Ijob 3,1-3.11-17.20-23; Ps 88,2-3.4-5.6.7-8; Lk 9,51-56
Ijob 3
1Ijob tat seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag.
2Ijob ergriff das Wort und sprach:
3Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, die Nacht, die sprach: Ein Mann ist empfangen.
11Warum starb ich nicht vom Mutterschoß weg, kam ich aus dem Mutterleib und verschied nicht gleich?
12Weshalb nur kamen Knie mir entgegen, wozu Brüste, dass ich daran trank?
13Still läge ich jetzt und könnte rasten, entschlafen wäre ich und hätte Ruhe
14bei Königen, bei Ratsherren im Land, die Grabkammern für sich erbauten,
15oder bei Fürsten, reich an Gold, die ihre Häuser mit Silber gefüllt.
16Wie die verscharrte Fehlgeburt wäre ich nicht mehr, Kindern gleich, die das Licht nie geschaut.
17Dort hören Frevler auf zu toben, dort ruhen aus, deren Kraft erschöpft ist.
20Warum schenkt er dem Elenden Licht und Leben denen, die verbittert sind?
21Sie warten auf den Tod, der nicht kommt, sie suchen ihn mehr als verborgene Schätze.
22Sie würden sich freuen über einen Hügel; fänden sie ein Grab, sie würden frohlocken.
23Wozu Licht für den Mann auf verborgenem Weg, den Gott von allen Seiten einschließt?
Heute hören wir in der Lesung wieder aus dem Buch Ijob. Gestern hörten wir den Ursprung des Begriffs „Hiobsbotschaft“. Auf einen Schlag verlor der Mann alles, was ihm lieb und teuer ist. Dies wurde ihm durch Diener gemeldet, die als einzige die jeweiligen Katastrophen überlebt hatten. Ijob geht in ein einwöchiges Schweigen, von dem wir heute nicht hören. Als er seinen Mund wieder auftut, verflucht er seinen Tag, sein Leben, dass er überhaupt geboren worden ist. Was er aber nicht verflucht und was der Satan bei ihm ja eigentlich provozieren wollte, war die Verfluchung Gottes. Das tut Ijob nicht. Ihm geht es darum, zu bereuen, überhaupt geboren und von seiner Mutter aufgezogen worden zu sein. Wenn er jetzt tot wäre, könnte er die Grabesruhe genießen. Wenn er nie geboren worden wäre, hätte er das Leiden nicht ertragen müssen, das ihm nun widerfährt. Der Tod wäre für ihn nun erlösend. Er fühlt sich, als ob Gott ihn auf einem Weg führt, der von allen Seiten abgeschirmt ist wie eine allseitige Sackgasse.
Der Satan hat sein Ziel noch nicht erreicht. Ijob verflucht Gott nicht, auch wenn er seiner Klage Raum gibt mit vielen Bildern und Vergleichen. Es ist insgesamt ein sehr poetischer Text mit vielen Stilmitteln wie Alliterationen und Paronomasien, die dem Tod einen Wert beimessen, den im Alten Testament sonst das Leben besitzt. Ijobs Rede erinnert an Texte in Jeremia und Jesaja.
Uns wird deutlich: Sich mit dem Leiden des Lebens auseinanderzusetzen, gleicht einem Kampf. Es ist ein Ringen um das Verständnis und auch ein Ringen mit Gott, dessen guten Heilsplan man irgendwie zu verstehen versucht. Wogegen auch ein Ijob ankämpft, ist die Versuchung, Gott alles vorzuwerfen und ihm etwas Böses zu unterstellen, wenn man es in dem Moment nicht begreift. Ijob bleibt standhaft, auch wenn er seine gesamte Existenz hinterfragt und sich den Tod wünscht. Wir wissen von Elija, dass Gott diesem in einer ähnlichen Situation hilft. So wird es auch mit Ijob sein, auch wenn seine Prüfung noch ein wenig länger andauern wird.
Ps 88
2 HERR, du Gott meiner Rettung, am Tag und in der Nacht schrei ich vor dir.
3 Lass mein Bittgebet vor dein Angesicht kommen, neige dein Ohr meinem Rufen!
4 Denn mit Leid ist meine Seele gesättigt, mein Leben berührt die Totenwelt.
5 Schon zähle ich zu denen, die hinabsteigen in die Grube, bin wie ein Mensch, in dem keine Kraft mehr ist.
6 Ausgestoßen unter den Toten, wie Erschlagene, die im Grab liegen, derer du nicht mehr gedenkst, abgeschnitten sind sie von deiner Hand.
7 Du brachtest mich in die unterste Grube, in Finsternisse, in Tiefen.
8 Auf mir lastet dein Grimm, mit all deinen Wogen drückst du mich nieder.
Als Antwort auf die Lesung beten wird Psalm 88, einen Korachpsalm, der mit dem Titel benannt ist „Klage eines Vereinsamten im Angesicht des Todes“. Es passt sehr gut zur Lesung, in der Ijob sich den Tod wünscht, nachdem er durch den Verlust seiner Kinder vereinsamt ist.
Gott wird bezeichnet als „Gott meiner Rettung“. Das kann ein gläubiger Jude wirklich mit Erfahrung sagen, wenn er die gesamte bisherige Heilsgeschichte betrachtet. Wie oft ist Gott dem Volk Israel zur Rettung gekommen, wenn es brenzlig wurde! Wie oft holte er es sogar dann aus dem Schlamassel, wenn es die Situation selbst verschuldet hatte! Auch Ijob ist sich dessen bewusst und kann dementsprechend Gott den Gott seiner Rettung nennen. Auch er kommt in seinem Leiden nun in eine Situation des Schreiens vor Gott. Er lässt Dampf ab in seiner Klage und Gott hört alles geduldig an. So ist er mit uns allen. Wie oft rufen wir zu ihm und sagen „ich kann nicht mehr!“ oder „hilf mir, oh Herr, ich weiß nicht weiter!“ oder „wie lange noch!“ Es ist wichtig, in Leidenssituationen den Kontakt zu Gott zu suchen, statt mit ihm zu brechen. Genau das ist die richtige Reaktion. Jesus rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Und doch rief er ihn an in der absoluten Gottverlassenheit. Das muss auch unsere Haltung sein, selbst wenn wir im Leiden Gott nicht spüren können.
Nach der einleitenden Bitte um Gebetserhörung beschreibt der Psalmist die Leiden oder den persönlichen Eindruck. Leiden ist etwas zutiefst Subjektives. Ein und dasselbe Leiden empfinden Menschen unterschiedlich. Der Psalmist beschreibt seine Todesnähe als eine Berührung der Seele mit der Totenwelt und die bereits bestehende Zugehörigkeit zu denen, die in die Grube hinabsteigen. Auch die soziale Perspektive kommt zum Ausdruck, wenn der Psalmist sich „ausgestoßen unter den Toten“ fühlt und als zugehörig zu denen, an die man nicht mehr denkt. Das ist ein schlimmes Geschick, denn ein Ziel des frommen Juden war, dass der Name des Verstorbenen nicht in Vergessenheit geriet.
Zu sterben ist eine Sache, von Gott aber verstoßen zu sein durch die unterste Grube und durch Grimm, ist noch viel drastischer. Es heißt, dass Gottes Grimm auf dem Leidenden laste.
Die gehörten Verse sind rein negativ. Es gibt kein Licht am Ende des Tunnels. Das ist in Ordnung, denn auch die Klage findet einen Platz in der heiligen Schrift. Gott hört auch die Klage des Menschen an und lässt ihn das Erlittene verarbeiten. Auch die Klage wird zum Gebet, wenn sie Gott hingehalten wird. Sehr oft erfolgt am Ende von Klagepsalmen ein Stimmungsumschwung, der die bereits erfolgte Gebetserhörung in den Blick nimmt und deshalb von Lobpreis und Dank geprägt ist. Oft erfolgen aber auch Vertrauensbekundungen, die zum Ausdruck bringen: Ich verstehe nicht, warum du das alles zulässt, aber ich vertraue dir. Ich gebe dich nicht auf und breche nicht mit dir, sondern übergebe dir meine ganzen Fragezeichen. Mach damit, was du möchtest. Psalm 88 endet allerdings ohne diesen Stimmungsumschwung. Der Abschluss besteht in den Worten: „Entfernt hast du von mir Freunde und Nachbarn, mein Vertrauter ist nur noch die Finsternis.“ Deshalb ist es ein passender Psalm für Ijobs Situation, in der er auch mit seinen Freunden diskutieren und streiten wird. Psalm 88 wird uns die Tage noch einmal begegnen.
Lk 9
51 Es geschah aber: Als sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte, fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen.
52 Und er schickte Boten vor sich her. Diese gingen und kamen in ein Dorf der Samariter und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen.
53 Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war.
54 Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie verzehrt?
55 Da wandte er sich um und wies sie zurecht.
56 Und sie gingen in ein anderes Dorf.
Im heutigen Evangelium hören wir davon, dass Jesus mit seinen Jüngern unterwegs nach Jerusalem ist. Die Zeit ist erfüllt, in die Höhle des Löwen einzukehren, um den Heilsplan zu vollenden. Wenn er dort hinkommt, wird er dort sterben, aber am dritten Tag auferstehen.
Wie so oft schickt er Boten voraus, die sich um eine Unterkunft in Samarien kümmern sollen. Weil sie aber unterwegs nach Jerusalem sind, erkennen die Samariter, dass es sich um Juden handelt, also die Juden, die noch solche geblieben sind im Gegensatz zu den synkretistischen Samaritern. Sie sind in gewisser Hinsicht immer noch Juden, vermischten aber ihren Glauben mit dem Heidentum und haben ihr eigenes Heiligtum auf dem Berg Garizim. Aus Sicht der anderen Juden sind sie Abgefallene, weil sie dem Alten Bund untreu geworden sind. Juden und Samariter verstehen sich deshalb gar nicht gut miteinander. Doch Jesus möchte auch ihnen das Reich Gottes verkünden und das Christentum wird tatsächlich auch zu ihnen kommen. Es ist bemerkenswert, dass sie überhaupt bei den Samaritern unterkommen, denn es gibt auch einen Umweg über das Ostjordanland, bei dem man das Land der Samariter umgeht. Dieses wird im Markusevangelium an einer Stelle angedeutet. Es ist kein Zufall, dass Jesus den Boten gebietet, eine Unterkunft in Samarien zu organisieren. Die Jünger werden das nur widerwillig akzeptiert haben, denn von ihrem ganz natürlichen jüdischen Denken her werden sie die Samariter eher ungern aufgesucht haben.
Als die Boten dann auch noch von einem samaritischen Dorf zurückkehren und sagen, dass keiner sie aufnehmen will, ist es um die Donnersöhne geschehen, die nicht umsonst diesen Namen tragen. Sie reagieren aufbrausend und wollen vom Himmel eine Strafe auf das Dorf herabregnen lassen ganz wie in Sodom und Gomorrha. Doch Jesus weist sie zurecht, denn das ist nicht der richtige Weg. Sie sollen nicht rachsüchtig sein, sondern wie er es ihnen an anderer Stelle auch erklärt, sollen sie vielmehr den Staub von den Füßen abschütteln als Zeichen gegen sie und jene aufsuchen, die ihn annehmen.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Herr einkehren will, doch die Menschen ihn nicht aufnehmen. Das ist ein roter Faden seines Lebens, wie auch der Prolog des Johannesevangeliums betrachtet. Er kommt in sein Eigentum, doch die Seinen nehmen ihn nicht auf. Das wird bis zum Ende seines irdischen Daseins so sein. Auch wenn er dann nach Jerusalem kommt, wohin sie ja unterwegs sind, wird man ihn ablehnen und ans Kreuz schlagen. Doch auch dann wird Gott das letzte Wort haben.
Jesus gibt die Samariter nicht auf. Am Jakobsbrunnen führt er mit einer samaritischen Frau ein wichtiges Gespräch und im Nachgang wird sich ihre Stadt zu ihm bekehren. Im Gegensatz zu Samarien sind die Galiläer viel offener für Jesu Botschaft. Auch sie sind Abkömmlinge des ehemaligen Nordreichs Israel. Diese Städte suchen Jesus aktiv auf. Sie öffnen ihr Herz für die Reich-Gottes-Botschaft und kehren um.
Die heutigen Lesungen zeigen die negativen Seiten des Lebens: Trauer, Verlust, Leiden und Ablehnung. Keiner ist davor gefeit. Es ist jedoch entscheidend, wie wir damit umgehen. Wollen wir Rache und wünschen wir uns Feuer vom Himmel für jene, die uns Böses getan haben? Machen wir Gott Vorwürfe, dass er uns dies und das beschert hat? Verbittern wir angesichts des erlittenen Leids? Das sind alles Versuchungen des Widersachers, der unsere gute Beziehung mit Gott zerstören möchte. Wenn uns solche Gedanken kommen, müssen wir das erkennen und stoppen. Wir dürfen ihm keine Chance geben. Vergessen wir nicht, dass Gott ein Gott unserer Rettung ist, der uns bisher schon so viel Gutes geschenkt hat. Er wird sich als solcher auch in unseren Leidsituationen zeigen.
Ihre Magstrauss