Freitag der 7. Woche im Jahreskreis

Jak 5,9-12; Ps 103,1-2.3-4.8-9.11-12; Mk 10,1-12

Jak 5
9 Klagt nicht übereinander, Brüder und Schwestern, damit ihr nicht gerichtet werdet! Seht, der Richter steht schon vor der Tür.
10 Brüder und Schwestern, im Leiden und in der Geduld nehmt euch die Propheten zum Vorbild, die im Namen des Herrn gesprochen haben!

11 Siehe, wir preisen selig, die geduldig alles ertragen haben. Ihr habt von der Ausdauer des Ijob gehört und das Ende gesehen, das der Herr herbeigeführt hat. Denn der Herr ist voll Erbarmen und Mitleid.
12 Vor allem aber, meine Brüder und Schwestern, schwört nicht, weder beim Himmel noch bei der Erde noch irgendeinen anderen Eid! Euer Ja soll ein Ja sein und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt.

In der heutigen Lesung aus dem Jakobusbrief geht es wieder um paränetische Aussagen, also um Ermahnungen zu einem bestimmten Verhalten. Das Thema ist dabei zuerst die Geduld, sodann das Thema Schwurverbot.
Die Angesprochenen des Jakobusbriefs sollen geduldig miteinander umgehen. Es ist, was Jesus in der Bergpredigt schon angemahnt hat: Wir sollen einander nicht verurteilen, damit wir selbst nicht verurteil werden. Alles kommt nämlich auf uns zurück und das Maß, mit dem wir messen, wird auch uns zugeteilt werden. Das Verb στενάζω stenazo meint weniger die Klage vor Gericht, also Anklage, sondern das Murren, denn es heißt wortwörtlich „tief seufzen“. Mit anderen Worten: Wir sollen uns übereinander nicht aufregen, weil das auf uns zurückfällt. Wie schnell sind wir dran, denn der Richter steht schon vor der Tür. Es ist ein Motiv für die unmittelbar bevorstehende Sache. Paulus sagt im Kolosserbrief etwas Ähnliches: Wir sollen einander ertragen und das Kreuz tragen. Wir sollen einander vergeben, wo es etwas zu vergeben gibt. So mahnt auch Jakobus dazu an, einander geduldig zu ertragen. Keiner ist ohne Makel. Die Propheten sind darin ein Vorbild, weil sie alles aus Sicht Gottes betrachtet haben. Sie haben aus dem Grund die Missstände mit besonderer Drastik erkannt und deshalb zur Umkehr aufgerufen. Wie oft wurden sie ignoriert! Doch sie haben immer und immer wieder weitergemacht, zugleich ausgehalten, was das Volk getan hat. Sie haben sich nie über den Rest erhoben, sondern begriffen, dass sie selbst Sünder sind. Wie muss ihnen das Herz geblutet haben, den grässlichen Götzendienst mit ansehen zu müssen und zu wissen, dass Gott sich nicht spotten lässt. Wie sehr haben sie gezittert in der Erwartung des Schlimmsten! Wie sehr müssen sie geweint haben, als diese Katastrophe mit dem Babylonischen Exil dann kam!
Ein besonderes Beispiel ist auch Ijob, den Gott auf eine besonders drastische Weise erprobt hat. Wie sehr wurde dieser Mann versucht, Gott anzuklagen bei all den Schicksalsschlägen, die Schlag auf Schlag auf ihn hinabprasselten! Doch zu keinem Zeitpunkt hat er Gott für all das verantwortlich gemacht. Die Versuchungen in Form seiner Freunde und seiner Frau konnten ihn nicht dazu verleiten, Gott als böse anzusehen. Seine Ausdauer wurde reich belohnt, denn Gott ist „voll Erbarmen und Mitleid“. Gott ist nicht egal, wie sehr wir leiden müssen.
Zum Schluss hören wir noch einen Vers zu einem anderen Thema: Es geht um das Schwören. Jesus sagte in der Bergpredigt, dass man überhaupt nicht schwören soll, da es zu seiner Zeit inflationär geworden war. Die Juden nutzten Schwüre, um ihre Aussagen zu untermauern, vor allem die Lügen. Das ist nicht der Sinn der Sache. Jesus möchte, dass wir wahrhaftig leben und unser Ja ein Ja, unser Nein ein Nein sei. Jakobus greift diese Aussage auf. Man soll auf gar nichts schwören, was im Himmel oder auf Erden ist. Auch er bringt es aus dem Grund wie Jesus so radikal an: Es geht um Wahrhaftigkeit. Aussagen sollen wahr sein, sodass man keinen Grund dazu hat, sie durch Schwüre zu untermauern.
Gewiss heißt das nicht, dass man nicht berufsbedingt oder in ganz wichtigen Lebenslagen keinen Eid ablegen soll. Auch die ersten Christen taten das weiterhin. Es sollte aber den besonderen Anlässen vorbehalten bleiben, damit es nicht inflationär wurde. Und auch jede Form von Versprechen sollte nicht einfach leichtfertig gemacht werden, sondern nur das versprochen werden, was man auch halten kann. Schließlich ist auch dies eine Form von Lüge, wenn man mit Versprechen und falschen Hoffnungen um sich wirft.

Ps 103
1 Von David. Preise den HERRN, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen! 
2 Preise den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! 
3 Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt, 
4 der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt,
8 Der HERR ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Huld.
9 Er wird nicht immer rechten und nicht ewig trägt er nach. 
11 Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so mächtig ist seine Huld über denen, die ihn fürchten.
12 So weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang, so weit entfernt er von uns unsere Frevel. 

Als Antwort beten wir einen Lobpreispsalm, bei dem der heilige Name Gottes gepriesen werden soll. Der Psalmist fordert die eigene Seele auf, was typischer Psalmenstil ist. Dabei müssen wir berücksichtigen, das mit „Seele“ das hebräische Wort נַפְשִׁי nafschi gemeint ist, was mehr als nur einen begrenzten Teil des Menschen umfasst. Es meint vielmehr den ganzen Menschen in seiner Existenz, sein ganzes Leben. Der Herr soll das ganze Leben über gepriesen werden und deshalb soll es auch keinen Moment geben, in dem man die guten Taten Gottes vergisst. Wenn das ganze Leben einen einzigen Lobpreis darstellt, dann ist es auch unmöglich, Gottes Güte zu vergessen.
Beziehen wir das auf die Kirche, gilt dasselbe: Würde die Kirche aufhören, den Lobpreis Gottes durchgängig zu praktizieren, würde sie sehr schnell Gottes Güte vergessen und sich anderem zuwenden. Dann würde sie aber auch aufhören, Sakrament der Liebe Gottes zu sein, das die Ewigkeit in dieser Welt vorwegnimmt. Deshalb steht die Eucharistie an erster Stelle im kirchlichen Leben sowie im geistlichen Leben des Einzelnen. Für Geistliche gilt sodann an zweiter Stelle das Stundengebet, denn diese sind es, die den Lobpreis auf besondere Weise als Berufung leben. Sie sind ungeteilt dazu fähig, weil sie keine Familie haben, um die sie sich kümmern müssen.
Der Psalm zählt einige dieser guten Taten auf, die Gott uns Menschen erweist: Er heilt die Gebrechen – ob physisch, psychisch oder seelisch. Er rettet unser Leben vor dem Untergang, denn er hat uns erlöst und uns zu Erben in seinem Reich eingesetzt. Hier ist das Verb für „retten“ ein Partizip, das heißt Gott rettet nicht nur einmalig durch die Taufe, sondern immer wieder, dauerhaft, das ganze Leben hindurch. Er ist es, der uns immer wieder vor dem moralischen Abfall rettet und uns zurückholt, wenn wir vom Weg abgekommen sind. Er ist barmherzig mit seinen Kindern, die von Herzen bereuen, wenn sie von Gottes Geboten abgerückt sind. Er vergibt ihnen die Schuld.
Diese Barmherzigkeit Gottes wird vor allem ab Vers 8 thematisiert: Gott ist gnädig und barmherzig. Er hat sehr viel Geduld mit uns. Er ist immer vergebungsbereit, wenn wir in aufrichtiger Reue zu ihm kommen. Dieser Psalm ist ein wunderbares Zeugnis dafür, dass auch schon das Alte Testament einen barmherzigen und vergebenden Gott kennt. Gott richtet als gerechter Richter, aber es ist bei ihm mehr als nur ein Kausalschluss wie bei der Karmalehre („du kriegst, was du verdient hast“). Gott ist keine Rechenmaschine, sondern er schaut auf das Herz und dessen Reue. Deshalb wird er „nicht immer rechten“ und auch „nicht ewig nachtragen“. Das heißt aber nicht, dass Gott nach dem Motto verfährt: „Es ist egal, wie du lebst, da Gott dich nicht nach deinen Sünden richten wird.“ Es heißt, dass Gott mehr als nur die Handlungen selbst betrachten wird. Und wenn man seine Sünden von Herzen bereut, sie bekennt und sich vornimmt, sie nicht mehr zu tun, dann vergibt Gott sie. Die Vergebung ist ein Geschenk Gottes und Geschenke bekommt man unabhängig davon, ob man sie verdient hat oder nicht. Was wir für diese unverdiente Vergebung tun können, ist aufrichtig zu sein, ehrlich zu uns selbst und demütig im Licht seines Angesichts. Und mit dieser Einstellung öffnen wir uns für die Gnade Gottes so sehr, dass er auch aus einem großen Sünder einen Heiligen machen kann, solange er sich bekehrt. Dies zeigt uns Vers 12, der mit einem sehr romantisch-poetischen Ausdruck diese Verwandlung Gottes umschreibt: Gott entfernt unsere Sündhaftigkeit so weit von uns, wie es nur geht – eben „so weit der Aufgang entfernt ist vom Untergang“. Mit ähnlicher Redeweise verdeutlicht der Psalm im Vers zuvor den Unterschied zwischen Gott und den Gottesfürchtigen. Mit diesem Vergleich aus der Schöpfung möchte er zum Ausdruck bringen, dass Gott gewaltig über die Menschen erhaben ist. Er ist der Schöpfer, wir dagegen seine Geschöpfe.

Mk 10
1 Von dort brach Jesus auf und kam nach Judäa und in das Gebiet jenseits des Jordan. Wieder versammelten sich viele Leute bei ihm und er lehrte sie, wie er es gewohnt war.
2 Da kamen Pharisäer zu ihm und fragten: Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau aus der Ehe zu entlassen? Damit wollten sie ihn versuchen.
3 Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben?
4 Sie sagten: Mose hat gestattet, eine Scheidungsurkunde auszustellen und die Frau aus der Ehe zu entlassen.
5 Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben.
6 Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie männlich und weiblich erschaffen.
7 Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen
8 und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.
9 Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.
10 Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber.
11 Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch.
12 Und wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch.

Im Evangelium geht es heute um Jesu kompromissloses Plädoyer für die Unauflöslichkeit des Ehebundes. Es geht um eine Intrige, die Jesus durchschaut. Die Pharisäer wollen ihn auf die Probe stellen und ihn dazu provozieren, gegen Mose zu sprechen. Sie fragen Jesus: „Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau aus der Ehe zu entlassen?“ Mose hat es erlaubt, wenn „sie ihm dann aber nicht gefällt“ (Dtn 24,1). Wenn Jesus also mit Nein antwortet, würde er sich dadurch gegen Mose auflehnen. Jesus antwortet aber ganz im rabbinischen Stil mit einer Gegenfrage: „Was hat euch Mose vorgeschrieben?“ Jesus verlässt dabei die juristische Ebene der Pharisäer-Frage und hebt die Diskussion auf die Ebene des göttlichen Rechts. Nicht das, was Mose erlaubt hat, ist das Höchste der Gefühle, sondern was Gott von Anfang an geboten hat. Es geht um Gottes Bundesbeziehung, nicht um eine juristische Fragestellung, was noch okay ist und was schon zu weit geht. Gott hat den Menschen als Mann und Frau geschaffen und dann zu dem ersten Menschenpaar gesagt: „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein.“ Das zitiert er aus der Genesis, um auf die Pointe hinzuführen: Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ Die Ehe ist unauflöslich, weil sie die Liebe Gottes widerspiegelt. Kein Mensch kann das antasten, selbst wenn er wollte.
Jesus erklärt klipp und klar, dass Mose die Erlaubnis nur wegen der Hartherzigkeit der Israeliten zugelassen hat, obwohl es am Anfang nicht so war. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass es zur Zeit Jesu in der Auslegung der Torah die Tendenz gab, zwischen Mose und Mose zu unterscheiden. Das heißt man setzte unterschiedliche Prioritäten innerhalb der fünf Bücher Mose, weil man annahm, dass die Zehn Gebote, die Gott vom Sinai aus gab, das Höchste seien. Nach der Anbetung des goldenen Kalbs zerbrach Mose diese ja und erhielt neue, musste dann aber wegen der unverständigen Israeliten noch weitere Gesetze erlassen, zu denen z.B. dieser Kompromiss der Scheidungsurkunde gehört. Aber Gottes Gebote sind das Allerhöchste und somit allem vorzuziehen. Was Gott Adam und Eva angeordnet hat, ist also das Höchste und gilt schon längt, bevor es sogar die Zehn Gebote gibt.
Als Jesus mit seinen Jüngern alleine ist und diese nochmal nachhaken, erklärt Jesus nachdrücklich: Man und Frau begehen beide Ehebruch, wenn sie ihren Partner verlassen und einen anderen heiraten. Das ist neu, denn bisher kam der Mann ungeschoren davon, selbst wenn er seine Frau aus der Ehe entlassen hat.

Heute geht es wieder um viele spannende Themen. Letztendlich ist der Kern all dieser Ermahnungen und Streitgespräche die Liebe, mit der Gott uns zuerst geliebt hat und die wir ihm mit unserem Leben zurückgeben sollen. Ebenso sollen wir mit seiner Barmherzigkeit, die er uns schenkt, einander zugewandt sein, nicht übereinander murren, sondern einander ertragen, nicht voneinander trennen, wenn uns der Ehepartner nicht mehr gefällt, sondern füreinander da sein, bis der Tod uns scheidet. Jesus sagt, er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wenn wir zum Vater wollen, sollen auch wir wahrhaftig leben. Gottes Liebe ist treu und ewig. Gottes Liebe strebt nach Wahrheit. Als Gottes Ebenbilder sind wir liebesfähige Wesen und so sollen auch wir treu und ewig lieben. Wir sollen wahrhaftig und aufrichtig leben. Dafür sind wir gemacht.

Ihre Magstrauss

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