1 Kön 19,16b.19-21; Ps 16,1-2 u. 5.7-8.9 u. 11; Gal 5,1.13-18; Lk 9,51-62
1 Kön 19
16 Jehu, den Sohn Nimschis, sollst du zum König von Israel salben und Elischa, den Sohn Schafats aus Abel-Mehola, salbe zum Propheten an deiner Stelle.
19 Als Elija von dort weggegangen war, traf er Elischa, den Sohn Schafats. Er war gerade mit zwölf Gespannen am Pflügen und er selbst pflügte mit dem zwölften. Im Vorbeigehen warf Elija seinen Mantel über ihn.
20 Sogleich verließ Elischa die Rinder, eilte Elija nach und bat ihn: Lass mich noch meinem Vater und meiner Mutter den Abschiedskuss geben; dann werde ich dir folgen. Elija antwortete: Geh, kehr um! Denn was habe ich dir getan?
21 Elischa ging von ihm weg, nahm seine zwei Rinder und schlachtete sie. Mit dem Joch der Rinder kochte er das Fleisch und setzte es den Leuten zum Essen vor. Dann stand er auf, folgte Elija und trat in seinen Dienst.
In der ersten Lesung hören wir von der Berufung Elischas. Gott trägt Elija auf, Jehu zum König zu salben und Elischa zum Nachfolger zu machen.
Elischa pflügt gerade auf dem Feld mit zwölf Gespannen, als Elija ihm begegnet. Dann wirft Elija seinen Mantel über den Mann. Diese Geste ist allseits bekannt, weshalb Elischa sofort reagiert. Eigentlich ist das ein Hochzeitsgestus, bei dem der Bräutigam seinen Mantel um die Braut legt, um ihr zu signalisieren, dass er sie bereitwillig in sein Haus aufnimmt. Im Kontext von Prophetenschulen stellt dieser Gestus analog die willkommene Aufnahme in das Haus des Propheten dar. Entscheidend ist dabei die Ablösung von der eigenen Familie – sowohl für die Frau als auch für den Propheten.
Und dies erkennen wir in der heutigen Geschichte daran, dass Elischa zum Propheten sagt: „Lass mich noch meinen Vater und meiner Mutter den Abschiedskuss geben; dann werde ich dir folgen.“ Aus diesem Grund schlachtet er auch seine Rinder und gibt ein Abschiedsmahl für seine Familie. Er lässt von seinem Besitz nichts mehr zurück. Selbst das Joch, unter das die Rinder gespannt waren, verwendet er als Brennholz.
Nach Abschluss dieses ganzen Ablösungsprozesses tritt Elischa in Elijas Dienst.
An dieser Geschichte erkennen wir, was geistliche Berufung ist. Wenn der Mensch für einen solchen besonderen Dienst von Gott gerufen wird, dann kann er nicht mehr die gewohnten Bahnen gehen. Alles, was ihn an die Welt bindet, familiäre Beziehungen, Besitz, die Sorgen dieser Welt, lässt er zurück, um ein eschatologisches Leben zu führen – ein Leben mit fast zwei Beinen in der Ewigkeit.
Wir sehen in dieser Geschichte, dass Elija Elischa noch diesen Ablösungsprozess erlaubt. Doch in den Evangelien wird Jesus tatsächlich viel radikaler sein: „Folge mir nach! Lass die Toten ihre Toten begraben.“ Jesus wird seine Jünger noch an Ort und Stelle mitnehmen, um den Menschen zu signalisieren: Das Reich Gottes ist nahe, so nahe, dass es vor der Tür steht.
Ps 16
1 Ein Lied Davids. Behüte mich, Gott, denn bei dir habe ich mich geborgen!
2 Ich sagte zum HERRN: Mein Herr bist du, mein ganzes Glück bist du allein.
5 Der HERR ist mein Erbanteil, er reicht mir den Becher, du bist es, der mein Los hält.
7 Ich preise den HERRN, der mir Rat gibt, auch in Nächten hat mich mein Innerstes gemahnt.
8 Ich habe mir den HERRN beständig vor Augen gestellt, weil er zu meiner Rechten ist, wanke ich nicht.
9 Darum freut sich mein Herz und jubelt meine Ehre, auch mein Fleisch wird wohnen in Sicherheit.
11 Du lässt mich den Weg des Lebens erkennen. / Freude in Fülle vor deinem Angesicht, Wonnen in deiner Rechten für alle Zeit.
Als Antwort auf die Elijaerzählung beten wir einen vertrauensvollen Psalm. Er beginnt mit einer Bitte um Schutz. Gott schenkt Freude. Das wird durch das Bild des Bechers ausgedrückt. Der Psalmist drückt sein Vertrauen auf Gott aus, das er die ganze Zeit nicht verloren hat. Der Psalm ist von König David, von dem wir sehr viele Situationen kennenlernen. So oft stand sein Leben auf der Kippe, doch weil er sich dann ganz an Gott geklammert hat, hat dieser ihn auch aus den Nöten herausgeführt.
Auch Christus hat ein solches Vertrauensverhältnis zum Vater gezeigt. Er, dessen Leben komplett auf der Kippe stand, dessen Leben wie das eines Verbrechers weggeworfen wurde! Jesus hat bis zum letzten Atemzug dieses Vertrauen auf den Vater aufrechterhalten. Dieser war bis zum Schluss sein „ganzes Glück“. Elija fordert Elischa heraus, sein „ganzes Glück“ auf Gott zu setzen. Dieser nimmt die Herausforderung bereitwillig an und weil er alles gibt, wird er umso mehr zurückerhalten! Gott wird beide Männer behüten und sie werden sich im Laufe ihres Prophetendaseins ganz bei ihm geborgen wissen.
Gott ist Davids Erbanteil – er versteht, dass die ganze Verheißung des Landes und eines Lebens in Fülle von Gott kommt. Er ist es, der Freude schenken kann und das Los jedes Menschen in Händen hält (der Becher, vor allem der gefüllte, ist Zeichen der Freude). Und eben dies hat Christus intensiviert auf einem Niveau, an das kein Mensch heranreicht. Die Freude, die er auch noch am Kreuz nicht verliert (es meint keine Emotion, sondern eine tiefe Gewissheit, dass am Ende alles gut wird), ist ein absolutes Vorbild für alle Leidenden. Der Vater hat ihm den Becher gereicht – nach dem bitteren Kelch kam der Freudenwein, der bis heute gefüllt wird in jeder Heiligen Messe! Damit verbunden ist der Erbanteil für das Reich Gottes, der jedem getauften Christen zugeteilt wird. Der Wein wird auf vollkommene Weise ausgegossen am Ende der Zeiten, wenn die Hochzeit des Lammes kommt. Dann wird eine ewige Freude sein, die nie mehr enden wird! Auch Elija wird dies auf eine intensive Weise erfahren, wenn er direkt in die Ewigkeit entrückt wird.
Gott ist es auch, der dem Menschen Rat gibt. Er tut es durch das Innere des Menschen. Der Herr gibt es dem Menschen ins Herz, was er tun soll. Deshalb ist es wichtig, ein reines Herz zu behalten, stets im Stand der Gnade zu sein und ein geschärftes Gewissen zu haben (der Garant dafür ist das Sakrament der Versöhnung!). König David hat es selbst in den Nächten seines Lebens erfahren, das heißt vor allem im moralischen Sinne. Wenn er sich gegen Gott versündigt hat und die Konsequenzen seines Handelns zu spüren bekommen hat, hat er sich dennoch nicht aufgegeben und sich noch mehr an den Herrn geklammert. Dieser hat ihn von der Nacht wieder in den Tag geführt.
Und von Jesus wissen wir von der tiefsten Nacht. Diese hat er am Kreuz verspürt, auch wenn es keine moralische Nacht ist. Er ist selbst zur Sünde geworden, gemeint ist das Kreuz, doch selbst hat er nie gesündigt. Er ist in die Nacht des Todes hinabgestiegen, um am Ostermorgen mit dem Sonnenaufgang von den Toten aufzustehen!
David hat den HERRN beständig vor Augen, dieser ist zu seiner Rechten. Diese Worte weisen über ihn hinaus auf den Messias, der nun wirklich nach seinem Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt den Vater beständig vor Augen hat! Er ist zu seiner Rechten, wie wir im Glaubensbekenntnis beten.
Jesus ist der erste der neuen Schöpfung, der sich freuen kann, ewig beim Herrn zu sein. Ihm werden wir es gleichtun, wenn wir bis zum Schluss standhaft geblieben sind und von Gott heimgeholt werden in die himmlische Heimat. Dann wird auch unser Herz sich ewig freuen. Und am Ende der Zeiten wird auch mein und unser Fleisch in Sicherheit wohnen, wenn die Seele sich mit ihm wieder vereinen wird. Dann werden wir mit unserem ganzen Dasein bei Gott sein so wie Jesus und auch Maria, aber auch der entrückte Elija.
Gott lässt uns schon auf Erden den Weg des Lebens erkennen: Er tut dies bereits im Alten Testament durch die Torah und die Propheten, die den Menschen den Willen Gottes kundtun. Auf diese Weise wissen sie, wie sie leben müssen, um schon auf Erden ein Leben in Fülle zu haben und schließlich am Ende des Lebens zu Gott zu kommen. Dies hat Jesus erfüllt mit seiner ganzen Person, denn er hat die Torah mit göttlicher Autorität neu ausgelegt und von sich gesagt, dass er der Weg zum Vater ist. Er selbst ist der Weg des Lebens. Er selbst ist auch die Fülle vor unserem Angesicht! Wenn wir ihm treu nachfolgen, haben auch wir schon hier auf Erden Wonnen zu erwarten und am Ende die vollkommene Wonne des Himmelreichs.
Gal 5
1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Steht daher fest und lasst euch nicht wieder ein Joch der Knechtschaft auflegen!
13 Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!
14 Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!
15 Wenn ihr aber einander beißt und fresst, dann gebt Acht, dass ihr nicht einer vom anderen verschlungen werdet!
16 Ich sage aber: Wandelt im Geist, dann werdet ihr das Begehren des Fleisches nicht erfüllen!
17 Denn das Fleisch begehrt gegen den Geist, der Geist gegen das Fleisch, denn diese sind einander entgegengesetzt, damit ihr nicht tut, was ihr wollt.
18 Wenn ihr euch aber vom Geist führen lasst, dann steht ihr nicht unter dem Gesetz.
Als zweite Lesung hören wir eine sehr oft missverstandene und instrumentalisierte Lesung aus dem Galaterbrief. Darin richtet sich Paulus vor allem an Heidenchristen, also jene, die nicht beschnitten sind. Über den Konflikt zwischen ihnen und radikalen Judenchristen habe ich schon öfter geschrieben. Diese erwarten, dass die Heiden sich zunächst beschneiden lassen und die Torah halten, bevor sie sich taufen lassen. Sie sehen sich als die besseren Erlösten an, als ob ihre Beschneidung und das Halten der Torah der Erlösung Jesu Christi etwas hinzufügen und diese noch vervollkommnen könnte. Paulus stellt demgegenüber klar, dass alle Menschen gleichermaßen erlösungsbedürftig sind und die Taufe alle gleichermaßen erlöst. Kein Judenchrist ist durch seine Beschneidung im Vorteil. In unserem heutigen Abschnitt erklärt Paulus, welch befreiende Wirkung die Taufe hat. Dabei dürfen wir ihn nicht dahingehend missverstehen, als er ein negatives Verhältnis zu Geboten und zur Torah hätte. Selbstverständlich soll der getaufte Christ die Gebote Gottes halten! Der entscheidende Unterschied ist die Befreiung von der Knechtschaft:
Christus hat zur Freiheit befreit, weil der Mensch bisher dauerhaft aus dem Paradies verbannt war durch die Erbsünde. Er konnte noch so gut sein und sich anstrengen: Aus eigener Kraft konnte er sich keinen Platz bei Gott sichern. Alles, was er versuchte, um die Torah perfekt zu halten, gelang ihm nicht, da er nicht perfekt ist. Er war Knecht seiner eigenen Unvollkommenheit und Sünde. Jesus hat durch sein Blut die ganze Menschheit losgekauft von der Knechtschaft der Erbsünde. Er hat den Menschen einen Platz im Himmelreich erlangt, weil sie von Sklaven zu Kindern Gottes werden in der Taufe. Die Befreiung erfolgt auf zweierlei Weise: Wir werden von der Erbsünde befreit und in dieser Hinsicht von Sklaverei befreit – der Sklaverei der Sünde. Darüber hinaus hat er uns die heiligmachende Gnade geschenkt, mithilfe derer wir nun die Gebote Gottes befolgen sollen. Wir sind also auch von der Sklaverei unserer eigenen Unvollkommenheit befreit worden, indem wir die Gebote mithilfe Gottes selbst halten.
Wenn Paulus dazu auffordert, das Joch nicht erneut aufzulegen, deutet es die radikalen Juden an, die nun so tun, als ob sie nicht erlöst wären: Sie versuchen weiterhin, aus eigener Kraft die Rechtfertigung zu erlangen und nach dem Fleisch zu leben, wie Paulus es nennt. Sie leugnen die vollkommene Wirkung der Rechtfertigung Jesu Christi, indem sie meinen, die Erlösung durch Beschneidung und Torah zu „ergänzen“.
Bei Paulus bedeuten „Fleisch“ und „Geist“ nicht Seele und Leib des Menschen, sondern die erste, gefallene Schöpfung sowie die zweite Schöpfung aus dem hl. Geist. Wenn der Mensch getauft ist, soll er sich vom Geist leiten lassen, dementsprechend aus der Gnade leben, die ihm geschenkt ist, und nicht mehr aus eigener Kraft leben. Das Fleisch ist nämlich schwach. Auch wenn wir als Getaufte eine neue Schöpfung geworden sind, kämpft dieser alte Mensch, unser „Fleisch“ weiterhin in uns und will die Oberhand gewinnen. Wir neigen auch als Getaufte immer noch zum Bösen und sündigen. Wir sollen wachsam sein und dem „Fleisch“ keine Chance geben. Dafür ist uns die Gnade geschenkt, um den Versuchungen zu widerstehen. Wenn wir aber dem Geist nach leben, werden wir nicht unter dem Gesetz stehen. Damit meint Paulus die alte, negative Funktion der Torah als Anklägerin, die uns immer vor Augen führt, dass wir ihr nicht nachgekommen sind. Das bedeutet konkret, dass wenn wir als Getaufte weiterhin dem Fleisch nach leben und aus eigener Kraft versuchen die Gebote Gottes zu halten, stehen wir immer noch unter dem Gesetz. Wenn wir dem Geist nach leben, also mithilfe der Gnade Gottes die Gebote halten, leben wir unsere Berufung zur Freiheit. Paulus warnt vor einer Art Pelagianismus, einem Leben ohne den Beistand Gottes, das Ausdruck des menschlichen Hochmuts ist nach dem Motto „ich brauche Gott nicht, um gut zu sein“.
Lk 9
51 Es geschah aber: Als sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte, fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen.
52 Und er schickte Boten vor sich her. Diese gingen und kamen in ein Dorf der Samariter und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen.
53 Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war.
54 Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie verzehrt?
55 Da wandte er sich um und wies sie zurecht.
56 Und sie gingen in ein anderes Dorf.
57 Als sie auf dem Weg weiterzogen, sagte ein Mann zu Jesus: Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst.
58 Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.
59 Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben!
60 Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!
61 Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich Abschied nehmen von denen, die in meinem Hause sind.
62 Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Im Evangelium hören wir davon, wie Jesus mit seinen Jüngern unterwegs nach Jerusalem ist und in Samarien bei der Herbergssuche abgelehnt wird. Die Donnersöhne reagieren ihrem Spitznamen gemäß mit Rachegefühlen, doch Jesus weist sie zurecht. Er hat ihnen eigentlich erklärt, dass wenn man sie nicht hören will, einfach weiterziehen soll und den Staub als Zeugnis gegen die Ablehner von den Sandalen abschütteln soll. Dass die Juden und Samariter sich nicht besonders verstehen, hat historische Gründe. Das Nordreich Israel ist synkretistisch geworden und vom Judentum blieb nicht mehr viel übrig. Deshalb mieden die Juden des ehemaligen Südreichs Juda auch Samarien.
Welch Déjà vu! Es ist ein roter Faden des Lebens Jesu, bei der Herbergssuche abgelehnt zu werden. Es beginnt schon in Betlehem bei seinen Eltern und endet in Jerusalem, wo Jesus den Kreuzestod erleiden wird. Es ist wirklich so, wie Johannes in seinem Evangelium feierlich schreibt: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. (Joh 1,11) Nichts gehört ihm jemals, solange er auf Erden wandelt, weder der Stall, in dem er geboren wird, noch das Haus, in dem er aufwächst, noch das Grab Josefs von Arimatäa. Selbst die Kleider an seinem Leib entreißt man ihm und wirft das Los darüber.
Da kommt ein Mann zu ihm und möchte Jesus nachfolgen. Er möchte ihn dorthin begleiten, wohin Jesus geht. Dies nimmt Jesus zum Anlass, ihm und allen Umstehenden zu erklären, dass er keinen Ort in dieser Welt hat: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Das sagt er nicht nur deshalb, weil er keinen festen Wohnsitz hat und den Mann vorwarnen will. Jesus sagt dies auch, um angesichts des kommenden Lebensendes sein Leiden und die Ablehnung der Menschen anzudeuten. Wie bereits geschrieben bleibt Jesus nichts in dieser Welt, nicht einmal das Grab, in dem er eigentlich zur Ruhe kommen sollte. Sein Haupt wird aber auch nur kurze Zeit in das Troggrab gelegt, bevor der Herr von den Toten aufersteht. Und für uns Christen ist es ähnlich, die wir Christus nachfolgen: So wirklich zur Ruhe kommen wir in Gott. Unsere wahre Heimat ist im Himmel und auf Erden sind wir wirklich nur zu Gast. Es ist ein Durchgang, eine Pilgerreise ins himmlische Jerusalem, die wir als Kirche begehen. Unser Haupt können wir hinlegen in der Gegenwart Gottes. Alles, was wir hier erleben, was wir Heimat nennen, ist von einer Vorläufigkeit geprägt.
Es wird noch von einem anderen Fall berichtet, als nämlich Jesus von sich aus jemanden zur Nachfolge ruft und dieser Mensch zunächst seinen Vater bestatten möchte. Die Nachfolge Jesu ist radikaler als die Nachfolge Gottes im Alten Testament. Als Elischa als Nachfolger des Elija berufen wird, wird ihm gestattet, sich von seiner Familie zu verabschieden. Jesus möchte dagegen eine radikalere Nachfolge. Der Gerufene soll das Begräbnis den Toten überlassen. Er selbst aber soll das Reich Gottes verkünden. Wie ist das zu verstehen, „lass die Toten ihre Toten begraben?“ Dafür muss man erst einmal verstehen, wer die Toten sind: Es sind jene, die nicht das ewige Leben haben, die keine Hoffnung haben, die der ersten Schöpfung anhaften, die gefallen ist. Erst wer die Erlösung Jesu Christi annimmt, wird das ewige Leben erhalten, lebendig und nicht tot sein. Also sollen jene die Toten begraben, die nicht an das ewige Leben glauben. Zum Psalm erklärte ich bereits, dass erst mit der Zeit so etwas wie eine Auferstehungshoffnung entstand. Die Israeliten glaubten zunächst, dass mit dem Tod alles zuende gehe. Erst später kommt eine Auferstehungsvorstellung auf, die sich aber vor allem auf die Auferstehung am Ende der Zeiten bezieht. Jesus aber verkündet das Leben nach dem Tod schon vor dem Ende der Zeiten, denn er sagt, dass er die Auferstehung und das Leben ist. Wer ihm nachfolgt, entscheidet sich, ebenfalls lebendig zu sein.
Jesus möchte also von dem Mann, dass er sich von dem alten Leben absagt und nun an die Auferstehung glaubt. Auch ein dritter schaut bei seiner Berufung durch Jesus noch einmal zurück, weil er sich von seiner Familie verabschieden möchte wie Elischa damals. Doch Jesus sagt, dass wer eine Berufung hat, nicht noch einmal zurückschauen kann. Gemeint ist nicht, dass jene untauglich sind, die ihre Familien lieben. Vielmehr möchte Jesus damit sagen, dass wer das Reich Gottes angenommen hat, sich nicht nach dem alten, vielleicht sündhaften Leben zurücksehnen kann. Dann ist diese Person für die Verkündigung des Reiches Gottes nicht geeignet. Es benötigt ein radikal neues Leben. Das Pflügen ist ein typisches Bild für die Evangelisierung. Jesus verwendet es öfter, um den Menschen seine eigene Verkündigung sowie die seiner Jünger begreiflich zu machen.
Wir dürfen Jesus nicht missverstehen, genauso wenig wie bei den Aussagen über seine Familie. Jesus hasst familiäre Bindungen nicht. Er liebt seine Mutter und ehrt sie so sehr, dass er auch von uns möchte, dass wir sie als unsere Mutter ehren. Doch ausgehend von der biologischen Familie möchte er die Wichtigkeit der geistigen Familie erklären. Wie innig sind wir miteinander, wenn wir durch den Geist Gottes als Familie vereint sind! Wasser (des Hl. Geistes) ist dicker als Blut. Und auch mit der Berufung ist es so. Natürlich sollen wir unsere Familie lieben und unsere Eltern ehren. Das vierte Gebot besteht nach wie vor und Jesus möchte nicht ein einziges Iota davon wegnehmen! Doch wenn wir eine besondere Berufung zur Verkündigung des Reiches Gottes haben, eine geistliche Berufung, dann muss die geistliche Familie höher stehen als die biologische. Gott steht höher als die menschlichen Eltern. Wenn er einen besonderen Auftrag hat, soll der Mensch diesen erfüllen und darf menschliche Bindungen nicht höher stellen. Es geht also um die richtigen Prioritäten.
Die Menschen, die Jesus im Evangelium beruft, ruft er zu einem geistlichen Leben. Und wenn sie an ihrer Familie hängen, können sie nicht Geistliche sein. Zwischen „an jemandem hängen“ und „jemanden hassen“ liegen aber Welten.
Heute hören wir über den Ernst der Nachfolge: Gott fordert von jedem von uns, die wir durch die Taufe zur Heiligkeit berufen sind, zur Ganzhingabe auf. Warum? Die Taufe ist ein Bundesschluss und beim Bundesschluss geht es um die vollständige Selbstübereignung an Gott. Wenn wir unser Leben ganz Gott hingeben, ist das also die Einhaltung unseres Bundesversprechens. Auf besonders radikale Weise geschieht das bei geistlichen Berufungen: Die Berufenen verzichten sogar auf eine eigene Familie, um diese Verankerung in Gott durch den Lebensstand sichtbar werden zu lassen. Jüngerschaft ist eine große Herausforderung, da sie den ganzen Menschen fordert und Ablehnung sowie Heimatlosigkeit nicht ausschließt. Zugleich schenkt sie eine Freude ohnegleichen, wenn das Herz ganz bei Gott ist!
Ihre Magstrauss