Ex 2,1-15a; Ps 69,3.14.30-31.33-34; Mt 11,20-24
Ex 2
1 Ein Mann aus dem Hause Levi ging hin und nahm eine Frau aus dem gleichen Stamm.
2 Die Frau wurde schwanger und gebar einen Sohn. Weil sie sah, dass er schön war, verbarg sie ihn drei Monate lang.
3 Als sie ihn nicht mehr verborgen halten konnte, nahm sie ein Binsenkästchen, dichtete es mit Pech und Teer ab, legte das Kind hinein und setzte es am Nilufer im Schilf aus.
4 Seine Schwester blieb in der Nähe stehen, um zu sehen, was mit ihm geschehen würde.
5 Die Tochter des Pharao kam herab, um im Nil zu baden. Ihre Dienerinnen gingen unterdessen am Nilufer auf und ab. Auf einmal sah sie im Schilf das Kästchen und ließ es durch ihre Magd holen.
6 Als sie es öffnete und hineinsah, lag ein weinendes Kind darin. Sie hatte Mitleid mit ihm und sie sagte: Das ist ein Hebräerkind.
7 Da sagte seine Schwester zur Tochter des Pharao: Soll ich zu den Hebräerinnen gehen und dir eine Amme rufen, damit sie dir das Kind stillt?
8 Die Tochter des Pharao antwortete ihr: Ja, geh! Das Mädchen ging und rief die Mutter des Knaben herbei.
9 Die Tochter des Pharao sagte zu ihr: Nimm das Kind mit und still es mir! Ich werde dich dafür entlohnen. Die Frau nahm das Kind zu sich und stillte es.
10 Als der Knabe größer geworden war, brachte sie ihn der Tochter des Pharao. Diese nahm ihn als Sohn an, nannte ihn Mose und sagte: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.
11 Die Jahre vergingen und Mose wuchs heran. Eines Tages ging er zu seinen Brüdern hinaus und schaute ihnen bei der Fronarbeit zu. Da sah er, wie ein Ägypter einen Hebräer schlug, einen seiner Stammesbrüder.
12 Mose sah sich nach allen Seiten um, und als er sah, dass sonst niemand da war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sand.
13 Als er am nächsten Tag wieder hinausging, sah er zwei Hebräer miteinander streiten. Er sagte zu dem, der im Unrecht war: Warum schlägst du deinen Stammesgenossen?
14 Der Mann erwiderte: Wer hat dich zum Aufseher und Schiedsrichter über uns bestellt? Meinst du, du könntest mich umbringen, wie du den Ägypter umgebracht hast? Da bekam Mose Angst und sagte: Die Sache ist also bekannt geworden.
15 Der Pharao hörte von diesem Vorfall und wollte Mose töten; Mose aber entkam ihm.
In der Lesung beginnt heute die Mose-Erzählung. Zuletzt hörten wir davon, dass der Pharao den Befehl erließ, alle Jungen bis zum Kleinkindalter umzubringen, damit das israelitische Volk sich nicht noch weiter vermehre. Dieser Gefahr ist auch eine Frau aus dem Stamm Levi ausgesetzt. Sie gebärt in der heutigen Lesung einen schönen Sohn und möchte diesen verbergen. Auf diese Weise möchte sie ihm das Leben retten. Irgendwann lässt sich seine Existenz wohl nicht mehr verheimlichen – er weint wahrscheinlich und das bleibt der Nachbarschaft nicht verborgen.
Also setzt sie ihn in ein Binsenkästchen, das sie innen mit Pech und Teer abgedichtet hat. Während nun also viele Söhne im Nil ertrinken, überlebt dieses besondere Kind, während es im Binsenkästchen auf dem Nil treibt.
Wie schmerzhaft muss es für diese Mutter gewesen sein, das Kind zwar nicht durch das Tötungsedikt des Pharao zu verlieren, sich dennoch von ihm trennen zu müssen! Sie überlässt dessen weiteren Lebensverlauf Gott und so kommt es dazu, dass die Tochter des Pharao das Kästchen mit dem weinenden Kind darin findet. Sie erkennt, dass es ein israelitisches Kind ist, hat jedoch Mitleid. So nimmt sie es als eigenes Kind an. Das Kind muss jedoch gestillt werden und so kommt eins zum andern: Die Schwester dieses Kindes – wir wissen schon, wer dieses Kind ist, doch der Name ist noch nicht verliehen worden – bietet die leibliche Mutter des Kindes als Amme an. So darf der kleine Sohn bis zur Entwöhnung bei der Mutter bleiben.
Dann wird er zur Tochter des Pharao gebracht und diese gibt ihm den Namen Mose – Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.
Er wächst im Palast auf und erhält alle möglichen Privilegien. Dennoch scheint es so, dass alle wissen, dass er ein Israelit ist, bzw. Hebräer, wie es hier immer heißt. Dies wird zum Ende hin deutlich, wenn ein fataler Fehler ihm beinahe das Leben kostet: Er sieht nämlich eines Tages bei der Fronarbeit seiner Landsleute zu, als ihm die Schläge eines Ägypters an seinem Landsmann auffallen. Wie gestern gehört wurden die Israeliten sehr schlecht behandelt und ziemlich grob angegangen. Mose tut nun etwas, das er nicht hätte tun sollen, was aber für seine Zeit gar nicht mal so selten ist: Er rächt sich an diesem Ägypter, im Grunde durch einen Akt der Selbstjustiz. Dies geschieht durch Erschlagen. Er denkt, dass keiner ihn dabei gesehen hat, und verscharrt den Ägypter im Sand. Doch als er am nächsten Tag versucht, einen Streit unter Israeliten zu schlichten, sprechen sie ihn darauf an und reagieren abwehrend. Es ist nachvollziehbar, dass sie ihm gegenüber feindselig eingestellt sind, schließlich müssen sie als Sklaven leben, während er die Privilegien eines Königssohns genießt. Wenn diese Männer ihm patzig antworten, gehen sie auf den erschlagenen Ägypter ein. Moses Tat ist nicht verborgen geblieben und hat schon die Runde gemacht!
Es bleibt nicht dabei, sondern auch der Pharao erfährt von dem Vorfall. So muss Mose fliehen, weil der Pharao ihn umbringen lassen will. Es muss für diesen wohl aussehen wie Hochverrat. Zwar war Mose juristisch gesehen ein Familienmitglied der Pharaonenfamilie, doch in seinem Herzen bleibt er ja Israelit. Dies scheint nun durchgekommen zu sein – so kann er nicht mehr Teil der Dynastie sein.
Die Geschichte nimmt ihren Lauf. Auch diese Katastrophe wird Gott zum Anlass nehmen, seinen wunderbaren Heilsplan auszuführen.
Ps 69
3 Ich bin versunken im Schlamm des Abgrunds und habe keinen Halt mehr. In Wassertiefen bin ich geraten, die Flut reißt mich fort.
14 Ich aber komme zu dir mit meinem Bittgebet, HERR, zur Zeit der Gnade. Gott, in deiner großen Huld erhöre mich, mit deiner rettenden Treue!
30 Ich aber bin elend und voller Schmerzen, doch deine Hilfe, Gott, wird mich erhöhen.
31 Ich will im Lied den Namen Gottes loben, ich will ihn mit Dank erheben.
33 Die Gebeugten haben es gesehen und sie freuen sich! Ihr, die ihr Gott sucht, euer Herz lebe auf!
34 Denn der HERR hört auf die Armen, seine Gefangenen verachtet er nicht.
Als Antwort auf die Episode des Mose beten wir heute Psalm 69. Es ist ein Klagepsalm, bei dem die ersten Verse aus Klagen bestehen, die dann in Vers 14 in eine Bitte münden, bevor in Vers 31 der klassische Stimmungsumschwung erfolgt.
„Ich bin versunken im Schlamm des Abgrunds“ ist Ausdruck einer aussichtslosen Notsituation. Mose hätte jeden Grund, diese Worte an Gott zu richten. Er befindet sich nun in Lebensgefahr und hat wirklich keinen Halt mehr. Wir können uns gut vorstellen, wie dieser Mann nirgendwo Halt findet. Er ist zwar als Levit geboren, ist jedoch nicht verwurzelt im Leben und Glauben seines Volkes, weil er im Palast des Pharao großgezogen wurde. Zugleich spürt er wohl von Anfang an, dass er nicht dazugehört. War da zuvor dennoch eine gewisse Bindung an seine Adoptivmutter und die königliche Familie, ist dies mit seiner Tat zerstört worden. Auch das bisschen Halt seines Lebens ist ihm entzogen worden. An seinem Beispiel sehen wir, was uns alle betrifft: Nur in Gott haben wir so richtigen Halt. Menschen werden uns immer irgendwann enttäuschen, aber wenn wir uns an Gott klammern, werden wir nie enttäuscht werden.
Die Wassertiefen, in die der Beter gerät, die Flut, die ihn fortreißt, erinnert uns sehr an die Aussetzung des Kindes im Bastkästchen auf dem Nil.
Gott sorgt für jedes seiner Kinder. Er möchte, dass wir mit unseren Bitten zu ihm kommen, und so betet König David vertrauensvoll um Gebetserhörung. Gott ist treu und erhört die Bitten seiner Kinder.
Die Gerechten müssen für die Sache Gottes leiden, weil es leider Menschen gibt, die sich gegen Gott sträuben. Das gilt für alle Zeiten und so können auch wir heute beten: „Ich aber bin elend und voller Schmerzen, doch deine Hilfe, Gott, wird mich erhöhen.“
Ab Vers 31 vollzieht sich dann der für Klagepsalmen typische Stimmungsumschwung. Dabei schlägt der klagende und bittende Duktus in einen Lobpreis um, als ob Gott den Geplagten bereits erhört hat. So heißt es nun mit einer Selbstaufforderung zum Lob: „Ich will im Lied den Namen Gottes loben, ich will ihn mit Dank erheben.“ David ist so oft vor den Feinden bewahrt worden. Gott hat ihm so viele militärische Siege geschenkt und weder Saul noch Abschalom konnten ihm etwas antun. Er hatte wirklich allen Grund zum Lobpreis Gottes. Auch Mose bleibt am Leben und wird nach langer Zeit als Befreier des Volkes nach Ägypten zurückkehren. Gottes Wege sind wunderbar!
Auch alle anderen Menschen, die man als „Gebeugte“ bezeichnen kann, sind voller Freude. Auch ihr Herz kann aufleben.
Sie können erleichtert sein, weil Gott ihre Bitten erhört. Arme und Gefangene sind alle, die in irgendeiner Form leiden müssen. „Armut“ ist nie einfach nur der finanzielle/materielle Mangel, sondern stets ein ganzheitlicher Mangel. Die soziale Komponente ist im Psalmenkontext z.B. sehr wichtig, sodass Einsamkeit und Ausschluss aus der Gesellschaft eine besonders drastische Form von Armut darstellen. Die Armen und Gefangenen sind in diesem Kontext jene, die politische Not erfahren. Mose ist arm, weil er keine Heimat hat – weder bei den Leviten noch bei den Ägyptern. Er ist arm, weil er flüchten und um sein Leben fürchten muss. Wir alle sind arm und erlösungsbedürftig. Halten wir dem Herrn unsere Armut hin, damit er auch unsere Bitten erhört und wir vom Klagen in den dankenden Lobpreis kommen!
Mt 11
20 Dann begann er den Städten, in denen er die meisten Machttaten getan hatte, Vorwürfe zu machen, weil sie nicht Buße getan hatten:
21 Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Machttaten geschehen wären, die bei euch geschehen sind – längst schon wären sie in Sack und Asche umgekehrt.
22 Das sage ich euch: Tyrus und Sidon wird es am Tag des Gerichts erträglicher ergehen als euch.
23 Und du, Kafarnaum, wirst du etwa bis zum Himmel erhoben werden? Bis zur Unterwelt wirst du hinabsteigen. Wenn in Sodom die Machttaten geschehen wären, die bei dir geschehen sind, dann stünde es noch heute.
24 Das sage ich euch: Dem Gebiet von Sodom wird es am Tag des Gerichts erträglicher ergehen als dir.
Jesus ist nun unterwegs in den Städten Galiläas. Heute hören wir von einer sehr strengen Gerichtsankündigung gegenüber dieser Städte, weil sie keine Buße getan haben. Er hat zuvor schon viele Wunder vollbracht und das Evangelium verkündet. Und doch haben diese Städte die Zeit der Gnade nicht erkannt. All dies hat Jesus ja getan, damit die Bewohner umkehren und ihr Leben ändern. Stattdessen haben sie ihr sündiges Verhalten fortgesetzt. Deshalb verfährt er nun so streng mit ihnen.
Statt der Seligpreisungen hören die Bewohner dieser Städte nun Weherufe: „Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida!“ Sie werden bedroht, weil sie nicht umkehrbereit sind wie zum Beispiel Tyrus und Sidon, zwei heidnische Städte. Wenn Jesus in solchen Momenten die Heiden als Glaubensbilder bezeichnet, ist das ein besonders hartes Urteil. Er sagt, dass Tyrus und Sidon umgekehrt wären, wenn dieselbe Gnade ihnen erwiesen worden wäre wie Chorazin und Betsaida.
Er kündigt deshalb an, dass es den beiden anderen Städten beim Gericht besser ergehen wird als ihnen.
Seine harten Worte richtet er auch an Kafarnaum, das ja gewissermaßen seine Basis dargestellt hat. Immer wieder ist er dorthin zurückgekehrt. Und ausgerechnet die Bewohner dieser Stadt tun so, als ob der Messias nie in sie eingekehrt worden wäre. Offensichtlich bestehen die Sünden weiterhin fort, auf deren Schlechtheit Jesus mehrfach hingewiesen hat. Jesus möchte mit seiner sehr drastischen Ausdrucksweise die Bewohner wachrütteln und mitten ins Herz treffen. Deshalb sagt er sogar, dass Kafarnaum „bis zur Unterwelt“ hinabsteigen wird. Das ist ein typisches Gerichtswort. Es wird die Hölle erfahren, wenn es nicht umkehrt. Jesus geht sogar noch weiter und vergleicht es mit dem Ort der Sünde schlechthin – Sodom. Er sagt, dass es nicht untergegangen wäre, wenn ihm dieselbe Gnade erwiesen worden wäre wie Kafarnaum. Sodom ist aber schon untergegangen, lange bevor Gott Mensch geworden ist und höchstpersönlich die Umkehr verkündigen konnte. Selbst Sodom ist umkehrbereiter als Kafarnaum. So hart ist das Urteil für diese Stadt! Und Sodom wird beim Gericht noch besser davonkommen als Kafarnaum. Jesus spricht hier die Städte direkt an bzw. werden diese zu Gesamtbegriffen für die Menschen, die in ihnen wohnen. Diese sind es eigentlich, die gemeint sind.
Jesu Worte gelten auch uns heute. Wir brauchen uns nicht einzubilden, dass unsere Taufe uns automatisch einen Vorteil verschafft gegenüber der Ungetauften in dem Sinne, dass wir automatisch in den Himmel kommen. Vielmehr richtet uns Gott noch strenger als jene, die seine Gebote nie gehört haben, die Jesus nie kennengelernt haben. Und von uns wird Gott Rechenschaft verlangen, die wir ihm durch den Bund der Taufe die Treue versprochen haben. Wenn wir aber genauso leben wie jene, die ihn und seine Gebote nie kennengelernt haben, wird er sehr streng mit uns verfahren. Dann wird er zu uns sagen: Wäre die Gnade den anderen zuteilgeworden, die ich dir geschenkt habe, wären sie zu brennenden Zeugen meiner Botschaft geworden. Doch was hast du daraus gemacht? Ihnen wird es nun besser ergehen als dir.
Und deshalb müssen wir so reagieren wie die Bewohner Chorazins, Betsaidas und Kafarnaums hoffentlich auch: umkehren, bevor es wirklich zu spät ist. Das soll von Jesu Seite keine Angstmacherei sein, sondern er möchte eindrücklich zur Umkehr bewegen. Auch wir sollen uns bewusst werden, welche große Gnade und welches Privileg wir haben. Wir sollen dankbar sein und dementsprechend leben. Dann müssen wir auch keine Angst vor dem kommenden Gericht haben.
Ihre Magstrauss