Mi 6,1-4.6-8; Ps 50,5-6.8-9.16b-17.21 u. 23; Mt 12,38-42
Mi 6
1 Hört doch, was der HERR sagt: Auf, tritt an zum Rechtsstreit mit den Bergen, die Hügel sollen deine Stimme hören!
2 Hört, ihr Berge, den Rechtsstreit des HERRN und ihr beständigen Fundamente der Erde! Denn der HERR hat einen Rechtsstreit mit seinem Volk, er geht mit Israel ins Gericht:
3 Mein Volk, was habe ich dir getan und womit habe ich dich ermüdet? Antworte mir!
4 Fürwahr, ich habe dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt und dich freigekauft aus dem Sklavenhaus. Ich habe Mose vor dir hergesandt und Aaron und Mirjam.
6 Womit soll ich vor den HERRN treten, mich beugen vor dem Gott der Höhe? Soll ich mit Brandopfern vor ihn treten, mit einjährigen Kälbern?
7 Hat der HERR Gefallen an Tausenden von Widdern, an zehntausend Bächen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen hingeben für meine Vergehen, die Frucht meines Leibes für meine Sünde?
8 Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte lieben und achtsam mitgehen mit deinem Gott.
Heute hören wir wieder einen Ausschnitt aus dem Michabuch, das zu den zwölf kleinen Propheten gehört. Auch heute geht es dabei um ein Krisengespräch Gottes mit seiner untreuen Braut. Micha stellt dabei das Sprachrohr Gottes dar, indem er dessen Worte übermittelt und dabei mehrfach „Hört doch, was der HERR sagt“ zum Volk Gottes spricht.
Die Worte, die er hier kommuniziert, sind Gerichtsrede. Israel soll die Berge und Hügel als Zeugen zum Gerichtsprozess einladen. Und die Berge und Hügel sowie die „beständigen Fundamente der Erde“ sollen zuhören, weil Gott mit Israel ins Gericht geht.
Warum sollen ausgerechnet solche Teile der Schöpfung zuhören? Bei mehreren Propheten lesen wir, dass Berge und Hügel sich senken und Täler aufgefüllt werden sollen in Vorbereitung auf das Gericht Gottes. Auch Johannes der Täufer greift dies in seiner Bußpredigt auf, der ja unmittelbar vor dem Kommen des Messias predigt. Und nun spricht Gott Gerichtsworte zu seinem Volk, sodass diese Berge, Hügel und Täler es bezeugen.
„Mein Volk, was habe ich dir getan und womit habe ich dich ermüdet? Antworte mir!“ Gott konfrontiert seine Braut ganz direkt. Er möchte nicht um den heißen Brei herumreden. Er weiß genau, was das Volk denkt, wie seine Einstellung ist, was passiert ist. Und doch möchte er ihm Raum geben, für sich selbst zu sprechen.
Gott erinnert es an die Heilstaten, die er an ihm erwirkt hat, vor allem den Auszug aus Ägypten. Er hat bestimmte Menschen auserwählt, um das Volk ins gelobte Land zu führen. Doch das Volk ist offensichtlich undankbar, denn es hat diese Taten vergessen. Wäre dem nicht so, wäre es nicht von Gottes Wegen abgekommen.
Das Volk versucht dennoch, Gott zu gefallen. Es möchte vor ihn treten mit Opfern. Doch all das bringt nichts, denn Gott hat durch die Propheten immer wieder verdeutlicht: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“ Gott möchte, dass sein Volk die Gebote hält. Das macht es vor Gott gerecht. Was bringen die Opfer, wenn sie nicht aufrichtig sind? „Recht lieben“ bezieht sich auf das Halten der Gebote und vor allem das Einstehen für die Rechtlosen. Gott möchte, dass die Witwen und Waisen aufgefangen werden. Diese Art von Solidarität entspricht der Option Gottes für die Armen. „Güte lieben“ bezieht sich auf die Barmherzigkeit, in der sein Volk Gott nachahmen soll. Sie sollen nicht unverhältnismäßig strafen und rächen. Er hat nicht umsonst das Gebot „Auge für Auge und Zahn für Zahn“ gegeben. Es soll nur so viel zurückverlangt werden, wie geschädigt worden ist. Das ist in jener Zeit „Güte“. Erst mit Christus wird es weiter radikalisiert und zu einer Feindesliebe und absolutem Racheverzicht. Jesus möchte, dass sein Volk mit ihm gemeinsam geht. Sie stehen ja in einem gemeinsamen Bundesverhältnis. Doch das Volk hat sich ganz weit von ihm entfernt. Gott konfrontiert auch uns heute so direkt mit den Worten: „Was habe ich dir getan? Warum behandelst du mich so, obwohl ich dir alles geschenkt habe? Ich bin sogar für dich gestorben und was tust du?“ Er rührt immer wieder an unserem Gewissen, damit wir bereuen und umkehren. Dies dient letztendlich wieder unserem eigenen Seelenheil. Er möchte nicht, dass wir verloren gehen.
Ps 50
5 Versammelt mir all meine Frommen, die den Bund mit mir schließen beim Opfer!
6 Da taten die Himmel seine Gerechtigkeit kund; weil Gott selbst der Richter ist.
8 Nicht wegen deiner Opfer rüge ich dich, deine Brandopfer sind mir immer vor Augen.
9 Aus deinem Haus nehme ich keinen Stier an, keine Böcke aus deinen Hürden.
16 Was zählst du meine Gebote auf und führst meinen Bund in deinem Mund?
17 Dabei war Zucht dir verhasst, meine Worte warfst du hinter dich.
21 Das hast du getan und ich soll schweigen? Meinst du, ich bin wie du? Ich halte es dir vor Augen und rüge dich.
23 Wer Opfer des Dankes bringt, ehrt mich; wer den rechten Weg beachtet, den lasse ich das Heil Gottes schauen.
Der Psalm knüpft an die Gerichtsworte und Konfrontation Gottes gegen sein Volk an. Auch hier wird das Volk zum Gerichtsprozess versammelt. Es sollen jene herzutreten, „die den Bund mit“ Gott „schließen beim Opfer“, also seine Bündnispartner.
Auch im Psalm fungiert die Schöpfung als Zeugin des Gerichts, hier sind es die Himmel als Lebensraum Gottes.
„Nicht wegen deiner Opfer rüge ich dich, deine Brandopfer sind mir immer vor Augen.“ Wie bereits oben erwähnt Gott den Opferkult. Hier wird präzisiert, dass die Opfer an sich nicht abgeschafft werden sollen. Vielmehr möchte Gott, dass die Opfer wieder rein und aufrichtig sind.
Auch hier macht Gott Vorwürfe. Er tut das nie, um den Menschen fertig zu machen, sondern um ihn wachzurütteln. Er möchte, dass auch wir zu ihm zurückkehren, bevor es zu spät ist.
Deshalb sagt er ganz drastisch: „Aus deinem Haus nehme ich keinen Stier an, keine Böcke aus deinen Hürden.“ Opfer ist nicht gleich Opfer. Was er kritisiert, kritisiert auch die Äußerlichkeit esoterischer Angebote von heute, in denen ein wenig Meditation, Möbel umstellen oder Diät den „Stand der Gnade“ wiederherstellt ohne persönliche Umkehr. Das Volk Israel bringt Opfer dar, ohne gleichzeitig eine korrekte innere Haltung einzunehmen und einen bestimmten moralischen Lebenswandel aufzuweisen. Es versündigt sich gegen Gottes Gebote.
Es ist absolut aktuell, wenn wir es auf uns heute beziehen: Wie viele Menschen kommen zur Messe und empfangen sogar die Kommunion, obwohl sie die Gebote überhaupt gar nicht halten und seit über vierzig Jahren nicht mehr gebeichtet haben. Wir sind heute sogar schlimmer als die Israeliten damals, denn diese trugen die Worte und Gebote Gottes noch in ihrem Mund. Sie haben sie noch aufgezählt und thematisiert, aber nicht gehalten. In unserer heutigen Zeit werden die Gebote nicht einmal mehr thematisiert. Sie werden einfach ganz fallen gelassen.
„Das hast du getan und ich soll schweigen?“ Gott kann es nicht ignorieren, weil er seine Kinder auf einen riesigen Abgrund zulaufen sieht. Er möchte nicht, dass seine Kinder verloren gehen. Er hält es ihnen vor Augen, damit sie es selbst erkennen und umkehren. So ist es auch heute: Gott kritisiert auch unsere Vergehen und unsere Gottlosigkeit, unseren Unglauben selbst innerhalb der Kirche. Er tut das nicht, weil ihm langweilig ist, sondern er möchte uns vor dem Verderben bewahren! Wir steuern mit hoher Geschwindigkeit dem ewigen Tod zu. Das möchte Gott verhindern.
„Wer Opfer des Dankes bringt, ehrt mich“ ist die richtige Haltung bei der Opferung. So sollen die Israeliten opfern, so sollen auch wir opfern! Nichts Anderes ist ja die Eucharistie, die „Danksagung“ heißt. Wenn wir ein Opfer des Dankes bringen – und damit ist nicht nur die äußerlich korrekte Form gemeint, sondern vor allem unsere Haltung, mit der wir der Hl. Messe beiwohnen! – dann ist es ein gottgefälliges Opfer, das er auch annimmt.
Zugleich können wir nicht einfach nur zur Messe gehen und dann zuhause machen, was wir wollen. Auch unser alltägliches Leben soll nach seinem Willen ausgerichtet sein. Dann werden wir am Ende unseres Lebens das Heil schauen, wenn wir nämlich Gott von Angesicht zu Angesicht schauen werden. Zucht darf uns nicht verhasst sein, wenn wir ein gutes Verhältnis zu Gott haben wollen.
Mt 12
38 Darauf wandten sich einige Schriftgelehrte und Pharisäer an ihn: Meister, wir möchten von dir ein Zeichen sehen.
39 Er antwortete ihnen: Diese böse und treulose Generation fordert ein Zeichen, aber es wird ihr kein Zeichen gegeben werden außer das Zeichen des Propheten Jona.
40 Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein.
41 Die Männer von Ninive werden beim Gericht mit dieser Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie sind auf die Botschaft des Jona hin umgekehrt. Und siehe, hier ist mehr als Jona.
42 Die Königin des Südens wird beim Gericht gegen diese Generation auftreten und sie verurteilen; denn sie kam vom Ende der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.
Im Evangelium fordern heute die Pharisäer und Schriftgelehrten ein Zeichen von Jesus. Sie tun das, weil sie ihm nicht glauben. Jesus sieht ihren Unglauben und ihre Provokation. Er erkennt, dass hinter ihnen eigentlich der Satan steht, der wie damals in der Wüste seine Göttlichkeit aus ihm herauskitzeln will. Gott ist Mensch geworden in Jesus Christus und nimmt seine Göttlichkeit nicht in Anspruch, um das Erlösungswerk zu vollbringen. Wenn Jesus nun gegen den Willen des Vaters diese Göttlichkeit zur Schau stellt, ist alles vorbei. Es ist also ein Stellen Gottes auf die Probe.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten behaupten, nur dann zu glauben, wenn Jesus sich als Gott offenbart. Das wird immer wieder passieren, auch noch am Kreuz, wenn die Hohepriester zu Jesus höhnisch sagen werden: „Wenn du der Messias bist, steig herab vom Kreuz und hilf dir selbst!“ So ist die Generation wahrlich böse, denn sie entscheidet sich eher dafür, sich vom Bösen leiten zu lassen, als ihr Herz für das Heil Gottes zu öffnen.
Das Zeichen des Jona, das Jesus hier andeutet, ist das Zeichen der Gerichtsankündigung. Die Menschen werden es erkannt haben, denn sie kannten den Propheten Jona. Das Zeichen des Jona heißt also Ankündigung von Unheil, aber es bedeutet zugleich – „kehrt um! Noch ist die Zeit dazu da!“ Das ist ja der Kern der gesamten Verkündigung Jesu. Die Umkehr und der Glaube an das Evangelium.
Jesus erklärt es noch genauer: Er selbst, seine Person wird zum Zeichen für seine Generation, so wie Jona Zeichen für die Bewohner Ninives war.
Er kündigt sein Ruhen im Schoß der Erde an, wenn er drei Tage tot ist. Zugleich sagt er von sich selbst, dass er mehr als der Prophet Jona ist.
Bemerkenswert ist auch, dass Jesus sich als Antitypos und Steigerung Salomos betrachtet, wenn er nun über die Umsetzung des Gerichts spricht. Als Zeugin sagt die Königin von Saba aus, die von weit hergekommen ist, die Weisheit Salomos zu sehen. Die zu verurteilende Generation ist Nachfolgerin der Stämme Israels zur Zeit des Salomo und Jesus kritisiert nun, was aus dieser Weisheit geworden ist, ja noch viel mehr: Er selbst ist mehr als Salomo, denn er hat die göttliche Weisheit in Fülle! Er hat den Menschen wie ein Sämann diese Weisheit ausgestreut, doch was ist von dieser Weisheit fruchtbar geworden? Die Königin von Saba wird mit ihrem Finger auf die fehlenden Früchte zeigen!
Auch die Männer von Ninive werden als Zeugen gegen die Generation Jesu aussagen, denn sie haben sich bei den Worten eines Menschen und Propheten namens Jona ganz bekehrt, die zu verurteilende Generation hatte mehr als nur einen Propheten – Gott selbst ist Mensch geworden, um die Menschen zur Umkehr aufzurufen, doch sie haben sich nicht bekehrt. Die Generation hat die Zeit der Gnade nicht erkannt.
Und wie könnte unser Gerichtsprozess aussehen? Welche Zeugen werden gegen uns aussagen? Werden es unsere Eltern sein, die uns immer und immer wieder davor gewarnt haben, bestimmte Sünden zu begehen? Werden es Geistliche sein, die deutlich gepredigt, die bei der Katechese nichts ausgelassen, die uns alles genauestens erklärt und die wir ignoriert haben? Freunde, die uns gewarnt haben? Dann werden auch wir uns nicht verstecken können, denn Gott hat uns durch so viele Menschen, Ereignisse etc. zur Umkehr aufgerufen. All das sagt Jesus auch uns heute. Er möchte, dass wir noch heute umkehren, dass wir mit derselben Haltung Buße tun wie die Bewohner Ninives und wie König David. Die Entscheidung liegt bei uns: Wollen wir wie die Bewohner von Ninive sein oder wie die böse Generation Jesu? Eines ist sicher: Keiner kann von sich aus sagen, er oder sie habe Umkehr nicht nötig. Bitten wir tagtäglich den Herrn um Vergebung für unsere Unzulänglichkeit. Er möchte uns seine Barmherzigkeit schenken, nehmen wir sie in Anspruch.
Ihre Magstrauss