Ex 3,1-8a.10.13-15; Ps 103,1-2.3-4.6-7.8 u. 11; 1 Kor 10,1-6.10-12; Lk 13,1-9
Ex 3
1 Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb.
2 Dort erschien ihm der Engel des HERRN in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch. Er schaute hin: Der Dornbusch brannte im Feuer, aber der Dornbusch wurde nicht verzehrt.
3 Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?
4 Als der HERR sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm mitten aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
5 Er sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.
6 Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
7 Der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid.
8 Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen.
10 Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus!
13 Da sagte Mose zu Gott: Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen sagen?
14 Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin, der ich bin. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der Ich-bin hat mich zu euch gesandt.
15 Weiter sprach Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer und so wird man mich anrufen von Geschlecht zu Geschlecht.
Als erste Lesung hören wir heute die Offenbarung Gottes im brennenden Dornbusch. Zuvor ist Mose aus Ägypten geflohen, weil der Pharao ihn aufgrund des Totschlags eines Ägypters umbringen lassen wollte. Mose kommt nach Midian und baut sich dort eine neue Existenz auf. Ihm wird die Tochter des Priesters Jitro von Midian zur Frau gegeben. Er lebt mehrere Jahrzehnte als Hirte für seinen Schwiegervater. Das ist uns ein wichtiges Indiz. Auch andere wichtige Heilsgestalten hüten eine Herde, bevor sie eine große Berufung empfangen.
Eines Tages kommt Mose mit der Herde an den Gottesberg Horeb bzw. Sinai. Da geschieht das Unglaubliche: Er begegnet Gott im brennenden Dornbusch. Auch in dieser Erzählung wird es so beschrieben, dass es ein Engel des Herrn sei, mit dem er spricht. Uns ist in den bisherigen Geschichten der Genesis klargeworden, dass immer wieder Gott und seine Engel gleichgesetzt werden bzw. durch Engelsaussagen die Transzendenz Gottes gewahrt werden soll.
Es ist Gott, der sich Mose als der „Ich bin“ offenbart. Mose ist irritiert, als er den Dornbusch sieht: Er erkennt ganz deutlich, dass dieser in Flammen steht, aber die Pflanze verbrennt nicht. Das ist eigentlich unmöglich. So kommt er der Erscheinung näher. Schon hört er, dass ihn jemand beim Namen nennt, und er sagt „hier bin ich“. Das ist die typische Antwort bei Propheten, die von Gott angesprochen werden.
Gott sagt ihm, dass der Ort heilig ist, sodass Mose seine Schuhe ausziehen soll. Er wird herangeführt an die Heiligkeit der Gegenwart Gottes, wie sie im Tempel von Jerusalem zentral sein wird. Der Kult Israels wird an eben jenem Ort etabliert, wenn Mose mit dem Volk Israel hierhin zurückkehren wird.
Gott offenbart sich dem Mose auf eine Weise, die ihn erkennen lassen soll, mit wem er es zu tun hat: Er ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Es ist derselbe Gott, mit dem diese Väter gesprochen haben.
Mose begreift offensichtlich, wer er ist, denn er verhüllt sein Gesicht. Das ist einerseits eine Geste des Respekts, andererseits der Furcht. Mit dem allmächtigen Gott zu sprechen ist eine überwältigende Sache! Dies wird später noch gesteigert werden, nämlich nicht mehr am Berg, sondern auf dessen Gipfel. Dann schaut Mose mehr von Gott als in dieser ersten Erscheinung.
Gott erklärt dem Mose, dass er das Schreien des Gottesvolkes gehört hat, und Mose damit beauftragt, sein Volk aus der Sklaverei zu befreien.
Mose fragt nach Gottes Namen, damit er sagen kann, wer ihn beauftragt hat. Daraufhin offenbart Gott dem Mose seinen Namen: Ich bin, der ich bin. Der Gottesname ist ein Mysterium und bis heute ist nicht hundertprozentig klar, wie man ihn aussprechen soll. Höchstwahrscheinlich muss er Jahwe ausgesprochen werden. Die grammatikalische Form ist sowohl präsentisch als auch futurisch übersetzbar: „Ich bin“ und „ich werde sein“. Gott ist jetzt bereits ganz bei seinem Volk. Ihm ist das Leiden ganz bekannt. Er weiß um alles. Auch in Zukunft wird er mit seinem Volk sein – durch die Wüstenwanderung, bei der Landnahme, beim Verlust des Landes im Babylonischen Exil, in jeder Fremdherrschaft. Was Gott dem Mose also antwortet, ist seine Kerneigenschaft. Gott ist der Seiende ganz bei uns. Er will Gemeinschaft mit uns. Dafür sind wir geschaffen worden. Er ist derselbe, der Mensch wird als Immanuel, „Gott mit uns“. Er ist derselbe, der auch bei der Heimkehr zum Vater bereit ist, bei uns zu bleiben, der sagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Er ist bei uns in der Eucharistie, so nah wie nirgendwo sonst. Er geht in uns hinein, wird ein Teil von uns. Gott ist wirklich Jahwe.
Mose soll zu seinen Landsleuten gehen und ihnen sagen, dass der „Ich-bin“ ihn geschickt hat. Dieser Gott soll umschrieben werden mit einer Wendung, die den Israeliten bekannt ist: „der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ So erkennen die Israeliten, dass Mose wirklich eine Offenbarung Gottes empfangen hat. Mose soll ihnen sagen, dass Gott das Leiden seines Volkes gesehen hat und es in das Land mit Milch und Honig führen möchte. Wie damals Abraham und dann später Jakob versprochen möchte Gott nun dieses Land den Israeliten zum Besitz geben. Zuvor hatte Abraham dort ja als Gast gelebt.
Ps 103
1 Von David. Preise den HERRN, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen!
2 Preise den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!
3 Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt,
4 der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt,
6 Der HERR vollbringt Taten des Heils, Recht verschafft er allen Bedrängten.
7 Er hat Mose seine Wege kundgetan, den Kindern Israels seine Werke.
8 Der HERR ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Huld.
11 Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, so mächtig ist seine Huld über denen, die ihn fürchten.
Der Psalm, den wir David zu verdanken haben, ist ein sehr bekannter Lobpreispsalm. Wir haben immer Grund zum Lobpreis, weil Gott uns so viel Gutes getan hat. Er vergibt uns jeden Tag, wirklich JEDEN TAG, jeden Moment unseres Lebens unsere Sünden, wo wir umkehren! Wie unendlich viel Geduld hat Gott mit uns! Schon das Volk Israel kann viele Geschichten darüber erzählen…Wie oft ist es anderen Göttern nachgelaufen, wie oft hat es undankbar gehandelt, obwohl es so oft gewarnt worden ist! Und doch ist Gott seinem auserwählten Volk treu geblieben, hielt sein Versprechen, seinen Bund! Wie oft hat er es zurückgeholt, in dem er eine Fremdherrschaft nach der anderen zugelassen hat! Würden wir die Kraft haben, unserem Partner zu vergeben, wenn er/sie mir fremdgegangen ist? Nichts anderes tat und tut Gott mit uns, mit seiner geliebten Braut. Auch die Kirche als Volk Gottes schaut anderen hinterher und wird untreu, wo auch immer sie der Welt gefällt, sich von Gottes Willen entfernt. Und doch bleibt Christus seiner Braut treu und hält sein Versprechen, bei ihr zu sein alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28). Er kommt trotzdem in der Eucharistie zu uns und spendet auch die anderen Sakramente. Gott vergibt uns immer und immer wieder die Schuld in der Beichte, auch wenn wir immer dieselben Sünden begehen. So geduldig ist er mit uns! Er gibt uns jedes Mal auch noch die Kraft durch das Beichtsakrament, das nächste Mal der Sünde zu widerstehen. Seine Gnade kennt keine Grenzen. Seine Barmherzigkeit ist auch noch so unendlich, dass er uns sogar die Chance auf das Himmelreich gibt, wenn wir noch nicht alles gesühnt haben. Das, was wir Fegefeuer nennen, ist mit Blick auf die Ewigkeit DER Beweis seiner vergebenden Barmherzigkeit!
Gott heilt all unsere Gebrechen. Ja, er heilt in erster Linie unsere Seele, das ewige Leben. Er heilte die Beziehung zwischen seinem Volk und ihm. Er heilte auch damals schon körperliche Gebrechen und soziale Ausgrenzung. Er heilte die Seele derer, die keine Hoffnung mehr hatten und er stärkte die Ängstlichen mit dem Geist des Mutes. Gott heilte ganz besonders durch Jesus Christus. Dieser heilte in erster Linie auch die Seele und die Beziehung der Menschen zu Gott durch die Sündenvergebung. Der Gelähmte, der über das Dach auf einer Trage hinabgelassen wurde, wurde zunächst seelisch geheilt, bevor Jesus ihm als Bonus auch die körperliche Heilung schenkte. Jesus sagte: „Euch soll es zunächst um das Reich Gottes gehen, alles Andere wird euch dazugegeben.“ Jesus heilte auch die vielen Ausgegrenzten von ihren sozialen Gebrechen, in dem er sie körperlich heilte – sei es die blutflüssige Frau, die Blinden oder die vielen Aussätzigen. Vor allem trieb er auch Dämonen aus, die den Geplagten seelische Folter bescherten.
Jesus heilt auch heute noch durch die Sakramente. Wenn Sie sich mit dem Heilungs- und Befreiungsdienst der Kirche befassen, werden Sie oft zu hören bekommen: Das größte Heilungsgebet – auch gerade um körperliche Heilung – sind die Beichte und die Eucharistie. Wenn die Beziehung zu Gott wieder versöhnt ist, kann Gottes Kraft im Menschen wirken. Gott wird auch am Ende der Zeiten alles heil machen, sodass es nicht mal mehr den Tod geben wird.
Alles, was Gott an uns Menschen tat, tut und tun wird, hat das Ziel, uns das ewige Leben zu ermöglichen. Er will uns vor dem Untergang retten. Das ist für das Volk Israel zunächst das Ende des Fortbestehens, der Generationenabfolge und des Kultes. Es betrifft später auch das Leben nach dem Tod, als die Israeliten nach und nach eschatologische Zusammenhänge begreifen. Dies betrifft den Fortgang der Kirche als Leib Christi. Jesus hat Petrus zugesagt, dass die Mächte der Finsternis sie nicht überwältigen werden. Es meint im Hinblick auf jeden Einzelnen den moralischen Untergang, der nach dem Tod dann den Untergang der Seele zur Folge hat. Er rettet uns vor dem seelischen Tod, der Hölle, in dem er uns immer wieder Anlass zur Umkehr schenkt und wir noch bis zum Moment des Todes bereuen können. Gott ist wirklich langmütig, das heißt unendlich geduldig mit uns. Sein Gericht ist kein Berechnen im Sinne von: „Dies und das hast du getan, das ergibt so und so viel Strafe.“ Er richtet vor allem nach unserem Herzen, nach unserer Absicht und diese gibt Aufschluss über die Konsequenz. Und darüber hinaus währt seine Barmherzigkeit nach dem Maß unserer aufrichtigen Reue. Es ist wirklich ein entlarvender Psalm, der nämlich das Vorurteil entkräftet, im Alten Testament komme nur der strenge Richtergott vor. Schon hier lesen wir von Gottes unendlicher Barmherzigkeit.
Auch hier wird schon deutlich, dass Gott ein barmherziger Vater ist, der uns ganz in sein Herz aufnimmt. Er weiß um unsere Schwachheit und erwartet nichts Übermenschliches von uns. Das Kreuz, das er seinen Kindern auferlegt, die täglichen Pflichten, die Berufung, die Umsetzung ihrer Talente, entspricht ganz den Möglichkeiten des Menschen. Gott überfordert uns nicht. Er möchte, dass wir mit den Lasten zu ihm kommen, damit er mit anpacken kann. Und wenn wir mit ihm kooperieren, dann werden wir überreichen Segen empfangen, nicht nur wir, sondern auch noch unsere Nachfahren! Es ist ein nicht zu unterschätzendes Wort. Segen und Fluch betreffen nie nur uns selbst. Sie gehen auch auf unsere Familien, unsere Kinder und Enkel über. Entweder profitieren sie von unserer Gottesfurcht oder müssen an den Konsequenzen unserer Sünden mitleiden. Bedenken wir das stets, wenn wir vor der Entscheidung für oder gegen Gott stehen. Wir haben eine Verantwortung.
In poetischem Stil wird sodann gesagt, dass Gottes Huld über den Gottesfürchtigen ist, „so hoch der Himmel über der Erde ist“. Wer Gott die Pforten der Seele weit öffnet, der wird ihn ganz lebendig erfahren mit allen Gnaden und allem Segen des Himmels.
1 Kor 10
1 Ihr sollt wissen, Brüder und Schwestern, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren, alle durch das Meer zogen
2 und alle auf Mose getauft wurden in der Wolke und im Meer.
3 Alle aßen auch die gleiche geistgeschenkte Speise
4 und alle tranken den gleichen geistgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem geistgeschenkten Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus.
5 Gott aber hatte an den meisten von ihnen kein Gefallen; denn er ließ sie in der Wüste umkommen.
6 Das aber geschah als warnendes Beispiel für uns: damit wir uns nicht von der Gier nach dem Bösen beherrschen lassen, wie jene sich von der Gier beherrschen ließen.
10 Murrt auch nicht, wie einige von ihnen murrten; sie wurden vom Verderber umgebracht!
11 Das aber geschah an ihnen, damit es uns als Beispiel dient; uns zur Warnung wurde es aufgeschrieben, uns, die das Ende der Zeiten erreicht hat.
12 Wer also zu stehen meint, der gebe Acht, dass er nicht fällt.
Als zweite Lesung hören wir einen Ausschnitt aus dem ersten Korintherbrief, den wir bisher noch nicht gehört haben. Es geht um einen geschichtlichen Rückblick des Paulus, bei dem er die Geschichte Israels anführt zur Warnung für die Empfänger des Briefs. Das Thema ist der Götzendienst. Dieser hat sehr viel Leid über Israel gebracht und trotz der wiederholten Umkehrrufe und Warnungen ist Israel davon nicht abgekehrt. Deshalb hat es sich z.B. das Babylonische Exil selbst eingebrockt. Direkt im Anschluss an die heutigen Worte erklärt Paulus, dass Götzenopfermähler und das eucharistische Mahl nicht miteinander vereinbar sind. Man kann nicht Gemeinschaft mit Gott und mit den Dämonen zugleich haben. Deutliche Worte. Zu dieser Schlussfolgerung führt Paulus hin mithilfe des Rückblicks der Geschichte Israels:
Paulus erklärt, dass alle Israeliten damals bei der Wüstenwanderung zusammen waren und all die Heilstaten gemeinsam erlebt haben. Sie sind gemeinsam unter der Wolke gewesen. Damit ist die Manifestation Gottes gemeint, die Gestalt, in der sich Gott während des Tages gezeigt hat. Diese Wolke der Gegenwart Gottes legte sich auch auf den Sinai und später auf das Offenbarungszelt. Es ist die Wolke der Herrlichkeit Gottes, die sich auch auf den festgebauten Tempel in Jerusalem legte.
Sie alle haben die Gegenwart Gottes gleichermaßen erlebt, ebenso die Rettung durch das Rote Meer. Sie alle haben von dem Manna gegessen, die Paulus als „geistgeschenkte Speise“ bezeichnet – ein absolut typologisches Signal und eine Deutung als Gabe Gottes. Diese Gottesgabe betrachtet er im Begriffspaar, denn als Gottestrank bezeichnet er das Wasser, das Gott den Israeliten aus dem Felsen zu trinken gegeben hat. Die Typologie ist unübersehbar: So wie Gott im Neuen Bund die Speise und den Trank für das ewige Leben schenkt, die eucharistischen Gaben von Brot und Wein, so hat er dies bereits angelegt in der Speise des Manna und im Trank des Felsenwassers, das das physische Leben sicherstellt. Diese Typologie nimmt Jesus in der Brotrede selbst vor, wenn er die Eucharistie als Überbietung und Antitypos des Manna ankündigt.
Paulus betrachtet die Wassergabe aus dem Felsen allegorisch im Sinne einer christologischen Allegorese. Der Unterschied zwischen Allegorie und Allegorese besteht darin, dass beim ersten in einem Bibeltext selbst die allegorische Betrachtung explizit erwähnt wird, beim zweiten ein Ausleger des Bibeltexts eine Allegorie vornimmt. Paulus sagt, dass der Felsen Christus sei. Das ist Allegorese, doch wir, die nun seinen Brief lesen, haben wiederum eine Allegorie vor uns. Der Bezug zur Taufe wird bei Paulus ebenfalls hergestellt, wenn er sagt, dass die Israeliten gleichsam „getauft“ sind auf Mose in der Wolke und im Meer, also als Tauftypologie zum Roten Meer.
Das Entscheidende ist nun: Auch wenn sie alle gemeinsam diese Dinge erlebt haben, hat Gott längst nicht an allen Gefallen gefunden. Man kann sich nicht darauf ausruhen, dass Gott einem Gnaden schenkt. Die Entscheidung für ihn muss jeden Tag aufs Neue geschehen. Wir werden gerichtet nach unseren Taten. Die Israeliten sind so reich beschenkt worden, doch sie haben mindestens genauso viel gemurrt. Deshalb ereilte sie ein vorzeitiger Tod.
Das soll nun den Korinthern als Warnung dienen, die ebenso mit vielen Gaben beschenkt werden. Wenn nun auch sie so sehr murren wie die Israeliten in der Wüste, ist das ein Zeichen von Undankbarkeit. Es wird sie dasselbe Schicksal ereilen wie die Israeliten.
Letztendlich müssen auch wir Christen uns im Jahre 2022 zu Herzen nehmen, was Paulus schreibt: Wenn wir zu stehen scheinen, sollen wir aufpassen, dass wir nicht fallen. Es geht schneller als man denkt. Die Versuchungen sind immer groß. Der Böse wird zu allen versuchen, unsere innige Beziehung mit Gott zu zerstören. Und wenn wir im Stand der Gnade sind, soll es uns nicht hochmütig machen. Das ist der Anfang vom Ende.
Lk 13
1 Zur gleichen Zeit kamen einige Leute und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte.
2 Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist?
3 Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
4 Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem?
5 Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
6 Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine.
7 Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
8 Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.
9 Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!
Im Evangelium hören wir heute sehr wichtige Ausführungen zur Theodizee-Frage, die ja zu allen Zeiten gestellt und nie abschließend und zufriedenstellend beantwortet werden kann. Es geht um das Leid der Menschen.
Pilatus hat traditionsbewusste, fromme Jerusalempilger aus Galiläer umbringen lassen, als sie Opfertiere dargebracht haben zur Sühne ihrer Sünden (wie es eben üblich ist). Dabei hat sich ihr Blut mit dem Blut ihrer Opfertiere vermischt. Das ist ein verstörendes Ereignis, das die Bosheit des widergöttlichen Römischen Reichs zeigt, aber vor allem im Kontext der Worte Jesu in Lk 12 als apokalyptisches Zeichen gedeutet wird. Was passiert ist, ist ein Hinweis auf die Endzeit, weshalb der Umkehrruf Jesu umso drängender ist. Er nimmt dieses Ereignis zum Anlass, den Menschen anzukündigen, dasselbe zu erleben, wenn sie sich nicht bekehren.
Er nennt noch ein anderes Ereignis, nämlich den Einsturz des Turmes von Schiloach, bei dem achtzehn Menschen gestorben sind. Auch dies soll die Menschen dazu führen, sich an die eigene Brust zu schlagen und Gott um Vergebung der eigenen Sünden zu bitten. Es ist wie das erste Ereignis ein apokalyptisches Zeichen.
Das Problem ist, dass die Menschen in ihrem Tun-Ergehen-Zusammenhang eine perfekte Ausrede gefunden haben, die Ereignisse ganz von sich zu weisen und unverändert weiter zu leben – in ihren Sünden, in ihrer Verstocktheit und Bußunfertigkeit. Jesus stellt dagegen klar: „Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist?“ Der Tod ist wirklich die Folge der Sünde, aber es ist zu einfach zu sagen: Das haben sie jetzt verdient und ich habe nichts damit zu tun. Die Auswirkungen der Sünde sind immer verheerend, gehen über die Schuldigen weit hinaus und laufen komplett aus dem Ruder. Die Folgen von Sünde ziehen immer Unschuldige mit hinein. Wer kann hier sagen, wer genau an was schuld ist? Das ist ein Geheimnis, das wir nicht begreifen. Und wenn so etwas passiert, soll jeder Mensch betroffen sein. Wer weiß denn, ob es nicht an der eigenen Sünde liegt, dass Gott so etwas zugelassen hat?
Es stimmt auch nicht, dass jene, die beim Turmbau gestorben sind, selbst daran schuld sind. Wie können die Überlebenden das denn so genau sagen? Ist das nicht zu einfach geantwortet, um sich herauszureden?
Jesus geht es nicht darum, zu erklären, ob die Gestorbenen es verdient haben oder nicht, sondern um Umkehrbereitschaft zu wecken. Jeder soll davon betroffen sein und sein eigenes Leben ändern, damit es nicht mit einem selbst passiert. Die Endzeit ist angebrochen! Es ist nicht mehr viel Zeit geblieben, um sich zu ändern. Das ist ja auch, was Paulus zu sagen versucht, wenn er die Geschichte Israels zur Warnung ins Gedächtnis ruft.
Deshalb bringt auch Jesus noch ein Gleichnis an, dass dies betonen soll: Ein Mann hat in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt, der einfach keine Früchte trägt. Drei Jahre lang geht es so und nun ordnet er dem angestellten Winzer an, den Baum abzuhauen. Es rentiert sich nicht. Der Baum zieht die ganzen Nährstoffe aus dem Boden, macht nur unnötigen Schatten, ist einfach nicht wirtschaftlich. Doch der Winzer denkt anders. Er schaut nicht, was Gewinn einbringt, sondern will dem Feigenbaum noch eine Chance geben. Das ist menschlich und wirtschaftlich gesehen unvernünftig. Er möchte sogar die Arbeit auf sich nehmen, den Boden um den Baum herum umzugraben und zu düngen! Das ist „Affenarbeit“ würde man heute sagen. Doch genau das ist die Denkweise Gottes. Er könnte die Menschen, die keine guten Früchte bringen (gemeint sind gute Taten, denn das Bild wird immer ethisch verwendet), einfach verwerfen. Doch Gott ist nicht nur gerecht. Er ist beides – gerecht und barmherzig. Gott ist barmherzig und gibt dem Menschen noch bis zum letzten Augenblick die Chance zur Umkehr. Aber der Gutsherr ist schon da. Johannes der Täufer sagte, die Axt ist schon angelegt. Es ist kurz vor zwölf! Die Endzeit ist schon angebrochen, deshalb ist es höchste Zeit, umzukehren! Was Jesus uns auch heute sagen möchte, ist ganz klar: Keiner kann sich herausreden, wenn Katastrophen und Leid passieren. Wir alle müssen umkehren und Gott um Verzeihung bitten. Wir sollen nicht grübeln, wer jetzt welche Schuld trägt, dass er oder sie sterben muss, und am besten noch ins Hadern mit Gott kommen. Das ist alles nicht hilfreich und gar nicht unsere Kompetenz. Natürlich tragen wir die Konsequenzen unserer eigenen Sünde, aber wer von uns kann schon das gesamte Bild sehen und die wirren Auswirkungen der Sünde auseinanderpfriemeln? Stattdessen sollen wir bei uns selbst schauen, Gewissenserforschung betreiben, Gott um Verzeihung bitten und unser Leben ändern. Es ist höchste Zeit!
Ihre Magstrauss