Dienstag der zweiten Adventswoche

Jes 40,1-11; Ps 96,1-3.10-13; Mt 18,12-14

Jes 40
1 Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. 

2 Redet Jerusalem zu Herzen und ruft ihr zu, dass sie vollendet hat ihren Frondienst, dass gesühnt ist ihre Schuld, dass sie empfangen hat aus der Hand des HERRN Doppeltes für all ihre Sünden! 
3 Eine Stimme ruft: In der Wüste bahnt den Weg des HERRN, ebnet in der Steppe eine Straße für unseren Gott! 
4 Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben. 
5 Dann offenbart sich die Herrlichkeit des HERRN, alles Fleisch wird sie sehen. Ja, der Mund des HERRN hat gesprochen. 
6 Eine Stimme sagt: Rufe! Und jemand sagt: Was soll ich rufen? Alles Fleisch ist wie das Gras und all seine Treue ist wie die Blume auf dem Feld. 
7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, wenn der Atem des HERRN darüber weht. Wahrhaftig, Gras ist das Volk. 
8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, doch das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit. 
9 Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Siehe, da ist euer Gott. 
10 Siehe, GOTT, der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm. Siehe, sein Lohn ist mit ihm und sein Ertrag geht vor ihm her. 
11 Wie ein Hirt weidet er seine Herde, auf seinem Arm sammelt er die Lämmer, an seiner Brust trägt er sie, die Mutterschafe führt er behutsam.

Der heutige Jesajatext kündigt die babylonische Gefangenschaft an, mit der eine große Bedrängnis für die Juden kommen wird. Ihr Tempel wird ihnen weggenommen werden und sie werden Gott nicht mehr opfern können. Wenn es heißt: „Redet zum Herzen Jerusalems“, dann meint es wohl zu den Herzen der Menschen, ihnen ins Gewissen zu reden. Denn das, was genannt wird, betrifft ihr Verhalten: Jesajas Worte deuten Jerusalems Zustand als Folge ihrer Sünde. Die Sühne ist mit dem Abschluss des Exils jedoch abgeschlossen, sodass sie dafür doppelt so viel erhalten. Ihr Frondient ist zuende. Diese Übersetzung ist nicht die Primäre, aber passt sehr gut für den Literalsinn in diesem Kontext: Die Juden sind von den Babyloniern gefangen genommen worden und mussten ihnen gewiss dienen. Jesaja kündigt in dem Kapitel zuvor König Hiskija an, dessen Söhne als Eunuchen im babylonischen Palast dienen würden. Das hebräische Wort צְבָאָ֔הּ  zwa’ah bedeutet primär „Drangsal, Not“. Es umschreibt eine Bedrängnis, die mit dem leidvollen Dasein dieser Welt zu tun hat. Es ist ein eschatologischer Begriff und deshalb eschatologisch auszulegen. Die Zeit der Bedrängnis ist auch allegorisch gelesen vorbei, denn bald kommt der Messias. Das perspektivlose Volk hat wieder Grund zur Hoffnung. Heilsgeschichtlich gesehen kommt mit dem Messias die Wende. Vom Sündenfall bis zu Gottes Menschwerdung war der Himmel verschlossen. Kein Mensch hatte Zugang. Dies ändert sich mit der messianischen Heilszeit. Jesus ist gekommen und hat uns erlöst. Durch die Kirche bringt er auch heute noch Hoffnung in eine Zeit der Perspektivlosigkeit und Verzweiflung. Der Frondienst der Sünde hat ein Ende, wo die Menschen Jesus als Herrn und Erlöser akzeptieren und umkehren. Dies zeigen sie durch die Sakramente, in denen sie sich taufen lassen und ein christliches Leben mit regelmäßiger Beichte und Eucharistie führen. So werden sie immer wieder von der Bedrängnis befreit. Das Wort zwa’ah kann auch mit Kampf, Heer, Kriegsdienst übersetzt werden. Die Menschen stehen untereinander und in sich selbst im Zwiespalt. Von diesem werden sie durch Christus befreit. Wir bekommen inneren Frieden und können von dort aus auch mit anderen Menschen in Frieden leben. Wir kämpfen auch nicht mehr gegen Gott durch die Sünde, sondern versöhnen uns mit ihm in der Beichte. Schließlich ist die Zeit des Kampfes am Ende der Zeiten ganz vorbei, wenn Jesus wiederkommt. Dann werden wir nicht mehr die streitende Kirche, sondern die triumphierende oder leidende Kirche sein (mit Aussicht auf die triumphierende Kirche). Diese endgültige Befreiung der gesamten Weltgeschichte vom Bösen am Ende der Zeiten sowie das Kommen des Messias als Mensch werden durch eine Stimme angekündigt, die in der Wüste ruft. Dieser ist ein Ruf zur Umkehr und Vorbereitung auf den Messias. Nach dem Literalsinn könnte man meinen, dass es sich auf Jesaja und die Propheten nach ihm bezieht. Das Rufen in der Wüste bezieht sich dann auf die judäische Wüste, die später dann auch zum Schauplatz des Täufers wird. Dieser ist dann typologisch auf Jesaja zu beziehen. Er ruft nämlich gerade zu Umkehr und Vorbereitung auf den Messias auf. Ekklesiologisch weitergedacht wird die Kirche immer wieder zur Stimme, die in der Wüste die Menschen ruft, damit sie an die Quelle lebendigen Wassers kommen, die eine Oase mitten in der Dürre der Wüste sind. Hier handelt es sich um geistige Dimensionen. Schauen wir auf unsere Welt, die seelisch vertrocknet. Die Kirche ruft die Menschen konkret zu den Sakramenten, insbesondere der Beichte als Umkehr und der Eucharistie als Begegnung mit dem fleischgewordenen Wort Gottes. Gott ruft jeden Menschen durch die eigene innere Stimme des Gewissens zu sich, sodass er umkehrt und wieder in den Stand der Gnade kommt.
Wenn es dann heißt „die Welt wird ihn sehen“, meint es zunächst den Messias, der Mensch geworden ist und unter den Menschen gelebt hat. Es mein aber auch sakramental das Sehen in der Eucharistie. Die Welt sieht ihn auch im liebenden Mitmenschen, im Nächsten. Diese moralische Perspektive hat er ihnen selbst durch seine Rede eröffnet, die er mit den Worten beschließt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25).“ Schließlich meint es am Ende der Zeiten das Kommen des verherrlichten Menschensohns. Es heißt bei der Ankündigung, dass jedes Auge ihn sehen werde (Offb 1). Interessant ist der Nachsatz: Denn der Mund des Herrn hat geredet. Das Wort, das Gott spricht, ist ja der Sohn, der Mensch geworden ist. Das bezieht sich wiederum auf Christus. Durch die Vergleiche mit der vergehenden Schöpfung wird dieses Wort Gottes als ewig gekennzeichnet, wodurch Jesu Existenz als ewig mitgesagt wird. Jesus selbst sagt an einer Stelle dann: „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen (Mt 24).“
Weiter heißt es, dass der Messias mit Kraft kommt und sein Arm seine Herrschaft ausübt. Das ist nicht nur wörtlich zu verstehen im Sinne einer politischen Befreiungsaktion. Sonst könnte man auch an Kyros denken, der das Volk ja kurzzeitig befreit und den Bau eines neuen Tempels ermöglicht. Es muss sich um eine umfassende Befreiung handeln und bezieht sich deshalb auf einen Messias mit übermenschlicher, eschatologischer Macht. Er wird nicht innerpolitisch (im Sinne von „innerhalb der Welt“) herrschen. Er wird auch nicht mit Gewalt herrschen, wie wir es von weltlichen Regenten gewohnt sind, sondern mit einer Liebeskraft, die in der Ohnmacht und Schwachheit zutage tritt. Dass wir solch einen Messias erwarten und eben nicht so einen Kyros, zeigt sich an der Aussage, dass er wie ein Hirte sein und weiden wird. Dies wird sich mit Jesus erfüllen, der selbst sagen wird: „Ich bin der gute Hirte (Joh 10).“ In seiner Nachfolge wird er Petrus dazu aufrufen, wie ein Hirte zu sein: „Weide meine Lämmer (Joh 21).“

Ps 96
1 Singt dem HERRN ein neues Lied, singt dem HERRN, alle Lande, 

2 singt dem HERRN, preist seinen Namen! Verkündet sein Heil von Tag zu Tag!
3 Erzählt bei den Nationen von seiner Herrlichkeit, bei allen Völkern von seinen Wundern! 10 Verkündet bei den Nationen: Der HERR ist König! Fest ist der Erdkreis gegründet, er wird nicht wanken. Er richtet die Völker so, wie es recht ist. 
11 Der Himmel freue sich, die Erde frohlocke, es brause das Meer und seine Fülle. 
12 Es jauchze die Flur und was auf ihr wächst. Jubeln sollen alle Bäume des Waldes 
13 vor dem HERRN, denn er kommt, denn er kommt, um die Erde zu richten. Er richtet den Erdkreis in Gerechtigkeit und die Völker nach seiner Treue.

Auch der heutige Psalm beginnt mit den signalhaften Worten „neues Lied“. Dadurch wissen wir, dass es messianische Aussagen geben wird: „Verkündet sein Heil“ wird dann für uns Christen auffällig christologisch, weil in den Worten „sein Heil“ hier wieder der Name Jesus enthalten ist. Während hier wörtlich das Heil Gottes als messianische Verheißung verkündet werden soll, sind wir Christen dadurch aufgerufen, Jesus Christus zu verkünden, der das Heil ist (Nomen est omen). Das ist einer der drei Hauptvollzüge der Kirche – die Verkündigung (martyria). Jeder einzelne Christ bezeugt dieses Heil durch sein Handeln. Wo wir einander lieben und die Gebote Gottes halten, kommt das Heil in die Welt, das Reich Gottes wird dann schon jetzt spürbar. Am Ende der Zeiten werden wir das Heil verkünden – aber als ewigen Lobpreis in Gottes Gegenwart, mit allen Engeln und Heiligen.
Der Psalm verrät auch mehr darüber, das in Jesaja noch zwischen den Zeilen steht: Gott ist der König, der Herrscher. Die messianische Erwartung geht über eine menschliche Figur hinaus. Ganz in typischem Psalmenstil ruft der Psalmist die ganze Schöpfung dazu auf, den Herrn zu lobpreisen, denn der Messias kommt, der universales Heil bringt.
Was auffällig ist und auch in der Offb so formuliert wird: Gott wird nicht sein, sondern er kommt. Gleich zweimal wird dies hier ausgesagt. Gott ist schon unterwegs zu uns, statt in unbestimmter Zukunft erwartet zu werden. Das ist der Kern adventlicher Erwartung, sowohl auf Weihnachten hin als auch auf das Ende der Zeiten hin. Schließlich befinden wir uns momentan in einem doppelten Advent – dem des Kirchenjahres und dem zweiten Advent bis zur Wiederkunft Christi. Wir leben auch in adventlicher Erwartung auf die Eucharistie. Jesus Kommt sakramental immer wieder zu uns und wir leben in eucharistischer Mentalität. Gott kommt auch immer wieder in unser alltägliches Leben. Wir müssen nur genau hinschauen. Wie viele Wunder geschehen von Tag zu Tag, an denen man Gottes Eingreifen erkennen kann. Wir empfangen den Herrn in der Kommunion und wenn wir es zulassen, dann bleibt er bei uns. Er bestimmt unser Leben und stärkt uns in den täglichen Kämpfen.
Im Psalm fällt auch auf, dass das Gericht Gottes sehr positiv gesehen wird. Gottes Gerichtshandeln ist absolut gerecht und dadurch eine Erlösung von der Ungerechtigkeit, unter der das Volk Israel leidet. Auch wir haben nichts zu befürchten, wenn wir uns aufrichtig um unsere Beziehung zu Gott bemühen. Konkret zeigt sich dies durch unsere Früchte – aus Liebe seine Gebote zu halten und die Heilsmittel dafür in Anspruch zu nehmen.

Mt 18
12 Was meint ihr? Wenn jemand hundert Schafe hat und eines von ihnen sich verirrt, lässt er dann nicht die neunundneunzig auf den Bergen zurück, geht hin und sucht das verirrte? 
13 Und wenn er es findet – Amen, ich sage euch: Er freut sich über dieses eine mehr als über die neunundneunzig, die sich nicht verirrt haben. 
14 So will auch euer himmlischer Vater nicht, dass einer von diesen Kleinen verloren geht.

Das heutige Evangelium ist kurz, aber sehr inhaltsreich. Es handelt sich um das Gleichnis vom verlorenen Schaf. Jesus greift damit eine Metapher auf, die wir bereits bei Jesaja gelesen haben. Gottes Liebe brennt für jeden einzelnen und ist so groß, dass er ein einziges verlorenes Schaf so lange sucht, bis er es findet. Es handelt sich um ein Gleichnis und solche hinken immer etwas. Gott ist ja allmächtig im Gegensatz zu einem menschlichen Hirten. Er kann auch hinter jedem verlorenen Schaf herlaufen, ohne neunundneunzig Schafe zurückzulassen. Das ist dem Bild geschuldet. Das Entscheidende, das Jesus sagen will, ist: Gott liebt jeden einzelnen Menschen so sehr, als wäre er der einzige auf der ganzen Welt! Gott unternimmt alles, einfach alles, um die Liebe dieses Schafes zu gewinnen. Er wird so weit gehen, am Kreuz zu sterben, damit dieses Schaf nicht verloren geht. Und seien wir ehrlich. Wir sind nie nur eines der neunundneunzig Schafe. Weil wir Sünder sind, werden wir immer wieder zum verlorenen Schaf. Jesus erfüllt mit dieser ganzen Rede vom Hirten und der Schafe das Schriftwort aus Jesaja und die Leute werden es erkannt haben. Im Gegensatz zu den meisten Menschen heutzutage kannten sie ihre Hl. Schrift durch und durch. Jesus hat in seine Nachfolge Hirten berufen, die mit derselben Weise Menschen für Gott gewinnen sollen. Wie oben erwähnt hat er Petrus explizit zum Weiden berufen (Joh 21). Die Kirche sucht nach jedem verlorenen Schaf und bietet ihm die Versöhnung an in der Beichte, in den Sakramenten, durch ihre Pastoral. Auch jeden einzelnen Menschen ruft Gott zu sich zurück durch das Gewissen. Er geht jedem Menschen in seinem Leben nach und ruft ihn unermüdlich bis zur letzten Sekunde seines Lebens. Er versucht alles, damit der Mensch sich selbst noch im Augenblick seines Todes bekehrt. Am Ende der Zeiten wird Gott die versprengten Schafe zum himmlischen Jerusalem sammeln wie ein eschatologischer Hirte. Dann wird die Herde versammelt sein und das ewige Heil schauen. Und dann wird ewige Freude über jeden Bekehrten herrschen.

Ihre Magstrauss

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