der Heilsgeschichte darstellt.
Gen 3
9 Aber Gott, der HERR, rief nach dem Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du?
10 Er antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
11 Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?
12 Der Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen.
13 Gott, der HERR, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt. So habe ich gegessen.
14 Da sprach Gott, der HERR, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch wirst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
15 Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.
An diesem Hochfest hören wir von der Tragweite des Sündenfalls des ersten Menschenpaares. Dies ist wichtig, weil es die Vorgeschichte dessen darstellt, warum Maria als auserwählte Muttergottes vorbereitet und Jesus überhaupt Mensch geworden ist. Wir erhalten in den heutigen Lesungen eine Einordnung des Festes und der Person Mariens in den Gesamtkontext der Heilsgeschichte.
Der heutige Abschnitt beginnt mit Gottes Frage „Wo bist du?“ Er fragt den Menschen, was die wörtliche Übersetzung von „Adam“ darstellt. Der Literalsinn ist an dieser Stelle das Rufen Gottes nach Adam, nachdem dieser gesündigt und sich versteckt hat. Auch Jesus ruft die Menschen später zu sich, v.a. ruft er nach den Sündern – er ruft Matthäus/Levi, er ruft Zachäus, er ruft aber auch seine Apostel, ihm nachzufolgen. Gott ist immer im Dialog mit seinen Geschöpfen und ruft umso lauter, wenn sie sich von ihm entfernen. So ruft auch die Kirche in der Nachfolge Christi, der seinen Jüngern auftrug, in die ganze Welt hinauszugehen, das Evangelium zu verkünden und alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen. Die Kirche ruft die Menschen zur Umkehr, auch wenn sie sich dadurch unbeliebt macht (so wie Johannes der Täufer). Gott ruft auch jeden einzelnen Menschen – zur Umkehr und in seine Nachfolge (in Berufung steckt der Ruf). Wenn wir gegen Gottes Gebote gehandelt haben, kriegen wir ein schlechtes Gewissen. Das ist der Ruf Gottes in unserer Seele. Gott ruft uns auch zum heiligen Berg, zum himmlischen Jerusalem am Ende der Zeiten. Dann werden die Engel ihm zur Seite stehen und mit Posaunen Gottes Ruf unterstützen. Dann wird uns Gott auch fragen, wo wir stehen – auf seiner Seite oder nicht.
Warum aber versteckt sich das Menschenpaar? Es hat Angst – und das ist etwas Neues, das Gott so nicht geschaffen hat. Die Angst ist eine Folge der Sünde. Ein weiteres hängt damit zusammen und ist ebenfalls Folge der Sünde – die Scham. Das Menschenpaar erkennt mit dem Sündenfall ihre Nacktheit und will nicht, dass Gott es so sieht. Das bezieht sich nicht nur auf die körperliche Nacktheit, sondern auf die gesamte menschliche Existenz. Der Mensch fühlt sich in Gottes Angesicht nun nicht mehr geborgen, weil er ihn ganz sieht, sondern er fühlt sich ausgeliefert, dadurch dass Gott in sein Innerstes sehen kann. Er hat jetzt einen Bereich im Leben, den er Gott nicht zeigen will. Gott fragt Adam, ob er von dem Baum gegessen habe. Diese Frage ist für ihn eigentlich überflüssig, da er allwissend ist und die Antwort bereits kennt. Er fragt aber wegen des Menschen. Dieser soll bekennen und erhält die Chance, Reue zu zeigen! Doch was macht Adam? Er redet sich heraus und macht die Frau dafür verantwortlich („die FRAU, die du mir beigesellt hast“). Es ist noch schlimmer, als wir auf den ersten Blick sehen: Er macht sogar Gott verantwortlich („die Frau, die DU mir beigesellt hast“). Adam gesteht seine eigene Schuld nicht ein, die er ja hat. Schließlich hatte Gott beide Menschen mit einem freien Willen ausgestattet und beide hätten ablehnen können von ihrer Disposition her. Auch die Frau erhält eine Frage von Gott, auf die er ja bereits die Antwort kennt „was hast du getan“. Dies hat Jesus auch sehr oft getan: Er fragte die Menschen, obwohl er deren Antwort bereits kannte. Z.B. fragte er den Blinden „was willst du, dass ich dir tue?“ Er tat es um des Befragten willen. Der Blinde sollte von sich aus, also freiwillig und mit eigenen Worten aussprechen, was er sich wünschte. Die Kirche fragt „was hast du getan?“ in Christi Vollmacht, die er den Aposteln übertragen hat („Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ etc.). Dies geschieht im Sakrament der Beichte. Der Priester fragt vielleicht nicht so direkt, aber erwartet die Antwort durch den Beichtenden in dessen Bekenntnis. Denn eigentlich fragt der Priester stellvertretend für die ganze Kirche, mit der sich dann der Beichtende am Ende versöhnt (also nicht nur mit Gott!). Der Herr gibt uns auf diese Weise die Chance, umzukehren. Gott fragt uns „was hast du getan?“ auch durch unser Gewissen. Stellen wir uns nicht manchmal selbst die Frage „was habe ich nur getan?“. Eigentlich ist es Gott in uns, der das zur Sprache bringt, damit wir uns selbst anklagen und bereuen mit der Absicht, es nicht wieder zu tun. Bei uns Menschen bleibt der Gewissensruf oft unerhört oder wird dadurch erstickt, dass wir uns die Schuld nicht eingestehen, sie anderen in die Schuhe schieben und ganz besonders auch dadurch, dass wir es Gott in die Schuhe schieben. Wie schnell machen wir ihn dafür verantwortlich, wenn in unserem Leben etwas nicht gut läuft. Wir hadern ganz schnell mit dem, der die Quelle unseres Lebens ist. Schließlich wird uns Gott am Ende fragen „was hast du getan“, wenn wir nach unserem Tod vor ihm stehen. Dann werden wir im Feuer seiner Liebe unser eigenes Verschulden sehen und es wird uns so sehr schmerzen, wie nichts anderes. Dann werden wir uns eben nicht mehr herausreden können, weil wir uns nicht mehr verstecken können.
Das Motiv des Essens vom Baum ist heilsgeschichtlich gesehen unendlich wichtig und wir müssen es unbedingt im Hinterkopf behalten. Denn der Baum wird antitypisch erfüllt, ebenso wie Adam und Eva. Die Kirchenväter werden eine typologische Brücke zum Holz des Kreuzes ziehen, an dem Jesus, der neue Adam gestorben ist. Sie erkennen im Baum des Kreuzes den Baum des ewigen Lebens.
Es ist bemerkenswert, wie die Schlange bestraft wird. Den Worten Gottes nach müssen wir davon ausgehen, dass sie ursprünglich Gliedmaßen besaß und kein Kriechtier war. Die selige Anna Katharina Emmerick hat in ihren Visionen die Schlange als intelligentes Tier auf zwei Beinen gesehen, das Eva überall hin begleitet hat.
Mit dem Sündenfall tritt zwischen der Frau und der Schlange eine Feindschaft in Kraft, die Gott hier nun verkündet. Diese wird sich fortsetzen mit dem Nachkommen der Frau. Was Gott hier verkündet, ist der ewige Kampf, in dem sich die gesamte Menschheit, ja die gesamte Schöpfung befindet, bis der neue Himmel und die neue Erde ins Dasein gerufen werden. Diese Feindschaft wird sich aber auch zunächst historisch zeigen, in dem das auserwählte Volk ständig im Kampf gegen andere Völker sein wird. Das heißt natürlich nicht, dass die anderen Völker vom Teufel sind, aber dass dieser im Hintergrund seine Fäden zieht und der Kern aller Kämpfe der Welt ein geistiger ist. So hetzt er Menschen gegeneinander auf, Familienmitglieder gegeneinander auf (so wird auch Jesus später verkünden) und so hetzt er auch Menschen im neuen Bund gegeneinander auf. Jesu gesamte Verkündigung und seine messianische Identität betonen diese geistige Realität. Die Menschen haben das mehrheitlich nicht verstanden und einen Messias als politischen Freiheitskämpfer erwartet. Auch heute schimpfen wir und klagen wir über die Nöte unserer Welt und vergessen dabei manchmal, dass das eigentliche Problem ein geistiges ist. Hier in Gen 3 ist trotz dieser weiterreichenden Dimensionen ganz spezifisch die Feindschaft der Frau und der Schlange sowie ihres Nachkommens mit der Schlange die Rede. Das ist kein Zufall. Von Anfang an hat die Kirche damit eine typologische Brücke zu Jesus und Maria geschlagen, die zu Erzfeinden des Teufels werden. Dann ist Maria der Antitypos der Frau, die hier zum Feind der Schlange wird – dem Teufel. Und Jesus wird antitypisch als der Nachkomme der Frau aus Gen 3 verstanden. Er macht dem Teufel einen Strich durch die Rechnung. Beide – Frau und Kind – werden zum neuen Menschenpaar, nämlich der neuen Schöpfung, die zuvor die alte mit Gott versöhnt. Im Anschluss an Gottes Worte wird erzählt, dass die Frau den Namen Eva erhält – Mutter aller Lebenden. Auch dies wird antitypisch mit Maria erfüllt, die zur Mutter aller Lebenden wird im Sinne des ewigen Lebens!
Ps 98
1 Ein Psalm. Singt dem HERRN ein neues Lied, denn er hat wunderbare Taten vollbracht! Geholfen hat ihm seine Rechte und sein heiliger Arm.
2 Der HERR hat sein Heil bekannt gemacht und sein gerechtes Wirken enthüllt vor den Augen der Völker.
3 Er gedachte seiner Huld und seiner Treue zum Haus Israel. Alle Enden der Erde sahen das Heil unsres Gottes.
4 Jauchzet dem HERRN, alle Lande, freut euch, jubelt und singt!
Es ist typische Psalmensprache und ein üblicher Beginn von Psalmen, zum Lobpreis aufzufordern (entweder andere oder sich selbst, die eigene Seele). Wenn in der Bibel ein neues Lied angestimmt wird, ist das immer ein messianisches Signal. Für die Juden war es zunächst ein Signal, dass die messianische Endzeit besungen wird, die konkret die Befreiung des Volkes aus der Fremdherrschaft bedeutet. Wenn in dieser Leserichtung es dann heißt „vor den Augen der Völker“, dann meint es, dass die anderen Völker den guten Ausgang für das Volk Israel sehen. So war es damals mit dem Auszug aus Ägypten. Die anderen Völker erkannten dadurch den Gott Israels an. Allegorisch gelesen bedeutet es, dass sich nicht nur Juden, sondern auch Heiden zu Christus bekennen werden. Wir denken unwillkürlich an den Hauptmann, der das Kreuzesopfer Christi bezeugt hat und daraufhin sagte: „Wahrlich, dieser war Gottes Sohn.“ Wir denken auch an die vielen Heidenchristen, die durch die Heidenmission des Paulus hinzugekommen sind. Auch jetzt ist die Kirche das sichtbare Zeichen, der Leib Christi vor den Augen der Völker. Im Namen Jesu geschehen so viele Zeichen und Wunder, dass immer mehr Menschen Christen werden. Jede Bekehrung eines Sünders ist ein Wunder. Wenn Menschen nach vierzig Jahren wieder beichten und ihr Leben ändern, dann ist das ein Wunder. Und wenn Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird, dann wird dies ein Wunder sein. Am heutigen Tag ist das Wunder, das wir bestaunen, der Anfang dieses neuen Himmels und dieser neuen Erde – Maria wird im paradiesischen, vorsündlichen Zustand im Leib ihrer Mutter empfangen. Und im kommenden Evangelium werden wir ein weiteres Wunder erfahren – Jesus wird gezeugt ohne menschlichen Vater, sondern durch den Hl. Geist, und das Ganze in einer Jungfrau. Das „Heil unseres Gottes“, im Hebräischen steht יְשׁוּעַ֥ת jeschuat, was dieselbe Wurzel hat wie der Name Jesu und beim Hören des Textes umso mehr! Das Heil, die Rettung wird sichtbar sein! Die Juden haben dieses Heil als politisches, zumindest irdisches Heil verstanden, deshalb würde es sichtbar sein. Wir Christen erkennen darin die Sichtbarkeit Gottes, der in Jesus Christus Mensch geworden ist. Und sichtbar wird das Heil auch in unserem Leben, wenn Gott eingreift. Dann wird in ein chaotisches, leidvolles und krankes Leben Ordnung, Heilung und Trost hineinkommen. Es wird für alle Umstehenden auffällig sein. Und am Ende der Zeiten wird der Schleier des Jenseits ganz weggenommen, sodass wir Gott sehen werden, wie er ist! Denken wir an das kommende Weihnachtsfest und an die Magoi aus dem Osten, wird die Rettung, die jeschuah auch sichtbar, nämlich als kleines Kind in einem Stall – mit dem Namen Jesus! Sie sind exemplarisch für die Nationen zu betrachten.
Eph 1
3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.
4 Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Grundlegung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor ihm.
5 Er hat uns aus Liebe im Voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen nach seinem gnädigen Willen,
6 zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn.
11 In ihm sind wir auch als Erben vorherbestimmt nach dem Plan dessen, der alles so bewirkt, wie er es in seinem Willen beschließt;
12 wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon früher in Christus gehofft haben.
Was wir durch die alttestamentlichen Lesungen bedacht haben, wurde auch in der neutestamentlichen Briefliteratur reflektiert. Paulus sagt heute ganz deutlich, dass der Heilsplan Gottes von Ewigkeit her feststand. Ganz konkret hat er uns zur Sohnschaft berufen (das betrifft natürlich auch die Töchter). Durch diese Aussagen wird uns klar: Dass Jesus die ganze Menschheit erlösen würde, stand schon von Anfang an fest.
Gott hat uns mit der Fülle seiner Gnade beschenkt, ganz besonders wird dieses Potenzial heute in Maria deutlich. An ihr sehen wir, wie der Mensch gedacht war, bevor er in Sünde fiel. Das werden wir an dem Gruß des Engels gleich lesen. Wir haben alle diese Fülle der Gnade bekommen, auch wenn durch die Folgen der Erbsünde das Potenzial nicht voll ausgeschöpft werden kann. Es liegt also an uns, nicht an Gott. Diese Gnadenfülle erhielten wir, um die Berufung Realität werden zu lassen – mit Gott in Gemeinschaft zu leben. Dies bezieht sich auf den Himmel am Ende unseres Lebens und am Ende der Zeiten, wenn wir dies anagogisch lesen. Dies wird aber auch jetzt schon Realität, auch wenn wir diese Gemeinschaft nicht durch unsere Natur erlangen können, sondern durch die Gnade der Erlösung. Wir leben in seiner Gemeinschaft, wenn wir im Stand der Gnade sind, also nicht in Todsünde leben, sondern nach Gottes Geboten. Die Gemeinschaft mit Gott wird ganz besonders intensiv in den Sakramenten der Kirche, in denen vor allem in der Eucharistie Jesus in unserer Mitte wohnt. Er kommt sogar in unser Herz, wenn wir ihn in der Kommunion empfangen. Die Gaben des Geistes erhalten wir durch die Sakramente der Taufe und Firmung in vollem Maße und damit beginnt auch unser Weg der Heiligkeit.
Die Sohnschaft, zu der wir berufen sind, ist dieser Weg der Heiligkeit und bezieht sich auf das neue ewige Leben, zu dem wir in der Taufe wiedergeboren worden sind. Damit werden wir als Söhne und Töchter Gottes und Erben des Himmelreiches hineingeboren.
„Zum Lob der Herrlichkeit bestimmt“ deutet an, was unsere Tätigkeit im Himmel sein wird – der ewige Lobpreis in Gottes Gegenwart.
Lk 1
26 Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret
27 zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.
28 Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.
29 Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.
30 Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.
31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben.
32 Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.
33 Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.
34 Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?
35 Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.
36 Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat.
37 Denn für Gott ist nichts unmöglich.
38 Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.
Nun kommen wir zum Höhepunkt des Tages, den die bisherigen Texte vorbereitet haben: Der Engel des Herrn kommt zu einer Jungfrau nach Nazaret. Für den schriftkundigen Hörer erklingt schon mit dem ersten Satz ein Signal: In den messianischen Verheißungen des Buches Jesaja hören wir von einem nezer, einer Wurzel, die nun im Namen des Ortes Nazaret wieder auftaucht. Eine Jungfrau – das ist bis heute ein heißes Eisen und doch müssen und dürfen wir dieses Wort wörtlich nehmen. Das griechische Wort παρθένος, ist mit „Jungfrau“, also auch dem biologischen Zustand der Unberührtheit, zu übersetzen. Es ist schon in der Verheißung aus Jesaja zu lesen („die Jungfrau wird ein Kind empfangen“). Das griechische AT, die Septuaginta verwendet an dieser Stelle bei Jesaja dasselbe Wort παρθένος. Im Hebräischen steht הָעַלְמָ֗ה ha-almah „die Jungfrau“. Interessant auch, dass eine bestimmte Jungfrau gemeint ist. Das zeigt der bestimmte Artikel. Das Wort wird von heutigen Exegeten gerne bagatellisiert und in der Einheitsübersetzung steht bei Jes 7 deshalb auch eine Fußnote, in der behauptet wird, man müsse das hebräische Wort mit „junge Frau“ übersetzen. Ich kritisiere die Fußnote, weil sie irreführend ist. Sie wird nämlich gerne zum Anlass genommen, die biologische Jungfräulichkeit abzulehnen. Eine junges Mädchen im heiratsfähigen Alter (was mit almah gemeint ist), schließt den jungfräulichen Zustand selbstverständlich ein. Alles Andere wäre für die damalige Zeit undenkbar.
Dass Maria verlobt ist, wird nicht gesagt, um ihren Zustand der Jungfräulichkeit zu erklären, sondern die Wunderhaftigkeit der Empfängnis. Vom Protevangelium des Jakobus wissen wir, dass die Eltern Mariens ihr Kind dem Tempel geweiht haben und Maria lebenslang Jungfrau bleiben sollte. Die Ehe mit Josef sollte ebenfalls eine jungfräuliche Ehe werden. Deshalb war ihre Schwangerschaft so drastisch für die Gesellschaft, nicht in erster Linie, dass es ein uneheliches Kind war (das auch). Es ging darum, dass sie überhaupt ein Kind erwartete.
Es ist auch kein Füllsatz, wenn es heißt „der Name der Jungfrau war Maria“. Zwar ist die Herleitung des Namens nicht ganz eindeutig, aber zwei Möglichkeiten sind „die Wohlgenährte“ und „die Geliebte“. Gerade die erste Übersetzungsmöglichkeit stellt einen Bezug zur Mutter der Lebenden her, wie Eva, die erste Frau bezeichnet worden ist. Damit wird schon durch den Namen Mariens ein typologischer Bezug hergestellt.
Der Engel spricht Maria an mit den Worten χαῖρε, κεχαριτωμένη chaire, kecharitomene „freue dich, du Begnadete/die, der Gnade erwiesen worden ist“. Auch Christen haben die Begrüßung χαῖρε von Anfang an verwendet, so auch Paulus in den Briefanfängen. Die Bezeichnung κεχαριτωμένη ist, was uns theoretisch allen geschenkt ist, die volle Ausstattung mit der Gnade Gottes, also die Berufung jedes Getauften, von der wir im Epheserbrief gelesen haben. Dass der Engel sie jetzt so anspricht (das ist neu), macht für uns deutlich, dass sie nicht nur theoretisch, sondern im vollen, gleichsam paradiesischen Sinne, Begnadete ist. Die Kirche liest diese Anrede als Hinweis auf ihre Bewahrung vor der Erbsünde. Dass es sich um eine unübliche Aussage handelt, sehen wir an Marias Reaktion – sie erschrickt nicht vor dem Engel selbst, sondern vor der Anrede. Man kennt es von anderen Engelserscheinungen, dass die jeweiligen Personen auf ihr Gesicht fallen und eine heftige Reaktion zeigen. Maria dagegen fällt nicht auf ihr Gesicht, sondern fragt sich, was die Anrede zu bedeuten habe. Und dass sie keine Angst vor dem Engel hat, der ja voll der Herrlichkeit Gottes leuchtet, zeigt einen weiteren Hinweis auf ihre paradiesische, sündlose Natur. Wir hatten von Gen 3 kennengelernt, dass Angst ein nachsündlicher Zustand ist, der mit dem Sündenfall in den Menschen gekommen ist. In diesem Kontext ist die Aussage „fürchte dich nicht, Maria“ auf die Anrede zu beziehen. Das ist ja eine Aufforderung, die Engel den Menschen für gewöhnlich machen. Hier erhält sie eine neue Dimension.
Der Engel sagt ihr dann: „Der Herr (ist) mit dir.“ Im Griechischen handelt es sich um einen Nominalsatz, bei dem das Verb fehlt und deshalb steht das „ist“ in Klammern. Es ist sinngemäß hinzuzufügen und lässt eine Überzeitlichkeit zu: Es könnte sowohl eine Vergangenheitsform sowie eine Präsens- oder Zukunftsform eingesetzt werden. Gott war schon mit ihr, da er seinen Heilsplan für sie schon von Anbeginn der Zeit bereitet hat (siehe Epheser) und ist jetzt mit ihr – auf so eine intensive Weise, dass er in ihr Fleisch annimmt. Er wird auch mit ihr sein, wenn Jesus dann von ihr geht und vorausgeht zum himmlischen Vater und Gott wird auch mit ihr sein am Ende der Zeiten, wenn sie mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wird. Auch mit uns ist der Herr, in unserem Herzen, in der Eucharistie, sogar physisch beim Kommunionempfang! Und auch wir werden am Ende der Zeiten ganz bei Gott sein. Wir glauben an eine leibliche Auferstehung, die der neuen Schöpfung verheißen wird und deren erste Exemplare Jesus und Maria sind.
Der Engel erklärt ihr, welchen Plan Gott mit ihr hat. Bemerkenswert ist wiederum ihre Reaktion. Sie stellt diese wunderbare Verheißung nicht infrage und zweifelt nicht daran. Im Gegenteil, sie versucht, es zu verstehen (Anselm von Canterbury hätte sich gefreut!) und fragt nach dem Wie. Bei ihrer Nachfrage wird das deutlich, was ich vorhin angeschnitten habe: Maria ist eine geweihte Jungfrau. Deshalb heißt es auch: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann ERKENNE“. Es steht eindeutig ein dauerhaftes Verb in der Gegenwart (οὐ γινώσκω u ginosko „nicht erkenne“). Da steht nicht „noch nicht“. Es bestätigt, was das zuvor erwähnte Protevangelium sagt. Die außerbiblischen Schriften bezeugen, dass Marias Familie den Essenern nahestand, die den Messias am stärksten erwartet haben und bei denen die Enthaltsamkeit einen hohen Stellenwert hatte. Die Essener lebten eine mönchische Askese und standen der hasmonäischen Tempellobby kritisch gegenüber. Sie hielten an dem mosaisch eingesetzten Priestertum fest. Auch Johannes der Täufer sowie seine Familie, die ja mit Maria verwandt war, stand den Essenern nahe. Maria ist als Tempeljungfrau geweiht worden als Dank dafür, dass ihre Eltern zuerst kein Kind bekommen konnten. Gemäß Numeri 30 war der Plan, ihr Gelübde in die Ehe hineinzutragen. Davon kommt auch bis heute der Begriff der „Josefsehe“, also eine Ehe, die aus religiösen Gründen nicht vollzogen wird. Selbst wenn wir diese außerbiblischen Quellen nicht berücksichtigen, wird es uns über den Bibeltext verständlich: Warum sollte Maria nach dem Wie fragen, wenn sie in absehbarer Zeit heiraten würde und eine baldige Schwangerschaft erwarten konnte? Das würde ja nichts Wundersames bedeuten, sondern den natürlichen Lauf der Dinge.
Die Erklärung des Engels ist voll von alttestamentlichen Anspielungen. Maria hat als fromme und schriftkundige Jüdin (das sehen wir am besten am Magnificat, das eine geniale Kompilation verschiedenster Schriftzitate ist) diese erkannt und verstanden, dass es um den Messias geht.
Dadurch dass der Engel auf Elisabet verweist, wird Maria die übernatürliche Weise des Handelns Gottes verdeutlicht. Dieser kann über die von ihm selbst geschaffenen Naturgesetze hinweggehen und Wunder vollbringen. Für ihn ist alles möglich. Als wiederum fromme Jüdin kennt sie diese Art von Wunder bei heilsgeschichtlich bedeutenden Personen (so wie bei Isaak, Simson oder Samuel). Deshalb gibt sie voller Glauben ihr Ja. Und mit dieser schlichten Zusage „mir geschehe, wie du es gesagt hast“ wird der Vernichtungsplan des Teufels zunichte gemacht. Was der Böse mit dem ersten Menschenpaar erreicht hatte, ist mit einem einzigen Satz zerfallen. Der Ungehorsam und das Nein der ersten Frau, die auf die Schlange gehört hat, ist mit dem Ja dieser neuen Eva wieder gutgemacht worden. Während die erste Frau von der verbotenen Frucht aß und dadurch das ewige Leben verloren hat, empfing die zweite Frau die ewige Frucht, Jesus, der das ewige Leben wiederherstellen sollte.
Das heutige Fest ist so unendlich wichtig für uns und zugleich so provokativ, dass wir uns umso intensiver damit befassen mussten. In neun Monaten werden wir die Geburt Mariens feiern (am 8. September). Diese paradiesische Frau, an der wir sehen können, wie wir einmal sein werden, ist so ein Hoffnungsträger, dass wir auch mit Blick auf Weihnachten eine größere Freude auf das Kommen des Messias erhalten. Ohne sie könnten wir uns gar nicht darauf freuen. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Hochfest und lade Sie heute besonders dazu ein, den Engel des Herrn ganz aufmerksam zu beten.
Ihre Magstrauss
Ein Kommentar zu „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“