Johannes, Apostel und Evangelist (Fest)

1 Joh 1,1-4; Ps 97,1-2.5-6.11-12; Joh 20,2-8

1 Joh 1
1 Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben vom Wort des Lebens – 
2 das Leben ist erschienen und wir haben gesehen und bezeugen und verkünden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns erschienen ist – , 
3 was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt. Wir aber haben Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus. 
4 Dies schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen ist.

„Was von Anfang an war“ verweist auf den Johannes-Prolog, dieser hymnenartigen Einleitung des Johannesevangeliums, die wir am ersten Weihnachtstag gehört haben. Dieser Relativsatz umschreibt Jesus, das Wort, das am Anfang war.
Dieses Wort, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat, konnten wir mit eigenen Sinnen erfassen („mit unseren Augen gesehen“, „was unsere Hände angefasst haben“). Mit eigenen Augen haben Jesu Jünger so viele Wunder gesehen, das größte war die Auferstehung. Davon werden wir nachher im Evangelium hören. Johannes selbst hat an Jesu Brust geruht. Er hat seine Körperwärme und Jesu Herzschlag gespürt. Wir denken auch an Thomas, der Jesu Auferstehung zunächst nicht glauben wollte und dann vom erschienenen Jesus dazu eingeladen wird, seine Hand in dessen Seite und auf die Male der Kreuzigung zu legen.
„Das Leben ist erschienen“. Das feiern wir zu Weihnachten. Die Zeugen seines Lebens verkünden nun „das ewige Leben“, nicht nur den irdischen Jesus, der seine Göttlichkeit nicht in Anspruch genommen hat, sondern den ganzen Jesus, der schon vor seiner Menschwerdung beim Vater war (und nun wieder ist). Johannes nennt ihn Logos. Auch dies ist ein Hinweis auf den Beginn des Johannesevangeliums.
Wenn es dann heißt „was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch“, dann ist das die Umsetzung des Missionsauftrags Jesu vor seiner Heimkehr zum Vater. Dies bestätigt sich auch durch die hier deutlich werdende Absicht: „damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt.“ Johannes so wie alle Apostel und Jünger stehen in Gemeinschaft „mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“
Warum ist die Freude eigentlich vollkommen durch das Schreiben dieses Briefes? Freude ist immer dann komplett, wenn sie geteilt werden kann. Wenn die Apostel und Jünger mit Jesu Erlösungstat so viele überwältigende Dinge erfahren haben, dann können sie es nicht einfach für sich behalten. Sie müssen ihre Begeisterung einfach teilen.

Ps 97
1 Der HERR ist König. Es juble die Erde! Freuen sollen sich die vielen Inseln.
2 Rings um ihn her sind Wolken und Dunkel, Gerechtigkeit und Recht sind die Stützen seines Thrones.
5 Berge schmelzen wie Wachs vor dem HERRN, vor dem Angesicht des HERRN der ganzen Erde. 
6 Seine Gerechtigkeit verkünden die Himmel, seine Herrlichkeit schauen alle Völker. 

11 Licht wird ausgesät für den Gerechten, Freude für die, die geraden Herzens sind. 
12 Freut euch am HERRN, ihr Gerechten, dankt seinem heiligen Namen!

Heute betet die Kirche wieder einen Lobpsalm. Gott ist König und ist als Mensch gewordener Messias zu uns gekommen. Seine Königsherrschaft, so wird Jesus als Erwachsener erklären, ist nicht von dieser Welt und doch fühlen sich mit seiner Geburt die irdischen Herrscher bedroht. Herodes lässt sogar alle erstgeborenen Söhne bis zum zweiten Lebensjahr umbringen, damit der Messias ihm den Königsthron nicht streitig macht. Wir glauben, dass Gott über allen Königen steht und der Weltenherrscher ist. Dies bejubeln wir heute als gesamte Menschheit („es juble die Erde“). Auch „die vielen Inseln“ sollen sich freuen. Weltweit soll das Lob Gottes erschallen.
Gottes Thron wird von „Gerechtigkeit und Recht“ gestützt. Das ist sehr bildhaft geschrieben und ist auf Gottes Herrschaft zu beziehen: Diese gründet auf Gerechtigkeit und Recht. Wenn Gott richtet, ist es immer gerecht und berücksichtigt jene, die auf Erden Ungerechtigkeit erfahren haben. Deshalb ist Gottes Gericht auch eine Erlösung für die Menschen. „Wolken“ sind uns als Theophaniezeichen bekannt. Immer dort, wo Gottes Herrlichkeit im AT sowie NT sich auf etwas hinabsenkt, kommt eine Wolke oder Wolkensäule. Manchmal wird es als Rauch beschrieben. Die Nennung von Dunkelheit ist nicht ganz wörtlich. Eigentlich heißt das hebräische Wort עֲרָפֶל arafel nicht Dunkelheit, sondern Nebel. Beides – „Wolke“ und „Nebel“ stellen Theophaniezeichen Gottes dar, also Phänomene, die seine Gegenwart anzeigen.
Gott ist so mächtig und überragend, dass selbst die mächtigsten Naturerscheinungen wie die Berge, in Gottes Angesicht dahinschmelzen wie Wachs. Das gesamtbiblische Zeugnis beschreibt Gottes Gegenwart als verzehrendes Feuer. Es ist das Feuer der Liebe.
Gottes Herrlichkeit schauen die Völker. Das hebr. הָעַמִּ֣ים ha’amim „die Völker“ wird für die Stämme Israels verwendet.
Es ist bemerkenswert, dass in diesem Psalm die Lichtmetaphorik verwendet wird. Dies ist bezeichnend für die johanneischen Texte. Für den Gerechten wird Licht ausgesät und Freude für die geraden Herzens. Das lesen wir an vielen anderen Bibelstellen. Wenn wir Gottes Gebote befolgen, johanneisch würde es heißen „in seiner Liebe bleiben“, dann haben wir Segen. Dann sind wir im Stand der Gnade und können alles erbitten – es wird uns gegeben. „Freude“ und „Licht“ sind Faktoren dieses Segens von Gott. Der Ausdruck „geraden Herzens“ drückt die Aufrichtigkeit des Handelns aus. Das Adjektiv יָשָׁר jaschar heißt nicht nur „gerade“ als Gegenteil von „schief, krumm“, sondern kann auch mit „ehrlich, aufrichtig“ übersetzt werden. Das ist sehr fortschrittlich für die Entstehungszeit der Psalmen. Es geht nicht nur um die Taten, sondern auch um die Absicht dahinter! Wir können also nicht automatisch damit rechnen, dass wir vor Gott gerecht sind, nur weil wir Gutes tun. Wir müssen es auch in der rechten Absicht tun, damit es Gott gefällt. Und die einzig richtige Absicht ist die Liebe.
Am Ende werden wir alle dazu aufgerufen, Gott zu loben. Sein heiliger Name, der auch zum Programm Jesu Christi wird, ist „ich bin“ – da für euch! Immanuel, „Gott mit uns“ und Jesus „Jahwe rettet“. Am dritten Januar werden wir den Namen Jesu besonders verehren, auf den wir getauft und durch den wir gerettet sind.

Joh 20
2 Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben. 
3 Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; 
4 sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. 
5 Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging jedoch nicht hinein. 
6 Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen 
7 und das Schweißtuch, das auf dem Haupt Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. 
8 Da ging auch der andere Jünger, der als Erster an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. 

Heute hören wir einen Ausschnitt aus dem Johannesevangelium, das sehr sehr bezeichnend für den „Lieblingsjünger“ Jesu ist.
Es ist der Ostertag. Jesus ist auferstanden und das leere Grab von den Frauen soeben entdeckt worden. Sie laufen schnell zu den Aposteln, von denen sich sofort zwei auf den Weg machen: Petrus und Johannes. Man könnte bei der Übersetzung des Verses 3 denken, dass die beiden ganz gemütlich hinausgingen und zum Grab spazierten. Das Verb ἐξῆλθεν exelthen sagt nichts über die Art der Bewegung aus, sondern betont das Verlassen des Ortes, an dem sie waren. Die beiden waren mit den anderen Aposteln in einem Raum eingeschlossen, weil sie Angst davor hatten, vom Hohen Rat gefangen genommen zu werden. Das Hinaustreten aus dem Haus hat also mehr als nur eine wörtliche Bedeutung. Im übertragenen Sinne treten sie heraus aus ihrem Schneckenhaus. Sie wagen es, ihre eigene Grenze zu überschreiten. Jesus bietet uns das Heil an, das er durch Kreuz und Auferstehung erwirkt hat. Wir müssen aber aus unserem eigenen alten Leben hinaustreten, um es anzunehmen. Dieses Heil bietet er bis heute durch die Kirche an, die die Menschen in ihrem Schoß aufnimmt und durch die Taufe zu Erben des Reiches Gottes einsetzt. Dafür müssen die Menschen aber zunächst aus ihrem alten Leben treten und ein neues Leben in Gott beginnen. Wir werden am Ende der Zeiten wie Petrus und Johannes „hinauskommen“, nämlich aus unserem irdischen Leben in Richtung ewiges Leben.
In Vers 4 merken wir spätestens, dass die beiden Apostel nicht gemütlich zum leeren Grab spazieren, sondern rennen (das Verb τρέχω trecho meint wirklich die schnelle Fortbewegung). Johannes ist jünger als Petrus, können wir annehmen. Er ist unverheiratet und hat keine Kinder im Gegensatz zu Petrus, der als Familienvater schon ein paar Jahre mehr hinter sich hat. Aus dem Grund kann man auch verstehen, dass Johannes früher am Grab ankommt. Man könnte es aber auch anders verstehen: Johannes brannte so voller Liebe, dass diese ihn so schnell zum Grab gedrängt hat. Manchmal erinnert Johannes uns an Maria Magdalena in seinem Liebeseifer Jesus gegenüber.
In diesem Eifer schaut er auch hinein und sieht die Leinenbinden dort liegen.
Dann lesen wir von einer Geste, die für uns absolut entscheidend ist. Zwar kommt Johannes früher an, wartet dann aber auf Petrus, dass dieser als erstes in das Grab steigt. Dies hat nichts damit zu tun, dass Johannes sich von dem kultisch unrein machenden Grab scheut. Die Apostel haben in der Zeit ihres Umherziehens mit Jesus viele kultisch verunreinigende Dinge getan wie das fehlende Waschen der Hände vor dem Essen oder das Heilen am Sabbat. Ausgerechnet Johannes ist zusammen mit Petrus und Jakobus auch in das Haus der verstorbenen Tochter des Synagogenvorstehers gegangen, obwohl auch dort der Tod sie kultisch unrein gemacht hat. Das ist nicht der Grund, sondern ein ganz anderer: Petrus ist der „Anführer“ der Apostel. Er ist von Jesus auf ganz besondere Weise berufen worden. Das weiß Johannes und nimmt es demütig an. Deshalb lässt er Petrus den Vortritt.
Petrus geht ohne zu zögern in das Grab hinein (es handelt sich um eine Gruft, die ziemlich dunkel gewesen sein muss). Die Sonne ging gerade auf und schien ein wenig hinein, sodass man gerade die Leinenbinden ausmachen konnte. Petrus fiel auch auf, dass das Schweißtuch, das auf Jesu Gesicht gelegen hatte (das Muschelseidentuch, das wir heutzutage in Manopello verehren und das man sonst nur bei königlichen Begräbnissen verwendet hat), zusammengebunden an einer bestimmten Stelle liegt. Das Verb ἐντυλίσσω zeigt an, dass es nicht wie die Leinenbinden durcheinander geworfen ist, wie wenn jemand den Leichnam genommen und die Binden zurückgelassen hat, sondern jemand muss es sorgsam auf eine bestimmte Art zusammengerollt oder gefaltet haben! Es liegt auch nicht am selben Ort wie die Leinenbinden, sondern an einem eigenen Ort (εἰς ἕνα τόπον eis hena topon). Diese Bemerkung ist entscheidend und führt dazu, dass der Jünger Johannes, der nach Petrus das Grab betritt „sieht und glaubt“.
Johannes war ein mystischer und kontemplativer Mensch. Das wird durch jeden Buchstaben deutlich, den er in den johanneischen Schriften schreibt und in jeder Handlung, die über ihn geschrieben steht. Von Petrus lesen wir das nicht. Er ist nicht der Anführer der Apostel geworden, weil er die meiste Erkenntnis hatte oder weil er am frömmsten oder heiligsten war. Gott hat sich absolut etwas dabei gedacht, ihm diese besondere Vollmacht zu übertragen, aber derjenige, der am schnellsten begreift und Jesu Herz wirklich am meisten verstanden hat, ist Johannes. Er sah und verstand sofort den Code des Schweißtuches: „Ich komme wieder.“ Laut jüdischer Tradition hatte der Diener dem Rabbi den Tisch zu decken nach strengen Vorgaben. Der Rabbi benutzte dabei eine Serviette zum Abwischen seines Mundes und Bartes. Wenn er mit dem Essen fertig war, warf er die Serviette einfach ungeordnet auf den Tisch als Zeichen „ich bin fertig“. So wusste der Diener, er kann abräumen. Ging der Rabbi kurz weg, um nachher weiter zu essen, faltete er die Serviette zusammen und legte sie auf den Tisch, damit der Diener wusste, dass sein Meister wiederkomme.
Johannes hat das Signal sofort wiedererkannt. Sein Rabbi, den er so innig liebte, wollte ihnen zu verstehen geben „ich komme wieder“. Johannes versteht in dem Moment wirklich, dass Jesu Worte sich nun erfüllt haben, die er ihnen mehrfach vor seinem Tod gesagt hatte: Er müsse sterben, würde aber nach drei Tagen von den Toten auferstehen. Vor allem: Jemand musste dieses Tuch so sorgsam zusammengefaltet haben. Ein Leichnam kann das nicht tun.

Beten wir heute besonders auf die Fürsprache dieses Jüngers, der Jesus so sehr liebte. Er ruhte nicht nur wortwörtlich an Jesu Brust, als sie zu Tisch lagen beim letzten Abendmahl, sondern er ruhte auch im übertragenen Sinne an dessen Herz. Er verstand Jesus auch ohne Worte. Bitten wir den Herrn auf seine Fürsprache um eben jene brennende Liebe, dass auch wir Gottes Herz verstehen, seinen Willen erkennen und ebenso sehen und glauben können! Das ist es schließlich, was auch die Hirten an der Krippe in Bethlehem erfahren durften. Auch sie sahen und glaubten, nachdem sie das Signal der „Windeln“ gesehen haben, die der Engel ihnen angekündigt hatte. Die Leinentücher in Betlehem müssen unbedingt in Analogie zu den Leinentüchern in Jerusalem verstanden werden. Es schließt sich ein Kreis. Und Petrus sowie Johannes sind ebenfalls als Hirten zu verstehen, die das Signal der Heilstaten Gottes schauen durften. Sie sehen, was in der Grotte von Betlehem begonnen hat. Nur ist es jetzt vollendet – der Heilsplan Gottes für die ganze Menschheit!

Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie sehen und glauben können. Hl. Johannes, bitte für uns!

Ihre Magstrauss

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