Freitag der 30. Woche im Jahreskreis

Phil 1,1-11; Ps 111,1-2.3-4.5-6; Lk 14,1-6

Phil 1
1 Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, an alle Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit ihren Vorstehern und Helfern.

2 Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!
3 Ich danke meinem Gott jedes Mal, sooft ich eurer gedenke;

4 immer, wenn ich für euch alle bete, bete ich mit Freude.
5 Ich danke für eure Gemeinschaft im Dienst am Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt.
6 Ich vertraue darauf, dass er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu.
7 Es ist nur recht, dass ich so über euch alle denke, weil ich euch ins Herz geschlossen habe. Denn ihr alle habt Anteil an der Gnade, die mir durch meine Gefangenschaft und die Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums gewährt ist.
8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne im Erbarmen Christi Jesu.
9 Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und jedem Verständnis wird,
10 damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt. Dann werdet ihr rein und ohne Tadel sein für den Tag Christi,
11 erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus kommt, zur Ehre und zum Lob Gottes.

Heute beginnt eine Serie von Ausschnitten aus dem Philipperbrief. Es handelt sich dabei um den am persönlichsten geschriebenen Paulusbrief. Paulus schrieb ihn in der Gefangenschaft in Rom, was uns immer wieder durch Anspielungen und Aussagen verdeutlicht wird. Philippi war die erste paulinische Gemeinde auf europäischem Boden, die er im Kontext der zweiten Missionsreise gegründet hat. Sein Aufenthalt wurde jäh unterbrochen, denn er wurde zusammen mit Silas ins Gefängnis geworfen. Dort sind spektakuläre Dinge geschehen, wie uns die Apostelgeschichte in Kapitel 16 berichtet. Auch wenn Paulus sein Wirken nicht auf gewünschte Weise zuende führen konnte, ist aus den Philippern eine lebendige Christengemeinde geworden. Gottes Umwege durch die Verhaftung sind zu Wegen des Heils geworden! Die Philipper haben gleich zu Anfang ihre Bewährungsprobe erhalten und bestanden. Und aus dem Brief an eben jene Christen hören wir heute den Briefanfang. Wie üblich beginnt er mit einem Präskript, in dem Absender und Empfänger sowie ein Gruß genannt werden.
Die Absender sind Paulus und sein Mitarbeiter Timotheus, die den Philippern bereits bekannt sind und sich deshalb nur mit einer Aussage beschreiben, nämlich als Knechte Christi Jesu. Das griechische Wort an der Stelle lautet δοῦλοι douloi. Das drückt aus, dass sie in Jesu Auftrag den Brief schreiben und insgesamt ihre Evangelisierung auf ihn selbst zurückzuführen ist. Daraufhin werden die Adressaten des Briefes genannt, die wie so oft mit dem Begriff der Heiligen bezeichnet werden. Paulus nennt die Christen immer wieder Heilige, weil sie zur Heiligkeit berufen sind, von der Welt ausgesondert sind durch die Neugeburt im Hl. Geist bei der Taufe, das heißt nun nicht mehr zur alten Schöpfung gehören, sondern für Christus leben. Er nennt die Christen von Philippi allgemein, aber auch ihre „Vorsteher und Helfer“, wie es hier übersetzt wird. Im Griechischen stehen die Begriffe ἐπισκόποις καὶ διακόνοις episkopois kai diakonois. Diese Begriffe darf und muss man bereits als Amtstitel verstehen, also als Bischöfe und Diakone. Die Exegese ist eifrig darin, das vehement abzustreiten und zur Zeit des Paulus jegliche Hierarchie zu leugnen. Diese soll so spät wie möglich datiert werden, doch dafür gibt es keinen Grund. Natürlich werden bereits sakramentale Weihen vorgenommen und es gibt als Gemeindevorsteher zunächst Bischöfe. Erst mit Wachsen der Gemeinde werden die Presbyter als Mitarbeiter und Vertreter des Bischofs zu den Gemeindevorstehern.
Vers 2 stellt dann den Gruß dar, der zum Präskript gehört. Wie so oft wird dabei das Begriffspaar „Gnade und Friede“ genannt, das den Philippern gewünscht wird.
Sodann beginnt das Proömium, eine Einleitung des Briefes mit lobpreisenden Aussagen. Ganz typisch beginnt dieser Abschnitt mit der Wendung „ich danke Gott“. Paulus lobt die Gemeinde und beginnt mit dem Positiven, bevor er im Laufe des Briefes kritische Aspekte anschneidet.
Wir erkennen in diesen Worten, dass die Philipper wirklich standhaft sind und sich bei der ersten Bewährungsprobe sofort gut angestellt haben. Paulus ist ihnen ja sehr schnell entrissen worden, doch sie waren von Anfang an bis zu jenem Tag dem Dienst am Evangelium treu.
Paulus erfüllt diese Gemeinde mit Freude, weil er schon die Früchte sehen kann, die seine Evangelisierung gebracht hat.
Wenn sie sich schon in den schweren Anfängen so bewährt haben, so hofft Paulus, werden sie auch standhalten bis zum Ende der Zeiten, was mit „Tag Christi“ gemeint ist. Es ist der Tag, an dem er wiederkommen wird in Herrlichkeit. Die Naherwartung dieser Wiederkunft ist zu jener Zeit sehr stark.
Paulus hat die Philipper zwar nicht sehr lange erlebt, doch ziemlich schnell ins Herz geschlossen. Ihnen hat er auch die überreiche Gnade zu verdanken, die ihm im Gefängnis zuteilgeworden ist. Das Gebet der Philipper hat die großen Zeichen bewirkt, die Paulus und Silas dort erlebt haben.
Er sehnt sich nach ihnen, was uns wirklich viel von der Person des Paulus selbst zeigt. Er ist wirklich sehr persönlich in diesem Brief.
Er betet darum, dass ihre Liebe noch stärker werde und dass sie im Verständnis wachsen, worauf es ankommt. Je näher die Welt dem Ende zugeht, sollen die Christen sich auf das Wesentliche konzentrieren. Der Ballast muss von Bord gehen, denn je näher das Weltende kommt, desto stärker werden die Stürme. Wenn das Schiff vor dem Untergang gerettet werden soll, muss alles Unnötige über Bord geworfen werden.
Das betrifft die Christengemeinde als Ganze, das betrifft aber auch jeden einzelnen Christen und dessen Herz. Das ist der Weg der Vollkommenheit, den Paulus mit den Attributen „rein“ und „ohne Tadel“ umschreibt. Das ist der Weg des Wachsens in Heiligkeit.
Er ermutigt sie also dazu, in Tugenden zu wachsen, an sich zu arbeiten und mit der Frucht der Gerechtigkeit, die von Christus kommt, ihn dann bei seinem Kommen zu begrüßen. Paulus‘ Worte sind sehr aktuell und gelten auch uns. Wir sollen angesichts des nahenden Weltendes und auch mit Blick auf unser eigenes Lebensende schauen, was wir über Bord werfen sollen, den Ballast abstreifen, der uns daran hindert, durch die enge Tür zu treten, die Christus ist. Wir sollen in Heiligkeit wachsen und immer vollkommener werden, damit wir am Ende wahrlich die Braut sind, die sich für ihren Mann geschmückt hat, die die Hochzeit antreten kann in reinem weißen Leinen, das die gerechten Taten der Heiligen bildet (Offb 19,8).

Ps 111
1 Halleluja! Dem HERRN will ich danken mit ganzem Herzen im Kreis der Redlichen, in der Gemeinde.

2 Groß sind die Werke des HERRN, erforschenswert für alle, die sich an ihnen freuen.
3 Hoheit und Pracht ist sein Walten, seine Gerechtigkeit hat Bestand für immer.
4 Ein Gedächtnis seiner Wunder hat er gestiftet, der HERR ist gnädig und barmherzig.
5 Speise gab er denen, die ihn fürchten, seines Bundes gedenkt er auf ewig.
6 Die Macht seiner Werke hat er seinem Volk kundgetan, um ihm das Erbe der Völker zu geben.

Heute beten wir Psalm 111, einen Lobpreispsalm mit weisheitlichen Anteilen. Er beginnt mit dem Hallelujaruf, der genau genommen ja einen Lobpreisaufruf darstellt, wie er als Einleitung in Psalmen oft ergeht. Denn Halleluja heißt „preist Jahwe“.
„Dem HERRN will ich danken mit ganzem Herzen im Kreis der Redlichen, in der Gemeinde“ ist eine liturgische Aussage. Es handelt sich also um einen Lobpreis in der Gruppe, im Gottesdienst. Man kann sich vorstellen, dass dieser Psalm bei Wallfahrtsfesten gebetet worden ist, denn er besingt die Heilstaten Gottes wie den Exodus. Wir können uns auch gut vorstellen, wie die ersten Christengemeinden diesen Psalm gebetet haben.
„Groß sind die Werke des HERRN“ und deshalb sind sie „erforschenswert“. Wenn man sie bedenkt, wird man sich freuen und über Gott staunen, der so gut zu den Menschen ist.
„Hoheit und Pracht ist sein Walten, seine Gerechtigkeit hat Bestand für immer.“ Gottes Gerechtigkeit ist wirklich gerecht im Gegensatz zur Illusion einer Werksgerechtigkeit (also der Vorstellung, dass der Mensch sich durch seine Werke selbst erlösen kann). Seine Gerechtigkeit ist eine ewige, die sich im Moment des Weltgerichts am dichtesten zeigen wird. Von seiner Gnade erfüllt werden aber die Getauften befähigt, ebenso gerecht zu sein wie er, heilig zu sein wie er, barmherzig zu sein wie er. Deshalb kann man sich auf Gottes Gnade nicht ausruhen.
Gott ist gnädig und barmherzig. Beides gehört zusammen – seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Er hat „ein Gedächtnis seiner Wunder“ gestiftet. Dieses haben wir schriftlich festgehalten in den beiden Testamenten. Sie sind Zeugnisse für Gottes wunderbare Heilstaten.
Gott gab jenen Speise, die gottesfürchtig sind. Wir denken einerseits an den Alten Bund, an die Wüstenzeit, als die Israeliten mit dem Manna gespeist worden sind, sodann mit den Turteltauben. Gott hat sein Volk wirklich gespeist mit der Nahrung vom Himmel! Wir denken auch an einzelne heilsgeschichtliche Gestalten wie Elija, der von Raben ernährt worden ist. Wir denken dann an die Speisungswunder im Neuen Testament, in denen Christus tausenden Menschen Brot und Fisch zu essen gegeben hat. Es sind Vorausbilder, die in der seelischen Speise ihre Erfüllung finden, die die Eucharistie ist. Sie ist die Nahrung der Gottesfürchtigen, die ihnen das ewige Leben ermöglicht.
Zum Schluss kommt ein Satz, der die Ausführungen des Paulus wunderbar bestätigt: Durch das auserwählte Volk hat Gott das Heil für alle Völker bereit. Durch Israel soll das Heil in Person, Jesus Christus, der ganzen Menschheit die Erlösung bringen.
Danken wir dem Herrn jeden Tag für die Erlösung, die uns zuteilgeworden ist. Wir hätten uns nie selbst erlösen können. Sein Gnadenakt für alle Zeiten hat uns das ewige Leben ermöglicht.

Lk 14
1 Und es geschah: Jesus kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen. Da beobachtete man ihn genau.

2 Und siehe, ein Mann, der an Wassersucht litt, stand vor ihm.
3 Jesus wandte sich an die Gesetzeslehrer und die Pharisäer und fragte: Ist es am Sabbat erlaubt zu heilen, oder nicht?
4 Sie schwiegen. Da berührte er den Mann, heilte ihn und ließ ihn gehen.
5 Zu ihnen aber sagte er: Wer von euch wird seinen Sohn oder seinen Ochsen, der in den Brunnen fällt, nicht sofort herausziehen, auch am Sabbat?
6 Darauf konnten sie ihm nichts erwidern.

Im Evangelium hören wir heute wieder von einer Heilung am Sabbat. Jesus ist zu jener Zeit bei einem Pharisäer zum Essen eingeladen. Anscheinend geschah diese Einladung nicht ohne Hintergedanken, denn als Jesus nun in Gesellschaft dieser „Überkorrekten“ ist, wird er genau beobachtet. Das entgeht ihm gewiss nicht und er weiß genau, was sie denken. Jesus ist Gott und er schaut in ihre Herzen.
Da ist ein Mann, der an „Wassersucht“ leidet. Was ist damit gemeint? Man muss sich das so vorstellen, dass er unter Ödemen leidet, Wassereinlagerungen, die wahrscheinlich von einem Nierenleiden kommen und die sich vor allem im Gesicht bemerkbar machen.
Es ist also eigentlich keine Krankheit, sondern ein Symptom für eine Nierenkrankheit. Damit ist natürlich nicht zu spaßen, da die Nieren lebensnotwendige Organe darstellen. Jesus heilt diesen Mann jedenfalls, bevor er ihn gehen lässt.
Bevor es aber zu der Heilung kommt, möchte er den Pharisäern und Gesetzeslehrern eine Lektion erteilen und fragt sie deshalb: „Ist es am Sabbat erlaubt zu heilen, oder nicht?“ Diese Frage hat er schon gestellt, als es um eine durch dämonischen Einfluss gekrümmte Frau ging. Auch hier vergleicht er die Heilungsabsicht mit der Sorge um das Vieh am Sabbat. Auch einen Ochsen oder das eigene Kind zieht man aus dem Brunnen, wenn es hineingefallen ist, auch wenn es Sabbat ist. Da stellt man sich gar nicht die Frage, ob die Rettungsaktion als Arbeit zu deuten ist oder nicht. Warum wird das also bei jemandem gemacht, dessen Leben ebenso bedroht ist durch die „Wassersucht“? Er ertrinkt vielleicht nicht im Brunnen, aber sein Körper ist dennoch mindestens derselben Gefahr ausgesetzt. Was Jesus diesen „Überkorrekten“ sagen möchte, ist: Jemanden am Sabbat zu heilen, ist ein Akt der Barmherzigkeit. Der Sabbat ist dafür da, Gott die Ehre geben zu können und auch den Arbeitern, dem Vieh, der Natur eine Pause zu gönnen, also auch hier „barmherzig“ zu sein. Dass man am Sabbat also nicht arbeitet, ist die Voraussetzung, damit man Zeit für den Gottesdienst und die Barmherzigkeit hat. Es ist also über das Ziel hinaus geschossen, wenn man einen Menschen sterben lässt, weil seine Heilung als „Arbeit“ begriffen wird. Dahinter steckt ja die Ansicht, dass Gott so grausam ist, dass er unter allen Umständen und über Leichen gehend die Einhaltung des Sabbats fordert. Dabei ist Gott der Gerechte und der Barmherzige. Wir haben es im Psalm ja bedacht. Seine Gebote verhelfen uns vielmehr zu einem glücklichen Leben. Gott liebt uns und möchte unser Heil. Das steht hinter seinen Geboten.
Deshalb heilt er den Mann und macht die Pharisäer und Schriftgelehrten sprachlos. Wir wissen nicht, wie es ausgegangen ist. Vielleicht handelt es sich bei diesen Gästen um Einsichtige, die durch Jesu Worte zum Nachdenken gekommen sind. Vielleicht aber sind sie Verstockte, die umso mehr entschlossen sind, Jesus umzubringen. Es bleibt offen, damit auch wir darüber nachdenken. Gott spricht auch heute wieder durch die Hl. Schrift zu uns.
Vollkommen zu werden für die Wiederkunft Christi, wie es Paulus im Philipperbrief schreibt, hat also etwas mit richtiger Absicht und mit Liebe zu tun. Wir werden nicht nur dadurch perfekter, dass wir die Gebote noch besser halten, sondern auch durch das zunehmende Maß an Liebe, mit der wir sie halten. Letztendlich steht dahinter die Beziehung zu Gott, an der wir stets arbeiten müssen. Wenn wir schon hier auf Erden eine große Intimität mit Gott erlangt haben, werden wir bereit sein für die himmlische Intimität mit Gott.

Ihre Magstrauss

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