Jes 42,5a.1-4.6-7; Ps 29,1-2.3ac-4.9b-10; Apg 10,34-38; Mt 3,13-17
Jes 42
5 So spricht Gott, der HERR:
1 Siehe, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Nationen das Recht.
2 Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen.
3 Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht.
4 Er verglimmt nicht und wird nicht geknickt, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf seine Weisung warten die Inseln.
6 Ich, der HERR, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen,
7 um blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und die im Dunkel sitzen, aus der Haft.
Heute ist das Fest der Taufe des Herrn. Deshalb lesen wir aus dem Buch Jesaja einen Abschnitt, der die Taufe Jesu im Jordan vorausdeutet, vor allem theologisch. Wir werden gleich im Matthäusevangelium die Zusage des Vaters an seinen Sohn lesen, die hier in Jesaja bereits ertönt: „Das ist mein Knecht“ und „an ihm finde ich Gefallen“. Diese Aussagen werden im Evangelium aufgegriffen und weiterentwickelt – es ist nicht mehr der Knecht, sondern der Sohn. Es wird zwischen Jes 42 und Mt 3 eine typologische Brücke ersichtlich, die wir uns im Folgenden genauer anschauen:
Dieser Abschnitt, den wir heute lesen, ist aus dem ersten Gottesknechtslied. Die Gottesknechtslieder sind eine Textgruppe innerhalb des Buches Jesaja, die ohne die christologische Interpretation rätselhaft bleiben: Es ist unklar, ob wörtlich-historisch gesehen eine Versinnbildlichung eines Kollektivs wie das Volk Israel gemeint ist oder eine konkrete Einzelperson wie ein König (z.B. der Perserkönig Kyros) oder ein bestimmter Prophet. In dieser Linie lesen wir das erste Gottesknechtslied so: Erwählt ist entweder der König oder der Prophet und dadurch mit einer besonderen Autorität ausgestattet. Er ist dadurch von Gott gewollt (, deshalb hat Gott Gefallen an ihm). Wir lesen zudem immer wieder, dass die Propheten des Alten Testaments mit dem Geist Gottes begabt sind: Sie prophezeien, haben Visionen, können Wunder bewirken. Im Anschluss klingt es wiederum königlich: Wie z.B. in Ps 72, den wir in den letzten Tagen mehrfach gebetet haben, wird ein Herrscher ersehnt, der Recht verschafft. Interessant ist aber auch hier wie im Psalm, dass es um eine umfassende Herrschaft geht, die nicht mehr auf das auserwählte Volk beschränkt ist: Das Recht wird den Nationen verschafft ( לַגֹּויִ֥ם lagojim, den nichtjüdischen Völkern!). Es steht noch aus, was durch die Zukunftsform יֹוצִֽיא jozi „er wird bringen“ verdeutlicht wird.
Dieser Knecht ist still. Er ist nicht spektakulär. Die hier genannten Verben für „er schreit nicht“, „er lärmt nicht“ und „er lässt nicht erschallen“ gehen in der deutschen Übersetzung etwas unter. Es handelt sich nämlich wiederum um Zukunftsformen. Diese auftretende Persönlichkeit ist noch nicht da, auch für jüdische Ohren. Ihr Handeln wird jedenfalls auf die Zukunft hin verstanden. Dieser Gottesknecht wird retten, was nur noch am seidenen Faden hängt, statt dieses bisschen Gebliebene aufzugeben (geknicktes Rohr, glimmender Docht). Das wird der Ausdruck einer echten Gerechtigkeit sein. Wir verstehen all diese Worte in ihrer Tiefe, wenn wir sie auf denjenigen beziehen, mit dem sich das alles erfüllt hat: Jesus Christus. Er ist wirklich der Gerechte, der gekommen ist, der keinen Wirbel um sich gemacht hat, indem er sich selbst gefeiert hat. Er hat auch die Massen nicht zu einem politischen Aufruhr animiert. Er ist auf die Sünder zugegangen, deren Gottesbeziehung auf ganz dünnem Eis stand, und als er mit ihnen fertig war, brannten sie für Gott mehr als die selbstgerechten Söhne Israels. Er brachte wirklich das Recht, vor allem für die Ausgegrenzten und Armen.
Die Weisung, auf die die Inseln warten, ist historisch-wörtlich mit einem Fragezeichen zu versehen: Im Hebräischen steht וּלְתֹורָתֹ֖ו uletorato, das heißt der Begriff der Torah fällt an dieser Stelle. Diese ist aber schon mit Mose gegeben worden, weshalb auf sie nicht mehr gewartet werden muss. Es heißt jedoch „die Inseln“. Damit sind im AT v.a. bei poetischen Texten immer „die Enden der Erde“ gemeint. Die Torah ist ja den Juden gegeben und nicht der ganzen Welt. Hier wird schon die Verheißung angedeutet, dass alle Menschen weltweit die Weisung erhalten werden. Noch ein Detail an dieser Aussage verwundert: Es heißt „seine“ Weisung. Es wird jemand kommen, mit dessen Person die Torah zusammenhängen wird. Das kann weder ein König noch ein Prophet sein. Selbst Mose ist lediglich Vermittler der Torah, ohne dass seine Person mit den Geboten Gottes zusammenhängt. Dieser Vers macht also nur vollends Sinn, wenn wir die tiefere Bedeutung dahinter berücksichtigen: Jesus ist gekommen, um das Gesetz zu erfüllen. Dieses hängt ganz und gar mit seiner Person zusammen. „Seine“ Weisung ist insofern „seine“, als er sie im Sinne seines Vaters auslegt und mit seiner eigenen Person erfüllt. Auf diese Weisung warten die Inseln zurzeit des ersten Gottesknechtsliedes, aber wir schauen schon rückblickend darauf. Jesus hat das Evangelium, die frohe Botschaft, für die ganze Menschheit verkündet und vor seinem Heimgang zum Vater seinen Jüngern aufgetragen, dieses universale Heil allen Menschen zu verkünden „bis an die Enden der Erde“, also auch „den Inseln“.
Der Vater hat seinen Sohn aus Gerechtigkeit gerufen – weil Gott uns so sehr liebt, hat er von Anfang an in seinem Heilsplan die Hingabe seines einzigen Sohnes eingeplant. Dieser Messias wird zugleich “ zum Bund mit dem Volk“ (לִבְרִ֥ית עָ֖ם livrit am) und “ zum Licht für die Völker (לְאֹ֥ור גֹּויִֽם le’or gojim). Jesu heilsgeschichtliche Bedeutung ist 1. der Mittler des Neuen Bundes mit dem Volk Israel (am) und 2. ebenso mit den Heiden (gojim)!
Der Gottesknecht, mit dem der Messias gemeint ist, wird Blinden die Augen öffnen – wortwörtlich mit Menschen wie Bartimäus, aber auch im übertragenen Sinne – die Augen des Glaubens mit all denen, die durch seine Worte und Taten zum Glauben an ihn kommen. Dieser Messias wird Gefangene befreien, die im Kerker sitzen. Das meint nicht nur das Volk Israel, das in der babylonischen Gefangenschaft ist, oder später das Volk unter römischer Fremdherrschaft. Es meint die Gefangenschaft der Sünde, die den Menschen in die Dunkelheit reißt, in das Verderben. Jesus ist gekommen, um uns von der Erbsünde zu befreien, damit wir das Himmelreich erben können. Dies geschieht bis heute durch die Taufe, durch die wir zu Kindern Gottes werden. Das wird im Evangelium noch wichtig.
Ps 29
1 Ein Psalm Davids. Bringt dar dem HERRN, ihr Himmlischen, bringt dar dem HERRN Ehre und Macht!
2 Bringt dar dem HERRN die Ehre seines Namens, werft euch nieder vor dem HERRN in heiliger Majestät!
3 Die Stimme des HERRN über den Wassern, der HERR über gewaltigen Wassern.
4 Die Stimme des HERRN voller Kraft, die Stimme des HERRN voll Majestät.
9 In seinem Palast ruft alles: Ehre!
10 Der HERR thronte über der Flut, der HERR thronte als König in Ewigkeit.
Der Lobpsalm, den wir heute lesen, greift wichtige Motive auf, die wie das Gottesknechtslied auf Jesus verweisen. Er beginnt ganz typisch für die Psalmen mit einem Aufruf zum Lobpreis: „bringt dar (…) Ehre und Macht!“ Interessant ist dabei, dass David diese Aufforderung an die „Himmlischen“ richtet, wörtlich steht hier im Hebräischen „den Söhnen Gottes“. Gemeint sind die Engel im Himmel. Diese sollen Gott Ehre und Macht darbringen, wie es Johannes in der Offb und auch schon zuvor die Propheten des Alten Testaments in Himmelsvisionen gesehen haben. Die beiden Begriffe der Ehre und der Macht werden sowohl in der Septuaginta (der griechischen Übersetzung des AT) als auch im NT z.B. in der Offb zum Begriffspaar und dort jeweils mit δόξα doxa und τιμή time übersetzt. Es geht hier um den ewigen Lobpreis der himmlischen Liturgie. König David wurden diese Worte wirklich eingegeben. Wie sonst konnte er solche himmlischen Dinge begreifen?
Auch der zweite Vers ist dazuzurechnen, in dem als kultische Handlung die Proskynese, das Niederfallen vor Gott, beschrieben wird. Das hebräische Verb הִשְׁתַּחֲו֥וּ hischtachavu wird ins Griechische mit προσκυνήσατε proskynesate übersetzt, was auch Johannes in der himmlischen Thronsaalvision (Offb 4-5) sieht.
Als nächstes kommen wir dem Fest der Taufe des Herrn sehr nahe: Es geht um die Stimme Gottes über den Wassern. Was ist damit gemeint? Wir erinnern uns zurück an den ersten Schöpfungsbericht, als der Geist Gottes über dem Wasser schwebte. Darauf spielt der Psalm an. Wir müssen uns grundsätzlich immer bewusst sein, dass alle 150 Psalmen die fünf Bücher Mose reflektieren. Der Psalter ist in fünf Psalmbücher aufgeteilt, die den fünf Büchern Mose zugeordnet werden. Wenn wir hier also Anspielungen an Genesis erkennen, ist das absolut im Sinne des Verfassers. Hier wird also auf die Bedeutung des Wassers beim Akt der Schöpfung hingewiesen. Gott thronte über der Flut – das meint nicht einfach nur etwas Geographisches, das meint ein Machtverhältnis: Die Flut ist in der Bibel immer etwas Bedrohliches. Das Meer wird wie die Wüste oft als Ort der Dämonen und der Gefahren verstanden, weshalb in Offb 21 die Aussage „auch das Meer ist nicht mehr“ einen Trost darstellt. Gott ist so mächtig, dass er dieses Element beherrscht, vor dem sich die Menschen so fürchten. In diesem Sinne thront er über den Wassern. Wir müssen an eine weitere Flut denken, wenn wir in die Genesis schauen – an die Sintflut. Diese ist die Konsequenz der Sünde der Menschheit. Noah und seine Familie werden aus den Fluten gerettet durch die Arche. Das wird noch wichtig bei der typologischen Verbindung zur Taufe Jesu im Jordan.
Ich möchte noch zum Schluss auf den Vers 9 eingehen, wo die Rede vom Palast ist. Das hebräische Wort הֵיכָל hechal heißt gleichzeitig „Palast“ und „Tempel“. Deshalb wird es ganz bewusst hier gewählt: Gottes himmlischer Thronsaal ist zugleich der Tempel, in dem die himmlische Liturgie stattfindet. Dazu gehört der Lobruf „Ehre“.
Apg 10
34 Da begann Petrus zu reden und sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht,
35 sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.
36 Er hat das Wort den Israeliten gesandt, indem er den Frieden verkündete durch Jesus Christus: Dieser ist der Herr aller.
37 Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat:
38 wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm.
Der Ausschnitt aus der Apostelgeschichte ist eine Episode, in der sich das erfüllt, was in der Lesung aus dem ersten Gottesknechtslied angekündigt worden ist: Der Knecht Gottes, der Messias, hat einen Bund mit den Juden und zugleich mit den Heiden geschlossen. Gott lehrt dies Petrus in dieser heutigen Episode, die folgenden Kontext besitzt: Ein römischer Hauptmann namens Kornelius, der Gottesfürchtiger ist (also Heide, der nach der jüdischen Ethik lebt, sich aber nicht beschneiden lässt), erhält in einer Vision den Befehl, Petrus holen zu lassen, der zugleich eine Vision von Gott erhält, dass was er vom Judentum her als unrein gekannt hat, in Gottes Augen nicht unrein ist. Gott rüttelt sozusagen an seinem ganzen jüdischen Weltbild. Es kommt alles so, wie es dem Hauptmann Kornelius und auch Petrus gesagt worden ist, sodass Petrus bei der Begegnung mit dem Hauptmann folgende Rede hält. Diese Ansprache hören wir im heutigen Abschnitt aus der Apostelgeschichte. Petrus „begreift“ Gottes Lektion: Nicht das „Ansehen der Person“ ist wichtig für Gott – man kann hinzufügen „bei der Rechtfertigung“ -, sondern der gelebte Glaube. Konkret heißt das: Nicht derjenige wird dadurch gerecht vor Gott, dass er als Jude geboren ist, beschnitten ist und die Torah hält, sondern derjenige, der Gottesfurcht hat, an Gott glaubt und dies durch das Halten seiner Gebote beweist. Es nicht wichtig, ob die Person Jude oder Heide ist. Gott sind Menschen „aus jedem Volk“ willkommen! Das ist der neue Bund, den Petrus erst einmal begreifen muss.
Gott sandte sein Wort den Israeliten – Jesus Christus selbst, das fleischgewordene Wort, um den Neuen Bund zu besiegeln und das Heil für alle Menschen begreiflich zu machen. Petrus fasst dann die Ereignisse um Jesus Christus zusammen und nimmt dabei auch einen Rückblick auf dessen Taufe vor. So ist der Bezug zum Evangelium heute gegeben. Bei seinem Rückblick erklärt Petrus auch, dass mit der Taufe des Johannes Jesus mit dem Hl. Geist gesalbt worden ist. Taufe und Salbung (wir nennen es heute Firmung) gehören zuerst untrennbar zusammen. Jesus ist mit dem Hl. Geist gesalbt worden und mit Kraft. Aus diesem Geist Gottes hat er die vielen Wundertaten vollbracht.
Wie diese Episode sich fortsetzt? Petrus führt seine heilsgeschichtliche Zusammenfassung fort, die im Nachhinein als eine Art Kurzfassung des gesamten Taufkatechumenats zu begreifen ist. Denn während er diese Worte spricht, kommt der Hl. Geist auf die Anwesenden herab und diese beginnen die Zungenrede, die ein Charisma des Hl. Geistes ist. Sie preisen Gott aus diesem Geist heraus und Petrus versteht, dass sie den Geist empfangen haben wie er selbst am Pfingsttag! Er versteht umso mehr, dass Gott auch die Heiden als seine Erben im Reich Gottes einsetzen will. Deshalb tauft er die Anwesenden auf den Namen Jesu und macht sie zu seinen Jüngern gemäß dem Auftrag Christi in Mt 28.
Mt 3
13 Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen.
14 Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir?
15 Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach.
16 Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf. Und siehe, da öffnete sich der Himmel und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.
17 Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.
Im Evangelium schließlich hören wir nun von der Taufe Jesu. Oft fragt man sich: Warum muss Jesus sich denn taufen lassen, wenn er selbst doch ohne Sünde ist? Er tut es aus demselben Grund, weshalb er am Kreuz stirbt: Für uns zur Sühne. Dieser Sühneweg beginnt schon mit der Geburt, ja schon mit der Empfängnis im Leib Mariens. Er muss geradestehen für Dinge, die er nicht selbst verschuldet hat, er, der nie etwas verschuldet hat!
Mit der Taufe Jesu werden sein Tod und seine Auferstehung erahnt, denn er taucht unter als alter Mensch – als Leichnam ins Grab gelegt. Er taucht wieder auf als neuer Mensch – als Auferstandener vom Grab erstanden! Nicht umsonst sagt Paulus, dass wir auf Jesu Tod getauft sind. Jesu Taufe ist auch eine Grundlegung dessen, was uns erwartet: die Salbung und die uns zugesagte Gotteskindschaft durch den Vater.
Alles der Reihe nach: Jesus kommt von Galiläa an den Jordan zu Johannes. Wir hörten davon schon in den letzten Wochen aus dem Johannesevangelium. Johannes weiß, wer Jesus ist und das dieser ohne Sünde ist. Deshalb wundert er sich auch, als Jesus sich zu den anderen Menschen stellt, um getauft zu werden. Aber es gehört zum Erlösungsplan Gottes, dass dieser sich stellvertretend der Johannestaufe stellt. Warum? Es handelt sich noch nicht um das Sakrament zur Vergebung der Sünden. Das wird es erst mit dem von Jesus gestifteten Sakrament. Hier handelt es sich um einen Bußakt als Vorbereitung auf das Kommen des Messias. Wenn Jesus sich hier also taufen lässt, ist das ein Bußakt stellvertretend für die Menschheit.
Jesus entgegnet seinem Verwandten, dem Täufer: „Lass es nur zu.“ Er möchte ihm zu verstehen geben, dass es alles im Plan Gottes ist, auch wenn er es nicht versteht. Johannes lässt es daraufhin zu und tauft Jesus.
Gott lässt Johannes aber nicht ratlos, sondern offenbart sich: Als Jesus auftaucht, öffnet sich der Himmel und der Geist Gottes kommt auf ihn herab in Gestalt einer Taube. Das ist kein Zufall, ebenso wenig wie die Stimme aus dem Himmel, die Jesaja 42 zitiert: „Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.“ Ein entscheidender Unterschied besteht in dem Wort „Sohn“ statt „Knecht“. Er ist wahrlich der Sohn Gottes. Das Verb für „Wohlgefallen finden“ ist εὐδοκέω eudokeo. Es bedeutet wortwörtlich „zufrieden sein, genehmigen, zustimmen“. Für jüdische Ohren müsste es an dieser Stelle mehrfach Klick machen (wir sind im Matthäusevangelium, das vor allem für Judenchristen geschrieben worden ist): Erstens wird das erste Gottesknechtslied zitiert, wodurch Jesu Messianität begriffen werden sollte. Gott ist wirklich so ein toller Pädagoge, dass er alttestamentliche Verheißungen in den Mund nimmt und so die anwesenden Juden es verstehen können. In Jes 42 wird gesagt, dass Gott seinen Geist auf den Knecht legt. Dies erfüllt sich mit dem Herabsinken des Geistes in Gestalt einer Taufe.
Dann passiert etwas Interessantes: Dadurch, dass statt Knecht Sohn gesagt und dann das Verb εὐδοκέω verwendet wird, erinnert das an die Praxis der Beschneidung am achten Tag. Das ist nämlich der Moment, wo der Vater den Namen des Kindes sagt und somit offiziell das Kind als seines annimmt. Der gläubige Jude wird die Taufe Jesu vielleicht schon analog dazu verstanden haben. Durch die Beschneidung wird der Mensch in den Alten Bund hineingenommen, den Gott mit seinem auserwählten Volk geschlossen hat. Was hier passiert, ist analog dazu zu sehen, aber nicht mehr die Beschneidung, sondern die Taufe besiegelt den Bund. Dieser wird erst am Kreuz geschlossen, hier aber schon werden die Menschen darauf vorbereitet, dass es einen neuen Bundesschluss geben wird.
Exegeten ziehen leider allzu oft den Fehlschluss, dass die Autoren der Evangelien tatsächlich glaubten, dass Jesus erst bei der Taufe zum Sohn Gottes geworden sei. Das ist deshalb falsch, weil sie nicht berücksichtigen, was das für ein Evangelium ist und wie Gott schon in den ersten beiden Kapiteln pädagogisch vorgegangen ist. Jesus ist schon längst Gottes Sohn, das war er bereits vor der Zeit. Wir müssen den synoptischen Evangelisten den Glauben daran nicht absprechen. Gott offenbart diese heutigen Worte vom Himmel aus um der Menschen willen, um Johannes des Täufers willen. Bei ihnen soll es einen Aha-Effekt geben, indem sie diese Indizien zu einem ganzen Bild zusammenstecken. Hier erfüllt sich die gesamte messianische Verheißung!
Wir haben noch weitere Teilchen, die das Bild vervollständigen. Ich deutete schon vorhin an, dass es kein Zufall sei, dass der Hl. Geist ausgerechnet als Taube auf Jesus hinabsteigt. Erinnern Sie sich daran, was ich oben über typologische Brücken geschrieben habe? Hier kommt der Antitypos zu den Wasserfluten in Genesis und im Psalm zum Vorschein: Das Wasser der Taufe Jesu. Jesus taucht stellvertretend für unsere Sünden als Bußakt in den Jordan unter, nicht nur für uns, sondern auch für die Menschen, die bereits in der Sintflut untergetaucht sind. Erinnern wir uns: Jesus ist für alle Menschen gestorben, die jemals geboren wurden, die jetzt leben und die noch kommen werden. Er ist „der Mensch“, der neue Adam, der Stellvertreter der gesamten Menschheit.
Wie die Taube Noah einen Zweig im Schnabel bringt zum Zeichen dafür, dass ein neues Leben möglich ist, so kommt der Geist Gottes als Zeichen des ewigen Lebens auf Jesus hinab. Dieser ist als Aufgetauchter nun gesühnt und bereit für das ewige Leben im Reich Gottes. Das tut er exemplarisch für uns alle. So ist es nämlich mit uns, wenn wir getauft werden in seinem Namen: Unser alter Mensch, der von der Erbsünde belastet ist, stirbt im Wasser und wir tauchen als neue Menschen wieder auf – als Erben im Reiche Gottes. Der Geist kommt auch auf uns herab und auch wir werden mit seinen Gaben gesalbt. Gott nimmt uns offiziell als seine Erben an, an denen er „Wohlgefallen gefunden hat“. Diese Gotteskindschaft ist gewiss eine andere als die Jesu, denn wir bleiben ja Menschen. Es ist eine Kindschaft durch die Gnade Gottes, der uns in seine Liebesgemeinschaft mit hineinziehen möchte.
Auch zum Wasser des Schöpfungsberichts ist eine typologische Brücke zu ziehen: Mit der Taufe werden wir neugeschaffen. Es ist der Beginn der neuen Schöpfung, die am Ende der Zeiten mit dem neuen Himmel und der neuen Erde vollendet wird. Deshalb ist auch bei unserer Taufe der Hl. Geist gegenwärtig, der das neue Leben schafft. Auch bei der Taufe „schwebt er über dem Wasser“ und schafft uns neu.
Wie wundervoll schult Gott uns an diesem heutigen Fest! Egal, ob Petrus, die Juden zur Zeit Jesajas oder zur Zeit Jesu. Auch uns gibt er wunderbare Lektionen auf. Wir müssen nur auf ihn hören.
Wir lernen heute so viel von der Liebe Gottes, der uns zu neuen Menschen schaffen will, der alles im Voraus so liebevoll geplant hat, nur damit wir ihn zurück lieben können. Lassen wir uns heute von seinem Liebesplan berühren und durch seinen Geist neuschaffen, Tag für Tag aufs Neue!
Ihre Magstrauss