13. Sonntag im Jahreskreis (B)

Weish 1,13-15; 2,23-24; Ps 30,2 u. 4.5-6b.6cdu. 12au. 13b; 2 Kor 8,7.9.13-15; Mk 5,21-43

Weish 1
13 Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden.
14 Zum Dasein hat er alles geschaffen und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt. Kein Gift des Verderbens ist in ihnen, das Reich der Unterwelt hat keine Macht auf der Erde;
15 denn die Gerechtigkeit ist unsterblich.
23 Denn Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht.
24 Doch durch den Neid des Teufels kam der Tod in die Welt und ihn erfahren alle, die ihm angehören.

In der ersten Lesung des 13. Sonntags hören wir von Gott, der ein Gott des Lebens ist. Er „hat keine Freude am Untergang der Lebenden.“ Das hat er schon damals nicht, als er dem Volk Israel immer wieder Rettung verschafft hat. Er hätte es aufgrund der vielen Bundesbrüche einfach ins offene Messer laufen lassen können. Doch Gott ist ein treuer Gott, der seine Verheißungen wahrmacht. Er tut alles, um Israel vor dem Untergang zu retten. Jeder einzelne Mensch ist zu einem Leben in Fülle berufen, zur ewigen Liebesgemeinschaft mit Gott. Deshalb tut Gott alles, damit der Mensch bis zum letzten Augenblick seines Lebens noch die Chance zur Umkehr hat und sich erweichen lässt.
Dass Gottes Pläne stets Pläne des Heils sind, zeigt sich an der Aussage: „Zum Dasein hat er alles geschaffen und heilbringend sind die Geschöpfe der Welt.“ Gottes Schöpfung ist gut geschaffen. Das Weisheitsbuch reflektiert den Schöpfungsbericht. Dort heißt es ja wiederholt, dass Gott alles ansieht und es für gut befindet. Ursprünglich ist alles wunderbar gemacht und „kein Gift des Verderbens ist in ihnen“. Es kam erst in die Welt durch den Sündenfall, der die gute Schöpfung in eine gefallene verwandelte. Das Reich der Unterwelt ist eigentlich machtlos gegenüber dem Gott des Lebens, doch durch die fatale Entscheidung des Menschen gegen Gott ist dem Bösen alle Macht auf Erden zuerteilt worden. Das ist ja das Schlimme gewesen, weshalb die Menschheit auf die Erlösung Jesu Christi gewartet hat. Dem Bösen sollte die Macht genommen werden, sein Genick gleichsam gebrochen werden, damit die Menschen den ursprünglichen Heilsplan Gottes wieder erhalten konnten, das ewige Leben bei Gott.
Auch wenn der Böse noch ein wenig Spielraum behalten hat bis zum Ende der Zeiten – das letzte Wort hat Gott, „denn die Gerechtigkeit ist unsterblich“. Das Weisheitsbuch ist nicht naiv und schreibt deshalb so, als ob es nichts Böses auf der Welt gebe, die Menschheit weiterhin im paradiesischen Zustand sei und die Schöpfung immer noch ihren paradiesischen Zustand behalten habe. Es geht in der Weisheitsliteratur des Alten Testaments wesentlich darum, die Fünf Bücher Mose auszulegen, diese zu reflektieren und zu vertiefen. So nimmt dieser heutige Abschnitt vor allem Bezug auf den Schöpfungsbericht, bevor die Menschen gesündigt haben.
Es wird auch reflektiert, dass der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen worden ist. Er ist geschaffen, um ewig zu leben, doch er hat sich dies selbst zerstört, als mit der Sünde der Tod in die Welt kam. Die Sünde wiederum kommt vom Teufel und dieser hat die Menschen aus Neid verführt. Das ist eine wichtige Deutung des Sündenfalls: Der Böse hat die Gemeinschaft mit Gott verloren durch den Hochmut und der Weigerung, dem Menschen zu dienen. So ist er verbannt worden aus dem Himmel. Was er selbst nicht haben darf, sollen die Menschen auch nicht bekommen. So hat er seine Intrige gesponnen und die gute Schöpfung ist gefallen. Und doch: Gott hat das letzte Wort. Sein „es ist vollbracht“ hat den Plan des Bösen zunichte gemacht.

Ps 30
2 Ich will dich erheben, HERR denn du zogst mich herauf und ließest nicht zu, dass meine Feinde sich über mich freuen.
4 HERR, du hast meine Seele heraufsteigen lassen aus der Totenwelt, hast mich am Leben erhalten, sodass ich nicht in die Grube hinabstieg.
5 Singt und spielt dem HERRN, ihr seine Frommen, dankt im Gedenken seiner Heiligkeit!
6 Denn sein Zorn dauert nur einen Augenblick, doch seine Güte ein Leben lang. Wenn man am Abend auch weint, am Morgen herrscht wieder Jubel.
12 Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt,
13 HERR, mein Gott, ich will dir danken in Ewigkeit.

Heute beten wir einen Lobpreispsalm, der wie so oft mit einer Selbstaufforderung zum Lob beginnt („Ich will dich erheben, HERR“). Und wie so oft wird auch der Grund für den Lobpreis genannt: „Denn du zogst mich herauf und ließest nicht zu, dass meine Feinde sich über mich freuen.“ Dies greift auf, was im Buch der Weisheit schon angedeutet wurde: Die Rettung aus dem ewigen Tod. Das Heraufziehen impliziert eine Tiefe. Und eine solche lässt sich mehrfach betrachten: Einerseits kann man es anagogisch betrachten, was wir bereits bei der Lesung getan haben. Demnach ist damit die Tiefe des Falls der Schöpfung zu verstehen. Sie war gefallen und zur ewigen Abgeschnittenheit von Gott verdammt. Doch durch die Erlösung Jesu Christi ist der Zugang zum Vater wiederhergestellt worden. Er hat die Gerechten des Alten Testaments wahrlich heraufgezogen aus der Tiefe der Unterwelt, wie wir auch im Glaubensbekenntnis beten. Die Tiefe ist aber auch moralisch zu verstehen: Wo wir den Stand der Gnade verlieren und aufgrund unserer Sünden gefallen sind, zieht uns der Herr hinauf durch die Sündenvergebung. Er schenkt uns einen Neuanfang und stellt die Taufgnade wieder her durch das Sakrament der Beichte. Bevor man diese moralische Ebene betrachtet, muss man allerdings die allegorische und ekklesiologische in den Blick nehmen: Denn zu allererst geschieht Sündenvergebung und Wiederherstellung des ewigen Lebens durch die Taufe. Der Herr richtet alle auf, die innerlich tot sind aufgrund der gefallenen Natur. Er schenkt ein neues Leben durch die Neugeburt im Hl. Geist, die die Taufe ja darstellt. Wer zur Familie Gottes neugeboren wird, ist heraufgezogen aus der gefallenen Schöpfung. Die Taufe ist heilsnotwendig. Betrachten wir dieses Heraufziehen aber auch historisch und wörtlich im ursprünglichen Kontext des Psalms: Oft hat das Volk Israel Situationen erlebt, in denen es ganz unwahrscheinlich erschien, überhaupt jemals aus der Not herauszukommen. In Ägypten sowie Babylon werden die Israeliten diese Erfahrung besonders intensiv gemacht haben. Und doch sagt Gott den Menschen durch die Propheten zu: Nein. Die Feinde scheinen jetzt so groß, doch ich bin größer. Immer. Und so hat Gott in Ägypten sowie in Babylon das letzte Wort. Das Volk erlebt immer wieder ein gutes Ende und kehrt in das verheißene Land zurück. Gott ist immer stärker als der größte Feind. So sind die Psalmen voll von Lobpreisgesängen darüber, dass Gott sein Heil erwirkt hat.
Auch wir werden aufgefordert, Gott zu loben und zu spielen, der uns das ewige Heil bereithält. Was sind im Gegensatz dazu die temporären Leiden dieser Welt? Wir haben auch jetzt schon allen Grund zu feiern, weil es bald zuende sein wird. Gott möchte uns alle glücklich machen und dazu sind wir auch geschaffen worden. Er verwandelt schon jetzt in unserem irdischen Dasein das Klagen in Tanzen, wenn wir umkehren und beichten. Er hat das kollektive Klagen des Volkes Israel in Tanzen verwandelt, als er seinen einzigen Sohn für uns hingab, der von den Toten auferstanden ist! Ganz laut hat die ganze Vorhölle gejubelt und getanzt, als sie endlich das Angesicht Gottes schauen durfte. Ganz laut jubeln dürfen wir auch, wenn wir durch die Taufe in die neue Schöpfung hineingeboren werden, die uns Aussicht auf das Reich Gottes beschert! Wenn wir uns einfach mal bewusst machen, was Gott uns für eine riesige Gnade geschenkt hat und immer wieder schenkt, können wir nicht anders, als ihm ewig zu danken und ihn zu preisen – nicht nur mit Worten, sondern mit unserem ganzen Lebenswandel!

2 Kor 8
7 Wie ihr aber an allem reich seid, an Glauben, Rede und Erkenntnis, an jedem Eifer und an der Liebe, die wir in euch begründet haben, so sollt ihr euch auch an diesem Liebeswerk mit reichlichen Spenden beteiligen.
9 Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.
13 Denn es geht nicht darum, dass ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen Ausgleich.
14 Im Augenblick soll euer Überfluss ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluss einmal eurem Mangel abhilft. So soll ein Ausgleich entstehen,
15 wie es in der Schrift heißt: Wer viel gesammelt hatte, hatte nicht zu viel, und wer wenig, hatte nicht zu wenig.

Wir hören in der zweiten Lesung einen Ausschnitt aus dem zweiten Korintherbrief. Paulus geht es darum, die Korinther von seiner weißen Weste bezüglich Finanzen zu überzeugen. Er sagt, dass das Liebeswerk, von dem in dem Kapitel geschrieben wird, auch etwas mit finanzieller Unterstützung zu tun hat. Zuvor hat Paulus sehr viel über die Bereitschaft der Mazedonier geschrieben, die von sich aus bereit waren, ihn zu unterstützen und für die Christen weltweit etwas zu geben. Dies wendet Paulus nun an als Spendenaufruf an die Korinther. Er möchte sie nicht zwingen, sondern dazu einladen, dass auch sie ihre Aufrichtigkeit und Bereitschaft zur Beteiligung an der Evangelisierung zeigen.
Paulus hat alles ja nicht deshalb so ausführlich erklärt, um sich selbst zu rühmen, sondern um ihnen aufzuzeigen, dass die Missionare aufs Ganze gehen, selbst aber nichts haben. Sie sind ganz auf die Unterstützung der Christen angewiesen, dass die Evangelisierung auch in Zukunft weitergeht. Dies bezieht er auch auf Christus, der selbst ja alle reich gemacht hat als persönlich ganz Armer.
Niemand verlangt, dass die Korinther so viel hergeben, dass sie selbst in Not geraten. Paulus spricht von Ausgleich, denn die Korinther sind sehr wohlhabend. Das heißt aber nicht im marxistischen Sinn eine Umverteilung der Güter. Der Ausgleich besteht in einem ganz anderen Aspekt: Wenn die Korinther von ihrem Überfluss den wirklich Notleidenden geben, wird es jenen viel helfen. Und wenn die Korinther irgendwann Not leiden, dann werden sie es zurückerhalten von jenen, die jetzt Mangel leiden. Alles, was wir tun – Gutes und Böses – wird auf uns zurückfallen. Wenn wir von Herzen anderen helfen, werden wir es in unserer eigenen Not zurückbekommen.
So wird keiner zu viel haben und keiner zu wenig – nicht aufgrund einer pauschalen Gleichmachung politischer Art, sondern aufgrund des großen Herzens füreinander. Wir sind eine große Familie als Christen. Da hilft man einander auf verschiedene Weise. Die finanzielle Unterstützung ist ein Aspekt unter vielen, doch ohne Geld kommt man in dieser Welt nun einmal nicht aus. Wir müssen von etwas leben, deshalb ist die finanzielle Unterstützung elementar. Und wenn wir es auf das heutige Thema zurückführen: Wenn wir Gottes Ebenbilder sind, dann müssen wir Menschen des Lebens sein. Wenn Gott das Leben in Fülle schenkt, dann ist es an uns, den Mitmenschen ein Leben zu ermöglichen – und wenn es durch unser Almosen geschieht!

Mk 5
21 Jesus fuhr wieder ans andere Ufer hinüber und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war, 

22 kam einer der Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen 
23 und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt! 
24 Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. 
25 Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutfluss litt. 
26 Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden. 
27 Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten heran und berührte sein Gewand. 
28 Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt. 
29 Und sofort versiegte die Quelle des Blutes und sie spürte in ihrem Leib, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.
30 Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt? 
31 Seine Jünger sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt? 
32 Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte. 
33 Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. 
34 Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein. 
35 Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten: Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger? 
36 Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Fürchte dich nicht! Glaube nur!
37 Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. 
38 Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers. Als Jesus den Tumult sah und wie sie heftig weinten und klagten, 
39 trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur. 
40 Da lachten sie ihn aus. Er aber warf alle hinaus und nahm den Vater des Kindes und die Mutter und die, die mit ihm waren, und ging in den Raum, in dem das Kind lag. 
41 Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talita kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! 
42 Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt. Die Leute waren ganz fassungslos vor Entsetzen. 
43 Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.

Heute hören wir ein komplexeres Evangelium, das es in sich hat.
Jesus ist wieder am ursprünglichen Ufer des Sees Gennesaret angekommen und dort sammeln sich wieder viele Menschen um ihn. Da kommt Jairus, ein Synagogenvorsteher zu Jesus und wirft sich vor ihm nieder. Er fleht ihn von Herzen an, dass er seine sterbende Tochter heile. Jairus betet inbrünstig. Es ist dieselbe Haltung eines Vaters im Gebet für sein Kind und Jesus ist gerne bereit, ihm zu helfen. So machen sie sich auf den Weg zu ihm nach Hause. Doch Jesus hat einen noch größeren Plan.
Während sie sich durch die Masse drängen, spürt Jesus, wie eine Kraft von ihm ausströmt. Jesus weiß schon längst, wer ihn berührt hat, was für ein Leben diese Person geführt hat und wie ihr Innenleben ist. Er weiß schon längst alles und fragt doch ganz bewusst: „Wer hat mein Gewand berührt?“
Es ist eine unscheinbare Frau voller Glauben. Keiner hat sie beachtet und doch hat sie mit ihrer Aktion sehr viel Mut bewiesen. Denn es handelt sich um eine seit zwölf Jahren blutflüssige Frau. Ihre Blutungen machen sie kultisch dauerhaft unrein und sie kann weder am Gottesdienst teilnehmen, noch irgendwelche sozialen Kontakte pflegen. Andere Juden werden durch den Kontakt zu ihr ja auch kultisch unrein und meiden sie deshalb. Sie ist eine seit Jahren isolierte Frau, die es dennoch gewagt hat, sich in eine Menschenmenge zu begeben. Noch mehr: Ihr Glaube ist so stark, dass er die Furcht vor den kultischen Reinheitsgeboten übertrumpft. Sie vertraut so sehr, dass ihre Berührung Jesus kultisch nichts anhaben kann, weil er der Sohn Gottes ist.
Eigentlich ist Jesus unterwegs zu Jairus‘ Tochter und doch widmet er sich der blutflüssigen Frau. Erstens möchte er ihr mit der Aufmerksamkeit zeigen, wie die Liebe des Vaters ist: Er liebt jeden Einzelnen so, als wäre er der Einzige auf der Welt. Zweitens möchte Jesus den Glauben der Frau den Umstehenden als Glaubensbeispiel heranziehen und sie zugleich in die Gesellschaft wieder eingliedern. Ihr Glaube ist so stark, dass sie die kultischen Reinheitsgebote aufs Spiel setzt. Sie glaubt sogar so stark, dass sie nicht mal Jesus selbst, sondern nur sein Gewand berühren muss. Er ruft deshalb in die Menge: „Wer hat mein Gewand berührt?“ Sie soll sich outen, damit es jeder mitbekommt als Glaubenszeugnis. Zitternd vor Furcht stellt sie sich der Aufmerksamkeit Gottes. Sie hat Angst, weil sie genau weiß, dass sie gegen die jüdischen Gesetze gehandelt hat. Sie hat Angst, dass die Menschen um sie herum sie bestrafen werden. Drittens ist die ganze Situation eine Lektion für Jairus, der Jesus ja zum Weitergehen drängt. Jede Sekunde zählt, um seine sterbende Tochter zu retten. Jesus möchte ihm etwas beibringen: Gott erhört unsere Bitten sehr gern und bereitwillig, aber eben nicht immer nach unseren Vorstellungen. Er tut es manchmal sogar ganz anders oder im Gegenteil dessen, was wir erbeten haben – nicht weil er uns quälen will, sondern weil er dadurch noch viel mehr Heil bringen möchte. Er sieht das umfassende Bild im Gegensatz zu uns. So verzögert sich das Kommen Jesu zur Tochter des Synagogenvorstehers nicht, weil sie Jesus egal ist. Er möchte ein noch viel größeres Zeichen wirken, als Jairus von ihm erbeten hat. Durch das, was nun kommt, möchte er nämlich nicht nur ein biologisches Leben retten, sondern auch den Glauben der Anwesenden stärken.
Der worst case tritt ein. Bevor sie Jairus‘ Haus schließlich erreichen, ist seine Tochter verstorben und Angehörige fangen die Gruppe mit Jesus und Jairus unterwegs ab. Sie geben richtig auf und sagen sogar: „Warum bemühst du den Meister noch länger?“ Jesus ermutigt entgegen aller Erwartungen Jairus dazu, es der gerade bezeugten blutflüssigen Frau gleichzutun – zu glauben und sich nicht zu fürchten. Jesus hat Jairus bewusst diese Frau vor Augen geführt und in seiner Gegenwart die Heilung vorgenommen mit den abschließenden Worten: „Dein Glaube hat dich gerettet.“ Jairus sollte innerlich auf das Kommende vorbereitet werden.
Sie gehen jedenfalls weiter bis zum Haus und Jesus nimmt die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes mit. Auch diese sollen heute etwas lernen.
Die Trauer über das zwölfjährige Kind ist groß. Es ist kein Zufall, dass ihr Alter dem Zeitraum der Krankheit der blutflüssigen Frau entspricht. Beide Heilungen hängen zusammen. In beiden Fällen geht es um kultische Verunreinigung. Im ersten Fall ist es der blutige Ausfluss der Frau, im zweiten Fall ist es der Tod des Mädchens, der alle verunreinigt, die zu ihr ins Haus gehen. Dies erklärt unter anderem, warum Jesus nicht so viele Menschen mit ins Haus nimmt. Er tut es aber auch wegen des Zeichens, das er wirken möchte und das nicht weitererzählt werden soll: die Totenerweckung.
Die dort anwesenden Menschen verspüren heftige Trauer und weinen sehr. Der Schmerz über den Tod des eigenen Kindes ist eines der grausamsten Dinge, die man im Leben erfahren kann. So muss sich auch Gott gefühlt haben beim grausamen Tod seines Sohnes. So muss es auch Maria ergangen sein, der ein Schwert durchs Herz ging, wie Simeon ihr angekündigt hat. Wie sehr wird Gott über jene geweint haben, die ihn abgelehnt, ausgeliefert und hingerichtet haben? Wie sehr weint er über den Verlust des ewigen Lebens seiner geliebten Geschöpfe, die seine Liebe auch heute nicht annehmen und ihn bis zum Schluss ablehnen? Er ist doch ein Gott des Lebens und hat für uns das ewige Leben bereit!
Jesus sagt den Menschen zu, dass das Kind nicht tot sei, sondern schlafe. Womöglich ist das Kind in eine Art Koma gefallen. Was auch immer mit dem Kind passiert ist, die Menschen sind sehr ungläubig. Sie lachen Jesus aus und scheinen seine Worte nicht einmal in Betracht zu ziehen. So ist es immer wieder. Jesus wird verspottet, obwohl er Gott ist. Wir in seiner Nachfolge erfahren bis heute genau dasselbe. Wo wir mutig zur Wahrheit stehen, werden wir ausgelacht, insbesondere wo das gesellschaftliche Umfeld besonders atheistisch ist. Dann wird das Gesagte nicht einmal als eine Alternative unter vielen angesehen. Das Wort Gottes wird einfach als Ganzes abgelehnt.
Wer ungläubig ist und somit zum Gegenbild der blutflüssigen Frau wird, soll das Haus verlassen. Nur die Familie, Jesus und seine drei Jünger bleiben. Jesus geht zum Mädchen, fasst sie bei der Hand, wie er immer wieder die zu Heilenden bei der Hand fasst, und sagt zu ihr „Talita kum“, „Mädchen, steh auf“. Er richtet die Menschen immer auf, nicht nur körperlich, sondern seelisch, psychisch, gesellschaftlich, einfach umfassend. Er richtet den Glauben vieler Menschen auf, wo diese Heilungen geschehen. Er heilt also nie einfach nur offensichtlich den körperlich Kranken, sondern immer die ganzen Anwesenden gleich seelisch mit. Dabei hat Jesus keine Mühe. Er fasst die Tochter des Jairus einfach und sie steht direkt auf. Jesus ist Gott und muss deshalb keine Anstrengung aufwenden wie z.B. der Prophet Elija beim Jungen in 1 Kön 17. In beiden Fällen lässt Gott den tödlichen Krankheitsverlauf zu, damit er an den Leidenden seine Herrlichkeit offenbaren kann und die Familien zum Glauben an ihn kommen. Bei Gott gibt es nie ein „zu spät“. Wenn er unserem Empfinden nach erst spät eingreift, ist es seiner wunderbaren Vorsehung nach genau der richtige Zeitpunkt. Wir sehen als Menschen nur unsere derzeitige Situation und im Leiden ist unser Blick noch eingeschränkter. Gott sieht aber stets das Gesamtbild und so dürfen wir ihm bei seinem Timing und in der Art und Weise seiner Gebetserfüllung vertrauen. Gott ist so sensibel, dass er Jairus durch die Heilung der blutflüssigen Frau auf die richtige Glaubenshaltung vorbereitet. Hätte Jesus seine Tochter schon geheilt, bevor sie „gestorben“ wäre, wäre sein Glaube und jener seiner Familie vielleicht gar nicht so gestärkt worden.
Jesus schärft den Zeugen dieser Heilung ein, es nicht zu verbreiten. Der Grund ist der übliche: Einerseits soll eine sofortige Verhaftung Jesu vermieden werden, andererseits die Lektion Gottes nicht beeinflusst werden – die Juden sollen von selbst auf Jesu Messianität kommen.
Dies soll geschehen, indem die Art seiner Totenerweckung – das Ergreifen der Hand und das Erheben des Mädchens – mit den Hl. Schriften in Verbindung gebracht werden sollen. Wir haben heute davon in der ersten Lesung gehört, wie Gott den Menschen herauszieht aus der Tiefe. Immer wieder ist es ein Motiv auch in den Psalmen des Alten Testaments. Diese Geste Jesu soll einen Aha-Effekt erzielen.
Der letzte Vers ist typisch für Heilungen, in denen Menschen ins Leben zurückversetzt werden. Es betont, dass die wieder Lebendigen ganz leibhaftig zurück sind. Sie essen wieder, weil sie einen echten lebendigen Körper haben und biologisch wieder gestärkt werden müssen nach der Krankheit. Zurückkehrender Appetit ist ein Signal für die zurückgekehrte Gesundheit. Dieses kleine Detail möchte ich abschließend auf die andere Nahrung beziehen, die wir haben – die Eucharistie. Schon in der ersten Lesung habe ich eine vierfache Betrachtung des Ziehens aus der Tiefe vorgenommen und dort die moralische Ebene thematisiert. Gott zieht uns aus dem gefallenen Zustand wieder zurück in den Stand der Gnade. Dies geschieht durch das Sakrament der Beichte. Wenn wir wieder mit Gott und der Kirche versöhnt sind, dann dürfen wir uns freuen und vor allem: Wir dürfen den Herrn im Sakrament der Eucharistie wieder empfangen. Es ist wie die Stärkung der zum Leben zurückgekehrten Menschen, so wie bei der Tochter des Jairus. Sie hat wieder Appetit und wird mit leiblicher Nahrung gestärkt. So ergeht es uns nach der Beichte, wenn wir vom Tod zum Leben zurückkehren. Wir haben „Appetit“ auf das Himmelsbrot, das uns stärkt.

Wir sehen an den Texten des heutigen Sonntags, dass Gott wirklich ein Gott des Lebens ist. Er kümmert sich umfassend um seine Geschöpfe. Er sorgt für das leibliche und seelische Wohl. Sein Heilsplan für uns steht schon von Anfang an fest. Danken wir Gott, dass er so wunderbare Pläne des Heils für uns hat!

Ihre Magstrauss

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