Samstag der 13. Woche im Jahreskreis

Gen 27,1-5.15-29; Ps 135,1-2.3-4.5-6; Mt 9,14-17

Gen 27
1 Als Isaak alt geworden und seine Augen zu schwach waren, um noch etwas zu sehen, rief er seinen älteren Sohn Esau und sagte zu ihm: Mein Sohn! Er antwortete: Hier bin ich.
2 Da sagte Isaak: Sieh! Ich bin alt geworden. Ich weiß nicht, wann ich sterbe.
3 Nimm jetzt dein Jagdgerät, deinen Köcher und deinen Bogen, geh aufs Feld und jag mir ein Wild!
4 Bereite mir dann ein leckeres Mahl, wie ich es gern mag, und bring es mir! Dann will ich essen, damit meine Lebenskraft dich segne, bevor ich sterbe.
5 Rebekka hatte gehört, was Isaak seinem Sohn Esau gesagt hatte. Als Esau zur Jagd aufs Feld gegangen war, um ein Wild zu jagen und herbeizuschaffen,
15 holte Rebekka die kostbaren Gewänder ihres älteren Sohnes Esau, die bei ihr im Haus waren, und zog sie ihrem jüngeren Sohn Jakob an.
16 Die Felle der Ziegenböckchen legte sie um seine Hände und um seinen glatten Hals.
17 Dann gab sie das leckere Essen und das Brot, das sie zubereitet hatte, ihrem Sohn Jakob in die Hand.
18 Er ging zu seinem Vater hinein und sagte: Mein Vater! Er antwortete: Hier bin ich! Wer bist du, mein Sohn?
19 Jakob entgegnete seinem Vater: Ich bin Esau, dein Erstgeborener. Ich habe getan, wie du mir gesagt hast. Setz dich auf, iss von meinem Wildbret, damit deine Lebenskraft mich segne!
20 Da sagte Isaak zu seinem Sohn: Wie hast du nur so schnell etwas finden können, mein Sohn? Er antwortete: Der HERR, dein Gott, hat es mir entgegenlaufen lassen.
21 Da sagte Isaak zu Jakob: Komm näher heran! Ich will dich betasten, mein Sohn, ob du wirklich mein Sohn Esau bist oder nicht.
22 Jakob trat zu seinem Vater Isaak hin. Isaak betastete ihn und sagte: Die Stimme ist zwar Jakobs Stimme, die Hände aber sind Esaus Hände.
23 Er erkannte ihn nicht, denn Jakobs Hände waren behaart wie die seines Bruders Esau, und so segnete er ihn.
24 Er fragte: Bist du es, mein Sohn Esau? Er sagte: Ich bin es.
25 Da sagte Isaak: Bring es mir! Ich will von dem Wildbret meines Sohnes essen, damit dich meine Lebenskraft segne. Jakob brachte es ihm und Isaak aß. Dann reichte er ihm auch Wein und Isaak trank.
26 Nun sagte sein Vater Isaak zu ihm: Komm näher und küss mich, mein Sohn!
27 Er trat näher und küsste ihn. Isaak roch den Duft seiner Gewänder, er segnete ihn und sagte: Siehe, mein Sohn duftet wie das Feld, / das der HERR gesegnet hat.
28 Gott gebe dir vom Tau des Himmels, / vom Fett der Erde, viel Korn und Most.
29 Völker sollen dir dienen, / Nationen sich vor dir niederwerfen. / Sei Herr über deine Brüder. / Die Söhne deiner Mutter sollen dir huldigen. / Verflucht, wer dich verflucht. / Gesegnet, wer dich segnet.

Heute hören wir eine ganz verrückte und zugleich spannende Geschichte. Nachdem Isaak in der gestrigen Lesung durch die Vorsehung Gottes seine Frau Rebekka bekam, wurden ihnen die Zwillinge Esau und Jakob geschenkt. Wie so oft sind die beiden Brüder so verschieden wie Tag und Nacht. Sie unterscheiden sich optisch, denn Esau ist bereits sehr behaart auf die Welt gekommen im Gegensatz zum Fersenhalter Jakob. Auch ihre Interessen liegen in unterschiedlichen Bereichen: Während Esau sich für die Jagd interessiert und viel umherschweift, ist Jakob eher der Tugendhafte, der sich bei den Zelten aufhält und kocht. Isaak liebt Esau für seine Wildheit, Rebekka aber bevorzugt den sanften Jakob. Die Zwillinge wurden geboren, als Isaak bereits sechzig Jahre alt war, deshalb ist er in der heutigen Episode auch so hochbetagt und so gut wie blind.
Was wir heute hören, ist eigentlich eine unerhörte Geschichte. Als die Kinder noch im Mutterleib sind, wird Rebekka verheißen, dass die beiden zwei Völker begründen, die sich nicht vertragen und dass der Ältere dem Jüngeren weichen müsse. Das ist insofern unerhört, weil zu jener Zeit der besondere väterliche Segen eines Patriarchen auf den erstgeborenen Sohn übergeht. Zu jener Zeit gibt es noch keinen zentralen Kult, sondern die Verehrung Gottes erfolgt in stämmischen und familiären Einheiten. Der Patriarch einer Familie bringt Opfer dar, nimmt gleichsam eine priesterliche Rolle ein und hält Fürsprache für seine ihm Anvertrauten. Diese Aufgabe wird dann dem Erstgeborenen übertragen, zu dem der Vater eine besondere Beziehung hat und der vermittelt zwischen dem Patriarchen und dem Rest der Familie. Wenn Rebekka also verheißen wird, dass hier eine Ausnahme vorliegt, fällt das besonders auf.
Isaak spürt, dass er dem Tode nahe ist. Er bittet seinen Sohn Esau um ein selbst gejagtes und zubereitetes Wild, bevor er ihm den Erstgeburtssegen verleiht. Rebekka bekommt dies mit und plant einen Hinterhalt, weil sie Gottes Verheißung kennt. Ihre Listigkeit ist eine Eigenschaft, die Jakob von ihr geerbt hat, denn im Laufe seines Lebens kommt dies auch bei ihm durch. Rebekka greift Gott im Grunde unter die Arme, was eigentlich zu kritisieren ist. Wenn es Gottes Plan ist, wird dieser alles in die Wege leiten, dass Jakob den Erstgeburtssegen erhält. Zuvor gibt es schon eine Episode, in der Esau seinem Bruder das Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht verkauft und feierlich verspricht, dass Jakob diesen erhalten darf. Es heißt, dass Esau von diesem Segen ohnehin nichts hält.
All dies scheint in der Zwischenzeit vergessen, denn Esau macht sich auf die Jagd, wie der Vater sich wünscht. In seiner Abwesenheit holt Rebekka die Kleidung des Älteren hervor, damit Jakob diese anziehe und insbesondere um die Arme und den Hals lege. Isaak soll denken, dass Jakob Esau ist. So geht er mit dem zubereiteten Mahl zu seinem Vater hinein und gibt sich als Esau aus, was der Vater auch zu glauben scheint, denn er erfühlt die Felle an Jakob, sodass er meint, seinen behaarten Erstgeborenen vor sich zu haben.
Ganz so überzeugt scheint der alte Mann aber doch nicht, denn ihm kommt die Stimme dennoch vor wie die seines zweiten Sohnes. Deshalb fragt er noch einmal nach, segnet dennoch Jakob und überträgt seine besondere priesterliche Rolle auf den Jüngeren. Wir müssen bei diesem Ritus folgendes beachten: Jakob trägt nicht nur deshalb die Kleidung seines Bruders Esau, damit der Vater ihn nicht erkennt, sondern weil die Kleidung priesterliche Funktion besitzt: Es handelt sich um liturgische Gewandung, so wie später auch bei Josef, der von seinem Vater Jakob dann ein langes Gewand und somit das Erstgeburtsrecht erhält und dafür von seinen anderen Brüdern gehasst werden wird.

Ps 135
1 Halleluja! Lobt den Namen des HERRN, lobt ihn, ihr Knechte des HERRN,
2 die ihr steht im Haus des HERRN, in den Höfen des Hauses unseres Gottes!
3 Lobt den HERRN, denn der HERR ist gut! Singt und spielt seinem Namen, denn er ist schön!
4 Denn der HERR hat sich Jakob erwählt, Israel zu seinem Eigentum.
5 Ja, das habe ich erkannt, groß ist der HERR, unser Herr ist größer als alle Götter.
6 Alles, was dem HERRN gefällt, vollbringt er, im Himmel und auf Erden, in den Meeren und in allen Tiefen.

Als Antwort beten wir Psalm 135, einem Psalm aus der fünften Psalmengruppe, der ursprünglich zum Passahfest gesungen wurde, um der Befreiung Israels zu gedenken. Er beginnt wie so oft mit dem Hallelujaruf, der eine Lobpreisaufforderung in Kurzform darstellt: Preist Jahwe!
Dies wird sogleich von einer weiteren Lobaufforderung aufgegriffen und wir merken, dass es ein liturgischer Psalm ist. Eine Gruppe wird direkt angesprochen, nämlich die „Knechte des HERRN“. Es geht um die Pilger, die zum Passahfest nach Jerusalem gekommen sind, die stehen „im Haus des HERRN“ und „in den Höfen des Hauses unseres Gottes“. An drei großen Festen kommen die Juden nach Jerusalem, um Gott im Tempel anzubeten und Opfer darzubringen. Auch der Hinweis, „für Gott zu singen und zu spielen“, ist ein Hinweis auf den liturgischen Charakter des Psalms. Instrumentale Begleitung ist typisch für die Anbetung am Tempel.
Gott ist gut, deshalb ist er stets anbetungswürdig. Das ist grundsätzlich so, aber oft wird in den Psalmen auch konkret aufgelistet, was Gottes große Heilstaten sind. So wird hier erwähnt, dass Gott Jakob erwählt hat in der heilsgeschichtlichen Fortführung seiner Verheißung. Dieser bekommt später den Namen Israel, deshalb wird dieser direkt im Anschluss an den Namen Jakob genannt. Jakob bzw. Israel als Einzelperson, aber auch als Begründer des Zwölfstämmebundes ist hier gemeint, wenn es heißt: „Denn der HERR hat sich Jakob erwählt, Israel zu seinem Eigentum.“ Er und seine Nachkommen sind Gottes Eigentum durch die Bundesbeziehung, die sie mit Gott eingehen werden. Der Psalm bestätigt, dass die Verheißung eines großen Bundesvolks, das unzählbar ist, wie Gott wiederholt dem Abraham ankündigte, über Jakob verlaufen sollte, nicht über Esau, obwohl dieser der ältere Bruder ist. Gott ist allmächtig und alles, was sein Wille ist, wird realisiert, auf welchen Wegen auch immer.

Mt 9
14 Da kamen die Jünger des Johannes zu ihm und sagten: Warum fasten deine Jünger nicht, während wir und die Pharisäer fasten?
15 Jesus antwortete ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam weggenommen sein; dann werden sie fasten.
16 Niemand setzt ein Stück neuen Stoff auf ein altes Gewand; denn der neue Stoff reißt doch wieder ab und es entsteht ein noch größerer Riss.
17 Auch füllt man nicht jungen Wein in alte Schläuche. Sonst reißen die Schläuche, der Wein läuft aus und die Schläuche sind unbrauchbar. Jungen Wein füllt man in neue Schläuche, dann bleibt beides erhalten.

Im Evangelium geht es um die Gegenwart Gottes mitten unter den Menschen und die Folgen für die Fastenpraxis: Die Johannesjünger kommen zu Jesus und fragen ihn, warum seine Jünger nicht fasten wie sie selbst und auch die Pharisäer. Diese Fragestellung beweist bereits, dass sie Jesus als Messias noch nicht erkannt haben. Warum fasteten denn die anderen Gruppen? Es ging um eine Bußhaltung in Vorbereitung auf den Messias. Warum sollte man dies aber tun, wenn er bereits gekommen ist?
Und genau dies versucht Jesus nun mit einem ihnen bekannten Code zu verdeutlichen: „Können denn die Hochzeitsgäste trauern, solange der Bräutigam bei ihnen ist?“ Die bräutliche Sprache ist den Johannesjüngern allzu bekannt. Sie durchzieht das gesamte Alte Testament und verbildlicht das Verhältnis Gottes zu Israel. Und der Täufer selbst hat seinen Jüngern an anderer Stelle erklärt: „Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabeisteht und ihn hört, ist voller Freude über die Stimme des Bräutigams. Diese Freude hat sich nun bei mir vollendet. (Joh 3,29)“ Das heißt, dass sie durch die Bräutigamsmetapher genau wissen, dass Jesus hier einen messianischen Code durchsickern lässt. Für sie ist klar: Weil der Messias jetzt da ist, ist die Zeit der Freude gekommen, für die die Johannesjünger und auch andere religiöse Gruppen der Zeit lange gefastet haben. Jetzt ist also das Fasten vorbei und wer dennoch weiterfastet, glaubt nicht an die Messianität Jesu.
Jesus macht zugleich eine Leidensankündigung, weil er sagt, dass er der Braut genommen wird. Dann wird die Zeit der Trauer und des Fastens kommen. Wie kann das sein? Er spricht doch schon von Hochzeit? Warum wird diese dann unterbrochen? Jüdische Hochzeiten sind ein längerer Prozess, bei dem die Verlobung schon ein Teil davon ist. Zwischen der Verlobung und der eigentlichen Heirat kann eine Zeitspanne bestehen. Vor diesem Hintergrund verstehen wir das erste Kommen Christi als Verlobung, während mit dem zweiten Kommen Christi am Ende der Zeiten die eigentliche Hochzeit kommt. In der Johannesoffenbarung ist deshalb für die Endzeit der Begriff „Hochzeit des Lammes“ vorherrschend. Der Bräutigam wird der Braut also genommen und sie muss auf seine Rückkehr warten. Die Kirche durchläuft eine Zeitspanne bis zur Rückkehr ihres Bräutigams Jesus am Ende der Zeiten. Und dann möge sie bereit sein „wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat“ (Offb 21,2).
In dieser Zeitspanne ist dann wieder eine Zeit des Fastens gekommen, das meint die Vorbereitung und auch die Buße der Braut, damit sie geheiligt werde und sich schmücke. Das reine weiße Leinen in Offb 19 kommt nicht von ungefähr.
Jesus kommt noch auf etwas Anderes zu sprechen: „Niemand setzt ein Stück neuen Stoff auf ein altes Gewand“, denn dann reißt es ein und der Schaden ist noch größer. Dasselbe umschreibt er noch mit einem anderen Bild: „Auch füllt man nicht jungen Wein in alte Schläuche“, weil davon die Schläuche reißen. Der vergossene Wein stellt eine Verschwendung dar. Mit beiden Bildern möchte er verdeutlichen, dass das Neue – der Stoff und der Wein – auch einen ganz neuen Rahmen brauchen – gänzlich neuen Stoff und neue Schläuche. Warum kommt Jesus plötzlich darauf zu sprechen? Dies ist vor allem heilsgeschichtlich zu verstehen. Die gefallene Schöpfung muss ganz auf Null gesetzt werden, damit die neue Schöpfung sich ganz durchsetzen kann. Christologisch heißt es, dass erst der Tempel seines Leibes ganz niedergerissen werden muss – er ist gleichsam geschächtet worden wie ein Opferlamm bis auf den letzten Blutstropfen! Dann in drei Tagen wurde er wieder aufgebaut. In der Taufe müssen wir zuerst unseren ganzen alten Menschen ablegen, damit wir im Geist neugeboren werden können. Und Paulus hat uns immer wieder erklärt, dass durch die Taufe der Mensch nicht mehr so sein kann wie früher. Und wenn er es versuchen würde und die Sünden seines Lebens vor der Taufe begehen würde, verschwinde die Taufgnade ganz. Er würde damit nicht nur dem ewigen Tod durch die Erbsünde geweiht sein, sondern auch noch sehr streng von Gott gerichtet werden, denn er hat die Wahrheit ja erkannt und gläubig angenommen, ist aber von ihr dennoch abgefallen. Der „Riss“ ist größer als zuvor, um es mit Jesu erstem Bild auszudrücken. Am intensivsten wird dieser Gedankengang in der anagogischen Lesart: Wenn Gott die alte Schöpfung ganz zerfallen lässt, wird er den neuen Himmel und die neue Erde schaffen. Da ist eine Rückkehr zur alten Schöpfung gar nicht mehr möglich. Zuerst muss alles auf Null gesetzt werden – in jeglicher Hinsicht. Dann kann Gott sein Heil schenken. Das möchte Jesus nun auch den Johannesjüngern erklären: Sie müssen das alte Denken ganz ablegen. Es ist eine neue Zeit angebrochen, denn der Messias ist mitten unter ihnen. Alle Menschen sollen nun radikal umkehren, damit sie die Erlösung erfahren können, die er ihnen erweisen will. Da kann der Pharisäer nicht mehr ein wenig an der heilsgeschichtlichen Etappe vor dem Kommen des Messias festhalten, weil er sich nun in der Etappe der messianischen Zeit befindet. Dann kann er nicht mehr in Erwartung des Messias leben, weil dieser schon da ist. Er kann dann nicht „geistlos“ und „fleischlich“ die Torah lehren, wenn Jesus die Torah mit seiner Person erfüllt. Und auch die Johannesjünger müssen sich des richtigen Timings nun bewusst werden. Die Verlobung läuft schon, sie sollten daran teilnehmen und nicht noch an den alten Schläuchen der Vorbereitung darauf festhalten. Sie sollen sich das Festgewand der Verlobung anziehen und nicht an dem vorherigen Bußgewand, dem alten Stoff, festhalten.
Wir sehen also, dass es sich nicht um zwei verschiedene Worte Jesu handelt, sondern die Bräutigamsrede und die beiden Metaphern von Stoff und Weinschlauch gehören zuinnerst zusammen. Der Wein gehört zur Hochzeit und ist Symbol der Freude. Auf einer Hochzeit kleidet man sich in ein festliches Gewand, das dem freudigen Anlass angemessen ist.

Ihre Magstrauss

Hinterlasse einen Kommentar