2 Joh 4-9; Ps 119,1-2.10-11.17-18; Lk 17,26-37
2 Joh
4 Ich habe mich sehr gefreut, unter deinen Kindern solche zu finden, die in der Wahrheit wandeln, gemäß dem Gebot, das wir vom Vater empfangen haben.
5 Und jetzt bitte ich dich, Herrin, nicht als wollte ich dir ein neues Gebot schreiben, sondern nur das, das wir von Anfang an hatten: dass wir einander lieben sollen.
6 Denn darin besteht die Liebe, dass wir nach seinen Geboten wandeln. Und darin besteht das Gebot, das ihr von Anfang an gehört habt: dass ihr in der Wahrheit wandelt.
7 Denn viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht den im Fleisch gekommenen Jesus Christus bekennen. Das ist der Verführer und der Antichrist.
8 Achtet auf euch, damit ihr nicht preisgebt, was wir erarbeitet haben, sondern damit ihr den vollen Lohn empfangt!
9 Jeder, der darüber hinausgeht und nicht in der Lehre Christi bleibt, hat Gott nicht. Wer aber in der Lehre bleibt, hat den Vater und den Sohn.
Als Lesung hören wir heute einen Abschnitt aus dem zweiten Johannesbrief, der aus nur einem Kapitel besteht. Der Brief ist adressiert an „die auserwählte Herrin und ihre Kinder“. Darunter könnte man sich eine konkrete Person vorstellen, vielleicht eine reiche Witwe, die ihr Haus als Hauskirche zur Verfügung stellt. Aber man kann mit dieser Anrede auch die Kirche als Braut verstehen, vielleicht eine bestimmte Gemeinde, die er bewusst nicht nennt. Ihre Kinder sind die Gläubigen. Es steht also so oder so jemand dahinter, der bzw. die nicht mit Namen genannt wird.
Johannes schreibt, dass er sich über jene freut, die den Weg Gottes gehen. Es geht um jene in der angesprochenen Gemeinde, die die Gebote Gottes halten, die sie „vom Vater empfangen haben“. Die Gebote sind nicht ausgedacht. Gott selbst hat sie uns geschenkt und offenbart. Das verleiht ihnen höchste Autorität.
Johannes schreibt der Herrin nachdrücklich, dass das Liebesgebot eingehalten werden solle, was aber kein neues Gebot sei, sondern von Anfang an den Kern darstellte. Und dann bringt er beides zusammen: Dass wir die Gebote Gottes halten, ist Ausdruck der Liebe. Er sagt auch, dass die Gebote die Wahrheit sind und das Leben in Wahrheit ermöglichen.
Dagegen gibt es viele Verführer, die die Unwahrheit verkünden und die „Kinder“ verwirren wollen. Hier spricht Johannes den Doketismus an, denn er deutet auf jene hin, „die nicht den im Fleisch gekommenen Jesus Christus bekennen“. Die Doketisten haben vertreten, dass Christus zwar Gott gewesen sei, aber nicht wirklich einen Leib gehabt habe. Denn Gott könne nicht leiden und Materie sei böse und so sei es ein Scheinleib, der die Passion durchlebt hat. Doketismus ist eine gnostische Lehre. Das alles untergräbt aber die Menschheit Jesu, seine Geschichtlichkeit und die Vollkommenheit seines Erlösungswerkes. Wenn er nicht wirklich leiblich war, wie konnte er den Leib des Menschen versöhnen? Nur einer hat daran Interesse, die Erlösung zu leugnen, und das ist „der Verführer und der Antichrist“. Johannes erklärt dies, weil es anscheinend innerhalb der Gemeinde Verwirrung gibt aufgrund doketistischer Einflüsse. Er stellt klar: Christus ist im Fleisch gekommen. Sein Leib ist echt, kein Scheinleib.
Die Gemeindemitglieder sollen auf sich achten und nicht alles aufgeben, was die Apostel und Missionare erarbeitet haben. Sie sollen vielmehr an der Wahrheit festhalten, damit sie am Ende den Lohn empfangen, den Lohn des ewigen Lebens.
Wer aber anfängt, eine neue Lehre zu basteln und das Evangelium zu verlassen, verlässt Gott. Die Christen sollen in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn bleiben und dies geschieht nur, wenn sie in der Lehre bleiben. Diese Lehre ist nämlich nicht ausgedacht und selbstgemacht, sondern von Gott selbst offenbart.
Ps 119
1 Selig, deren Weg ohne Tadel ist, die gehen nach der Weisung des HERRN.
2 Selig, die seine Zeugnisse bewahren, ihn suchen mit ganzem Herzen,
10 Ich suche dich mit ganzem Herzen. Lass mich nicht abirren von deinen Geboten!
11 Ich barg deinen Spruch in meinem Herzen, damit ich gegen dich nicht sündige.
17 Handle an deinem Knecht, so werde ich leben. Ich will dein Wort beachten.
18 Öffne mir die Augen, dass ich schaue die Wunder deiner Weisung!
Heute werden im Psalm jene selig gepriesen, die sich für Gott, für das Leben entscheiden und auf Gottes Wegen gehen.
Jene sind selig zu preisen, die Gottes Gebote halten, was mit „Zeugnisse bewahren“ gemeint ist. Das hebräische Wort עֵדָה edah kann Zeugnis, aber auch das Gebot/Gesetz meinen. Die spezielle Verbform für „bewahren“ נֹצְרֵי nozrej ist ein Partizip. Dadurch wird ausgesagt, dass die Betroffenen die Gebote dauerhaft halten. Es geht um einen gesamten Lebenswandel, der hier in Vers 1 mit „Weg“ umschrieben wird.
Dabei geht es nicht einfach nur darum, die Gebote um der Gebote willen zu halten, sondern darum, Gott „mit ganzem Herzen“ zu suchen. Eine Herzensangelegenheit hat dabei immer mit Liebe und Gemeinschaft zu tun. Damit endete ja auch die Lesung.
„Lass mich nicht abirren von deinen Geboten!“ setzt nicht voraus, dass Gott uns Menschen zur Sünde verleitet, sondern es ist die Bitte vergleichbar mit der Vaterunser-Bitte „führe uns nicht in Versuchung“. Es geht darum, dass Gott einem die Kraft geben soll, auf dem Weg der Gebote zu bleiben. Es ist so wie im Vaterunser, wo Gott die Kraft geben soll, der Versuchung nicht zu erliegen.
Auch hier muss man über die Suche nach Gott sagen, dass es das Ersehnen und das Auf-Suchen meint, weniger die Suche nach etwas Verlorenem.
Wenn der Psalmist hier betet „ich barg deinen Spruch in meinem Herzen“, dann erinnert es uns an Maria, die alles, was passiert ist, in ihrem Herzen bewahrte. Es ist, was jeder fromme Jude unter Gottesliebe versteht und was in Dtn 6,4-9 grundgelegt ist. Gottes Wille soll ins Herz eingeschrieben sein, denn aus dem Herzen entspringen die Gedanken, Worte und Werke des Menschen. Wer Gottes Gebote halten möchte, muss sie also im Herzen haben. Wenn das Herz voll Gott ist, kann der Mensch nicht sündigen.
„Handle an deinem Knecht“ zeigt uns auf, dass Gott etwas am Menschen tut, entweder, damit er die Gebote halten kann oder damit ihm die Vergehen vergeben werden. Dies wird durch den Zusatz deutlich „so werde ich leben“. Dieses Leben ist christlich verstanden vor allem auf das ewige Leben zu beziehen, das uns nach dem Tod erwartet. Es kann aber auch moralisch verstanden werden im Sinne der Taufgnade: Wenn Gott sie schenkt, wird der Mensch leben. Und von ihr erfüllt kann der Getaufte die Gebote richtig halten. In diesem Fall ist wohl die Vergebungsbitte gemeint, denn daraufhin sagt der Beter Gott seinen Willen zu: „Ich will dein Wort beachten“. Dieses Jawort ist für Gott entscheidend. Der Mensch möchte Gottes Gebote halten und bemüht sich. Das ist die richtige Herzenshaltung damals und heute.
„Öffne mir die Augen, dass ich schaue die Wunder deiner Weisung!“ Ist die Bitte um Gottes Offenbarung, aber auch die Erkenntnis, Gott in allem zu finden. Es ist also nicht nur auf die biologischen Augen zu beziehen, sondern auch auf die Augen des Glaubens und des Verstandes. Wir denken an dieser Stelle an Jesu Lektionen, die er durch die Blindenheilungen erteilt. Auch dort geht es um viel mehr als die Heilung der biologischen Blindheit.
Lk 17
26 Und wie es in den Tagen des Noach war, so wird es auch in den Tagen des Menschensohnes sein.
27 Die Menschen aßen und tranken und heirateten bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging; dann kam die Flut und vernichtete alle. 28 Und es wird ebenso sein, wie es in den Tagen des Lot war: Sie aßen und tranken, kauften und verkauften, pflanzten und bauten.
29 Aber an dem Tag, als Lot Sodom verließ, regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und vernichtete alle.
30 Ebenso wird es an dem Tag sein, an dem der Menschensohn offenbar werden wird.
31 Wer an jenem Tag auf dem Dach ist und seine Sachen im Haus hat, soll nicht hinabsteigen, um sie zu holen, und wer auf dem Feld ist, soll sich ebenfalls nicht zurückwenden.
32 Denkt an die Frau des Lot!
33 Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es erhalten.
34 Ich sage euch: Von zwei Männern, die in dieser Nacht auf einem Bett liegen, wird der eine mitgenommen und der andere zurückgelassen. 35 Von zwei Frauen, die am selben Ort Getreide mahlen, wird die eine mitgenommen und die andere zurückgelassen.
36 Von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, wird einer mitgenommen und der andere wird zurückgelassen.
37 Und sie antworteten und sprachen: Wo wird das geschehen, Herr? Er antwortete: Wo ein Leichnam ist, da sammeln sich auch die Geier.
Im Evangelium hören wir wieder Aussagen Jesu über die Endzeit. In den Tagen des Menschensohnes wird es folgendermaßen sein – und das wird analog zu Noachs Situation passieren: „Die Menschen aßen und tranken und heirateten bis zu dem Tag“. Die Menschen gingen dem normalen Ablauf des Lebens nach, allem, was das diesseitige Leben betrifft. Sie lebten also nur für dieses Leben und wurden dann von der Sintflut überrascht. Diese hat alle vernichtet.
Er nennt eine weitere Analogie, nämlich die des Neffen Abrahams, Lot. Die Bewohner der Stadt Sodom lebten ihr weltliches Leben ohne Blick auf die Ewigkeit und wurden dann vom Feuerregen überrascht, den Gott auf die Stadt herabließ. Feuer und Schwefel vernichtete sie.
So wird es auch am Tag des Menschensohnes sein, also seiner Wiederkunft, mit der das Ende der Zeiten und das Weltgericht eingeläutet werden.
„Wer an jenem Tag auf dem Dach ist und seine Sachen im Haus hat, soll nicht hinabsteigen, um sie zu holen, und wer auf dem Feld ist, soll sich ebenfalls nicht zurückwenden.“ Dass man sich auf dem Dach aufhält, ist nicht ungewöhnlich. Es handelt sich um flache Lehmdächer. Wenn das Ende der Zeiten kommt, wird man nicht mehr die Zeit haben, seine Sachen zusammenzuraffen. Man kann nicht mehr eben ins Haus hinabsteigen. Und wenn man auf dem Feld arbeitet, kann man in diesem Moment nicht noch eben zum Haus zurücklaufen. Dass der Mensch das aber tun möchte, ist ein natürlicher Impuls. Was aber ist wichtiger – in so einem Moment seinen Besitz zu sichern oder das ewige Leben? Und deshalb erklärt Jesus: „Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es erhalten.“ Es geht im ersten Teil um die Bewahrung des irdischen Lebens mit allem, was dazu gehört. Wer daran festhält auf Kosten der Gemeinschaft mit Gott, wird am Ende alles verlieren, nämlich das ewige Leben. Wer aber das irdische Leben um Gottes willen verliert, der wird sich dafür das ewige Leben verdienen.
Wenn es zum Gericht kommt, werden „von zwei Männern, die in dieser Nacht auf einem Bett liegen“ nur einer mitgenommen, und von zwei Männern auf dem Feld nur einer mitgenommen, von zwei mahlenden Frauen wird nur eine mitgenommen. Diese Bilder greift Jesus auf, um zu zeigen: Wenn das Gericht dann kommt, wird es Überraschungen geben. Dann wird alles offenbart werden, was in den Herzen der Menschen vor sich geht. Dann wird sich zeigen, wie unterschiedlich zwei äußerlich gleiche Menschen sind. Deshalb ist hier die Rede davon, dass einer mitgenommen und einer zurückgelassen wird, nicht weil Gott willkürlich ist.
Die Jünger fragen Jesus daraufhin, wo das alles geschehen wird. Vielleicht denken sie an Sodom und meinen, es betrifft eine bestimmte Stadt. Wenn das alles geschieht, wird es ja die gesamte Schöpfung betreffen. Jesus entgegnet ihnen einfach: „Wo ein Leichnam ist, da sammeln sich auch die Geier.“ Jesus greift wieder ein Bild aus der Natur auf, um aufzuzeigen, dass die Vorzeichen deutlich sind. Der Wachsame kann sie erkennen und deuten. Und wo die tote Seele ist, da wird es besonders drastisch zugehen. Das soll keine Drohung sein, sondern ein Appell zur Umkehr, bevor es soweit kommt. Wenn man sich darum bemüht, seelisch nicht tot zu sein, braucht man auch nichts zu fürchten.
Heute geht es in den Lesungen sehr viel um den rechten Lebenswandel und das Ziel. Wie wir hier auf Erden leben, entscheidet über unser ewiges Leben bei Gott. Dabei kommt es auf das Herz des Menschen an und auf das Maß der Liebe, mit dem er alles tut oder lässt. Und wenn Gott richten wird, wird es ganz anders sein, als wir denken.
Ihre Magstrauss