Dienstag der 20. Woche im Jahreskreis

Ri 6,11-24a; Ps 85,9.11-12.13-14; Mt 19,23-30

Ri 6
11 Der Engel des HERRN kam und setzte sich unter die Eiche bei Ofra, die dem Abiësriter Joasch gehörte. Sein Sohn Gideon war gerade dabei, in der Kelter Weizen zu dreschen, um ihn vor Midian in Sicherheit zu bringen.
12 Da erschien ihm der Engel des HERRN und sagte zu ihm: Der HERR sei mit dir, starker Held.
13 Doch Gideon sagte zu ihm: Mit Verlaub, mein Herr, ist der HERR wirklich mit uns? Warum hat uns dann all das getroffen? Wo sind alle seine wunderbaren Taten, von denen uns unsere Väter erzählt haben? Sie sagten doch: Hat uns der HERR nicht aus Ägypten heraufgeführt? Jetzt aber hat uns der HERR aufgegeben und uns in die Hand Midians gegeben.
14 Da wandte sich der HERR ihm zu und sagte: Geh in dieser deiner Kraft und rette Israel aus der Hand Midians! Sende ich dich nicht hiermit?
15 Er entgegnete ihm: Mit Verlaub, Herr, womit könnte ich Israel retten? Sieh doch, meine Tausendschaft ist die schwächste in Manasse und ich bin der Jüngste im Haus meines Vaters.
16 Der HERR sagte zu ihm: Ich werde ganz gewiss mit dir sein und du wirst Midian schlagen, als wäre es nur ein Mann.
17 Gideon erwiderte ihm: Wenn ich Gnade gefunden habe in deinen Augen, dann gib mir ein Zeichen dafür, dass du selbst es bist, der mit mir redet.
18 Entfern dich doch nicht von hier, bis ich zu dir komme, meine Gabe herausbringe und sie vor dir hinlege! Er sagte: Ich werde bleiben, bis du zurückkommst.
19 Gideon ging hinein und bereitete ein Ziegenböckchen zu sowie ungesäuerte Brote von einem Efa Mehl. Er legte das Fleisch in einen Korb, tat die Brühe in einen Topf, brachte beides zu ihm hinaus unter die Eiche und legte es vor.
20 Da sagte der Engel Gottes zu ihm: Nimm das Fleisch und die Brote und leg sie auf den Felsen da, die Brühe aber gieß aus! Gideon tat es.
21 Der Engel des HERRN streckte die Spitze des Stabes aus, den er in der Hand hatte, und berührte das Fleisch und die Brote. Da stieg Feuer von dem Felsblock auf und verzehrte das Fleisch und die Brote. Der Engel des HERRN aber war Gideons Augen entschwunden.
22 Als nun Gideon sah, dass es der Engel des HERRN gewesen war, sagte er: Ach, Herr und GOTT, ich habe den Engel des HERRN von Angesicht zu Angesicht gesehen.
23 Der HERR erwiderte ihm: Friede sei mit dir! Fürchte dich nicht, du wirst nicht sterben.
24 Gideon errichtete an jener Stelle einen Altar für den HERRN und nannte ihn: Der HERR ist Friede. Der Altar steht bis zum heutigen Tag in Ofra der Abiësriter.

Bereits gestern hörten wir einen Ausschnitt aus dem Buch der Richter, in dem uns vom Bundesbruch Israels berichtet worden ist. Die Untreue Israels zieht den Verlust des Segens Gottes nach sich. Aus dem Grund gelingt den Israeliten kein militärischer Sieg mehr und die Feinde ringsum greifen es immer wieder an. Auch heute hören wir von einer Erzählung, die in so einer Phase der Richterzeit geschieht. Zu jener Zeit sind die Midianiter, Amalekiter und die „Leute aus dem Osten“ eine schlimme Bedrohung, weil sie die Ernte der Israeliten zerstören. Auf diese Weise herrscht eine Hungersnot im Land.
Mitten in diese Situation hinein schickt Gott einen Propheten, der Israel erklärt, dass ihr Götzendienst die Ursache für dieses Problem ist.
Gott lässt Israel auch in der eigenen Sühne nicht allein, sondern hat einen Heilsplan mit einem Mann namens Gideon. Dieser wird von einem Engel des HERRN heimgesucht, den er allerdings nicht als solchen erkennt. Das geschieht öfter im Alten Testament.
Es scheint kein Zufall zu sein, dass Gideon gerade Weizen drescht. Diese Tätigkeit bzw. der landwirtschaftliche Bereich ist typisch für Heilsgestalten des Alten und Neuen Testaments. Davon ausgehend begreifen die Betroffenen immer wieder ihre Berufung und werden auf die Endzeit vorbereitet, die immer wieder mit dem Erntebild verglichen wird. Dies wird vor allem in späteren Zeiten deutlich, noch nicht so sehr in der Richterzeit. Dennoch wissen wir von Elija und Elischa, dass dort eine Berufung vom Feld her geschieht. Elischa pflügt gerade das Feld.
Von den späteren Propheten her wird den kommenden Generationen klar, dass der Frieden am Ende der Zeiten mit einer messianischen Gestalt kommen wird. Jesaja sowie Micha sagen in den „klassischen“ Friedenstexten, dass dann die Waffen zu Pflugscharen und Winzermessern umgeschmiedet werden. Die Umstände einer Prophetenberufung sind also keineswegs willkürlich, sondern kleine Lektionen Gottes, die zusammengenommen ein Bild ergeben.
Der Engel des HERRN lässt sich unter einer Eiche nieder, was uns an die Eichen von Mamre und der Heimsuchung Abrahams erinnert. Vielleicht soll es Gideon ein Signal sein? Er erkennt dieses aber nicht, ja nicht einmal den Engel. Stattdessen stößt er sich an der Aussage: „Der HERR sei mit dir“. Aufgrund der Leidsituation stellt er infrage, ob Gott überhaupt bei seinem Volk ist. Das ist eine typische Frage inmitten des Leids, die der Mensch zu allen Zeiten stellt. Zugleich müsste ihm aber bewusst sein, dass das Leid nicht mit Gott, sondern mit der Sünde des Volkes zusammenhängt. Immer wieder hat Gott es ja Gideons Vätern erklärt und vorgewarnt. Doch er sieht nicht die Schuld seiner Generation, sondern vielmehr die Heilstaten, von denen seine Väter erzählt haben. Er schließt daraus, dass Gott die Israeliten aufgegeben habe.
Trotz seiner resignierten Haltung und der fehlenden Erkenntnis über die momentane Situation beruft Gott diesen Mann zum Richter über Israel, der das Volk aus der Hand der Midianiter retten soll.
Wie so oft ist die Reaktion eher zurückhaltend und voller Selbstzweifel. Auch Mose entgegnete, wie er diese ungeheuerliche Aufgabe bewältigen sollte. Gideon findet viele Gründe, warum der Auftrag an ihn nicht ausführbar sei: Er ist der Jüngste seines Vaters, somit der am wenigsten Geachtete. Sein Stamm hat die schwächste Tausendschaft, ist somit militärisch am schwächsten. Er denkt in menschlichen Kategorien und bewertet die Aufgabe ausgehend von seiner eigenen Kraft. Doch die Antwort Gottes ist so wie bei Mose auch: Gott wird bei ihm sein und ihm die Kraft verleihen, Midian zu schlagen, „als wäre es nur ein Mann.“ Auch in unserem Leben mag der ein oder andere Goliat vor uns treten, eine Mammutaufgabe, der wir uns menschlich gesehen nicht gewachsen fühlen, ein Riese, der unbezwinglich erscheint. Dann müssen auch wir wie König David reagieren und verstehen, dass wir die eigentlichen Riesen sind, wenn wir im Namen des Herrn diesem Problem, dieser Aufgabe, diesem Menschen etc. begegnen. Wir müssen alles mit Gottes Augen sehen, dann durchschauen wir es und sehen es aus der richtigen Perspektive. Dann begreifen wir, dass die vermeintlichen Riesen manchmal nur deshalb so groß erscheinen, weil wir sie durch die Lupe des Pessimismus betrachten oder durch das Mikroskop der Selbstzweifel. Gott verleiht den wahren Durchblick.
Gideon kann Gott noch nicht so recht glauben. Deshalb erbittet er ein Zeichen, um im Glauben gestärkt zu werden. Was dann geschieht, ist ein interessanter Opfervorgang: Gideon bittet den Mann, sich nicht zu entfernen, bis er ihm ein Festmahl zubereitet habe. Dies setzt er ihm dann einige Zeit später vor. Der Engel isst es aber nicht, sondern bittet Gideon, es auf einen Stein zu legen und die Brühe als Trankopfer auszugießen. Die Gaben werden also dargebracht. Dann berührt der Engel Fleisch und Brot mit seinem Stab, wodurch Feuer auf die Gaben herabkommt und sie verzehrt. Der Engel verschwindet. So weiß Gideon nun, dass es der Engel des HERRN war und das Festmahl zum Opfer geworden ist. Dieses Geschehen erscheint uns als Typos: Wie das Feuer hier auf die Gaben herabkommt, so ruft der Priester den Hl. Geist auf die eucharistischen Gaben herab, auf dass sie geheiligt und gewandelt werden. Es ist das Feuer der Liebe Gottes, der Geist in derselben Form wie am Pfingsttag. Die Gestalt des Feuers ist ja auch schon Theophaniezeichen Gottes im Alten Testament, z.B. die Feuersäule während der Wüstenwanderung. Wir begreifen von dieser Erzählung tiefer, was es mit der Epiklese in der Hl. Messe auf sich hat.
Er ruft zum Herrn voller Furcht, dass er dem Engel des HERRN persönlich begegnet sei. Offensichtlich fürchtet er, nun sterben zu müssen. Doch Gott selbst spricht nun zu ihm, dass er sich nicht fürchten müsse. Der Stein, auf dem die Gaben geopfert wurden, ist zum Altar geworden, den Gideon nun errichtet und „der HERR ist Friede“ nennt. Gott kommuniziert nun mit diesem Menschen, den er sich zum Richter erwählt hat und der ihm ein Opfer dargebracht hat. Von nun an würde Gideon in Israel aufräumen.

Ps 85
9 Ich will hören, was Gott redet: Frieden verkündet der HERR seinem Volk und seinen Frommen, sie sollen sich nicht zur Torheit wenden.

11 Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich.
12 Treue sprosst aus der Erde hervor; Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.
13 Ja, der HERR gibt Gutes und unser Land gibt seinen Ertrag.
14 Gerechtigkeit geht vor ihm her und bahnt den Weg seiner Schritte.

Als Antwort beten wir Psalm 85, der für die jüdische Liturgie bestimmt war. Es geht in diesen Versen um die Bitte um Gerechtigkeit. Er passt sehr gut zur ersten Lesung, denn Gott möchte den Götzendienst aus der Mitte Israels entfernen, damit es wieder Segen haben kann.
„Ich will hören, was Gott redet“ ist ein Ausdruck der Bereitschaft des Beters. Gottes Willen anzuhören und nicht verstockt zu sein, ist eine wichtige Zusage an Gott. Es ist ein: „Rede HERR, dein Diener hört“ in Psalmensprache und passt zu Gideon, den Neuberufenen. Die Selbstaufforderung ist als Psalmenanfang ja häufig belegt. Gott verkündet seinem Volk den Frieden, das ist so eine große Verheißung, dass ihre Ablehnung eine einzige Torheit darstellt, einen absoluten Leichtsinn. Wer einen gesunden Menschenverstand besitzt, kann nur so reagieren. Wie kann man einen großen Schatz links liegen lassen und stattdessen im Kuhfladen herumstochern? Das gilt vor allem für Israel, das so wunderbare Heilstaten erlebt hat und nun mit dem Götzendienst im Heiligen Land genau diese törichte Haltung einnimmt.
Im Folgenden hören wir von Heilsverheißungen: Huld und Treue begegnen einander. Das Begriffspaar wird üblicherweise auf Gott bezogen. Sie sind seine Eigenschaften. Ebenso kommen „Gerechtigkeit und Friede“ von Gott. Wenn hier bildlich-poetisch gesagt wird, dass sie sich küssen, meint das ihre Verbindung. Ich habe schon öfter erklärt, dass dem umfassenden Heil eine Gerichtsvollstreckung vorausgeht. Beides gehört zusammen. Gericht und Heil sind zwei Seiten einer Medaille. Der Friede des Gottesreiches kommt, nachdem alles Böse vernichtet und gerichtet worden ist. Es hat im Reich Gottes keinen Platz. Gottes Gerechtigkeit ist nicht als etwas Böses und Angsterfüllendes anzusehen, sondern als Erlösung von den Ungerechtigkeiten dieser Welt. Bedrohlich ist es nur für jene, die bis zum Schluss Gott abgelehnt haben. Diese erhalten dann ihre finale Abrechnung. Auf die Lesung bezogen muss die Bedrohung der Midianiter als ein solcher Gerichtsakt bezeichnet werden. Wie kann Israel das Heil erfahren, wenn es gesündigt hat und nun die Konsequenzen tragen muss? Gott ist bereit, sein ewiges Heil zu spenden, aber seine Gerechtigkeit geht voraus.
„Treue sprosst aus der Erde hervor“ ist eine wunderbare poetische Formulierung, die verdeutlicht: Egal, wie sehr nun alles in Trümmern liegt und zerstört ist – Gott ist dennoch treu und hält fest an dem Bund, den er mit seiner Braut geschlossen hat. Die Treue sprosst aus der Erde hervor, denn die Wurzeln sind trotz der Verwüstung intakt geblieben. Auch wenn die Bäume abgehauen worden sind (was ein Gerichtsbild ist, das auch Johannes der Täufer aufgreifen wird), wächst aufgrund der gebliebenen Wurzel ein neuer Baum hervor. Auf die Lesung bezogen: Wenn auch jetzt die Midianiter kommen und Israel bedrohen, ist Gott doch mit ihnen und möchte ihnen nach wie vor Heil spenden. Seine Gerichtsvollstreckung geschieht im Grunde durch die Midianiter. Wenn das Abhauen des Baums nämlich als Gerichtsbild zu verstehen ist, kann man auch das Abhauen der Felder in diese Richtung begreifen.
„Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder“ ist wie bereits oben beschrieben keine bedrohliche Aussage, sondern ein tröstlicher Satz. Gott ist der Zustand auf Erden nicht egal. Er kümmert sich um seine Schöpfung und greift ein, wo Ungerechtigkeit herrscht. Er blickt vom Himmel herab, der sein „Wohnort“ ist, das heißt trotz seiner Existenz in der Ewigkeit sieht er alles, was im Diesseits geschieht. Das ist eine Aussage gegen deistische Konzepte.
Was von Gott kommt, ist immer gut. Auch das Gericht ist etwas Gutes, weil ohne es das umfassende Heil nicht kommen kann. Er gibt Gutes auch schon im Diesseits, indem er zum Beispiel für eine gute Ernte sorgt. Das ist Ausdruck seines Segens für die Menschen. Die Menschen müssen nur alles ausräumen, was seinem Segen im Weg steht, vor allem den Götzendienst.
„Gerechtigkeit geht vor ihm her und bahnt den Weg seiner Schritte.“ Wie mehrfach gesagt kann Gott erst unter den Menschen wohnen im Himmlischen Jerusalem, wenn seine Gerechtigkeit alles Böse vernichtet, die gefallene Schöpfung komplett auf Null gebracht und eine neue Schöpfung hervorgebracht hat. Weil Gott der Gute ist, kann nichts Böses in seiner Gegenwart bestehen.
Für uns bedeutet diese wiederholte Aussage ganz konkret: Der ganze Zustand in unserer Welt muss erst immer schlimmer werden, weil es wie die Geburtswehen ist, die dem Glück des geborenen Kindes vorausgehen. Diese werden auch immer stärker, bis das Kind endlich kommt. Es ist für uns in dieser Welt also sehr schmerzhaft und wird immer schlimmer, aber wir wissen, dass mit zunehmender Drastik das Kommen unseres Herrn immer näherrückt. Schon vor dem ultimativen Ende der Zeiten vollzieht Gott kleinere und größere Gerichtsakte, damit wir zur Besinnung kommen und umkehren. So ist es nun auch mit Israel, das im Hl. Land die bisherigen Warnungen Gottes in den Wind geschlagen hat und mit dem Götzendienst nicht aufhört.

Mt 19
23 Da sagte Jesus zu seinen Jüngern: Amen, ich sage euch: Ein Reicher wird schwer in das Himmelreich kommen.

24 Nochmals sage ich euch: Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.
25 Als die Jünger das hörten, gerieten sie ganz außer sich vor Schrecken und sagten: Wer kann dann noch gerettet werden?
26 Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: Für Menschen ist das unmöglich, für Gott aber ist alles möglich.
27 Da antwortete Petrus: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen?
28 Jesus erwiderte ihnen: Amen, ich sage euch: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet auch ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.
29 Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben erben.
30 Viele Erste werden Letzte sein und Letzte Erste.

Gestern hörten wir von der Begegnung zwischen Jesus und einem jungen Mann, dessen Jüngerschaft an seiner Anhänglichkeit an seinen großen Besitz scheiterte. Heute hören wir davon, wie Jesus seinen Jüngern aus diesem Anlass eindringlich erklärt, welch große Hürde der Reichtum ist.
Es ist für einen Reichen wirklich schwer, ins Himmelreich zu kommen. Jesus wiederholt diese Worte, weil sie so unglaublich wichtig sind. Unter Reichtum ist nicht einfach nur der Besitz an sich gemeint, wie ich gestern bereits erklärte, sondern die Anhänglichkeit daran. Man kann auch als armer Mensch mit ganz wenig Besitz reich im Geiste sein, das heißt an dem Wenigen sehr hängen. Wenn dieses Bisschen einem aber wichtiger als das Reich Gottes ist, dann ist man nicht arm, sondern reich im Geiste. Und umgekehrt kann ein Mensch, der viel besitzt, eine innere Freiheit und Unabhängigkeit von dem Besitz haben. Dann ist er trotz des großen Besitzes arm im Geiste. Das Problem ist aber: Wer viel besitzt, ist der Versuchung und Gefahr viel mehr ausgesetzt, eine Anhänglichkeit daran zu entwickeln. Wer nichts hat, läuft auch nicht Gefahr, daran zu hängen.
Jesus greift zu einem Bild, mit dem seine Jünger etwas anfangen können: „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ Das Bild an sich zeigt humorvoll, dass es unmöglich ist. Wer reich ist – v.a. im Geiste -, kann gar nicht durch die Tür des Himmels hindurch. Der Ballast irdischer Güter hält ihn zurück. Dieses Bild ist nicht zufällig gewählt. Seit dem 9. Jh. ist die Interpretation bezeugt, dass in Jerusalem eine enge Gasse mit entsprechendem Tor existierte, die im Volksmund „Nadelöhr“ genannt worden ist. Ein Kamel konnte nicht hindurchgehen, geschweige denn mit zusätzlichem Gepäck. Auch wenn diese These heutzutage oft angezweifelt wird, hat sie etwas für sich. Jesus spricht immer wieder von der Tür, durch die der Mensch hindurchgehen muss, um gerettet zu werden, auch dass diese Tür sehr schmal ist. Er sagt im Johannesevangelium auch, dass er selbst diese Tür ist.
Wenn wir also ins Himmelreich gelangen möchten, können wir nicht voller Geldkoffer, Schatztruhen und Kleiderschränken, Aktienpapieren und Bankkonten dorthin gelangen. Schon in unserem irdischen Leben kann Gott uns nur dann reichlich segnen und in unserem inneren Tempel Wohnung nehmen, wenn dieser nicht mit den irdischen Schätzen gefüllt ist. Unser Herz muss ihm ganz anhangen, damit wir seinen himmlischen Reichtum empfangen können. Es kann im Herzen nur ein Entweder-Oder geben. Wir können nicht zwei Herren dienen, Gott und dem Mammon.
Die Jünger erkennen die Drastik der Worte Jesu und fragen, wer dann noch gerettet werden kann. Doch Jesus tröstet sie: Für Gott ist nichts unmöglich. Wir müssen hier weiter ausformulieren: Er kann die Herzen der Menschen verwandeln und die Gefangenen in ihrem Reichtum befreien. Er kann eine innere Freiheit von Reichtum schenken, sodass der Mensch mithilfe seiner Gnade zum Armen im Geiste werden kann. Wie viele Heilige haben das in ihrem Leben erfahren! Ein besonders eindrückliches Beispiel stellt der Hl. Franziskus von Assisi dar.
Petrus sagt daraufhin, dass die Apostel alles verlassen haben, um Jesus nachzufolgen. Ihre Berufung besteht in der Armut und Entsagung. Auf die Frage hin, wie sie dafür belohnt werden, sagt Jesus, dass sie im Reich Gottes auf Thronen sitzen werden. Was Jesus hier also verdeutlicht, ist das Schriftwort: „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden und wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.“ Gott gibt jedem Menschen nach seinem Verhalten. Das ist der Maßstab des Gottesreiches. Die Zustände werden sich umkehren und alles wird von der Herzenshaltung abhängen.
Wer bereit ist, aus Liebe zu Gott alles aufzugeben, selbst die menschlichen Urbeziehungen zu Familienmitgliedern, wird hundertfach belohnt werden. Und wer wie Gott sein will, wird in die Tiefe hinabgestürzt. Der erste war der Satan. Das erste Menschenpaar ist an derselben Sache gescheitert. Es ist die Ursünde des Menschen – wie Gott sein zu wollen. Wenn wir das ewige Heil erlangen möchten, müssen wir Christus nachfolgen: Viele Menschen wollten wie Gott sein, aber Gott selbst war bereit, Mensch zu werden. Das Stichwort ist die Demut.

Ihre Magstrauss

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