Gen 19,15-29; Ps 26,2-3.9-10.11-12; Mt 8,23-27
Gen 19
15 Als die Morgenröte aufstieg, drängten die Engel Lot zur Eile und sagten: Auf, nimm deine Frau und deine beiden Töchter, die hier sind, damit du nicht wegen der Schuld der Stadt hinweggerafft wirst!
16 Da er noch zögerte, fassten die Männer seine Hand, die Hand seiner Frau und die Hand seiner beiden Töchter, weil der HERR mit ihm Mitleid hatte. Sie führten ihn hinaus und ließen ihn erst draußen vor der Stadt los.
17 Während die Männer sie hinaus ins Freie führten, sagte der eine: Rette dich, es geht um dein Leben! Sieh dich nicht um und bleib im ganzen Umkreis nicht stehen! Rette dich ins Gebirge, sonst wirst du weggerafft!
18 Lot aber sagte zu ihnen: Nicht doch, mein Herr!
19 Siehe, dein Knecht hat Gnade in deinen Augen gefunden. Du hast mir große Gunst erwiesen und mir mein Leben bewahrt. Ich kann mich nicht ins Gebirge retten, ohne dass mich das Unheil vorher ereilt und ich sterben muss.
20 Siehe doch, die Stadt in der Nähe, dorthin könnte man fliehen. Sie ist doch klein; dorthin kann ich mich retten. Ist sie nicht klein? So könnte ich am Leben bleiben.
21 Er antwortete ihm: Siehe, auch das will ich dir gewähren und die Stadt, von der du sprichst, nicht zum Einsturz bringen.
22 Schnell, rette dich dorthin; denn ich kann nichts unternehmen, bevor du dort angekommen bist. Deshalb gab er der Stadt den Namen Zoar, die Kleine.
23 Als die Sonne über dem Land aufgegangen und Lot in Zoar angekommen war,
24 ließ der HERR auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, vom HERRN, vom Himmel herab.
25 Er ließ ihre Städte einstürzen mitsamt ihrem ganzen Umkreis, auch alle Einwohner der Städte und alles, was auf den Feldern wuchs.
26 Als sich aber seine Frau hinter ihm umblickte, wurde sie zu einer Salzsäule.
27 Am frühen Morgen begab sich Abraham an den Ort, an dem er dem HERRN gegenübergestanden hatte.
28 Er schaute gegen Sodom und Gomorra und auf das ganze Gebiet im Umkreis. Er schaute hin und siehe: Qualm stieg von der Erde auf wie der Qualm aus einem Schmelzofen.
29 Als Gott die Städte der Gegend vernichtete, gedachte Gott Abrahams und geleitete Lot mitten aus der Zerstörung heraus, während er die Städte, in denen Lot gewohnt hatte, einstürzen ließ.
Der Kontext der heutigen Lesung ist der Besuch der drei Engel, die zuvor Abraham besuchten und seinen Sohn ankündigten, in Sodom und Gomorrha bei Lot. Als sie in die sündige Stadt Sodom hinabkamen, um zu schauen, ob das Klagegeschrei dem Tun entsprach, kündigte Gott Abraham die Zerstörung der Stadt an, sodass dieser einen Feilschungsprozess vornahm. Gott war bereit, mit Abraham, der hier als Fürsprecher fungiert – wohl wegen seines Neffen Lot – entgegenzukommen. Doch es fanden sich nicht einmal zehn Gerechte in der Stadt. Deshalb sollte der Untergang dennoch kommen. Als die Männer bzw. Engel bei Lot unterkamen, drängten die Bewohner der Stadt zu dessen Haus, um die Engel für ihre Schandtaten aus dem Haus zu bekommen. Dabei offenbarte sich ein großes Bedürfnis für Gastfreundschaft vonseiten des Gastgebers, sodass er – für uns befremdlich – sogar bereit gewesen wäre, seine Töchter auszuliefern. Lot verhielt sich nicht so, weil ihm seine Töchter egal gewesen wären, sondern weil er erkannte, dass die Männer von Gott gesandt waren. Als diese sahen, was Lot an Gewalt auf sich nahm, um sie zu beschützen, schlugen sie die Bewohner der Stadt mit Blindheit, bevor sie die Familie Lots zur Flucht drängten.
Von dieser Flucht hören wir heute in der Lesung. Die Männer bläuen Lots Familie ein, sich nicht mehr umzusehen und in die Berge zu flüchten bzw. gewähren sie ihnen, in die kleine Stadt, die deshalb Zoar genannt wird, zu flüchten. Da Lots Frau doch einen Blick wagt – es offenbart, dass sie in gewisser Hinsicht an der sündigen Stadt hängt – erstarrt sie zur Salzsäule. Dies wird nicht weiter kommentiert und es wird auch nicht beschrieben, was mit ihr gemacht wird. Der weitere Verlauf der Geschichte zeigt jedoch, dass man sie zurücklassen musste und weiter geflüchtet ist.
Zuvor werden wir Zeugen von Lots Ängstlichkeit. Weil er bei den Worten der Männer zögert, fassen diese ihn und seine Familienmitglieder bei der Hand. Seine Reaktion ergibt Sinn, weil er an ein städtisches Umfeld gewöhnt ist und Angst hat vor dem Versuch, in der Landschaft mit ihren Klippen und Höhlen südlich und östlich des Toten Meeres zu überleben.
Die Frau Lots erstarrt zur Salzsäule, weil sie sich entgegen des Verbots umgewandt hat. Erstens handelt es sich um einen Akt des Ungehorsams – sie tut, was ihr von göttlicher Seite verboten ist. Zweitens geht es nicht um das Erblicken der Stadt an sich, denn Abraham schaut am nächsten Morgen ja von Hebron aus ebenfalls darauf nieder, ohne zur Salzsäule zu erstarren. Es geht vielmehr darum, dass mit der Geste die Anhänglichkeit an die Stadt und somit die Sünde verbunden ist. Anstatt also endgültig mit dem Ort zu brechen, aus dem Lots Familie viel früher hätte gehen sollen, blickt sie nochmal zurück.
So ist es auch mit uns. Wenn wir aufgerufen sind, unser altes Leben mit seinen Schattenseiten zurückzulassen, sollen auch wir nicht mehr zurückschauen – in der Hinsicht, dass wir wirklich konsequent von der Sünde abkehren sollen, aber auch daran glauben dürfen, dass der Herr uns die Sünde wirklich vergeben hat. Alles andere ist eine Form von Misstrauen und mit einem solchen begann der Sündenfall im Garten Eden: „Hat Gott wirklich gesagt?“, so die Worte der Schlange zur Frau. Wir können die Frage umformulieren, aber das Misstrauen bleibt: „Hat Gott wirklich gesagt, dass ich mich nicht mehr umwenden darf? Passiert wirklich etwas, wenn ich einen Blick wage? Hat Gott wirklich meine Schuld vergeben?“
Ps 26
2 Erprobe mich, HERR, und durchforsche mich, prüfe mich auf Herz und Nieren:
3 Denn deine Huld stand mir vor Augen, in deiner Wahrheit ging ich meinen Weg.
9 Raff mich nicht hinweg mit den Sündern, mit den Blutmenschen nimm mir nicht das Leben!
10 An ihren Händen klebt Schandtat, ihre Rechte ist voll von Bestechung.
11 Ich aber gehe meinen Weg in Lauterkeit. Erlöse mich und sei mir gnädig!
12 Mein Fuß steht auf ebenem Grund. Den HERRN will ich in den Versammlungen preisen.
Als Antwort beten wir den Bittpsalm 26, der auch gezählt wird zu den individuellen Klageliedern. Wir können ihn uns sehr gut als Gebet Lots vorstellen, der in Notsituation zum Herrn schreit, womöglich aber auch als Gebet Abrahams, der zuvor für die Stadt Sodom eingestanden ist.
Gott soll den Beter auf Herz und Nieren prüfen, denn anscheinend ist er davon überzeugt, dass Gott nur Aufrichtigkeit finden wird. Dahinter steckt das Verständnis, dass Gott nicht nur auf die Worte des Beters achtet, sondern ebenfalls die Herzenshaltung berücksichtigt – sehr fortschrittlich, aber häufig der Fall bei Davidpsalmen! König David ist seiner Zeit immer wieder voraus, wenn er in seiner Intimität mit Gott das Entscheidende erkennt.
Wie so oft wird eine Bitte im Psalmenkontext mit dem vergangenen Verhalten des Beters oder mit bereits ergangenen Heilstaten Gottes begründet. So soll Gott den Beter erhören, weil dieser sich nichts hat zuschulden kommen lassen. David ist den Weg – also sein Leben – in der Wahrheit Gottes gegangen. Er hat also ganz konkret dessen Gebote gehalten. Das kann man auch von Abraham sagen, der diese Worte hätte in den Mund nehmen können, wenn die Psalmen schon zu seiner Zeit bestanden hätten.
Der Gerechte bittet Gott darum, nicht mit den Sündern dahingerafft zu werden. Deshalb passt der Psalm sowohl als Gebet Lots, der durch sein Verhalten gegenüber seiner Gäste bewiesen hat, dass er gerecht ist, als auch zu Abraham, dessen Gerechtigkeit in vielen Situationen offenbar geworden ist. Gott soll gerecht handeln und keine Kollektivschuld verhängen, vielmehr individuell auf Herz und Nieren schauen.
Diese Bitte ist verbunden mit dem Versprechen des Beters, den Weg in Lauterkeit zu gehen. Auf Lot bezogen haben wir das Schauen nach vorne vor Augen, ohne auf die sündige Stadt zurückzublicken. Wer einen sauberen Schnitt und einen radikalen Neuanfang vornimmt, beweist seine Aufrichtigkeit.
Der letzte Vers deutet bereits einen für Klagepsalmen typischen Umschwung an, denn der Beter verspricht gelübdeartig, Gott in den Versammlungen zu preisen, das heißt in der Liturgie. Es scheint, dass seine Gebete bereits erhört worden sind und er dementsprechend mit Lobpreis reagiert. Auch Lot kann sich freuen, denn Gott schenkt ihm einen Akt der Barmherzigkeit, indem dieser ihn vor der Zerstörung Sodoms bewahrt. Auch Abraham kann sich freuen, denn auch wenn er den Qualm der Stadt aufsteigen sieht, ist sein Neffe gerettet.
Mt 8
23 Er stieg in das Boot und seine Jünger folgten ihm nach.
24 Und siehe, es erhob sich auf dem See ein gewaltiger Sturm, sodass das Boot von den Wellen überflutet wurde. Jesus aber schlief.
25 Da traten die Jünger zu ihm und weckten ihn; sie riefen: Herr, rette uns, wir gehen zugrunde!
26 Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen? Dann stand er auf, drohte den Winden und dem See und es trat völlige Stille ein.
27 Die Menschen aber staunten und sagten: Was für einer ist dieser, dass ihm sogar die Winde und der See gehorchen?
Im Evangelium hören wir von der berühmten stürmischen Bootsfahrt Jesu und seiner Jünger. Vor längerer Zeit haben wir über diese Fahrt von einem Ufer zum anderen vierfach nachgedacht. Wir haben das Boot als die Kirche betrachtet, die auf dem See der Endzeit durch allerlei Stürme hindurch auf die Ewigkeit zusteuert. Es ist auch das Boot unseres Lebens, in dem wir durch die Stürme unseres Alltags hindurch auf das ewige Leben zusteuern, ebenso die gesamte Menschheitsgeschichte, die sich auf die Endzeit zubewegt, auf den Tag des Jüngsten Gerichts zu.
Entscheidend ist, dass Jesus mit im Boot ist. So kann das Boot nicht kentern, weder als Kirche Christi betrachtet, die die Mächte der Finsternis nicht überwältigen werden, noch als unser eigenes Leben betrachtet, in denen die Versuchungen des Teufels uns mit Jesu Beistand nichts anhaben können. Auch mit Blick auf das Ende der Zeiten und dem Gericht Gottes wird uns ein gutes Gerichtsurteil erwarten, wenn Jesus im Boot ist. Mit Blick auf die Lesung dürfen wir ergänzen, dass Gottes Beistand auch Lot und seiner Familie sicher ist, solange man ihm wirklich vertraut und sich nicht doch noch umwendet.
Wenn die schweren Stürme in unserem Leben kommen, vergessen wir manchmal, dass er da ist. Dann werden wir panisch, weil Wasser ins Boot läuft. Dann schreien wir zu Gott, dass er uns helfe und rütteln am schlafenden Jesus. Wir verstehen dann nicht, warum Gott so gelassen bleibt, obwohl die Situation so dramatisch erscheint. Das ist sowohl im kirchlichen Leben als auch im alltäglichen Leben des Einzelnen so. Wir haben den Eindruck, dass wenn ein Schisma droht, wenn Angriffe von innen und außen kommen, die Kirche untergehen wird. Dabei vergessen wir, dass dies nicht passieren kann. Jesus hat es uns versprochen und er wird uns auch helfen. Das ist auch so, wenn wir schlimmen Versuchungen ausgesetzt sind oder schwierige Probleme im Leben bekommen. Dann haben wir schnell den Eindruck, dass alles den Bach hinuntergeht. Wir schöpfen wie wild eimerweise das hineinlaufende Wasser aus und reagieren hektisch, unüberlegt. Genau dies möchte der Teufel auch, er will uns verrückt machen, dass wir die Orientierung verlieren. Dabei müssen wir dann erst recht ruhig bleiben, uns besinnen und uns an Christus wenden. Wenn wir Versuchungen ausgesetzt sind, sollen wir beten, Kontakt zu Gott suchen. Er wird sie vertreiben. Er muss nur ein Wort sagen und alles wird verwandelt werden. Wir sollen auf Gott vertrauen und seinen Worten glauben, wenn er sagt: Es wird euch nichts passieren. Wie oft machen wir die Erfahrung, dass wir uns vornehmen, unsere Beziehung zu Gott zu vertiefen und ihn besser kennen lernen zu wollen. Dann kommen tausend Ablenkungsmanöver durch die alltäglichen Sorgen, Probleme und Zwischenfälle. Wir werden davon so abgelenkt, dass wir weder die Zeit noch die Kraft, noch den Gedanken übrig haben, unser ursprüngliches Vorhaben in die Tat umzusetzen. Es sind die typischen Schachzüge des Teufels, uns von Gott wegzuziehen. Wenn im Alltag so viele Probleme auftauchen und uns wieder aufzufressen versuchen, seien wir uns dann bewusst, wer eigentlich dahintersteckt. Trotzen wir ihm, indem wir uns dann gerade an Gott klammern, uns dann gerade mehr Zeit zum Beten nehmen und vor allem noch mehr die Sakramente in Anspruch nehmen, häufiger beichten, häufiger die Kommunion empfangen. Dann tun wir dadurch genau das, was die Jünger Jesu auch tun – mit dem Wasserschöpfen aufhören und Jesus wecken. Mit seiner Hilfe wird uns alles gelingen.
Ihre Magstrauss
