Gen 49,29-33; 50,15-26a; Ps 105,1-2.3-4.6-7; Mt 10,24-33
Gen 49
29 Er trug ihnen ferner auf und sagte zu ihnen: Ich werde mit meinen Vorfahren vereint. Begrabt mich bei meinen Vätern in der Höhle auf dem Feld des Hetiters Efron,
30 in der Höhle auf dem Feld von Machpela gegenüber von Mamre im Land Kanaan! Das Feld hatte Abraham vom Hetiter Efron als eigene Grabstätte erworben.
31 Dort hat man Abraham und seine Frau Sara begraben; dort hat man Isaak und seine Frau Rebekka begraben; dort habe ich Lea begraben,
32 auf dem Feld, das samt der Höhle darauf von den Hetitern erworben worden ist.
33 Jakob beendete den Auftrag an seine Söhne und zog seine Füße auf das Bett zurück. Dann verschied er und wurde mit seinen Vorfahren vereint.
15 Als Josefs Brüder sahen, dass ihr Vater tot war, sagten sie: Wenn sich Josef nun feindselig gegen uns stellt und uns tatsächlich alles Böse vergilt, das wir ihm getan haben.
16 Deshalb ließen sie Josef wissen: Dein Vater hat uns, bevor er starb, aufgetragen:
17 So sagt zu Josef: Ach, vergib doch deinen Brüdern ihre Untat und Sünde, denn Schlimmes haben sie dir angetan. Nun also vergib doch die Untat der Knechte des Gottes deines Vaters! Als man ihm diese Worte überbrachte, weinte Josef.
18 Seine Brüder gingen dann auch selbst hin, fielen vor ihm nieder und sagten: Hier sind wir als deine Knechte.
19 Josef aber antwortete ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes Stelle?
20 Ihr habt Böses gegen mich im Sinne gehabt, Gott aber hatte dabei Gutes im Sinn, um zu erreichen, was heute geschieht: viel Volk am Leben zu erhalten.
21 Nun also fürchtet euch nicht! Ich selbst will für euch und eure Kinder sorgen. So tröstete er sie und redete ihnen zu Herzen.
22 Josef blieb in Ägypten, er und das Haus seines Vaters. Josef wurde hundertzehn Jahre alt.
23 Er sah von Efraim noch Söhne der dritten Generation. Auch die Söhne Machirs, des Sohnes Manasses, wurden auf Josefs Knien geboren.
24 Dann sprach Josef zu seinen Brüdern: Ich sterbe. Gott wird sich gewiss euer annehmen, er wird euch aus diesem Land heraus- und in jenes Land hinaufführen, das er Abraham, Isaak und Jakob mit einem Eid zugesichert hat.
25 Josef ließ die Söhne Israels schwören: Gott wird sich euer gewiss annehmen. Dann bringt meine Gebeine von hier mit hinauf!
26 Josef starb im Alter von hundertzehn Jahren. Man balsamierte ihn ein und legte ihn in Ägypten in einen Sarg.
Heute hören wir von dem Tod Jakobs. Gestern fiel er seinem lange totgeglaubten Sohn um den Hals und rief aus, dass er nun in Frieden sterben könne. Heute hören wir zunächst davon, dass er seinen Söhnen aufträgt, wo sie ihn bestatten sollen, nämlich in einer Höhle, die sich auf dem Feld des Hetiters Efron befindet. Er beschreibt ziemlich spezifisch, wo sich diese Höhle befindet, denn dort sind schon die Vorfahren beerdigt worden: Abraham, Sara, Isaak, Rebekka, Lea. Das Feld hatte Abraham im Vorfeld Efron abgekauft. Es befand sich nun im Besitz der Familie.
Was wir heute nicht hören, sind seine Abschiedsworte an die verschiedenen Söhne. Unter anderem hat er eine sehr messianische Verheißung für Juda bereit, die wir im Nachhinein als Wink des Hl. Geistes begreifen, der durch Jakob das Kommen König Davids und darüber hinaus das Kommen Jesu Christi angekündigt hat.
Nachdem er alles aufgetragen und mitgegeben hat, stirbt Jakob. Seine Söhne beweinen ihn sehr. Es ist sehr bemerkenswert, wie die Söhne reagieren: Zunächst lesen wir überhaupt nichts davon, dass sie mit Trauer reagieren, sondern sorgen sich wieder um sich selbst. Sie überlegen, wie sie Josef in dieser Situation gnädig stimmen können, da sie nun bei Verscheiden des Vaters befürchteten, dass er ihnen nicht mehr so gutgesinnt sein könnte.
So belügen sie Josef und behaupten, der Vater habe ihnen aufgetragen, Josef weiterzugeben, dass er den Brüdern vergeben solle. Josef vergibt ihnen von ganzem Herzen und betont, dass es Gottes Aufgabe ist, zu richten. Deshalb richtet er an sie die rhetorische Frage: „Stehe ich denn an Gottes Stelle?“ Noch einmal wiederholt er, dass auch wenn die Brüder Böses im Sinn hatten, Gott es zum Guten gewendet hat.
Wir erfahren, dass Josef als erstes um den Vater trauert. Er weint wegen der Gesamtsituation, aber auch wegen der Frage der Vergebung. Erst danach kommen auch die übrigen Söhne und trauern um den Vater. Das ist sehr bezeichnend. Auch hier haben sie zuerst an sich gedacht und dann überhaupt erst den Vater beweint. All die Jahrzehnte waren sie beim Vater und doch war Josef diesem trotz jahrzehntelanger räumlicher Trennung näher als die anderen.
Er könnte wütend mit seinen Brüdern werden, aber das Gegenteil ist der Fall. Er kümmert sich in den weiteren Jahren um sie und ihre Nachkommen. Schließlich wird Josef selbst 110 Jahre alt und erlebt selbst viele seiner nachfolgenden Generationen. Es heißt, dass er seine Urenkel noch mitbekommt. Was bedeutet es, dass ihm die Kinder Machirs, des Sohnes Manasses, auf Knien geboren werden? Diese Wendung bedeutet, dass er diese Kinder adoptiert, also seine Enkel als seine eigenen Kinder annimmt. Warum tut er das? Bevor Josefs Vater Jakob gestorben ist, hat er die Söhne Josefs, Ephraim und Manasse als seine Kinder adoptiert. So hat dann Josef diese durch die Adoption von dessen Enkelkindern wieder zurückbekommen. Warum aber adoptierte Jakob Ephraim und Manasse? Diese waren ja nur zur Hälfte Israeliten, denn Josefs Frau Aseneth war Ägypterin, die sich zum Judentum bekehrt hat. Um diese beiden Söhne in das Haus Israel zu integrieren, wurden diese also vom Stammvater Jakob-Israel adoptiert.
Kurz vor Josefs Tod erinnert dieser die Israeliten daran, dass Gott treu ist und zu seinem Versprechen des Verheißenen Landes stehen wird. Er wird das Volk aus Ägypten heimführen. Er bittet sie zudem unter Eid, dass sie an Gottes Wort festhalten werden und ihn bei seinen Vätern beerdigen werden. Als er dann stirbt, balsamieren sie ihn ein. Das schauen sie sich von den Ägyptern ab. Von da an werden die Toten auch in Israel stets einbalsamiert. Hier geschieht das in weiser Vorausschau, weil man Josef dann bei der Heimführung nach Israel mitnehmen wird. Balsamierung dient also zur Konservierung.
Ps 105
1 Von David. Preise den HERRN, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen!
2 Preise den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!
3 Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt,
4 fragt nach dem HERRN und seiner Macht, sucht sein Angesicht allezeit!
6 Ihr Nachkommen seines Knechts Abraham, ihr Kinder Jakobs, die er erwählt hat.
7 Er, der HERR, ist unser Gott. Auf der ganzen Erde gelten seine Entscheide.
Der heutige Psalm ist eine wunderbare Antwort auf die Lesung. Gott ist wirklich treu und hat die Israeliten so weit gebracht. Ihm zu danken und nie zu vergessen, welche Heilstaten er bereits vollbracht hat, könnte in dieser Form aus dem Mund der zwölf Stämme erklingen, wenn es den Psalm damals schon gegeben hätte.
Der Psalm beginnt wie so oft mit einer Selbstaufforderung zum Lob: „Preise den HERRN, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen!“ Dieser heilige Name ist es, den Gott dem Mose einige Jahrhunderte später offenbaren wird.
„Und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ Auch die Nachkommen Jakobs dürfen das nie vergessen. Die Umwege des Verkaufs des Josef haben dazu geführt, dass sie nicht verhungert sind und nun in Ägypten wohnen können.
„Der dir all deine Schuld vergibt und deine Gebrechen heilt“ – es ist genau diese Reihenfolge, die wir bemerken müssen. Zuerst vergibt Gott uns die Schuld. Dies ist nämlich die wichtigste Form von Heilung – die seelische. Wenn wir wieder mit Gott versöhnt sind und zurückversetzt sind in den Radius seiner Gnade, kann diese uns auch umfassend heilen. Die psychischen und körperlichen Auswirkungen unserer im Kern seelischen Probleme können nun auch geheilt werden, weil der seelische Kern wiederhergestellt ist. Auf die Josefsgeschichte zurückbezogen können wir herausstellen, dass nicht in erster Linie die Hungersnot die wesentliche Heilstat Gottes darstellt, sondern die Versöhnung und Wiedervereinigung der Familie mit Josef.
„Fragt nach dem HERRN und seiner Macht“ – die hebräische Verbform דִּרְשׁ֣וּ dirschu ist eigentlich mit „suchet, forscht“ zu übersetzen. Es geht also darum, in allem immer den Herrn zu suchen.
„Sucht sein Angesicht allezeit!“- auch בַּקְּשׁ֖וּ baqschu kann mit „suchen“ übersetzt werden, aber auch mit „wollen, begehren, bitten“. Beide Sätze sagen etwas Ähnliches aus und sind ähnlich strukturiert, was wir Parallelismus nennen. Der Mensch soll immer nach dem Angesicht Gottes verlangen. Es umschreibt, was mit dem Sch’ma Israel zusammengefasst wird (Dtn 6,4ff.), die absolute Gottesliebe und deshalb das stete Interesse daran, ihn besser zu verstehen. Es geht darum, das Herz an ihn zu hängen. Wenn man dies tut, wird das Herz immer wieder Heilung erfahren. Dies müssen die Israeliten unbedingt tun, denn sie leben in einem fremden Land mit fremden Göttern. Da ist die Versuchung groß, den eigenen Gott, der sich einem offenbart und so viel Gutes erwiesen hat, zu vergessen.
So wie wir schon oft gebetet haben, ergeht auch hier die Aufforderung an uns, Gottes Heilstaten nie zu vergessen („Gedenkt der Wunder, die er getan hat…“). So werden wir nie undankbar und auch nie etwas für selbstverständlich nehmen, was Gott uns schenkt. Wir gedenken der großen Taten Gottes mit dankbarem Herzen in jeder Eucharistie. Wir beten jeden Tag die Psalmen und loben Gott darüber hinaus mit Hymnen und anderen Lobliedern.
Gott ist der Herrscher des Alls und deshalb gilt, was er entscheidet. Alles ist seinem universalen Heilswillen unterworfen, was auch für uns sehr tröstlich ist! Das bedeutet nämlich, dass auch der Böse nur so viel anrichten kann, wie Gott zulässt. Sobald das Ende der Zeiten erreicht ist, wird Gott ihm sofort und ganz ohne Mühe Einhalt gebieten. Er wird den Bösen für immer zerstören und wir werden nie wieder leiden müssen.
Mt 10
24 Ein Jünger steht nicht über seinem Meister und ein Sklave nicht über seinem Herrn.
25 Der Jünger muss sich damit begnügen, dass es ihm geht wie seinem Meister, und der Sklave, dass es ihm geht wie seinem Herrn. Wenn man schon den Herrn des Hauses Beelzebul nennt, dann erst recht seine Hausgenossen.
26 Darum fürchtet euch nicht vor ihnen! Denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird.
27 Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flüstert, das verkündet auf den Dächern!
28 Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!
29 Verkauft man nicht zwei Spatzen für einen Pfennig? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters.
30 Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.
31 Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.
32 Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.
33 Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen.
Im Evangelium hören wir heute so wie in den bisherigen Texten von der Geborgenheit in Gott. Er weiß um alles und es ist ihm nicht egal, was mit uns passiert. Der Kontext der Worte Jesu im Evangelium ist die Aussendung der zwölf Apostel in die umliegenden Städte. Er sendet sie dabei wie Schafe unter die Wölfe. Er sensibilisiert seine Jünger dafür, dass sie in seinem Namen vieles erleiden werden – nicht nur bei der „Generalprobe“, zu der er sie hier aussendet, sondern vor allem später nach seinem Tod, seiner Auferstehung und Himmelfahrt sowie seiner Geistsendung.
Und so versichert Jesus sie: „Darum fürchtet euch nicht vor ihnen!“ Die Aussage „Fürchte dich nicht!“ oder „Hab keine Angst!“ steht 365 Mal in der Bibel, für jeden Tag einmal. Wir brauchen vor gar nichts Angst zu haben, weil Gott mit uns ist. Wir können nicht tiefer fallen als in Gottes Hand und so sollen wir beherzt einen Schritt vor den nächsten tun.
Jesus sagt, dass alles ans Tageslicht kommt. Kein Geheimnis bleibt für immer geheim. Er verdeutlicht das in diesem Zusammenhang mit der Verborgenheit des Reiches Gottes, das irgendwann offenbart wird. Er erklärt dann, dass es spätestens am Jüngsten Tag für alle sichtbar sein wird.
Jesus hat seinen Aposteln so vieles erklärt, insbesondere auch im Privaten, sodass nur sie es gehört haben. Er hat es so gehalten, um sie auf ihre große Aufgabe vorzubereiten, die sie aber erst nach der Gabe des Hl. Geistes umsetzen konnten. Und dann gingen sie wirklich in die Öffentlichkeit und verkündeten all dies. Wir denken besonders an die Pfingstrede des Petrus, in der er eine wunderbare heilsgeschichtliche Zusammenfassung vorgenommen hat mit allen messianischen Erfüllungen und Erklärungen Jesu selbst. Er konnte dies endlich tun, weil er selbst dazu bereit war und die anwesenden Menschen ebenfalls.
Dies sollte auf regen Widerstand treffen, doch Jesus erklärt hier, dass sie keine Angst vor dem biologischen Tod haben müssen. Ihre Beziehung zu Gott und das ewige Leben bei ihm können die Menschen den Jüngern nicht nehmen. Die größere Gefahr geht vom Bösen aus, dem Widersacher, der die Menschen von Gott wegreißen will.
Jesus wendet mehrere Beispiele an, um den Aposteln zu verdeutlichen, dass Gott ganz mit ihnen ist. Sie brauchen keine Angst zu haben, weil er alles in seiner wunderbaren Vorsehung regelt. Er hat alles nach seinem Willen gemacht und erhält auch alles durch seinen Willen. Nicht mal die Spatzen fallen herunter ohne seine Einwilligung, obwohl sie so kleine und vermeintlich wertlose Vögel sind. Um wie viel mehr kümmert sich Gott um die Jünger, die mehr wert sind als Spatzen! Jedes einzelne Haar auf ihren Köpfen ist gezählt. Das ist eine absolute Vertrauenszusage. Und ausgehend von diesem Verhältnis absoluter Geborgenheit können sich die Jünger dann freimütig zum Herrn bekennen. Sie wissen tief in ihren Herzen, dass sie nichts verlieren können. Und so werden sie dann nach ihrem Tod dieses innige Verhältnis fortführen, nun aber nicht mehr im Verborgenen, sondern ganz unverhüllt von Angesicht zu Angesicht mit Gott. Wer aber in diesem Leben in absolutem Misstrauen gegenüber Gott gelebt hat und ängstlich um sich selbst gekreist ist, der wird am Ende kein positives Gerichtsurteil von Gott erhalten. Jesus sagt sogar, dass er ihn vor seinem Vater verleugnen wird. Wir müssen bedenken, dass Jesus das mit aller Dramatik betont, weil es endgültig ist. Er tut das nicht, weil er seinen Jüngern Angst einjagen will, sondern weil er ihnen die drastischen Konsequenzen ihrer endgültigen Ablehnung Gottes aufzeigt. Gott bietet jedem Menschen seine bedingungslose Liebe und Geborgenheit an. Doch wer sie stets ablehnt, muss am Ende mit den entsprechenden Konsequenzen rechnen. Schließlich haben sie einen freien Willen geschenkt bekommen, um sich frei zu entscheiden.
Die zwölf Stämme Israels und die zwölf Apostel verbindet die innige Beziehung zu Gott. Beide dürfen nie vergessen, was Gott ihnen Gutes getan hat und dass er ganz treu ist. Sie können ganz auf seine gute Vorsehung vertrauen, egal wohin der Weg sie führt.
Ihre Magstrauss