22. März: Sel. Clemens August Graf von Galen

Heute ist der Gedenktag eines Seligen, der als „Löwe von Münster“ in die Geschichte einging. Ich habe fast jeden Tag an seinem Grab gebetet, wenn ich Freistunden hatte. Der selige Clemens August, Graf von Galen (geb. am 16. März 1878 in Dinklage – gest. am 22. März 1946 in Münster), war römisch-katholischer Bischof von Münster und wurde durch seine öffentliche Ablehnung des Nationalsozialismus bekannt. Galen wurde 1904 in Münster zum Priester geweiht, wo er in St. Lamberti seine Schrift „Die Pest des Laizismus und ihre Erscheinungsformen“ (1932) veröffentlichte, in der er die Gottlosigkeit im Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg beklagte. Im Jahr 1933 wurde er zum Bischof von Münster ernannt. Zunächst hoffte Galen, dass die Nationalsozialisten Deutschland das Ansehen zurückgeben würden, das es im Ersten Weltkrieg verloren hatte. Doch aus Enttäuschung über die antikatholische Propaganda und den Rassismus des Regimes von Adolf Hitler wurde Galen bald zu einem scharfen Kritiker der Nazis. Sein Widerstand gegen die Nazis, insbesondere gegen ihren Rassismus und Totalitarismus, begann Ostern 1934 und hielt unvermindert an. Er beschwerte sich häufig direkt bei Hitler, wenn der deutsche Diktator das 1933 mit dem Vatikan unterzeichnete Konkordat verletzte. Als die Oldenburger Nazis im November 1936 alle Kruzifixe aus den Schulen entfernten, löste Galens Protest eine öffentliche Demonstration aus, woraufhin die Anordnung zurückgenommen wurde. Im Juli und August 1941 predigte Galen gegen die allgemeine Gesetzlosigkeit der Gestapo, die Beschlagnahmung von religiösem Eigentum und das 1939 von Hitler eingeführte T4-Programm – ein Programm, das die systematische Ermordung von mehr als 70.000 kranken, älteren, geistig zurückgebliebenen, körperlich gebrechlichen, seelisch gestörten und behinderten Deutschen vorsah, die dem Mythos der arischen Überlegenheit zuwiderliefen. Am 3. August 1941 begründete er seine Kritik am Euthanasieprogramm der Nazis in einer Predigt mit dem biblischen Gebot, nicht zu töten:

Man urteilt: Sie können nicht mehr Güter produzieren, sie sind wie eine alte Maschine, die nicht mehr läuft, sie sind wie ein altes Pferd, das unheilbar lahm geworden ist, sie sind wie eine Kuh, die keine Milch mehr gibt. Was tut man mit solch alter Maschine? Sie wird verschrottet. Was tut man mit einem lahmen Pferd, mit solch einem unproduktiven Stück Vieh? Nein, ich will den Vergleich nicht bis zu Ende führen …
Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden! Wenn man die unproduktiven Mitmenschen töten darf, dann wehe den Invaliden, die im Produktionsprozess ihre Kraft, ihre gesunden Knochen eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben! Wenn man die unproduktiven Mitmenschen gewaltsam beseitigen darf, dann wehe unseren braven Soldaten, die als schwer Kriegsverletzte, als Krüppel, als zurückkehren.
Wenn einmal zugegeben wird, dass Menschen das Recht haben, unproduktive Mitmenschen zu töten, und wenn es jetzt zunächst auch nur arme, wehrlose Geisteskranke trifft, dann ist grundsätzlich der Mord an allen unproduktiven Menschen, also an den unheilbar Kranken, den arbeitsunfähigen Krüppeln, den Invaliden der Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben. …
Dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher. Irgendeine Kommission kann ihn auf die Liste der Unproduktiven setzen, die nach ihrem Urteil lebensunwert geworden sind. …
Wehe den Menschen, wehe unserem deutschen Volk, wenn das heilige Gottesgebot: Du sollst nicht töten!, das der Herr unter Donner und Blitz auf Sinai verkündet hat, das Gott unser Schöpfer von Anfang an in das Gewissen der Menschen geschrieben hat, nicht nur übertreten wird, sondern wenn diese Übertretung sogar geduldet und ungestraft ausgeübt wird!

Exemplare der Predigt wurden heimlich in Deutschland und unter den deutschen Truppen verbreitet. Einigen Quellen zufolge wurden sie auch als Flugblätter von alliierten Piloten abgeworfen. Nicht zuletzt wegen Galens öffentlichem Protest wurde das T4-Programm offiziell gestoppt, obwohl es im Geheimen weiterlief. Da die Naziregierung Galen nicht zum Märtyrer machen wollte, stellte sie ihn praktisch unter Hausarrest, deportierte aber die in seiner Diözese tätigen Priester und ging gewaltsam gegen mindestens drei Priester vor, die die Predigt verteilt hatten. Später entdeckte Dokumente zeigten, dass die Nazis kurz vor der Entscheidung standen, Galen zu hängen, aber beschlossen, mit der Hinrichtung zu warten, bis sie im Zweiten Weltkrieg einen Sieg errungen hatten. Galen wurde am 18. Februar 1946 zum Kardinal ernannt. Am 9. Oktober 2005 wurde er von der Kirche seliggesprochen, vor allem wegen seiner Rolle im Widerstand gegen das T4-Programm.

Hier kommen Sie zu den Tageslesungen: https://magstrauss.com/2022/03/30/mittwoch-der-4-woche-der-fastenzeit-2/

Ihre Magstrauss

Ein Kommentar zu „22. März: Sel. Clemens August Graf von Galen

  1. Liebe Margarete, gestern schickte ich die vollständige Predigt dieses Bischofs Clemens August Graf von Galen vom 3. August 1941 gegen das Vernichten „unproduktiven und deshalb als ‚unwert‘ angesehenen Lebens“ tausender Menschen in der Praxis des Nationalsozialismus an Euere Birgit Kelle vom „Neuen Anfang“. Ich nehme an, Du hast den Text in voller Länge auch selbst vorliegen.

    Frau Laura Schmidt von der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) schickte mir diese Predigt vorgestern; rechtzeitig zum Münchner „Marsch für das Leben“ am kommenden Samstag, dem 25. März.

    Herzliche und marianische Grüße, auch an Eduard und an alle Euere Lieben.

    Paul

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