Jer 15,10.16-21; Ps 59,2-3.4-5a.10-11.17; Mt 13,44-46
Jer 15
10 Weh mir, meine Mutter, dass du mich geboren hast, einen Mann, der mit aller Welt in Zank und Streit liegt. Ich bin niemands Gläubiger und niemands Schuldner und doch fluchen mir alle.
16 Fanden sich Worte von dir, so verschlang ich sie; dein Wort wurde mir zum Glück und zur Freude meines Herzens; denn dein Name ist über mir ausgerufen, HERR, Gott der Heerscharen.
17 Nie saß ich im Kreis der Lustigen und nicht war ich fröhlich; unter der Macht deiner Hand sitze ich einsam; denn du hast mich mit Groll angefüllt.
18 Warum dauert mein Leiden ewig und ist meine Wunde so bösartig, dass sie nicht heilen will? Wahrlich, wie ein versiegender Bach bist du mir geworden, ein unzuverlässiges Wasser.
19 Darum – so spricht der HERR: Wenn du umkehrst, lasse ich dich umkehren und wieder vor mir stehen. Wenn du Edles hervorbringst und nicht Gemeines, darfst du wieder mein Mund sein. Jene werden umkehren zu dir, du aber kehre dich ihnen nicht zu!
20 Dann mache ich dich für dieses Volk zur bronzenen, festen Mauer. Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dir zu helfen und dich zu retten – Spruch des HERRN.
21 Ja, ich rette dich aus der Hand der Bösen, ich befreie dich aus der Faust der Tyrannen.
In der Lesung hören wir heute aus der zweiten Konfession Jeremias. Dabei handelt es sich um Texte des Propheten, in denen er seine Berufung zum Unheilspropheten beklagt. Er hat eine ganz schön undankbare Aufgabe und wird dafür stets angefeindet. Jeremia neigt insgesamt zum Pessimismus. Wenn er auf Widerstände trifft, klagt er sehr drastisch und hat auch große Selbstzweifel Gott gegenüber geäußert, als dieser ihn berufen hat.
Jeremia ist sehr dramatisch, wenn er bereut, von seiner Mutter geboren worden zu sein. Denn wäre er nicht in die Welt gekommen, hätte die Welt einen Feind weniger, den unbeliebten Propheten, der stets das Gericht Gottes ankündigt. Den will keiner hören. Obwohl er kein Gläubiger oder Schuldner von Beruf ist, fluchen alle über ihn. Und doch tröstet und erfreut es den Propheten, wenn Gott mit ihm kommuniziert. Er ist sein einziger Halt in seinem Leben. Freude erfährt er nämlich nicht bei den Menschen. Er ist ein Außenseiter, weil er an der Feierlaune der Welt keinen Anteil hat. Er ist isoliert und voller Groll.
Er klagt über das Leiden, das er stets ertragen muss – allein wegen seiner unbeliebten Rolle als Unheilsprophet. Er beklagt sich bei Gott darüber, dass dieser ihm nie zuverlässig Heilung schenkt – gemeint ist, dass Gott ihn nicht „in Ruhe lässt“, sondern immer wieder in Konfrontationen mit der Welt schickt, sodass Jeremia mindestens beschimpft und verspottet wird. In dieser Hinsicht ist Gott „ein unzuverlässiges Wasser“. Jeremia weiß nie, wann Gott ihn wieder losschickt.
Gott hat Geduld mit seinem Propheten und an Jeremia erkennen wir, dass Gott nicht die Perfekten beruft. Der Pessimismus ist seine Schwäche und doch möchte Gott ihn weiterhin als sein Sprachrohr gebrauchen. Gott antwortet ihm auf seine Klagen und versichert ihm, dass er weiterhin seine Berufung leben darf, wenn er zu Gott umkehrt. Er soll von den Zweifeln und Klagen zu Gott umkehren und ihm wieder ganz vertrauen. Wenn Jeremia seinen Pessimismus und die zynische Haltung ablegt, darf er wieder Sprachrohr sein. Dann wird seine Verkündigung bei den Menschen eine Wirkung zeigen, er aber soll sich nicht der Welt zuwenden. Er soll nicht weltlich werden und dieser Versuchung erliegen.
Gott spricht dem Propheten seinen Beistand zu. Er wird ihn zur „bronzenen, festen Mauer“ machen, die auch durch die Angriffe der Mitmenschen nicht einstürzen wird. Auch wenn er ab und zu getroffen werden sollte, wird Gott nicht zulassen, dass sie ihn zerstören. Er steht ihm bei. So ist es mit Gott: Wenn wir eine schwere Aufgabe von ihm bekommen und unter der Ablehnung der Welt zu leiden haben, nimmt er uns das Leiden nicht, sondern verleiht uns Kraft, es zu ertragen. Er trägt uns hindurch und beschenkt uns zugleich mit seinen reichen Gnaden.
Und Jeremia muss keine Angst haben. Gott rettet ihn aus der Hand des Bösen. Gott redet dem Propheten gut zu, damit er nicht verzweifelt und an seinem Pessimismus zugrunde geht. Es ist wirklich deutlich, dass in der gesamten Hl. Schrift Gott auf die ganz unterschiedlichen Menschen eingeht und sie ihren Schwächen nicht überlässt. Ich denke z.B. an den barmherzigen Vater, der nicht nur für seinen verlorenen Sohn ein Fest veranstaltet, sondern auch herauskommt und sich seines älteren Sohnes annimmt. Ich denke an Jesus, der auf den zweifelnden Thomas eingeht und ihm die Wunden zeigt. Gott möchte alle Menschen in sein Herz schließen und geht dabei mit ganz viel Fingerspitzengefühl vor.
Ps 59
2 Entreiß mich meinen Feinden, mein Gott, beschütze mich vor meinen Gegnern!
3 Entreiß mich denen, die Unrecht tun, vor blutgierigen Männern rette mich!
4 Denn siehe: Sie lauerten mir auf, Mächtige greifen mich an. An mir, HERR, ist kein Frevel und keine Sünde.
5 Ich bin ohne Schuld.
10 Meine Stärke, an dich will ich mich halten, denn Gott ist meine schützende Burg.
11 Mein huldreicher Gott kommt mir entgegen; Gott lässt mich herabsehen auf meine Gegner.
17 Ich aber will deine Stärke besingen, über deine Huld jubeln am Morgen, denn du wurdest mir zur schützenden Burg, eine Zuflucht am Tag meiner Bedrängnis.
Als Antwort auf die Konfession Jeremias beten wir einen Klagepsalm Davids. Er ist durchzogen von Bitten und Klagen gegen den Feind. In dieser Hinsicht ist es zu vergleichen mit Jeremias Beschwerden.
„Entreiß mich meinen Feinden, mein Gott, beschütze mich vor meinen Gegnern!“ David hat viele Kriege geführt und musste von jeder Himmelsrichtung her gegen die Feinde ankommen. Er hat immer wieder Anlass zu dieser Bitte gehabt. Und auch in der Klagesituation hält er an Gott fest und nennt ihn „mein Gott“. Er sucht seine Nähe und klammert sich ganz an ihn.
Das ist aber auch, was Jesus gebetet hat, als er ständig vom Teufel versucht worden ist, damit er die Welt nicht erlöse. Und so wie er vertrauensvoll gebetet hat, so hat er auch uns gelehrt: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Und immer wieder ergeht an uns der Ruf: „Bete, wenn du in Versuchung geführt wirst!“ Jesus hat die Hl. Schrift zitiert. Das ist ein guter Weg, gegen die Versuchungen des Bösen anzukommen. Diese Kriege stellen den eigentlichen Kampf des Menschen dar. Und als Jesus die größte Versuchung erfährt – nämlich die Gottverlassenheit am Kreuz -, da ruft auch er „mein Gott, mein Gott“. So wie David hält er in der Situation absoluter Dunkelheit an seinem Vater fest und sucht seine Nähe. Er bleibt mit ihm im „Gespräch“, anstatt die Beziehung zu ihm aufzugeben.
„Entreiß mich denen, die Unrecht tun, vor blutgierigen Männern rette mich!“ Das ist eine deutliche Bitte des Königs und Feldherrn David gegen den Blutrausch seiner Feinde. Gott soll diese abwehren, denn sie wollen Gottes auserwähltes Volk angreifen. Es ist aber auch an die Momente aus dem Leben Davids zu denken, in denen König Saul ihm nach dem Leben trachtete oder sein eigener Sohn Abschalom ihn umbringen wollte.
„Denn siehe: Sie lauerten mir auf, Mächtige greifen mich an.“ Auch dies deutet auf die hinterhältigen Tötungsabsichten Sauls und Abschaloms hin. David stellt Gott gegenüber aber klar, dass ihn keine Schuld trifft und sie ihn trotz seiner Unschuld umbringen wollen.
Gott ist seine Stärke, die er trotz eigener Notsituation besingen möchte. Ab Vers 17 bemerken wir den für Klagepsalmen typischen Stimmungsumschwung. David kann „jubeln am Morgen“, denn Gott wurde ihm „zur schützenden Burg, eine Zuflucht“. Gott lässt seinen geliebten König nicht im Stich, sondern hilft ihm in jeder Schlacht, den Krieg zu gewinnen. Er lässt ihn auch am Leben, als er von Saul und Abschalom verfolgt wird. Am Ende überlebt er alles und kommt davon. Gott hat mit ihm noch einiges vor und darin ist David Jeremia sehr ähnlich. So wie dieser muss David Verfolgung und Bedrängnis erleiden, doch Gott lässt nicht zu, dass beide getötet werden. Sie sind seine wunderbaren Werkzeuge und Gott möchte durch sie das Heil in der Welt bewirken.
Mt 13
44 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn und grub ihn wieder ein. Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker.
45 Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte.
46 Als er eine besonders wertvolle Perle fand, ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte sie.
Als Evangelium hören wir heute mehrere Gleichnisse, die die Kostbarkeit des Reiches Gottes umschreiben. Diese Episode aus dem Matthäusevangelium findet sich nur dort, es gibt keine Parallele bei Mk oder Lk, die sonst viele Übereinstimmungen nachweisen.
Das Reich Gottes ist wie ein Schatz, der in einem Acker vergraben ist. Das sagt uns erstens, dass es verborgen ist. Zweitens muss es entdeckt werden. Wenn es entdeckt wird, erfüllt es den Finder mit Freude. Er verkauft alles, um sich den Acker mit dem vergrabenen Schatz leisten zu können. Auf das Reich Gottes angewandt bedeutet es, dass der Mensch, der es gefunden hat, den ganzen Besitz, alles Irdische, alles Vorübergehende abgibt, nur um dieses höhere Gut zu erhalten. Jesus erklärt es den Menschen immer wieder: Wer reich ist, hat es schwer, in das Reich Gottes zu gelangen. Das Problem ist nicht der Reichtum an sich, sondern die Bindung daran. Wer aber alles verkauft oder verschenkt, wird frei für den himmlischen Reichtum. Uns sagt dieses erste Gleichnis bereits, dass wer das Reich Gottes gefunden hat, eine Lebenswende durchmacht. Für den kehren sich die Prioritäten komplett um. Die irdischen Güter verlieren mit einem Mal an Bedeutung.
Wenn Jesus etwas Wichtiges erklärt, greift er immer mehrere Bilder auf, damit es die Menschen wirklich begreifen. So greift er nun das Bild von einem Kaufmann auf, der eine wertvolle Perle findet. Er verkauft alles, um sich diese eine wertvolle Perle leisten zu können. Dieses Gleichnis sagt dasselbe aus wie das erste: Der Mensch findet das Reich Gottes und verkauft dafür alles. So kostbar ist es. Jesus vergleicht das Reich Gottes öfter mit einer Perle, auch wenn er von den Perlen spricht, die nicht vor die Säue geworfen werden sollen.
Wir hören heute viel vom Reich Gottes und dessen Schönheit, die leider nicht von allen Menschen erkannt wird. Weil dem so ist, müssen jene vieles erleiden, die versuchen, den Menschen die Augen zu öffnen. Jeremia sowie David müssen viel durchstehen, weil sie zwar in der Liebe Gottes wandeln, die anderen Menschen aber nichts davon hören wollen. Solange der Mensch auf Erden ist, kämpft er einen Kampf gegen sein eigenes Ego und seine schlechten Gewohnheiten wie den Pessimismus bei Jeremia, gegen die Welt mit ihren Verlockungen und gegen den Bösen, der ihn ganz von Gott wegziehen will. Wahren Frieden und ewige Ruhe finden wir erst bei Gott, wenn wir die Schlacht gewonnen haben.
Ihre Magstrauss