8. April: Betrachtung des Leidens III

Meine Lieben, heute ist der Tag der Grabesruhe. Alles ist still geworden. Der Tabernakel ist geöffnet, der gesamte Schmuck, die Altartücher, das Weihwasser weggeräumt. Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein bis in die Osternacht hinein. Aus dem Grund möchte ich mit Ihnen den letzten Teil meiner Betrachtungen teilen:

V Tod

Die Römer beeinflussten die Länge des Kreuzigungsvorgangs, sodass sie den Prozess abkürzen oder verlängern konnten, je nach Umständen. Damit der Tod hinausgezögert wurde, verabreichte man dem Hinzurichtenden (crucarius) ein Wasser-Essig-Gemisch. Davon hören wir auch in den Evangelien. Man möchte mit Jesus seinen Spott treiben und deshalb seinen Tod hinauszögern. In seiner Todesagonie betet Jesus ja Ps 22. Er spricht auf Aramäisch „Eloi, Eloi, lema sabachtani“. Jesus beginnt also den Klagepsalm 22. Angesichts der Tatsache, dass ihm das Atmen immer schwerer fällt, können wir nachvollziehen, warum wir nicht den gesamten Psalm aus seinem Mund hören. Eine andere Erklärung ist, dass der Evangelist den Rest nicht erwähnt. Eventuell ist die Atemnot auch der Grund, warum die Anwesenden Jesu Gebet als Ruf Elijas missverstehen. Die Umstehenden möchten Jesus vorführen, indem sie ihn länger leben lassen und zeigen, dass Elija nicht zu seiner Rettung kommt. Dazu kommt es nicht mehr, weil Jesus stirbt.
Für uns ist das Gebet ein deutliches Signal. Jesus empfindet im Moment seines Todes eine Gottesferne, eine Erfahrung, die er machen muss für uns. Und doch ist dieser Moment keine Resignation, keine Verzweiflung. Vielmehr klammert sich Jesus vertrauensvoll an den Vater, sucht den Dialog mit ihm inmitten des Schweigens Gottes. Und schließlich verliert er das Vertrauen bis zum Schluss nicht. Ps 22 ist ein klassischer Klagepsalm, der zum Ende hin einen sogenannten Stimmungsumschwung beinhaltet. Er mündet ab Vers 22 in einen Lobpreis und Dank: „22 Du hast mir Antwort gegeben. 23 Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Versammlung dich loben.“ Und weiter heißt es: „25 Denn er hat nicht verachtet, nicht verabscheut des Elenden Elend. Er hat sein Angesicht nicht verborgen vor ihm; er hat gehört, als er zu ihm schrie.“ Jesus stirbt im absoluten Vertrauen, dessen sind sich die frommen Juden gewiss, die unter seinem Kreuz stehen.
Ich habe gestern erklärt, dass die Todesursache bei der Kreuzigung entweder Erstickung oder ein Herzleiden ist. Welchem Herzleiden genau könnte Jesus erlegen haben? Als Herzleiden wird unter anderem ein Herzinfarkt vermutet, nicht selten einhergehend mit einer Myokardialruptur, dem Riss im Herzen. Es wird manchmal angenommen, dass die Ansammlung von Blut im Pericardium, im Herzbeutel, durch eine solche Ruptur überhaupt erst erfolgt. Diese These wird oft bestritten und am wahrscheinlichsten angenommen, dass ein Gekreuzigter an einem Schock verstirbt – entweder dem hypovolämischen Schock oder einem traumatischen Schock durch Schläge und Misshandlungen. Ein wichtiger Hinweis für ersteres stellt Jesu Aussage am Kreuz dar, wie Johannes uns überliefert: „Mich dürstet!“ (Joh 19,28). Der immense Flüssigkeits- und Blutverlust seit der Hämathidrose am Ölberg sorgte bei Jesus für ein quälendes Durstgefühl, denn der Körper versuchte, diesen Verlust zu kompensieren. Unter traumatischem Schock verstehen wir nicht ein psychisches Leiden, sondern die physischen Folgen von Schlägen. Das kann innere Blutungen oder andere Verletzungen betreffen, die vor allem durch die Geißelung entstanden sind, beispielsweise im Lungenbereich durch die Schläge auf den Brustkorb. Entweder durch den hypovolämischen oder traumatischen Schock kommt es letztendlich zur Erstickung beziehungsweise zum Herzversagen. Die Aussage des Evangelisten, dass Jesus seinen Geist aushaucht, könnte man in diese Richtung interpretieren. Zur These des Herzleidens: Jesu Aufschrei am Kreuz, wie wir bei Mk gehört haben, ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht durch eine Ruptur des Herzens hervorgerufen worden, sondern durch den Schmerz, der mit der Entzündung des Herzbeutels, einer sogenannten Pericarditis einherging. Würde ein moderner Mediziner Jesu Tod offiziell feststellen, würde er am ehesten als Todesursache formulieren: Herz- und Atemstillstand aufgrund eines hypovolämischen und traumatischen Schocks durch Kreuzigung.
Es gibt Menschen, die Jesu Tod leugnen, die sagen, dass Jesus nicht wirklich gestorben sei. Dabei beweist uns Johannes in seiner Beschreibung, dass Jesus wirklich tot war: Johannes überliefert uns, dass ein Soldat mit der Lanze in seine Seite stach und Blut und Wasser hervorkamen. Diesen Umstand kann man medizinisch erklären: Ich habe ja bei der Beschreibung des Kreuzigungsprozesses erklärt, dass sich das Blutplasma vom Rest des Blutes ablöst. Im Sterbeprozess zerlegt sich das Blut gleichsam in seine Einzelteile. Als nun der Soldat ins Herz Jesu stach, sahen die Menschen unter dem Kreuz, zu denen auch Johannes gehörte, wie Blut und Wasser getrennt aus dem Herzen kamen. Die klare Flüssigkeit, die er als Wasser bezeichnet, ist das Blutplasma des Herzbeutels, das sich dort angesammelt hat. Seine Beobachtung beweist, dass Jesus zu dem Zeitpunkt des Lanzenstichs bereits tot ist. Sein Kreislauf ist einige Zeit zuvor zum Stillstand gekommen. Diese Seitenwunde Jesu mit getrenntem Serum und roten Blutkörperchen ist auch auf dem Turiner Grabtuch festgestellt worden.
Wie tiefgründig ist es doch, dass Jesus am wahrscheinlichsten einem Herzleiden erlag. Auch dieser Umstand schließt den Kreis der Heilsgeschichte. Benedikt XVI schreibt: „Für die Seite Jesu, die geöffnet wird, hat Johannes genau das Wort verwendet, das in der Schöpfungsgeschichte bei dem Bericht von der Erschaffung Evas steht, wo wir gewöhnlich ‚Rippe‘ Adams übersetzen. Johannes macht auf diese Weise deutlich, dass Jesus der neue Adam ist, der in die Nacht des Todesschlafes hinuntersteigt und in ihr den Anfang einer neuen Menschheit eröffnet. Aus seiner Seite, aus dieser in der liebenden Hingabe geöffneten Seite kommt eine Quelle heraus, die die ganze Geschichte befruchtet. Aus der Todeshingabe Jesu strömen Blut und Wasser, Eucharistie und Taufe als Quell einer neuen Gemeinschaft.“

Hier gelangen Sie zur Auslegung der Osternachts-Lesungen: https://magstrauss.com/2022/04/16/osternacht-3/

Ihre Magstrauss

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