Samstag nach Aschermittwoch

Jes 58,9b-14; Ps 86,1-2.3-4.5-6; Lk 5,27-32

Jes 58
9 Wenn du Unterjochung aus deiner Mitte entfernst, auf keinen mit dem Finger zeigst und niemandem übel nachredest, 

10 den Hungrigen stärkst und den Gebeugten satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf und deine Finsternis wird hell wie der Mittag. 
11 Der HERR wird dich immer führen, auch im dürren Land macht er dich satt und stärkt deine Glieder. Du gleichst einem bewässerten Garten, einer Quelle, deren Wasser nicht trügt. 
12 Die Deinen bauen uralte Trümmerstätten wieder auf, die Grundmauern vergangener Generationen stellst du wieder her. Man nennt dich Maurer, der Risse schließt, der Pfade zum Bleiben wiederherstellt. 
13 Wenn du am Sabbat deinen Fuß zurückhältst, deine Geschäfte an meinem heiligen Tag zu machen, wenn du den Sabbat eine Wonne nennst, heilig für den HERRN, hochgeehrt, wenn du ihn ehrst, ohne Gänge zu machen und ohne dich Geschäften zu widmen und viele Worte zu machen, 
14 dann wirst du am HERRN deine Wonne haben. Dann lasse ich dich über die Höhen der Erde dahinfahren und das Erbe deines Vaters Jakob genießen. Ja, der Mund des HERRN hat gesprochen.

Heute hören wir in der Lesung die Fortsetzung der gestrigen. Es ging um das Volk Israel, das sich schwer verschuldigt, ein unmoralisches Leben geführt und sich dann über die ausgebliebene Gebetserhörung Gottes gewundert hat. Jesaja soll dem Volk den Grund ausrichten und dazu auffordern, Werke der Barmherzigkeit zu tun, damit ihre dargebrachten Opfer aufrichtig vor Gott sind. Die Worte, die Jesaja dem Volk ausrichten soll, setzen sich heute fort.
„Wenn du Unterjochung aus deiner Mitte entfernst“ bezieht sich auf Unterdrückung der Ärmeren und Schwächeren einer Gesellschaft durch Reiche und Mächtige.
Die Israeliten sollen nicht mehr lästern und niemanden verurteilen (mit dem Finger auf sie zeigen).
Sie sollen denen etwas zu essen geben, die hungern, damit das passiert, was ich gestern schon angedeutet habe: damit ihr Licht aufgeht in der Finsternis. Dieses Licht ist moralisch zu sehen – es wird hell aufgrund der Tugenden der Israeliten, wo vorher Finsternis war, nämlich die Dunkelheit ihrer bösen Taten. Zugleich können wir das Licht mit der Gnade Gottes verbinden, die hell leuchtet an einem Ort, wo aufgrund der Sünde die Gnade nicht hinkam. Der Stand der Gnade wird wieder erlangt und von diesem aus wird „der HERR (…) dich immer führen“. Man lebt wieder in Gemeinschaft mit ihm und er zeigt einem den Weg. Gott wird einen nähren und die Glieder stärken. Das ist bemerkenswert, weil es den barmherzigen Taten ähnelt, die man zuvor an anderen Menschen getan hat. Gott gibt einem Gutes zurück, und zwar auch in unmöglichen Situationen wie der Dürre.
Es geht um den „Stand der Gnade“, in dem die Israeliten zuvor nicht waren wegen ihrer Vergehen. Das sehen wir nun auch an dem Bild des bewässerten Gartens. Wasser ist ein Symbol für den Hl. Geist – auch schon im Alten Testament. Gott erfüllt uns mit seinem Hl. Geist und deshalb sind wir wie ein bewässerter Garten. Wir wachsen durch ihn prächtig heran und bringen schöne Blüten und köstliche Früchte hervor.
In Vers 12 wird verheißen, dass die Israeliten „uralte Trümmer“ wieder aufbauen. Das ist ein Hinweis einerseits auf die Ruinen der Stadt und des Tempels, der von den Babyloniern zerstört werden wird. Andererseits sind die Ruinen geistig zu verstehen – als Symbol der Auferstehung Jesu, der „uralt“ ist und dessen Trümmer des Todes am dritten Tag wieder zum Leben erweckt werden, ebenso auf die Kirche bezogen, deren Trümmer durch die Krisenzeiten hervorgegangen sind und die durch den Hl. Geist eine Erneuerung erfahren hat. Wir denken an jeden einzelnen Menschen, der sein Leben durch die Sünde zu einem Trümmerhaufen gemacht hat, den der Hl. Geist aber wieder aufbauen kann. Und so ist es auch mit der ganzen gefallenen Welt. Durch den Hl. Geist werden die Trümmer der alten Schöpfung am Ende der Zeiten wieder aufgebaut zu einer neuen Schöpfung.
In den letzten zwei Versen wird noch einmal ein konkretes Verhalten angeführt, durch das man gerecht vor Gott wird: wenn man den Sabbat hält. Gott hat den Israeliten vorgeworfen, am Sabbat oder am Fastentag Geschäfte zu machen. Gott ist bei ihnen nicht an erster Stelle und sie vertrauen nicht darauf, dass er sie mit allem versorgen wird, auch wenn sie einen Tag nicht arbeiten. So war es doch damals bei den Vätern in der Wüste. Sie haben am sechsten Tag doppelt so viel bekommen (Manna oder Tauben), damit sie am Sabbat nicht arbeiten müssen und auch dann noch versorgt sind. Wer sich dem widersetzte und dennoch heimlich etwas angesammelt hat, bei dem verdarb das Vorrätige. Am Sabbat Geschäfte zu machen, ist ein Ausdruck von Misstrauen gegenüber der göttlichen Vorsehung. Das Ironische ist dabei, dass der Mensch alles verspielt, was er so krampfhaft für sich haben wollte. Wenn man dagegen am Sabbat Gott die Ehre gibt, der den ersten Platz im Leben des Menschen hat, dann wird er einen versorgen und man wird „das Erbe deines Vaters Jakob genießen“. Dann werden sie das verheißene Land ganz und gar haben. Und auch dies ist mehr als nur wörtlich zu verstehen. Das betrifft vor allem auch die moralische und anagogische Bedeutung: Wer das dritte Gebot hält, wird im Stand der Gnade sein, der Gemeinschaft mit Gott, der den Menschen dann mit Gnaden überschüttet. Und am Ende des Lebens wird man dann auf ewig das verheißene Land, das Erbe Jakobs, den Himmel genießen.
„Ja, der Mund des HERRN hat gesprochen“ signalisiert das Ende der Botschaft, die Jesaja dem Volk Gottes ausrichten soll.
Es sind insgesamt sehr eindrückliche Worte, die auch für uns jetzt in der Fastenzeit hochaktuell sind bzw. generell in heutiger Zeit. Gerade der letzte Teil sollte uns zu denken geben. Halten wir den Sonntag heilig? Danken wir an diesem Tag dem Herrn für die ganze Woche und tun dies in der Eucharistie – der Danksagung? Wie viele Katholiken gehen nicht mal jeden Sonntag zur Kirche. Das ist ein schweres Vergehen. Dann können wir kein gewässerter Garten sein, dann können wir nicht mit allem gesegnet sein, denn wir schneiden von uns von den Gnadenstrom ab. Dann kann Gott unsere Gebete nicht erhören.
So ist es mit allen Geboten. Wir können keinen Segen erwarten, wenn wir Gottes Gebote nicht halten. Die Fastenzeit ist eine ideale Gelegenheit, das eigene Verhalten zu überdenken, die uralten Trümmer wieder aufzubauen und die Beziehung zu Gott wieder zu erneuern.

Ps 86
1 Ein Bittgebet Davids. Neige dein Ohr, HERR, und gib mir Antwort, denn elend und arm bin ich! 

2 Beschütze mich, denn ich bin dir ergeben! Rette, du mein Gott, deinen Knecht, der auf dich vertraut! 
3 Mein Herr, sei mir gnädig, denn zu dir rufe ich den ganzen Tag! 
4 Erfreue die Seele deines Knechts, denn zu dir, mein Herr, erhebe ich meine Seele! 
5 Denn du, mein Herr, bist gut und bereit zu vergeben, reich an Liebe für alle, die zu dir rufen. 
6 Vernimm, HERR, mein Bittgebet, achte auf mein lautes Flehen! 

Heute beten wir einen Bittpsalm passend zur Lesung. Wir können uns vorstellen, wie es das Volk Israel betet, nachdem es die Botschaft Gottes durch den Propheten Jesaja erhalten hat. Wir können es auch selbst beten als Kinder Gottes, die sich durch ein sündiges Verhalten von Gott entfremdet haben. Gott soll sein Ohr neigen, das heißt, die Bitten des Volkes erhören. „Elend und arm“ ist der Beter, weil er mit Gott im Streit liegt. Deshalb beten die Israeliten auch „beschütze mich, denn ich bin dir ergeben!“ Das hebräische Wort für „ergeben“ ist חָסִ֪יד chasid. Es heißt wörtlich „ich bin ein Jünger“. Die Israeliten bitten um Schutz, weil sie Gottes Jünger sind, weil sie ihm nachfolgen.
Sie rufen Gott „den ganzen Tag“. Das hat Jesaja bereits thematisiert. Die hebräische Verbform אֶ֝קְרָ֗א ekra ist dabei eine sogenannte PK-Form. Diese ist entweder präsentisch oder futurisch zu übersetzen. Einerseits besagt der Satz hier also, dass sie den ganzen Tag Gott anrufen, andererseits, dass sie es zukünftig tun werden. Es wird so zum Versprechen des Volkes, von nun an anders zu handeln. Ebenso ist es mit dem nachfolgenden Vers, da auch dort als Argumentation für die Bitte eine Handlung als PK-Form ausgedrückt wird („denn zu dir (…) erhebe ich meine Seele!“). Das Verb für „erheben“ ist אֶשָּֽׂא esa. Das Volk sagt also, dass es dies jetzt schon tut, es aber in Zukunft auch tun wird. Das Wort für Seele ist נַפְשִׁ֥י nafschi. Es ist eigentlich zu übersetzen mit „mein Leben“. Es meint die gesamte Existenz und nicht nur einen bestimmten Teil im Menschen. David erhebt also sein ganzes Leben zu Gott in dem Sinne, dass er sein ganzes Dasein auf Gott ausrichtet, ohne etwas für sich zu behalten. Und so tut es das Volk Israel immer wieder im AT, nachdem Gott ihm die Leviten gelesen hat. Gott soll die נֶ֣פֶשׁ nefesch, also das ganze Leben des Volkes erfreuen, weil es sein Leben Gott ganz widmet. Das ist für uns ein gutes Beispiel. Auch wir müssen Gott unser ganzes Leben hinhalten, wenn wir möchten, dass er es verwandelt. Dies tut er nur, wenn wir es ihm freiwillig überlassen. Und er tut es gern. Das bedeutet auch, dass er uns das ewige Leben schenken möchte.
„Denn du, mein Herr, bist gut und bereit zu vergeben, reich an Liebe für alle, die zu dir rufen“ – das Volk hat Gottes Vergebung immer wieder erfahren und kann mit Vertrauen diese Worte beten.
Gott ist wirklich ein barmherziger Gott und bereit, unsere Schuld zu vergeben. Wir müssen seine Barmherzigkeit aber auch annehmen. So tut es David immer wieder, so tut es später auch Petrus, so tut es der verlorene Sohn im Gleichnis Jesu. So tun es die Gläubigen, die zur Beichte kommen. Dann umarmt Gott die Menschen bereitwillig mit seiner vergebenden Liebe und verändert das Leben jedes Reumütigen. Nutzen wir dafür die Fastenzeit, denn jetzt hat Gott ganz besondere Gnaden für uns bereit.

Lk 5
27 Danach ging Jesus hinaus und sah einen Zöllner namens Levi am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! 

28 Da verließ Levi alles, stand auf und folgte ihm nach. 
29 Und Levi gab für Jesus in seinem Haus ein großes Gastmahl. Viele Zöllner und andere waren mit ihnen zu Tisch. 
30 Da murrten die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten und sagten zu seinen Jüngern: Wie könnt ihr zusammen mit Zöllnern und Sündern essen und trinken? 
31 Jesus antwortete ihnen: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. 
32 Ich bin nicht gekommen, um Gerechte, sondern Sünder zur Umkehr zu rufen.

Auch das Evangelium thematisiert heute die Barmherzigkeit. Jesus beruft Levi/Matthäus zu seinem Apostel, der von Beruf Zöllner ist. Er sitzt gerade am Zoll, als Jesus ihn ruft. Er macht einen unbeliebten Job, bei dem es oft um kleinere und größere Betrügereien geht, also nichts Aufrichtiges. Und doch ist dieser Mensch herzensoffen. Als Jesus ihn ruft, lässt er alles stehen und liegen und folgt Jesus nach. Er hat die optimale Herzenshaltung, denn er lässt sich von Jesus etwas sagen.
Wie es oft bei Jesus der Fall ist, hält er mit den jeweiligen Menschen Mahl. Er ist bei Levis großem Gastmahl eingeladen und weil Levi ein Zöllner ist und diese seine einzigen Freunde sind (wer will sonst schon mit einem Betrüger und Lügner befreundet sein? Alle sind misstrauisch.), besteht Jesu Tischgemeinschaft aus sündigen Menschen.
Offensichtlich ist Jesus nicht alleine bei Levi, sondern auch die Jünger Jesu sind eingeladen. Dies wird daran deutlich, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten die Jünger so ansprechen, dass sie mit dabei sind. Ihre Kritik besteht darin, dass Jesus und seine Jünger mit Zöllnern und Sündern Tischgemeinschaft haben. Entweder ist diese aus moralischer oder aus ritueller Sicht verwerflich: Die genannten Personengruppen sind Sünder vor Gott und das Essen mit ihnen impliziert für einen Juden dann, dass man ihr Verhalten gutheißt. Die genannten Personengruppen als rituell Unreine können am Kult nicht teilnehmen und übertragen die eigene Unreinheit noch auf den Reinen, der mit ihnen am Tisch ist. Diese beiden Möglichkeiten müssen wir in Betracht ziehen, zugleich zeigen sie, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten Jesus als Messias nicht erkannt haben. Diese Dinge mögen vielleicht für einen normalen Juden gelten, aber nicht für den Sohn Gottes, der im Gegenteil noch Menschen in den Zustand der Versöhnung zurückversetzen kann durch Sündenvergebung und der nicht kultisch unrein wird, sondern seine Heiligkeit auf die Menschen um sich herum abfärbt.
Jesus möchte durch sein Verhalten eben nicht gutheißen, dass die Sünder und Zöllner gegen die Gebote Gottes verstoßen. Er möchte sie in seiner entgegenkommenden Barmherzigkeit berühren, deren Herzen er ganz weit geöffnet sieht. Er erkennt, dass man mit ihnen „arbeiten“ kann, und verwandelt ihre Herzen in diesem ganzen Prozess. So ist es auch schon mit Zachäus, der dann umkehrt und seine ganze Schuld vielfach zurückzahlen möchte. Das ist der springende Punkt: Wenn Jesus mit ihnen fertig ist, sind sie keine Sünder mehr, sondern brennende Jünger für Gott.
Und was Jesus durch die Antwort auf die Kritik der Pharisäer und Schriftgelehrten verdeutlicht, ist ein therapeutisches Verständnis von Sünde im Gegensatz zu einem juristischen. Sünde ist wie eine Krankheit, die man heilen muss. Jesus ist der Arzt, der die Seele der Menschen wieder gesund macht. Sie sind dabei wie Patienten, die sich bereitwillig behandeln lassen. Sie sind nicht verstockt wie die Pharisäer und Schriftgelehrten, die sich einbilden, keinen Arzt zu benötigen. Dabei ist jeder Mensch krank durch die Erbsünde. Keiner kann von sich behaupten, sündlos und perfekt zu sein. Jeder und jede muss auf die je eigene Weise zum Arzt kommen.
Wenn Jesus zum Schluss sagt: „Ich bin nicht gekommen, um Gerechte, sondern Sünder zur Umkehr zu rufen“, dann heißt das nicht, dass die echten Gerechten Pech gehabt haben. Er meint diejenigen, die sich für gerecht halten. Er ist gekommen, um die zur Umkehr zu rufen, die erkennen, dass sie Sünder sind und der Umkehr wirklich bedürfen. Wer selbstgerecht ist, ist versteinert, sein Herz ist geschlossen und blockiert die Gnade Gottes. Dabei muss sich jeder seiner Sündigkeit und Umkehrbedürftigkeit bewusst werden.

Wir befinden uns jetzt in der österlichen Bußzeit, in der wir uns unsere eigene Schuldhaftigkeit auf besondere Weise bewusst machen. Gott möchte in dieser Zeit besondere Gnaden schenken, um auch den besonders harten Fällen die Herzen zu erweichen. Dann kommt Jesus auch in unser Leben und möchte mit uns Gemeinschaft haben. Dann arbeitet er in uns, bis wir unser eigenes Schlechtes erkennen, bereuen und umkehren. Er verwandelt uns, sodass wir immer mehr zu den ursprünglichen Menschen werden, die Gott geschaffen hat.

Ihre Magstrauss

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