Hebr 10,11-18; Ps 110,1-2.3.4-5; Mk 4,1-20
Hebr 10
11 Und jeder Priester steht Tag für Tag da, versieht seinen Dienst und bringt viele Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals Sünden wegnehmen können.
12 Dieser aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt;
13 seitdem wartet er, bis seine Feinde ihm als Schemel unter die Füße gelegt werden.
14 Denn durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt.
15 Das bezeugt uns auch der Heilige Geist; nachdem er gesagt hat:
16 Dies ist der Bund, den ich nach diesen Tagen mit ihnen schließen werde – spricht der Herr: Ich lege meine Gesetze in ihr Herz und schreibe sie in ihr Denken hinein;
17 und: An ihre Sünden und Übertretungen denke ich nicht mehr.
18 Wo also die Sünden vergeben sind, da gibt es kein Opfer für die Sünden mehr.
In der heutigen Lesung hören wir wieder aus dem Hebräerbrief. Das Thema des gehörten Abschnitts ist die endgültige Wirkung des Opfers Jesu Christi im Gegensatz zu den Opfern des Alten Bundes.
So wird zunächst erklärt, wie die Priester des Alten Bundes ihren Dienst Tag für Tag versehen mussten, immer wieder die gleichen Tiere schlachten mussten und „doch niemals Sünden wegnehmen können“. In gewisser Weise wirkten sie sicherlich sühnend, sonst hätte Gott dem Mose die ganzen Kultvorschriften nicht gemacht. Und doch ist es nicht vergleichbar mit dem, was Christus durch die Selbsthingabe am Kreuz erwirkt hat: die Erlösung! Diese konnte kein Tieropfer erlangen, sonst wäre die Menschheit schon viel früher erlöst worden und es hätte den Neuen Bund gar nicht benötigt. An dieser Stelle sei herauszustellen, was für die gesamte Rede im Hebräerbrief sowie im Neuen Testament zu beobachten ist: Im Griechischen werden zwei unterschiedliche Begriffe für Priester verwendet. Das ist wichtig für uns, weil wir im Deutschen nur ein Wort haben. Dies verleitet jene zu einer ideologischen Umformung des biblischen Priesterverständnisses, die das Priestertum für alle öffnen möchten. Dann wird das allgemeine Priestertum aller Getauften, das mit dem Begriff des hierateuma wiedergegeben wird, als Legitimation herangezogen, obwohl geweihte Priester mit dem Begriff presbyteros bezeichnet werden. Es handelt sich auch um zwei unterschiedliche Sakramente. Wenn Christus hier als Priester mit den Priestern des Alten Bundes verglichen wird, wird im Griechischen nicht der Presbyteros-Begriff gewählt, sondern hiereus bwz. archiereus (Hohepriester). Dies wiederum ist die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes kohen. Was wir daraus lernen: Die Priester des Neuen Bundes sind nicht jene, die etwas aus sich selbst heraus bewirken. Nicht der Priester am Altar wandelt die Gaben von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi, sondern der eine wahre Hohepriester Jesus Christus. Er ist es, der das Entscheidende tut. Deshalb ist kein menschlich gemachter Gottesdienst, kein Wortgottesdienst, keine Katechesestunde, keine Auslegung oder sonstiger Gottesdienst vergleichbar mit der Hl. Messe. Denn in der Eucharistie ist es Gott selbst, der das Entscheidende tut. Der Priester handelt am Altar in persona Christi. Er leiht ihm die Hände, er leiht ihm seine Stimme, um die Wandlungsworte zu sprechen, den Geist auf die Gaben herabzurufen, die Hände aufzulegen. Dass Jesus dies durch sie tun möchte, sehen wir an seiner Bevollmächtigung der Apostel, die diese Vollmacht ihren Nachfolgern übertragen haben und diese wiederum ihren Nachfolgern etc.
Der Hebräerbrief betont, dass Christus sich nur einmal geopfert hat. Es ist nicht so, dass in der Liturgie Christus immer wieder neu ans Kreuz geschlagen wird, was ein protestantischer Einwand ist. Er ist einmal gestorben und hat sich zur Rechten des Vaters gesetzt. Er „wartet“, was sich auf die jetzige Zeit der Kirche bezieht, die auf die Wiederkunft Christi wartet. So warten beide, bis der heilsgeschichtliche Schlussstrich gezogen wird. Dann wird der Vater dem Sohn seine Feinde als Schemel unter die Füße setzen, wie es Ps 110 ausdrückt und den wir deshalb als Antwort zur Lesung beten. Am Ende der Zeiten wird der Böse, dem jetzt noch Handlungsspielraum zugestanden wird, endgültig entmachtet. Dann setzt sich die Gottesherrschaft gänzlich durch und wird allen offenbar werden.
Dieses endgültige Opfer, das Christus am Kreuz dargebracht hat, bewirkt die Heiligung aller Menschen gestern, heute und morgen. Diese werden vollendet werden, wenn dann das Ende der Zeiten gekommen ist. Das heißt, dass sie ins Gottesreich eingehen, gleichsam das Erbe antreten werden, das ihnen in der Taufe zugesichert worden ist. So schließt sich der Kreis zu Jer 31,33, was hier in der Septuagintafassung zitiert wird. Damals hat Gott Jeremia einen zukünftigen Bund angekündigt, der eine „Beschneidung des Herzens“ sein wird, wir verwenden für die Taufe ein anderes Bild, nämlich das des Siegels. Es wird ein Bundesschluss sein, bei dem die vollständige Sündenvergebung erwirkt wird.
Dies hat sich mit der Taufe erfüllt und so muss nach der Taufe kein anderes Opfer als das eine Opfer Jesu Christi dargebracht werden. Alles andere wäre eine Infragestellung der Allmacht Gottes. Dies bedeutet nicht, dass wir keine Eucharistie mehr mitfeiern müssen, sondern dass wir zusätzlich keine Tiere als Sündopfer mehr brauchen. Christi eines Opfer wird ja in jeder Messe vergegenwärtigt, damit wir seine Liebe nie vergessen. Wir tun es zu seinem Gedächtnis und um uns ganz mit ihm zu vereinen. Er löst sein Versprechen ein, immer bei uns zu sein bis zum Ende der Welt, denn er ist real gegenwärtig in der Eucharistie. Wieso sollte ein Tier dieses makellose und allwirksame Opfer des Sohnes Gottes noch ergänzen?
Ps 110
1 Ein Psalm Davids. So spricht der HERR zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße.
2 Das Zepter deiner Macht streckt der HERR aus vom Zion her: Herrsche inmitten deiner Feinde!
3 Dich umgibt Herrschaft am Tag deiner Macht, im Glanz des Heiligtums. Ich habe dich aus dem Schoß gezeugt vor dem Morgenstern.
4 Der HERR hat geschworen und nie wird es ihn reuen: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks.
5 Der HERR steht dir zur Rechten; er zerschmettert Könige am Tag seines Zorns.
Heute beten wir als Antwort auf die Lesung Ps 110, einen Königspsalm, der so viele messianische Andeutungen besitzt, dass er den am häufigsten zitierten alttestamentlichen Text im Neuen Testament darstellt.
Gott spricht: „Setze dich mir zur Rechten“, was uns an Jesus Christus erinnert, den wir zur Rechten des Vaters glauben. Er ist aufgefahren in den Himmel, um nun an der Seite des Vaters zu sein. So beten wir im Glaubensbekenntnis. Doch zunächst auf König David angewandt bedeutet dies, dass wenn König David in Gemeinschaft mit Gott ist, gesegnet sein wird. Zur Rechten Gottes zu sitzen, meint im wörtlichen Sinn also zunächst, ganz in Gott zu sein, wir würden sagen: im Stand der Gnade zu sein. Es ist also moralisch zu verstehen und darin können wir uns mit König David identifizieren. Wenn wir also ganz in Gemeinschaft mit Gott sind, liegt auch auf unseren Plänen und Vorhaben, auf unseren Bemühungen und Bestrebungen Gottes Segen. Wenn dann verheißen wird, dass Gott seine Feinde wird unter den Schemel seiner Füße stellen wird, ist es im Falle Davids auf die Kriegserfolge zu beziehen. Wenn er ganz in Gott bleibt, um es einmal johanneisch auszudrücken, dann wird er seine Feinde besiegen und ein Friedensreich schaffen. Das ist es, was der Herr den Propheten eingibt, die den Messias ankündigen. Sie erwarten einen neuen David, einen Nachkommen, dessen Reich Bestand haben wird und das vor allem ein Friedensreich sein wird. Wenn wir diese Stelle nun christologisch verstehen, sehen wir die Feinde Christi vor uns: Bezogen auf sein erstes Kommen und seine Erlösungstat denken wir an den Tod, den er besiegt, indem er von den Toten aufersteht! Wir sehen auch die Sünde der Welt, die er ein für allemal gesühnt hat. Das sind Abstracta, die aber auf einen ganz konkreten Feind zurückzuführen sind: den Widersacher Gottes, den Satan. Dieser ist der Feind Christi. Betrachten wir die momentane Phase in der Heilsgeschichte, sehen wir den bleibenden Spielraum des Bösen bis zum Ende der Zeiten. Das ist schon im Hebräerbrief angeklungen. Wenn das Ende kommt, wird der Vater den Bösen endgültig unter die Füße Christi treiben. Dann wird ganz mit ihm abgerechnet. Selbst der Tod wird zerstört werden.
Die Wiederkunft Christi wird angedeutet durch sein Erscheinen in heiligem Schmuck. Und dennoch ist diese Aussage mehrfach zu verstehen: Allein auf König David bezogen ist sie in ihrer Tiefe nicht zu begreifen, denn warum ist er von Gott gezeugt worden und nicht von Isai? Und warum ist er vor dem Morgenstern gezeugt worden? Wir begreifen diese Aussage immerhin als Gewolltsein von Gott, als die Zusage, dass Gott ihn ins Dasein gerufen hat wie jeden Menschen, mit einem eigenen Plan, mit einer eigenen Berufung. Und doch weist die Aussage über sich selbst hinaus auf Christus, der wirklich wortwörtlich vor dem Morgenstern gezeugt wurde. Er ist kein Geschöpf, er ist nicht geschaffen, sondern gezeugt. Er ist zudem, bevor überhaupt etwas geschaffen worden ist. Der „Tau in der Frühe“ ist zutiefst messianisch. Nicht umsonst singt die Kirche in der Adventszeit „Tauet Himmel den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab“. Das Kommen des Messias wird wie das Herabregnen des Niederschlags verstanden. Und was ist der heilige Schmuck Christi? Es ist moralisch zu verstehen als seine Sündenlosigkeit, es ist aber auch anagogisch zu verstehen als seine Herrlichkeit, die er offenbaren wird am Ende der Zeiten, wenn er nämlich zum zweiten Mal kommt! Dann wird seine Entäußerung und die Verborgenheit seiner Gottheit hinweggenommen sein.
Und dann sagt Gott selbst ihm zu, dass er Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks ist. Das ist nun wirklich über König David hinaus zu verstehen. Christus ist nach der Ordnung Melchisedeks Hohepriester. Er steht über dem gesamten Kult des Alten Bundes. Sein Opfer ist endgültig, weshalb es die Opfer des Alten Israel nicht mehr braucht. Und diese Ordnung auf Christus bezogen ist eine ewige Ordnung. „Nie wird es ihn reuen“ müssen wir als Anthropomorphismus verstehen, der hier in einem poetischen Kontext formuliert wird, das heißt eine Wesensart des Menschen, die auf Gott angewandt wird: Gott ist kein Sünder. Er muss nichts bereuen, aber so hat man Gott gedacht, so wird er vor allem in den ältesten Schriften des Alten Testaments gedacht. So lesen wir davon, dass er die Sintflut bereut. Gott ist weder impulsiv noch begeht er Fehler. Er ist der Vollkommene und Heilige. Er muss nichts bereuen, sondern so stellt König David sich Gott vor bzw. kann es auch sein, dass er begreift, dass Gott nichts bereuen muss, aber er verwendet es bildlich, weil er hier ja im Psalm dichtet.
Der Herr zerschmettert Könige am Tag seines Zorns. Dieser Tag umschreibt den Jüngsten Tag, an dem Christus als verherrlichter Menschensohn wiederkommt. Dann wird er mit den Mächtigen dieser Welt abrechnen. Dann wird allen offenbar werden, wer der wahre Herrscher ist. Das ist für uns eine tröstliche Botschaft, weil es uns zeigt: Gott hat das letzte Wort. Er ist der Herr der Geschichte und entgegen aller gegenwärtigen Eindrücke wird er am Ende seinen Heilsplan durchsetzen.
Mk 4
1 Und wieder begann er, am Ufer des Sees zu lehren, und sehr viele Menschen versammelten sich um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot auf dem See und setzte sich; die Leute aber standen am Ufer.
2 Und er sprach lange zu ihnen und lehrte sie in Gleichnissen. Bei dieser Belehrung sagte er zu ihnen:
3 Hört! Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen.
4 Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es.
5 Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war;
6 als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte.
7 Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat und sie brachte keine Frucht.
8 Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht; die Saat ging auf und wuchs empor und trug dreißigfach, sechzigfach und hundertfach.
9 Und Jesus sprach: Wer Ohren hat zum Hören, der höre!
10 Als er mit seinen Begleitern und den Zwölf allein war, fragten sie ihn nach dem Sinn seiner Gleichnisse.
11 Da sagte er zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben; für die aber, die draußen sind, geschieht alles in Gleichnissen;
12 denn sehen sollen sie, sehen, aber nicht erkennen; hören sollen sie, hören, aber nicht verstehen, damit sie sich nicht bekehren und ihnen nicht vergeben wird.
13 Und er sagte zu ihnen: Wenn ihr schon dieses Gleichnis nicht versteht, wie wollt ihr dann all die anderen Gleichnisse verstehen?
14 Der Sämann sät das Wort.
15 Auf den Weg fällt das Wort bei denen, die es zwar hören, aber sofort kommt der Satan und nimmt das Wort weg, das in sie gesät wurde.
16 Ähnlich ist es bei den Menschen, bei denen das Wort auf felsigen Boden fällt: Sobald sie es hören, nehmen sie es freudig auf;
17 aber sie haben keine Wurzeln, sondern sind unbeständig, und wenn sie dann um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt werden, kommen sie sofort zu Fall.
18 Bei anderen fällt das Wort in die Dornen: Sie hören es zwar,
19 aber die Sorgen der Welt, der trügerische Reichtum und die Gier nach all den anderen Dingen machen sich breit und ersticken es und es bleibt ohne Frucht.
20 Auf guten Boden ist das Wort bei denen gesät, die es hören und aufnehmen und Frucht bringen, dreißigfach, sechzigfach und hundertfach.
Wir hören als Evangelium heute das Gleichnis vom Sämann. Es beginnt mit Mk 4 eine Reihe von Gleichnissen, die Jesus für das Reich Gottes anbringt.
Die Umstände der Lehre Jesu stellen ein Déjà vu dar. Er muss wieder in ein Boot steigen, um von dort aus die Menschenmassen zu lehren. Es ist einerseits voll, andererseits lehrt er dadurch seine Jünger. Eigentlich hätte er auch auf einen Felsen oder ein Podest steigen können, aber er möchte seinen berufenen Menschenfischern noch einmal demonstrieren, wie das geht. Der Köder, durch den die Fische anbeißen sollen, ist das Wort Gottes. Das Bild muss dabei richtig verstanden werden. Im Gegensatz zu den Fischen, die durch das erfolgreiche Fangen sterben, erhalten die Menschenfische durch das Gefangenwerden das ewige Leben, die Freiheit des Reiches Gottes. Und doch ist dieses Bild das Geeignetste für die „Fischer-Jünger“. Jesus wirft vor ihren Augen die Netze aus. Er beginnt zu lehren. Er erklärt dabei das Reich Gottes. Seine Worte sind der köstlichste Köder, denn die Menschenmassen nehmen dafür lange Reisen auf sich (naja, vor allem natürlich wegen der darauffolgenden Heilungen, aber dennoch…). Was Jesus heute erklärt, ist ein anderes Bild für das Menschenfischen – das Säen von Samen.
So ist der Hl. Geist. Wenn Gott uns Menschen etwas Entscheidendes eingeben möchte, wenn er uns seinen Willen kundtun will, dann tut er das nicht einmalig. Er möchte sicherstellen, dass wir seine Botschaft wirklich begreifen, deshalb wiederholt er Eingebungen. Der Hl. Geist wiederholt sich. Er macht sich sogar noch mehr Mühe und gibt es einem mit unterschiedlichen Worten, auf unterschiedlichen Wegen, mit unterschiedlichen Bildern ein. Deshalb erklärt Jesus den Menschen das Reich Gottes mit vielen unterschiedlichen Metaphern und Gleichnissen. Deshalb erklärt er seinen Jüngern auch das Menschenfischen mit unterschiedlichen Bildern. Das Gleichnis selbst werden wir direkt in der gedeuteten Form thematisieren:
Die Deutung nimmt Christus nicht vor den Menschenmassen vor, sondern nur für den Zwölferkreis. Der Sämann ist Christus, der Same das Wort Gottes. Jesus hat mit dem Gleichnis das umschrieben, was er während seiner Verkündigung auch tat: vom Boot aus den Menschenmassen, die die unterschiedlichen Böden darstellen, das Wort Gottes predigen, also aussäen. Die Jünger haben seine Pointe nicht verstanden, obwohl es Jesus immer darum geht, Dinge nicht zu sagen, sondern zu zeigen. Er konfrontiert sie, um sie wach zu rütteln: „Wenn ihr das schon nicht verstanden habt, wie wollt ihr dann die künftigen Gleichnisse verstehen?“ Er möchte sie dadurch nicht niedermachen, sondern tadelt sie, ja er schleift sie, damit sie zu schönen Diamanten werden. Sie sollen lernen, alles so zu sehen wie er selbst.
Jesus erklärt auch die verschiedenen Beschaffenheiten des Bodens, auf denen das Wort Gottes fällt. Es sind die unterschiedlichen Herzenshaltungen der Menschen, mit denen sie Jesu Predigt in sich aufnehmen: Der Same auf dem Weg wird vom Satan direkt geraubt, bevor es Wurzeln schlagen kann. Warum ausgerechnet auf dem Weg? Es sind die Menschen, die im Prozess der Umkehr sind, die noch auf dem Weg zu Gott sind. Der Satan gerät in Panik und tut alles, damit die Seele nicht für Christus gewonnen wird. Er will die Seele für sich behalten. Deshalb müssen wir sehr viel für jene beten, die Gott suchen und vielleicht sogar schon auf dem Weg zur Taufe sind. Sie erleiden starke Anfechtungen und Versuchungen, denn Satan will unsere Königskindschaft mit allen Mitteln verhindern. Schließlich bedeutet die Taufe die Selbstübereignung an Christus, den einzig wahren Herrscher. Wenn der Mensch die Taufe angenommen hat, ist die Macht des Bösen gebrochen, zumindest sehr beeinträchtigt.
Der felsige Boden ist die Haltung der Menschen, die einen oberflächlichen Glauben haben, ohne Wurzeln und unbeständig. Beim ersten Widerstand geben sie auf, weil es zu unangenehm wird und es ihnen aufgrund der fehlenden Wurzeln den Boden unter den Füßen wegzieht. Solche „christlichen Sanguiniker“ sind jene, die sich das Angenehme gern herauspicken und das Unangenehme ausblenden. Sie sind felsig, das heißt, sie wollen sich nicht ganz formen lassen von Gott, der auch mal züchtigen muss, der uns nicht immer nur Feierlaune, sondern auch mal den grauen Alltag bereithält. Die Felsen der eigenen Voreingenommenheit, die Patchwork-Mentalität zerstören aber die Samen des Wortes Gottes.
Die Herzenshaltung des dornigen Gestrüpps ist besonders tödlich. Gottes ewiges Wort, seine Weisheit, die nicht von dieser Welt ist, gerade auch vom Denken her, ist ganz anders als die Sichtweise der Welt mit ihren Verlockungen und ihrer Sünde. Doch in Menschen, die so weltlich eingestellt sind, auch gerade Menschen, die sich übertriebene Sorgen machen, also zu wenig Gottvertrauen besitzen, kann das Wort Gottes nicht keimen, Wurzeln schlagen, wachsen, Früchte tragen. Es stirbt sofort ab, weil das Herz voll von anderem ist. Jesus, das Wort Gottes, findet keinen Platz im Herzen solcher Menschen. Und er ist ein Gentleman. Wer ihn nicht hineinlässt, den lässt er auch in Ruhe. Dieses Dornengestrüpp breitet sich in unserer Kirche heutzutage rasant aus. Immer weniger Geistliche sind noch geistlich eingestellt. Wie viele unserer deutschen Bischöfe bestimmen ihr gesamtes Wirken noch von Christus her, dessen Reich nicht von dieser Welt ist? Es dominiert immer mehr die menschliche und weltliche Denkweise. Sie erfüllt die ganzen kirchlichen Grundvollzüge – so stark, dass für den Hl. Geist kein Platz mehr übrig bleibt.
Schließlich beschreibt Jesus die Fruchtbaren – die, die hören, aufnehmen und Frucht tragen. „Hören“ meint mehr als nur das physische Hören. Es meint den Ge-hor-sam, das Hören mit dem Glauben, das „auf ihn Hören“. In sich aufnehmen tun jene das Wort Gottes, die es an sich heranlassen. Die es akzeptieren und be-herzigen im wortwörtlichen Sinn: die es in sich verarbeiten, es betrachten, darüber nachdenken, es immer tiefer zu verstehen versuchen, die es nicht nur oberflächlich und rein informativ registrieren. Es ist, was Gott dem Propheten Jeremia mit der Ankündigung des Neuen Bundes zugesagt hat – ein Schreiben ins Herz und in den Sinn, eine intensive Verinnerlichung. Maria ist ein perfektes Beispiel für dieses „in sich Aufnehmen“. Sie bewahrt alle Geschehnisse in ihrem Herzen und denkt darüber nach. Das macht sie zur perfekten Jüngerin und zum fruchtbarsten Boden – auf dem das Wort Gottes deshalb auch Fleisch geworden ist! Früchte trägt das Wort Gottes dann, wenn die Menschen es in ihr eigenes Denken aufgenommen haben, wenn es von da an ihre eigenen Gedanken, Worte und Taten bestimmt, wenn es konkrete Auswirkungen hat im Verhalten.
Am Ende wird Jesus das Gleichnis überbieten. Er wird nicht nur das Wort Gottes säen in Form von gesprochenem Wort und Heilsdienst. Er wird sich selbst hingeben für die vielen Menschen am Kreuz. Er wird das eine gültige Opfer für alle Zeiten darbringen. Er wird sein Fleisch und Blut austeilen und auch dann wird es auf unterschiedlichen Boden fallen. Der Neue Bund wird allen Menschen angeboten, doch annehmen werden ihn nicht alle. Viele wird es kalt lassen, was Jesus für sie getan hat. Viele werden es zunächst annehmen und dann beim ersten Problem von ihm weglaufen. Nicht alle werden fruchtbar. Einige werden nicht glauben, dass Jesu Tat sie wirklich gerettet hat. Sie werden an ihrem fehlenden Vertrauen an Gott ersticken.
Jesus sät seinen „Samen“, d.h. sein Fleisch und Blut, in jeder Hl. Messe in das Herz der Kirche. Er sät sein Fleisch in unsere Herzen, die wir ihn in der Kommunion empfangen. Wird sein Same dort auf fruchtbaren Boden fallen? „Du bist, was du isst.“ Das ist nicht nur der Slogan von Wasa, das ist zuerst das Motto der Eucharistie. Wir werden immer mehr zum Leib Christi, indem wir ihn empfangen. Dies wird sich in unseren Gedanken, Worten und Werken immer mehr zeigen. Auch gerade im Alltag, da wo uns keiner sieht, da wo wir dann umsetzen sollen, was wir gelernt haben.
Das alles drückt Jesus heute im Evangelium aus.
Heute streut Jesus durch die Tageslesungen sehr viel Samen auf unseren Boden. Wir haben wirklich viel Arbeit damit, es zu hören, es in uns aufzunehmen und in uns wachsen zu lassen. Mit dem Säen des göttlichen Wortes ist nicht alles abgeschlossen. Vielmehr markiert es den Anfang. Nun liegt es an uns, fruchtbar zu werden oder eben nicht. Was machen wir aus der Taufgnade, die uns der Herr geschenkt hat?
Ihre Magstrauss