26. Sonntag im Jahreskreis (C)

Am 6,1a.4-7; Ps 146,6-7.8-9b.9c-10; 1 Tim 6,11-16; Lk 16,19-31

Am 6
1 Weh den Sorglosen auf dem Zion / und den Selbstsicheren auf dem Berg von Samaria.
4 Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein / und faulenzt auf euren Polstern. Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde / und Mastkälber aus dem Stall.
5 Ihr grölt zum Klang der Harfe, / ihr wollt Musikinstrumente erfinden wie David.
6 Ihr trinkt den Wein aus Opferschalen, / ihr salbt euch mit feinsten Ölen, / aber über den Untergang Josefs sorgt ihr euch nicht.
7 Darum müssen sie jetzt in die Verbannung, allen Verbannten voran. / Das Fest der Faulenzer ist vorbei.

In der ersten Lesung dieses Sonntags hören wir wieder einen sehr kritischen Text aus dem Propheten Amos. Es geht um Weherufe gegen die Hauptstadt. Israel ist zu jener Zeit bereits geteilt, sodass sowohl Jerusalem als auch Samaria angesprochen werden. Die Kritik richtet sich gegen die Vornehmen, also die reiche Oberschicht. Die Angesprochenen liegen auf elfenbeinenen Betten und hängen nur herum, feiern den ganzen Tag und schlagen sich die Bäuche mit Fleisch voll. Sie betrinken sich und wähnen sich in Sicherheit. Ihr Lebensstil offenbart eine Sorglosigkeit ohnegleichen. Deshalb wird das Kommende für sie eine böse Überraschung sein, wenn „Josef“ untergeht. Damit ist eine seltene Umschreibung des Nordreichs Israel gemeint. Normalerweise wird als Code „Efraim“ genannt, aber auch im Buch Ezechiel findet sich die Umschreibung „Josef“. Die kommenden Wirren und die Verbannung nach Assur werden hier angekündigt als Ende des „Fests der Faulenzer“.
Diese sehr kritische Lesung hat einen aktuellen Wert. Was hier auf politischer Ebene beschrieben wird, ist auf geistlicher Ebene bereits im Alten Testament oft passiert: Noah hat die Menschen gewarnt, aber sie haben weiterhin gefeiert, geheiratet und sich um ihr eigenes Leben geschert. Dann kam die böse Überraschung mit den einsetzenden Regenfällen. Und wie sah es mit Sodom und Gomorrha aus? Diese Städte sind zerstört worden, aber die Bewohner wurden zuvor zur Umkehr gerufen. Sie haben sich nichts draus gemacht und ihren orgiastischen Lebensstil weitergeführt. Die Jerusalemer wird dasselbe Schicksal ein Jahrhundert später als das Nordreich ereilen, wenn sie von anderen Propheten wie Jeremia eindringlich gewarnt werden und doch an ihren Sünden festhalten werden. Auch sie werden dann eine böse Überraschung erleben.
Wir können diese Dinge auf moralischer Ebene weiterführen. Gott warnt uns auf unserem Weg der Sünde auf verschiedene Weise, wesentlich aber durch Mitmenschen. Und wenn wir dann unser Leben verprassen, werden wir irgendwann die böse Überraschung erleben. Das geschieht durchaus schon in diesem Leben, wenn wir bereits die ersten Früchte unserer Sünde ernten: kein Segen, Streit, leidende Mitmenschen, Verlust von Freundschaft und Einsamkeit. Die Sünde macht den Menschen immer unglücklich. Ein verstocktes Herz kann keine guten Früchte hervorbringen, sodass es zu bösen Überraschungen schon in diesem Leben kommt.
Im anagogischen Sinne ist das besonders drastisch, denn wenn wir dieses Leben verschwenden und in Bosheit verbringen, werden wir eine sehr böse Überraschung im Angesicht Gottes erleben. Unsere vermeintliche Sicherheit wird sich als unser Todesurteil herausstellen und wir werden auf ewig von Gott abgeschnitten leben müssen. Das ist sehr heftig. Deshalb erklingen schon in diesem Leben die Umkehrrufe und der Herr versucht den Menschen vor allem durch sein Gewissen anzurühren, bevor es zu spät ist. Die anagogische Lesart ist eine wesentliche, wenn wir die weiteren Lesungen hören. Deshalb sind auch das Festmahl sowie der Alkoholrausch wichtige Stichpunkte. Jesus ruft in seinen Endzeitreden immer wieder zur Wachsamkeit auf. Der gefährliche Rausch ist vor allem der Weltenrausch, vor dem Jesus warnt und der den Menschen in eine Betäubung führt, durch die er die Gefahren nicht mehr erkennt. Wir sehen also anagogisch nicht nur die Biographie des Einzelnen, die in die Ewigkeit mündet, sondern auch die ganze Menschheitsgeschichte: Wenn die Menschen weiter so leben in einer vermeintlichen Sicherheit und der Illusion anhaften, dass sie keinen Gott brauchen, werden sie am Ende der Zeiten ein blaues Wunder erleben. Dann wird die ganze Welt gerichtet werden und dann wird es kein Entkommen mehr geben. Wir sollen uns nach Kräften um das Himmelreich bemühen und keine Faulenzer sein. Wer auf Erden feiert, verpasst die endzeitliche Hochzeit des Lammes. Für den ist die Feier bereits ausgeträumt. Wer das Timing verpasst, wird auf ewig darunter leiden müssen.

Ps 146
6 Er ist es, der Himmel und Erde erschafft, das Meer und alles, was in ihm ist. Er hält die Treue auf ewig. 
7 Recht schafft er den Unterdrückten, Brot gibt er den Hungernden, der HERR befreit die Gefangenen. 
8 Der HERR öffnet die Augen der Blinden, der HERR richtet auf die Gebeugten, der HERR liebt die Gerechten. 
9 Der HERR beschützt die Fremden, er hilft auf den Waisen und Witwen, doch den Weg der Frevler krümmt er. 
10 Der HERR ist König auf ewig, dein Gott, Zion, durch alle Geschlechter. Halleluja!

Der Psalm ist ein Lobpreis-Psalm, der das sogenannte Kleine Hallel einleitet. Für diese Psalmengruppe ist bezeichnend, dass die Psalmen durch Hallelujarufe eingerahmt werden. So beginnt der Psalm mit dem Hallelujaruf, was wir allerdings nicht mitbekommen. Unser heutiger Abschnitt ist erst ab Vers 6 entnommen. Das Thema lautet „Preislied an Gott, den Helfer der Armen“. Es passt in der Hinsicht als Antwort zur gehörten Amoslesung, weil die Reichen und Faulenzer ihr gerechtes Urteil erlangen werden. Die Armen können hoffen, weil Gott gerecht ist und sie nicht übersehen wird. In diese Richtung ging ja bereits der Psalm in der letzten Woche.
Gott ist der Schöpfer des ganzen Universums. Er ist es, „der Himmel und Erde erschafft, das Meer und alles, was in ihm ist.“ Die Aufteilung in Himmel, Erde und Meer ist typisch für lobpreisende Texte. Während die ersten beiden Begriffe eine vertikale Aufteilung der Erde vornehmen, handelt es sich bei dem Begriffspaar „Erde-Meer“ um eine horizontale Gliederung.
Gott ist nicht nur der Schöpfer, sondern auch der gerechte Richter, der schon zu Lebzeiten eingreift, um das Unrecht auszumerzen. Er ist es, der die Schöpfung auf diese Weise erhält. Er kümmert sich um die Unterdrückten, nährt die Geschöpfe und befreit die Gefangenen. Das können wir auf wörtliche Weise verstehen, aber auch im übertragenen Sinne. Er ist es, der die Menschen auch übernatürlich nährt durch die Heilsmittel der Kirche, durch den Hl. Geist, durch die Taufgnade, die jedem Christen eingegossen worden ist. Er befreit auch jene, die entweder psychisch gefangen sind oder eine seelische Belastung erleiden durch Be- oder Umsessenheit. Die vielen Exorzismen Jesu sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Es ist aber auch allegorisch weiterzudenken. Dann ist es die Befreiung aus dem Exil Adams und Evas außerhalb des Paradieses, also die Befreiung von dem Fluch der Erbsünde dank Jesu Erlösungstat. Es meint auch die Befreiung aus dem Zustand der Sünde zurück in den Stand der Gnade durch das Beichtsakrament und es meint nach dem Tod das Eingehen in das himmlische Jerusalem und die Befreiung von den Leiden des irdischen Daseins. Am Ende der Zeiten sogar die Befreiung vom Tod, wenn Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird.
Zu Jesu Heilstaten gehört auch, dass Blinde wieder sehen (Vers 8). Jesus als erwarteter Messias hat die von Jesaja angekündigten Heilstaten vollbracht. Gott kümmert sich wirklich um seine Geschöpfe. Er heilt auch die soziale Ebene des Menschen: Er hilft Witwen und Waisen auf, die im Alten Israel nämlich rechtlos waren. Er beschützt die Fremden, die keinen Schutz genossen.
Wenn es dann heißt: „Der HERR ist König auf ewig“, dann ist das absolut tröstlich. Wir können uns freuen, dass Gottes Gerechtigkeit über alles siegen wird. Gott herrscht schon längst, aber seine Herrschaft wird noch offenbar werden.

1 Tim 6
11 Du aber, ein Mann Gottes, flieh vor alldem! Strebe vielmehr nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut!

12 Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist und für das du vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis abgelegt hast!
13 Ich gebiete dir bei Gott, von dem alles Leben kommt, und bei Christus Jesus, der vor Pontius Pilatus das gute Bekenntnis abgelegt hat und als Zeuge dafür eingetreten ist:
14 Erfülle deinen Auftrag rein und ohne Tadel, bis zum Erscheinen Jesu Christi, unseres Herrn,
15 das zur vorherbestimmten Zeit herbeiführen wird der selige und einzige Herrscher, der König der Könige und Herr der Herren,
16 der allein die Unsterblichkeit besitzt, der in unzugänglichem Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat noch je zu sehen vermag: Ihm gebührt Ehre und ewige Macht. Amen.

Als zweite Lesung hören wir aus dem letzten Kapitel des ersten Timotheusbriefs einen Abschnitt als Lesung. Paulus warnt Timotheus vor Irrlehren und appelliert beim Angesprochenen darum, den Menschen ein Vorbild zu sein. Er soll nach den Tugenden streben wie Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut. Er soll immer in Kampfposition gehen, das heißt stets wachsam sein und die Angriffe des Bösen erkennen. Das ist mit dem „guten Kampf“ gemeint. Es ist ein geistiger Kampf zwischen den Mächten der Finsternis und den Kindern des Lichts. Timotheus soll alles tun, um das ewige Leben zu gewinnen, das er bekannt hat und auf das hin er ja getauft ist. Deshalb ist er dazu berufen – so wie wir alle. Das ist ein ganz anderes Konzept als das Wähnen in Sicherheit, das Feiern, Faulenzen und sich Betrinken im Buch Amos.
Timotheus soll bis zur Wiederkunft Christi die Aufgaben als Geweihter erfüllen, die Sakramente spenden, die Gemeinde weiter aufbauen und leiten. Er soll sich von Herzen bemühen und tadellos sein. Die geweihten Amtsträger haben eine große Verantwortung. Von ihnen erwartet Gott noch mehr als von den anderen. Er ist noch viel strenger mit denen, die er mit seinen geistlichen Vollmachten ausgestattet hat.
Die Wiederkunft Christi hat einen ganz bestimmten Zeitpunkt, den Gott entscheidet, doch welcher das ist, weiß keiner. Wir können das Datum nicht berechnen und Gott hat es uns auch nicht offenbart. Jesus hat jedoch gesagt, dass wir es an den Vorzeichen erkennen werden, dass dieser Zeitpunkt herannaht.
Die Verse 15 und 16 sind hymnisch formuliert. Diese Art von Abschnitt, der wie ein pathetisches Gebet wirkt und mit einem Amen abgeschlossen wird, nennt sich Bekenntnisformel. Christus wird bekannt mithilfe von vielen theologischen Bekenntnissen als Anrufe: Jesus wird als der „selige und einzige Herrscher“ bezeichnet. Es gibt nur diesen einen. Zum Vater gibt es nur einen einzigen Weg und das ist Christus. Keiner ist vom Vater gesalbt außer er. Vor ihm werden sich alle niederknien und bekennen „Jesus Christus ist der Herr“, vor keinem sonst. Die Herrscher dieser Welt werden ihre Kronen vor ihm ablegen, weil er der „König der Könige und Herr der Herren“ ist. Jesus allein besitzt Unsterblichkeit, es muss eine Unsterblichkeit meinen, die unsere übersteigt, denn schon die Kirchenväter schreiben über diese Stelle – wenn allein Jesus unsterblich ist, was ist dann unsere Seele? Die ist doch auch unsterblich? Christus ist derjenige, der ganz mit Leib und Seele bei Gott ist. Das erwartet uns erst noch, nämlich wenn das Weltende kommt. Christus hat zudem die Unsterblichkeit auf die Weise, dass diese nicht zerstörbar ist. Er ist Gott und Gott ist ein Gott des Lebens. Er ist ohne Sünde, denn die Sünde kann unsere unsterbliche Seele sterben lassen, wie es Augustinus sagt. Der seelische Tod ist die ewige Abgeschnittenheit von Gott. Das berührt Jesus nicht. Er ist ohne Sünde und hat deshalb die Unsterblichkeit in einem vollkommenen Maß. Er wohnt in „unzugänglichem Licht“. Er ist ganz beim Vater, nicht einfach nur in dessen Gegenwart, sondern ihm zur Rechten sitzend. Von dort ist bisher noch kein Mensch wieder zurückgekehrt, um zu erzählen, wie es ist – nur Jesus. Deshalb ist er ja der beste Exeget des Vaters. Aber was heißt es, dass kein Mensch es je zu sehen vermag? Im ersten Johannesbrief heißt es ja, dass wir alle ihn sehen werden, wie er ist? Das bezieht sich nicht auf die Zukunft, wenn wir sterben und vor ihm stehen, sondern jetzt in dem lebenden Zustand. Würden wir Gott jetzt so schauen, wie er ist, würden wir auf der Stelle sterben, weil sein „unzugängliches Licht“ zu viel für uns ist. Deshalb vermögen wir ihn gar nicht zu schauen. Das gilt auch für Christus. Wir haben ihn im entäußerten Zustand gesehen. Er hat seine Gottheit verborgen. Aber nun ist er beim Vater in Macht und Herrlichkeit. So haben wir ihn noch nicht gesehen und können ihn auch nicht sehen, weil seine Herrlichkeit uns überwältigt, solange wir hier auf Erden leben.
Dieser pathetische Abschnitt endet mit einer ganz knappen Doxologie, die mit einem Amen abgeschlossen wird. Christus werden Ehre (griechisch doxa, deshalb Doxologie) und ewige Macht zuerkannt.

Lk 16
19 Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte. 

20 Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. 
21 Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. 
22 Es geschah aber: Der Arme starb und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. 
23 In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham und Lazarus in seinem Schoß. 
24 Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus; er soll die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. 
25 Abraham erwiderte: Mein Kind, erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast, Lazarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest große Qual. 
26 Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. 
27 Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! 
28 Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. 
29 Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. 
30 Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. 
31 Darauf sagte Abraham zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.

Im Evangelium läuft wie so oft nun alles zusammen. Jesus erzählt ein Gleichnis mit einem zwei-Wege-Schema, das die zwei Lebensstile aufgreift, von denen wir nun viel gehört haben: Ein armer Mann namens Lazarus lag vor der Tür eines reichen Mannes, der ein Leben voller Saus und Braus führte. Lazarus bekam von ihm nicht mal die Reste der übertriebenen Festmähler und litt unter schlimmen Geschwüren. Eigentlich heißt es schon im Alten Testament bei der Aufzählung barmherziger Werke, dass man sein Essen mit den Hungrigen teilen und obdachlosen Armen ein Dach über dem Kopf geben soll (Jes 58,7). Lazarus liegt direkt vor der Tür. Gott gibt dem reichen Mann die Chance, eine barmherzige Tat zu vollbringen, doch er nutzt sie nicht. Es kommt nun dazu, dass beide sterben. Während der reiche Prasser schlimme Qualen erleiden muss, ist Lazarus in Abrahams Schoß. Dies kann der reiche Mann von weitem sehen, aber zwischen ihnen befindet sich ein unüberwindlicher Abgrund. Er kann immerhin mit Abraham und Lazarus kommunizieren. Was Jesus hier beschreibt, können wir vielleicht besser erahnen, wenn wir den größeren heilsgeschichtlichen Kontext bedenken: Zu jener Zeit ist das Paradies für alle Menschen unzugänglich. Also ist auch Abraham mit den anderen Gerechten des Alten Testaments an einem Ort, an dem er zwar nicht leidet, aber an dem er voller Sehnsucht warten muss. Die Kirche hat diesen Ort Limbus oder Vorhölle genannt. Er war für die Gerechten bestimmt, die nach der Erlösungstat Jesu Christi aber in den Himmel durften. Dieser „Ort“ ist nun „leer“. Der arme Lazarus wird also in diese Vorhölle gekommen sein, wo Abraham ihn getröstet hat. Dieser Trost ist als Abrahams Schoß bezeichnet worden. Jesus greift hier jüdische Vorstellungen auf, mit denen seine Zuhörer etwas anfangen können. So wählt Jesus immer Gleichnisse, die die Lebensbereiche der Zuhörer aufgreifen.
Der reiche Prasser leidet schwere Qualen und es ist die Rede von Feuer. Er kann nicht von dort weg und er erhält seine Strafe für sein Verhalten im Leben. Es handelt sich wohl um die Hölle (das griechische Wort ist ἅιδης haides). Mit Hades ist nicht automatisch die Hölle gemeint, sondern das gesamte Totenreich. Wie es hier beschrieben wird, können wir dennoch davon ausgehen, dass der reiche Prasser in die Hölle gekommen ist. Da er aber mit denen in der Vorhölle kommunizieren kann, bleibt die Unsicherheit, ob er nicht doch im Fegefeuer ist.
Er bittet um ein wenig Wasser für die Zunge, um die Feuerqualen für einen Moment zu erleichtern. Wir Christen glauben, dass wir dies für die Seelen im Fegefeuer wirklich tun können, für die Seelen in der Hölle aber nicht. Wir glauben, dass mit dem Besprengen von Weihwasser für die Armen Seelen im Fegefeuer diese kleine Erleichterung erwirkt wird. Deshalb spritzen wir auf dem Friedhof am Grab vermehrt das Weihwasser im Gebet für die Toten. Das können wir zuhause aber immer wieder tun. Unterschätzen wir nicht die Kraft des Weihwassers nicht!
Der reiche Prasser bittet Abraham darum, Lazarus zu seinen noch lebenden Brüdern als Warnung zu schicken. Das erzählt Jesus, um seinen Zuhörern klarzumachen: Mit dem Tod ist es zu spät, umzukehren. Und Spiritismus ist eine Sünde. Wir können keine Geister beschwören, um Gottes Willen zu erfragen. Was wir tun können, ist die Umkehr zu Lebzeiten. Und Abraham trifft es auf den Punkt, wenn er entgegnet: Sie sollen auf die Propheten hören. Wenn sie das nicht getan haben, werden sie auf einen Auferstandenen ebenfalls nicht hören. Wir denken an Jesus Christus, der von den Toten auferstanden ist. Wer die Torah schon missachtet hat – auch gerade jene, die ihre Bedeutung umgekehrt oder ein menschliches Konstrukt darum gebaut haben – glauben auch nicht an den auferstandenen Messias. Wer nicht glauben will, glaubt auch bei spektakulären Wundern nicht. Das Herz ist verhärtet. Nichts reicht an das Herz heran.
Jesus erzählt dieses Gleichnis nicht, um zu sagen: Alle Reichen kommen in die Hölle und alle Armen in den Schoß Abrahams (für uns ist das Höchste nun der Himmel). Der reiche Prasser kam nicht wegen seines Reichtums in die Hölle, sondern weil er davon nichts dem armen Lazarus gegeben hat. Dieser lag direkt an seiner Haustür und er hat nichts für ihn getan, sodass dieser arme Mann in absoluter Schande verreckt ist (Hunde sind hier sehr negativ konnotiert und betonen die Schändlichkeit und Ohnmacht). Der reiche Mann verprasste alles und lebte ein unmoralisches Leben. Er hat die große Verantwortung, die mit einem großen Vermögen einhergeht, nicht übernommen, sondern sich selbst sein Grab geschaufelt. Wir müssen auch umkehrt sagen, dass ein armer Mensch nicht gleich arm im Geiste ist. Wer wenig Geld hat, kommt nicht automatisch in den Himmel. Auch finanziell Mittellose können wie Reiche denken und habgierig sein, nach Macht streben und ihr Herz kann an weltlichen Dingen hängen, die sie nicht besitzen. Dann ist das ebenfalls ein unmoralisches Verhalten. Lazarus kam nicht wegen seiner Armut in Abrahams Schoß, sondern wegen seiner Haltung. Er war offensichtlich nicht neidisch oder böse auf den reichen Prasser, sondern er vertraute sein Leben ganz Gott an. So hat dieser ihn nach dem Tod getröstet.
Jesus möchte uns heute mit dem Evangelium keine Angst einjagen, sondern sagen: Kehr noch heute um, bevor es zu spät ist. In welchem Lebensstand du auch stehst – entscheide dich dafür, dein Herz mir ganz anzuhängen, sodass dein Reichtum sowie deine Armut dich nicht vom Weg Gottes abbringen. Bist du reich, setze dein Vermögen für das Reich Gottes ein und nicht für ein Leben in Saus und Braus. Hast du weniger, strebe nicht danach, reich zu werden, sondern bringe dich anders in das Reich Gottes ein. Vor allem aber geht es auch darum, sein Leben überhaupt zu gestalten und nicht seine Lebenszeit zu verprassen mit Party und Vergnügen. Ein hedonistischer Lebensstil führt spätestens nach dem Tod zu einer bösen Überraschung. Gott hat uns nicht das Leben geschenkt, damit wir es auf so eine Weise wegwerfen. Das hat Jesus nicht gemeint, wenn er sagte: Wer sein Leben nicht geringachtet, kann nicht mein Jünger sein…Wie das Lebenskonzept dagegen aussehen soll, hat Paulus Timotheus erklärt. Es geht um ein Streben, um harte Arbeit. Nicht umsonst benutzt Paulus in seinen Briefen so gerne die Sportmetapher, weil der Christ ehrgeizig sein soll. Faulenzen wird dagegen keinen Preis einbringen. Wir wollen am Ende alle den Kranz des Lebens überreicht bekommen. Machen wir uns also daran, unser Leben richtig einzusetzen.

Ihre Magstrauss

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