Allerheiligen

Offb 7,2-4.9-14; Ps 24,1-2.3-4.5-6; 1 Joh 3,1-3; Mt 5,1-12a

Offb 7
2 Dann sah ich vom Aufgang der Sonne her einen anderen Engel emporsteigen; er hatte das Siegel des lebendigen Gottes und rief den vier Engeln, denen die Macht gegeben war, dem Land und dem Meer Schaden zuzufügen, mit lauter Stimme zu

3 und sprach: Fügt dem Land, dem Meer und den Bäumen keinen Schaden zu, bis wir den Knechten unseres Gottes das Siegel auf die Stirn gedrückt haben!
4 Und ich erfuhr die Zahl derer, die mit dem Siegel gekennzeichnet waren. Es waren hundertvierundvierzigtausend aus allen Stämmen der Söhne Israels, die das Siegel trugen:
9 Danach sah ich und siehe, eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, gekleidet in weiße Gewänder, und trugen Palmzweige in den Händen.

10 Sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm.
11 Und alle Engel standen rings um den Thron, um die Ältesten und die vier Lebewesen. Sie warfen sich vor dem Thron auf ihr Angesicht nieder, beteten Gott an
12 und sprachen: Amen, Lob und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre und Macht und Stärke unserem Gott in alle Ewigkeit. Amen
13 Da nahm einer der Ältesten das Wort und sagte zu mir: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen?
14 Ich erwiderte ihm: Mein Herr, du weißt das. Und er sagte zu mir: Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.

Heute am Fest Allerheiligen gedenken wir der Heiligen, die bereits bei Gott sind und die sogenannte triumphierende Kirche bilden. Kirche besteht aus verschiedenen Dimensionen. Es gibt jene, die auf Erden leben, die sichtbare Gemeinschaft der Heiligen. Sie haben noch „den guten Kampf“ zu kämpfen, wie es Paulus am Ende des zweiten Timotheusbriefes gesagt hat. Sie müssen noch die Bedrängnis dieser Welt erfahren und gegen den Bösen und sein Heer ankämpfen, einen geistlichen Kampf. Es gibt jene, die es fast geschafft haben, aber zunächst gereinigt werden müssen im Reinigungsort, der auch Fegefeuer genannt wird, bevor sie Gottes Angesicht auf ewig schauen dürfen. Es sind jene, deren Sünden noch nicht gesühnt sind und die wir Arme Seelen nennen. Sie sind arm, weil sie nichts für sich tun können, sondern auf unsere Gebete angewiesen sind. Ihr Trost ist, dass sie nach dieser Reinigung ganz sicher ins Himmelreich eingehen. Diese Dimension von Kirche nennen wir die leidende Kirche. Und jener Teil der Gemeinschaft, die es schon geschafft hat und auf ewig jubeln darf, nennen wir wie gesagt die triumphierende Kirche. Jene, die schon bei Gott sind, diese feiern wir heute am Hochfest Allerheiligen. Wenn wir an sie denken, ermutigt es uns aufs Neue, den Weg der Heiligkeit hier auf Erden zu beschreiten, um am Ende dorthin zu gelangen, wo sie jetzt sind. Wenn wir Allerheiligen feiern, müssen wir einfach aus der Johannesoffenbarung hören, denn Johannes schaut den Himmel. Er schaut im siebten Kapitel jene Schar von Heiligen, die bereits vor Gottes Thron stehen darf. Wir müssen mit Blick auf die Johannesoffenbarung festhalten: Der Himmel ist voll! Gott thront nicht einsam und allein, sondern ist umgeben von jenen, die ihn zurücklieben! Der Himmel ist ein einziger Ort der Liebesgemeinschaft.

Zunächst hören wir aus dem ersten Teil des Kapitels, wie Johannes die Besiegelung von Menschen der zwölf Stämme sieht. Es kommt aus dem Osten ein mächtiger Engel mit dem Siegel Gottes. Das ist ein messianischer Code, den die frommen Juden kennen. Der Messias wird aus dem Osten erwartet. Wenn Johannes das sieht, versteht er als Judenchrist sofort, dass damit das Kommen des Messias ausgedrückt wird. Gott ist Mensch geworden, um alle Menschen zu erlösen. Das Siegel Gottes, das der Engel bei sich hat, ist sakramental zu deuten als Taufe. Diese wird nämlich stets als unauslöschliches Siegel verstanden, das dem Menschen auf die Seele gedrückt wird. Der getaufte Mensch wird zum Eigentum Gottes, markiert für die Ewigkeit. Wer besiegelt wird, sind jene, die die Taufe empfangen, weil sie die Erlösung gläubig annehmen und den Neuen Bund eingehen. Es sind Menschen auf der ganzen Welt, so viele, dass der Visionär sie gar nicht zählen kann.
Am Anfang schaut Johannes auch vier Engel an den vier Weltecken – das ist alles ein Bild, wir dürfen das nicht vergessen – und diese haben die Macht, die Schöpfung zu zerstören. Es ist lange diskutiert worden, ob es sich bei diesen vier Engeln wirklich um Engel oder um gefallene Engel, also Dämonen handelt. Das spielt unter dem Strich keine Rolle, weil die ganze Schöpfung Gott untersteht, selbst die Dämonen können nichts ausrichten, was Gott nicht zulässt. Ihr Spielraum ist streng begrenzt. Jedenfalls handelt es sich um Engel, die bei der Apokalypse eine Rolle spielen. Am Ende der Zeiten wird die Schöpfung wieder rückgängig gemacht. Alles wird sozusagen auf Werkseinstellungen zurückgesetzt, bevor Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen kann. Paulus beschreibt diese Ereignisse mithilfe eines anderen Bildes – dem der Geburt. Es sind die Wehen einer Frau in der Geburtssituation. Diese sind schmerzhaft und werden immer stärker, je näher der Moment der Geburt herannaht. Die Zerstörung der Welt ist schmerzhaft, aber sie muss sein, damit etwas Neues einsetzen kann.
Bevor die Wehen des Weltendes nun einsetzen, werden die Menschen also besiegelt.
Wir müssen bedenken, dass diese „Wehen“ mehr als nur sichtbarer Art sind. Es geht gerade um die unsichtbare Zerstörung, um den Glaubensabfall, die Gottlosigkeit, die Verwirrung und Verzweiflung. Der Böse ist am Werk mit seinem ganzen Heer, durchzieht die gesamte Gesellschaft, bringt die Menschen immer mehr von Gott ab.
Bevor diese letzte Weltenphase beginnt, erfolgt die Besiegelung jener, die zum Glauben an Christus gekommen sind. Und wir sehen am weiteren Verlauf der Visionen: Diese Besiegelung bewahrt die Menschen weder vor dem biologischen Tod noch vor Leiden. Im Gegenteilt. Für den Glauben an Christus müssen sie besonders viel leiden und Bedrängnis erfahren. Doch die Besiegelung ist dennoch Schutz und Vermächtnis. Denn sie sind es, die am Ende siegen und vor Gott treten dürfen! Doch zuvor sieht Johannes die unzählbare Schar, deren Zahl er aber erfährt. Die Zahl ist höchst symbolisch und darf nicht wörtlich genommen werden. Es sind 144000 der Stämme Israels. Das heißt nicht, dass nur jene gerettet werden, die zu einer elitären Schar bestehend aus 144000 gehören, sondern die Zahl ist ein Code, den die Christen damals verstanden haben: Die Zahl setzt sich nämlich zusammen aus 12 Mal 12 Mal 1000. Die Zwölfzahl bedeutet Vollkommenheit, Fülle und Vollständigkeit. Johannes spricht von den Stämmen Israels, meint nun aber den Neuen Bund, der sich aus einem neuen Israel zusammensetzt. „Israel“ ist hier nicht mehr biographisch, religiös oder ethnisch gemeint, sondern als theologischer Begriff des Gottesvolkes. Das wird deutlich, wenn wir dann den weiteren Verlauf des Kapitels hören. An dieser Stelle bildet sich nun ein Israel bestehend aus ALLEN Völkern, Stämmen, Sprachen und Regionen. Die Universalität dieses neuen Volkes wird durch die Zwölfzahl ausgedrückt. Christus ist für alle Menschen gestorben, sodass alle Menschen eine Chance bekommen.
Die Tausendzahl steht in der Bibelsymbolik die Zahl einer Menge dar, wenn sie mit der Zwölfzahl multipliziert wird, bedeutet sie eine universale Schar. 144000 bedeutet also das Maximum an Universalität, Vollständigkeit und Vielzahl! Deshalb muss man sie verstehen in Kombination mit der Aussage, dass Johannes die Menschenmenge gar nicht zählen kann. Es ist also kein Widerspruch, sondern eine Erläuterung!
Die ausgelassenen Verse zählen nun die zwölf Stämme Israels auf, bevor Johannes ein anderes Bild sieht. Dieses ist einerseits anders, andererseits hängt es mit dem ersten Bild zusammen:
Er sieht wieder eine unzählbare Menschenmenge, diesmal aber vor Gottes Thron. Es sind Menschen aus der ganzen Welt, die Vierzahl der Universalität habe ich bereits angesprochen. Das Besondere an dieser Schar ist ihre Bekleidung, die für uns wieder einen Code darstellt: Sie tragen weiße Gewänder als Uniform des Himmels. So werden schon die Engel in den Evangelien beschrieben. Weiße Gewänder stellen die überreiche Gnade dar, die Verklärung der Menschen in der Herrlichkeit Gottes. Schon Jesus leuchtete so hell bei der Verklärung auf dem Berg Tabor, sodass drei seiner Apostel dies schon sehen durften. Die Sieger, wie diese Menschenmenge vor dem Thron Gottes immer genannt werden, tragen Palmzweige in den Händen. Der Geist Gottes gibt Johannes also noch einen wichtigen Code ein, denn Palmzweige sind Zeichen des Triumphes. Wenn wir die Ikonographie betrachten, fällt uns auf, dass die Märtyrer sehr oft mit einem Palmzweig dargestellt werden – sie sind es. Sie sind die ultimativen Sieger, die sofort nach ihrem Tod in das Himmelreich eingehen durften. Sie haben ihr biologisches Leben verloren für den Glauben und die Standhaftigkeit gegenüber Gott. Dafür werden sie sofort belohnt. Welchen größeren Sieg kann man davontragen als diesen!
Um dieses Bild mit dem ersten zu verbinden: Jene, die besiegelt sind und durchgehalten haben, dürfen nun triumphieren. Die getauften Christen, die ihrer Berufung zur Heiligkeit nachgekommen sind, die sich bewährt haben in der Bedrängnis der zunehmend gottlosen Welt, dürfen nun ganz bei Gott sein. Sie sind es, die wir Heilige nennen. Es gibt offiziell Heiliggesprochene, aber auch viele inoffizielle Heilige, deren Heiligkeit nicht öffentlich bekannt ist, die aber Gott ganz genau kennt – ebenso ihre Nahestehenden. Was Johannes im zweiten Teil der Vision sieht, ist die triumphierende Kirche, die ich zu Anfang erklärt habe. Sie ist schon am Ziel angekommen und kann nur noch jubeln.
Diese Heiligenschar beteiligt sich am himmlischen Gottesdienst, nimmt teil am himmlischen Lobpreis der Engel, der Ältesten und Lebewesen.
Einer der Ältesten spricht den Visionär an und fragt nach der Identität der Menschenschar. Dieser wirft die Frage auf den Fragesteller zurück, der dies zum Anlass nimmt, ihm die entscheidende Erklärung anzubringen: „Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.“ Es sind die Heiligen, die durchs Feuer des Leidens gegangen sind und nun bei Gott sind. Die große Bedrängnis kann einerseits auf das Erdenleben allgemein bezogen werden, andererseits soll eine große Bedrängnis kommen, die eine ganz konkrete Phase der Menschheitsgeschichte meint. Es wird in der Theologie stets darüber diskutiert, ob das präsentisch oder futurisch zu verstehen ist, also etwas noch Ausstehendes meint oder etwas, was gerade passiert. Klar ist: Je gottloser die Welt, desto größer die Bedrängnis der Christen. Und das Entscheidende ist: Sie haben ihre Gewänder im Blut des Lammes weiß gemacht. Das ist ein Bild, denn Blut tränkt etwas rot, nicht weiß. Es ist zutiefst theologisch zu verstehen und meint dasselbe wie die Besiegelung: die Taufe. Wir haben unsere Gewänder weiß gemacht, also gereinigt, durch das Blut des Lammes, also durch den Kreuzestod Jesu Christi, bei dem er sein Blut für alle vergossen hat. Dieses Blut reinigt die Schuld. In der Taufe haben wir uns von seinem Blut reinigen lassen, sodass unsere Gewänder ganz weiß geworden sind. Sie ist eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Die erlangte Taufgnade ist dieses weiße Gewand.
An diesem wunderbaren Hochfest denken wir daran, dass unsere Heiligen, unsere lieben Freunde und Familienmitglieder der Familie Gottes, die den guten Kampf gewonnen haben, nun jubeln dürfen. Und in jeder Hl. Messe treffen wir aufeinander, wenn der Himmel sich öffnet und wir im Sanctus mit allen Engeln und Heiligen beten: Heilig, Heilig, Heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten (Offb 4).

Ps 24
1 Ein Psalm Davids. Dem HERRN gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner.

2 Denn er hat ihn auf Meere gegründet, ihn über Strömen befestigt.
3 Wer darf hinaufziehn zum Berg des HERRN, wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?
4 Der unschuldige Hände hat und ein reines Herz, der seine Seele nicht an Nichtiges hängt und keinen trügerischen Eid geschworen hat.
5 Er wird Segen empfangen vom HERRN und Gerechtigkeit vom Gott seines Heils.
6 Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt, die dein Angesicht suchen, Jakob.

Als Antwort beten wir den liturgischen Psalm 24, der im Wechselgesang zwischen Gläubigen und Priestern im Tempel von Jerusalem gebetet worden ist. In den ersten Versen wird die Universalherrschaft Gottes thematisiert: „Dem HERRN gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner.“ Nicht nur der Planet ist Gottes Eigentum, sondern auch die Lebewesen auf der Erde. Alles gehört ihm, weil er alles geschaffen hat, „denn er hat ihn auf Meere gegründet, ihn über Strömen befestigt.“ Wir müssen bei diesen Worten bedenken, wie das Weltbild der Menschen damals aussah: Man glaubte, dass die Erde von Wasser umschlossen war, sodass unter der Erde sowie über dem Himmel Wasser vermutet worden ist. Man glaubte, dass die Erde auf Pfeilern über dem Urmeer errichtet worden sei. Das steckt hinter der Formulierung, dass der Erdkreis auf Meere gegründet sei.
„Wer darf hinaufziehn zum Berg des HERRN, wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?“ ist eine Frage der Gläubigen, die sie an die Priester richten.
Daraufhin antworten die Priester: „Der unschuldige Hände hat und ein reines Herz, der seine Seele nicht an Nichtiges hängt“. Das ist eine sehr fortgeschrittene Antwort, da die Herzensreinheit zu jener Zeit oft ignoriert oder einfach noch nicht begriffen wird. Viele Propheten sprechen das Thema an und kritisieren die unreinen Opfer der Menschen aufgrund der fehlenden Aufrichtigkeit. Sie beuten die Schwachen aus und führen ein unmoralisches Leben, bringen aber zugleich Opfer dar in der Erwartung, dass Gott sie erhört. König David, der diesen Psalm gedichtet hat, versteht diesen Aspekt sehr gut und möchte deshalb, dass die Gläubigen die Herzensreinheit in der Liturgie ansprechen. Diese Herzensreinheit können wir auch jenen Gläubigen zuschreiben, die zur triumphierenden Kirche gehören, die jetzt an der himmlischen Liturgie teilnehmen. Was wir hier im Psalm beten, können wir uns wunderbar vorstellen für das himmlische Jerusalem mit den ewigen Pilgern des Himmelreiches.
Im zweiten Satzteil geht es um die Unabhängigkeit von Nichtigkeiten. Gemeint sind Güter, die vergänglich sind und die einen nicht näher zu Gott bringen. Götzen werden oft als Nichtigkeiten bezeichnet, doch das hebräische Wort ist an der Stelle nicht wie hier שָׁוְא shaw sondern אֱלִיל elil. Auch das Schwören eines Meineids macht den Menschen kultunfähig. Wer sich dagegen von alledem fernhält, „wird Segen empfangen vom HERRN und Gerechtigkeit vom Gott seines Heils.“ Wer also die Gebote Gottes hält, ist gerecht.
Und zum Ende hin sprechen die Priester im Grunde Gott selbst an mit verheißungsvollen Worten für die Gläubigen: Jakob trifft darauf zu. Es ist wahrlich ein Geschlecht, dass nach Gott fragt und somit würdig ist, zu seinem heiligen Tempel zu kommen. Wir müssen uns das hebräische Verb genauer anschauen: Das Verb an dieser Stelle ist דֹּרְשֹׁו darschu, was wir als ein sehnsuchtsvolles Fragen verstehen. Es kann auch mit „verlangen“ übersetzt werden. Es ist eine Sehnsucht nach Gott, die nur jener Mensch besitzen kann, dessen Herz an Gott hängt. Auch die zweite Verbform ist in diesem Duktus zu betrachten: מְבַקְשֵׁ֨י m’waqschej ist eine Suche nach dem Angesicht Gottes aus Sehnsucht nach ihm. Und die Sehnsucht der ihn Suchenden wird bereits für jene gestillt, derer wir heute gedenken. Sie brauchen nicht mehr nach ihm verlangen, denn auf ewig sind sie ganz in seiner Gemeinschaft!

1 Joh 3
1 Seht, welche Liebe uns der Vater geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es. Deshalb erkennt die Welt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.

2 Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes. Doch ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
3 Jeder, der diese Hoffnung auf ihn setzt, heiligt sich, so wie er heilig ist.

In der zweiten Lesung aus dem ersten Johannesbrief geht es um die Liebesgemeinschaft der Familie Gottes. Der Vater hat uns so eine große Liebe geschenkt. Er hat die ganze Menschheit geschaffen, damit sie ihn zurückliebe. Wir sind berufen zur Liebesgemeinschaft mit Gott. Durch die Taufe sind wir zu Erben in seinem Reich eingesetzt worden. Wir dürfen uns Kinder Gottes nennen und sind es zutiefst. Die besondere Bundesbeziehung zu Gott zieht aber nach sich, dass die Menschen, die Gott ablehnen, auch die Christen ablehnen. Sie können sie auch gar nicht richtig verstehen, weil während die einen noch der alten, gefallenen Schöpfung anhängen, die anderen bereits neugeboren sind im Hl. Geist. Sie gehören einer neuen geistlichen Schöpfung an und leben ein ganz anderes Dasein. Sie stehen schon mit einem Bein in der Ewigkeit. Ihr Blick ist auf diese Ewigkeit gerichtet, während der Blick der Menschen alter Schöpfung auf das Dasein fixiert ist.
Das irdische Dasein jener, die schon halb in der Ewigkeit sind, ist von einer gewissen Vorläufigkeit geprägt. Sie bezeichnen sich jetzt als Kinder Gottes und doch ist das ein Bild. Es ist keine genealogische Zuschreibung wie bei irdischen Geschöpfen. Es ist nochmal ganz anders und wie genau es aussieht, das werden diese „Kinder“ erst verstehen, wenn sie dann ganz in der Ewigkeit sind. Unsere Heiligen, die uns vorausgegangen sind und derer wir heute gedenken, verstehen es wohl schon. Wir müssen uns noch gedulden.
Was wir aber schon erahnen: Wir werden ihm ähnlich sein. Die Verklärung Jesu auf dem Tabor und die Schau der Heiligen im Himmel in der Johannesoffenbarung zeigt uns schon ein wenig den Zusammenhang. Die überreiche Gnade und Verklärung, die Herrlichkeit des Himmels ist ganz anders, als alles auf dieser Welt. Noch ist alles verborgen durch den Schleier des Übergangs vom Irdischen ins Ewige. Doch irgendwann werden wir Gott sehen, wie er ist. Das ist heftig!
Wer mit dieser Hoffnung lebt und den „überirdischen Blick“ hat, die Mentalität der Ewigkeit, der wird heilig leben. Gemeint ist die Enthaltung von der Sünde, die stets Beziehungspflege mit Gott, das „in Gott sein“ bzw. „in seiner Liebe Sein“, von dem uns die johanneischen Schriften immer wieder schreiben. Dabei dürfen wir nicht denken, dass Heilige schon als Heilige geboren wurden. „Heilige sind Sünder, die es immer wieder neu versuchen“, sagte der Hl. Josemaria Escriva sinngemäß. Auch als Getaufte neigen wir Menschen noch zur Sünde. Doch das Wunderbare ist die Vergebung Gottes für aufrichtige Reue und Umkehr. Wenn wir fallen, dürfen wir wieder aufstehen und es noch einmal versuchen. Und nach und nach wird die Sünde immer geringer und die Vollkommenheit immer größer.
„Sich heiligen“ bedeutet also „in Heiligkeit wachsen“.

Mt 5
1 Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm.

2 Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach:
3 Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.

4 Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
5 Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.
6 Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.
7 Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
8 Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen.
9 Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
10 Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.
11 Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen.
12 Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.

Im Evangelium hören wir heute die Seligpreisungen. Es ist die konkrete Beschreibung eines heiligmäßigen Lebens, das zum ewigen Triumph führt, wie wir es in der Johannesoffenbarung gehört haben.
Jesus steigt auf einen Berg – ein prophetisches Zeichen, das er bewusst vornimmt. Die Juden wissen, dass vom Zion her die Weisung (hebräisch Torah!) erwartet wird (Jes 2,1-5). Mit Jesus erfüllt sich dies nun, der die Torah in Person ist. Darin erfüllt er sie ganz und gar! Was er in der Bergpredigt erklärt, ist das neue und doch uralte Verständnis der Gebote Gottes. Und das macht die Heiligkeit aus – die Gebote Gottes aus Liebe zu halten, mit der richtigen Absicht und der unerschütterlichen Hoffnung. Die Botschaft der Seligpreisungen ist: Jetzt schon sind jene selig zu preisen und können sich freuen, die Gottes Willen tun. Wer diesen aus Liebe befolgt (und das wird er im Laufe der Predigt ausfalten), der hat jetzt schon den Himmel auf Erden, umso viel mehr in der Ewigkeit.
Konkret ist dies der Fall für jene, die arm sind vor Gott. Damit ist nicht einfach nur der äußere finanzielle bzw. materielle Zustand des Menschen gemeint, sondern „vor Gott“ signalisiert eine innere Haltung von Armut, mit der man vor Gott dasteht: Wer also nicht an dem hängt, was er oder sie besitzt oder erreicht hat, auch Anhänglichkeit an Menschen, auch das Rühmen eigener Werke, der steht mit leeren Händen vor Gott wie ein Kind, das nichts weiter tun kann, als zu empfangen. Wie soll uns Gott auch beschenken, wenn wir meinen, schon alles zu haben? Das heißt nicht, dass wir keine Menschen lieben sollen, kein Geld haben dürfen oder keine Karriere anstreben sollen – aber wir sollen nicht daran hängen. All das soll uns dazu dienen, dem Reich Gottes näher zu kommen – und wenn nicht, sollen wir es von uns abschneiden. Und wenn man viel besitzt, ist die Aufgabe, nicht daran zu hängen, gewiss schwerer. So können wir schauen, wo wir in unserem Leben Abstriche machen können. Zur christlichen Askese (nicht nur für Geistliche!) gehört immer die Frage: „Brauche ich das wirklich?“ So viel zu haben, wie notwendig, aber nicht darüber hinaus – das ist der richtige Rahmen, diese innere Losgelöstheit von irdischen Gütern zu gewährleisten. Und dennoch ganz politisch inkorrekt: Ein reicher Mensch kann arm vor Gott sein und ein armer Mensch kann noch mehr an seinen Gütern hängen und somit ein Reicher vor Gott sein als jener, der viel besitzt.
Wer in diesem Leben trauert – und das meint nicht nur die Trauer um einen lieben Menschen, sondern auch die Trauer um die Gottlosigkeit der Gesellschaft, den Tod des Glaubens in der Welt, wird getröstet werden mit dem lebendigen Glauben in den Oasen unserer heutigen geistigen Wüste, umso vollkommener im Himmelreich. Das wird uns ja bildlich in der ersten Lesung vor Augen geführt! Freude ist der Zustand des Himmels. Und wer um einen Verstorbenen trauert, wird getröstet werden durch die Botschaft von Ostern. Der Tod ist nur vorübergehend und die Hoffnung ist lebendig, dass es in der Ewigkeit ein Wiedersehen gibt.
Wer sanftmütig ist, wird das Land erben – und zwar das „Land“ des Himmelreichs. Jesus sagt zu Pilatus: „Wenn mein Königtum von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde.“ (Joh 18,36). Das Reich Gottes hat ganz andere Regeln. Es geht nicht um Gewalt, sondern um Liebe, die alles andere vernichtet. Die Sanftmut ist verdichtet im Zeichen des Kreuzes, an dem sich Gott selbst für uns ans Kreuz hat schlagen lassen. Er hätte eingreifen und die Menschen mit einem Schlag vernichten können, doch er hat alles mit sich machen lassen. Das ist der verdichtete Ort der Sanftmut. Und wir? Können wir uns nicht einmal zurückhalten und auf den bissigen Kommentar wegen der an uns ergangenen Beleidigung verzichten? Es auf uns sitzen lassen aus Liebe zum Herrn? Und mehr noch: Darauf mit Liebe antworten? Das wird unser Gegenüber verwirren und zum Nachdenken bringen.
Der Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit erinnert uns an die Speisungen des Alten Testaments, z.B., des Propheten Elija, der sich als Instrument der Gerechtigkeit Gottes gebrauchen lässt. Genährt und getränkt wird auch er nicht nur mit Bachwasser und Rabenspeise, sondern vor allem mit der Gerechtigkeit, die den Götzendienst im Nordreich beendet. Wie sehr wünschen auch wir uns die Gerechtigkeit Gottes – sie ist etwas Erlösendes, nicht etwas Bedrohliches. In diesem Sinne sättigt sie uns und in diesem Sinne wird das Gericht Gottes am Ende der Zeit verbunden mit dem endzeitlichen Festmahl kommen, bei dem wir „fette Speisen“ genießen werden (Jes 25,6).
Jesus erklärt in vielen Gleichnissen und hier in der Bergpredigt auch mit dem Vaterunser, dass wir dann die Barmherzigkeit Gottes erwarten können, wenn wir selbst barmherzig sind. Das ist nicht oft genug zu wiederholen! Wie schwer fällt es uns Menschen doch, barmherzig gegenüber anderen Menschen zu sein! Wie sehr fordern wir Gerechtigkeit für die anderen und erwarten zugleich die Barmherzigkeit für uns selbst. Barmherzigkeit heißt nicht, dass wir am anderen plötzlich gut finden, was er Böses getan hat, vor allem an uns. Es bedeutet, dass wir ihm verzeihen und auf Rache verzichten. Wenn wir selbst so eine Haltung einnehmen, wird Gott auch uns durch das Tor der Barmherzigkeit gehen lassen und nicht wie ein Karma-Automat unsere Sünden berechnen.
Die Herzensreinen werden Gott schauen – das bezieht sich vor allem auf die Schau Gottes in der Ewigkeit. An der Reinheit des Herzens hängt alles. Es bedeutet, dass der Mensch innen und außen kongruent ist, ehrlich zu sich selbst, Gott und den Menschen. Wer das Herz vor jeglicher Sünde bewahrt und den Tempel heiligt, konkret: wer in der Gegenwart Gottes lebt, ungeteilt Gott den Raum der Seele gibt.
Wer Frieden stiftet, wird Kind Gottes heißen. Frieden und der Heilige Geist gehören zusammen. Es ist eine übernatürliche Gabe, die die Welt nicht geben kann. Und der Geist Gottes ist es, der die Vergebung der Sünden erwirkt, in erster Linie im Sakrament der Taufe, dann auch im Sakrament der Beichte. Als Geistbegabte durch die Sakramente können wir Menschen dann wirkliche Friedensstifter sein – die sich also nicht nur für den politischen Frieden einsetzen, sondern ganz konkret in die eigene Lebenswelt – in die Familie, Nachbarschaft, in den Beruf oder Freundeskreis – die Liebe Gottes hineintragen. Dort wirkt der Geist Gottes, der wirklich Frieden schenkt. Wir sind Friedensstifter, wenn wir die Berufung unserer Taufe ernst nehmen. Wir sind durch sie schon Kinder der Familie Gottes und werden es vollkommen sein in der Ewigkeit.
Und wenn wir verfolgt werden im Namen Gottes, dann seien wir gewiss: Das Himmelreich ist uns sicher. Nicht umsonst glauben wir, dass die Märtyrer sofort zum Herrn kommen. Johannes sieht sie als Siegesschar in der Offenbarung und wie gesagt werden sie mit dem Siegeszeichen des Palmzweigs dargestellt. Den Verfolgten, die ihr Leben für Gott hingeben, ist das Himmelreich wirklich sicher.
Es muss aber nicht so weit kommen, dass wir für unseren Glauben an Jesus Christus umgebracht werden: Schon die Nachstellungen, Beschimpfungen, blöden Kommentare, gesellschaftlichen Nachteile – all dies sieht Gott und wird entsprechend belohnen, viel besser noch: entschädigen. Schon die Propheten haben das erlebt, umso wie viel mehr trifft es die Christen! Elija hat einiges durchgemacht so wie die anderen Propheten, die man sogar umgebracht hat. Und Jesus hat das Leiden der Jüngerschaft ganz klar angekündigt. Und doch dürfen wir uns geborgen wissen: Wenn uns auch die äußeren Stürme zerreißen wollen – die vier Engel an den Weltecken stehen bereit: Unseren Glauben kann uns niemand nehmen, ebenso wenig unser ewiges Leben! Denn das Siegel, das uns aufgedrückt ist, ist unauslöschlich.

Alle Heiligen, bittet für uns!

Ihre Magstrauss

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