Freitag der 20. Woche im Jahreskreis

Rut 1,1.3-6.14b-15.22; Ps 146,2 u. 5.6-7.8-9b.9c-10; Mt 22,34-40

Rut 1
1 Zu der Zeit, als die Richter regierten, kam eine Hungersnot über das Land. Da zog ein Mann mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen aus Betlehem in Juda fort, um sich als Fremder im Grünland Moabs niederzulassen.
3 Elimelech, der Mann Noomis, starb und sie blieb mit ihren beiden Söhnen zurück.
4 Diese nahmen sich moabitische Frauen, Orpa und Rut, und so wohnten sie dort etwa zehn Jahre lang.
5 Dann starben auch Machlon und Kiljon und Noomi blieb allein, ohne ihren Mann und ohne ihre beiden Söhne.
6 Da brach sie mit ihren Schwiegertöchtern auf, um aus dem Grünland Moabs heimzukehren; denn sie hatte dort gehört, der HERR habe sich seines Volkes angenommen und ihm Brot gegeben.
14 Doch dann gab Orpa ihrer Schwiegermutter den Abschiedskuss, während Rut nicht von ihr ließ.
15 Noomi sagte: Du siehst, deine Schwägerin kehrt heim zu ihrem Volk und zu ihrem Gott. Folge ihr doch!

16 Rut antwortete: Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren! Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.
22 So kehrte Noomi mit Rut, ihrer moabitischen Schwiegertochter, aus dem Grünland Moabs heim. Zu Beginn der Gerstenernte kamen sie in Betlehem an.

In der Lesung hören wir heute einen Ausschnitt aus dem Buch Rut, einer kurzen, aber berührenden Erzählung. Es spielt sich ab in der Richterzeit Israels. Eine Hungersnot bricht im ganzen Land aus, sodass ein Israelit mit seiner Familie nach Moab auswandert. Er kommt aus Betlehem, der späteren Davidsstadt. Man muss dies im Hinterkopf behalten, wenn man das Geschehen typologisch betrachten möchte.
Dieser Mann namens Elimelech stirbt irgendwann, sodass seine Frau und die beiden Söhne Machlon und Kiljon zurückbleiben. Diese nehmen sich moabitische Frauen und leben etwa zehn Jahre in Moab, bevor auch die beiden Söhne sterben. Das heißt, dass von der Familie Elimelechs nur noch seine Frau und seine Schwiegertöchter übrigbleiben. Man muss sich der Situation einmal richtig bewusst werden: Da ist eine Frau, die zuerst Witwe wird, was schon schlimm genug ist. Doch dann sterben auch noch ihre beiden Söhne, die sich um sie gekümmert hätten. Eine Frau kann im Alten Israel nicht für sich sorgen und muss deshalb einen männlichen Vormund haben, entweder den Mann oder den eigenen Vater. Sie steht also nun ganz alleine da und hat auch noch ihre beiden Schwiegertöchter, die ebenfalls Witwen geworden sind. Zu allem Überfluss muss Noomi in einem fremden Land zubringen fernab von ihrer Heimat. Es trifft sie also ziemlich hart.
Was sie in dieser Situation tun kann? Zunächst möchte sie zurück in ihre Heimat. Ihr ist zu Ohren gekommen, dass es in Israel wieder Brot gibt, ja, dass Gott seinem Volk das Brot gegeben hat. Sie würde es sich erbetteln, um sich irgendwie über Wasser zu halten. Doch auch wenn es Noomi nicht gut ergeht, möchte sie es ihren Schwiegertöchtern nicht noch schwerer machen. Sie bietet ihnen an, zu ihren Vätern zurückzukehren, auf dass dieser sich um sie kümmere. Sie sind aufgrund des Todes ihrer Männer nicht mehr an Noomi gebunden und ihr nichts mehr schuldig. Orpa gibt ihrer Mutter den Abschiedskuss, aber Rut besteht darauf, bei ihrer Schwiegermutter zu bleiben. Ihre Antwort ist sehr rührend. Sie entgegnet ihrer Schwiegermutter, dass wohin auch immer sie gehe, Rut sie begleite. So groß ist deren Loyalität! Diese junge Frau, die dem Volk Israel nicht angehört und somit den Glauben an den Gott Israels nicht besitzt, wird zum Glaubensvorbild für Israel. Sie wird in der Heilsgeschichte sogar noch sehr entscheidend werden durch ihre Heirat mit Boas. Sie ist die Urgroßmutter König Davids. Der Gott Israels wird ihr Gott. Sie nimmt den Glauben an.
Wir erfahren am Ende, dass Noomi und Rut zu Beginn der Gerstenernte nach Betlehem kommen. Das heißt, dass Gott es zeitlich so fügt, dass sie dort mit Getreide versorgt werden. Morgen hören wir die Fortsetzung der Erzählung. Gott sorgt wirklich für die Seinen und die Loyalität Ruts wird mit einem guten Ausgang des zuerst leidvollen Lebens belohnt. Als Nichtisraelitin ist sie bereit, nach Israel zu gehen und den Gott Israels anzunehmen. Dieser ist es, der sie auf diese Weise mit offenen Armen empfängt. Als Nichtisraelitin wird sie zu einer der wenigen weiblichen Heilsgestalten, die im Stammbaum Jesu genannt werden.

Ps 146
2 Ich will den HERRN loben in meinem Leben, meinem Gott singen und spielen, solange ich da bin.
5 Selig, wer den Gott Jakobs als Hilfe hat, wer seine Hoffnung auf den HERRN, seinen Gott, setzt.
6 Er ist es, der Himmel und Erde erschafft, das Meer und alles, was in ihm ist. Er hält die Treue auf ewig.
7 Recht schafft er den Unterdrückten, Brot gibt er den Hungernden, der HERR befreit die Gefangenen.
8 Der HERR öffnet die Augen der Blinden, der HERR richtet auf die Gebeugten, der HERR liebt die Gerechten.
9 Der HERR beschützt die Fremden, er hilft auf den Waisen und Witwen, doch den Weg der Frevler krümmt er.

10 Der HERR ist König auf ewig, dein Gott, Zion, durch alle Geschlechter. Halleluja!

Mit Psalm 146 beginnt im Psalter das kleine Hallel bzw. das Schluss-Hallel. Es handelt sich dabei um eine Gruppe von Psalmen, die einen lobpreisenden Abschluss des ganzen Buches darstellen. Sie sind durchzogen vom Hallelujaruf, was uns auch hier in Ps 146 auffällt. So beginnt der Psalm mit dem Preisausruf „Halleluja!“, den wir heute allerdings nicht beten, da der 1. Vers in der Leseordnung nicht vorgesehen ist. Daraufhin erfolgt in Vers 2 die Aufforderung der eigenen Seele zum Lobpreis Gottes ganz im Psalmenstil.
„Ich will den HERRN loben in meinem Leben“ ist gleichsam ein Gelübde und Versprechen, Gott das ganze Leben hindurch zu loben, ihm zu singen und zu spielen. Das ist ein Leben in eschatologischer Gesinnung, denn dieser stete Lobpreis ist ja, was der Mensch im Himmelreich ewig tun wird. Dies möchte der Psalmenbeter bereits in diesem irdischen Dasein tun.
Besser ist es, sein Vertrauen und seine Hoffnung nicht auf politische Figuren zu setzen, sondern auf „den Gott Jakobs“. Das tut sogar eine Nichtisraelitin wie Rut, weshalb sie ein Vorbild für die Israeliten ist. Ganz wie ihr Urenkel David vertraut sie auf die Vorsehung Gottes. Gott ist die Hilfe, weil er der Schöpfer des Himmels und der Erde ist, er hat alles gemacht und kennt seine Schöpfung bis in den letzten und hintersten Winkel. Er ist vor allem ewig und hält seine Versprechen. Gott ist treu und so wird man von ihm nicht enttäuscht. Er ist die wahre Zuflucht, denn er steht über politischen Verhältnissen, über den Menschen, über den Mächtigsten der Welt. Und er ist König, der wahre Herrscher. Seine Treue und Gerechtigkeit beweist er durch konkrete Taten. Er sättigt die Hungernden und sorgt für Gerechtigkeit bei denen, die durch das Raster des Gesetzes fallen und rechtlos sind. Das betrifft auch Noomi und Rut, denn im Alten Israel sind Witwen rechtlos. So sorgt Gott dafür, dass sie an einen gütigen Menschen kommen, der sie versorgt. Gott ist der wahre Befreier, nicht nur aus dem Sklavenhaus Ägyptens, sondern aus jeder Gefangenschaft. Was wir hier beten, ist nicht nur wörtlich, sondern auch im weiteren Sinne zu verstehen: Gott sättigt nicht nur die körperlich Hungrigen, sondern er nährt uns mit der himmlischen Speise, der Eucharistie! Sie ist unsere Wegzehrung unterwegs in die Ewigkeit. Gott befreit nicht nur aus der wörtlich zu verstehenden politischen Gefangenschaft, sondern auch aus der Sklaverei der Sünde. Gerade an Jesu Sündenvergebung und Exorzismen in den Evangelien erkennen wir Gottes Befreiungsschlag an den Menschen.
Und in den Evangelien wird auch wahr, was im nächsten Volk an konkreten Heilstaten Gottes aufgezählt wird: Er öffnet die Augen der Blinden, sogar der physisch Blinden! Doch er schenkt auch immer wieder Erkenntnis wo die Menschen auf innere Weise blind sind. Christus heilt auch die Gebeugten – es gibt sogar eine Episode, da heilt er eine Frau, die einen ganz verbogenen Rücken hat! Er heilt aber nicht nur die körperlich Gebeugten, sondern richtet jene auf, die unter ihrer Last zerbrechen. Er schenkt Erquickung, wie er es auch versprochen hat mit seinen Worten: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich werde euch erquicken!“ Gott ist ein barmherziger Gott, der jedes Unrecht sieht und reagiert. Er fängt jene auf, die am meisten vernachlässigt werden – die Fremden, Witwen und Waisen, ganz wie Noomi und Rut in der Lesung. In unserer heutigen Zeit sind es vielleicht andere bzw. noch weitere Personengruppen, doch Gottes offenes Herz für uns ist dasselbe wie damals.
Gott ist für alle Zeit der wahre König und unser Zion im vierfachen Sinne: Dort, wo Gottes Gegenwart ist, ist Zion: das Zion, auf dem die Stadt Jerusalem und der Tempel errichtet sind, das Zion jeder katholischen Kirche, in der seine eucharistische Gegenwart ist und die Messe gefeiert wird, das Zion unserer Herzen, wenn wir im Stand der Gnade sind, das Zion des Himmelreichs, zu dem wir alle unterwegs sind. Möge er das Sagen haben nicht nur im Tempel und im ganzen kultischen Bereich Israels. Möge er auch das Sagen haben in seiner eigenen Kirche und die Ehre und Aufmerksamkeit erlangen in jeder Hl. Messe. Möge er der Herr unseres Lebens sein und unser Verhalten bestimmen. Am Ende der Zeiten wird er König aller sein, denn es wird für alle offenbar werden. Der Psalm schließt mit dem signifikanten Hallelujaruf, der den gesamten Psalm umrahmt.

Mt 22
34 Als die Pharisäer hörten, dass Jesus die Sadduzäer zum Schweigen gebracht hatte, kamen sie am selben Ort zusammen.

35 Einer von ihnen, ein Gesetzeslehrer, wollte ihn versuchen und fragte ihn:
36 Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?
37 Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.
38 Das ist das wichtigste und erste Gebot.
39 Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
40 An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.

Heute hören wir im Evangelium von dem wichtigsten Gebot. Ein Schriftgelehrter geht mit dieser Frage zu Jesus und dieser antwortet wie jeder andere fromme Jude mit dem Gebot der Gottesliebe. Sie steht immer an erster Stelle. Sie ist deshalb der Kern der ersten drei Gebote des Dekalogs (der Zehn Gebote). Es ist der Kern dessen, was wir in Lesung und Psalm betrachtet haben. Gott verlangt unsere ganze Liebe, weil er uns zuerst geliebt hat. Unsere Antwort, nicht nur die der Juden damals, soll deshalb sein: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken.“ Wir haben viele Erfahrungen zwischenmenschlicher Art, die man mit dieser Gottesliebe vergleichen kann. Wenn wir verliebt sind, beherrscht diese Person unser ganzes Denken, wir investieren uns ganz in die Beziehung zu ihr, emotional, von unserer Kraft und Zeit. Wir lieben die Person mit unserem ganzen Sein. So sollen wir in erster Linie Gott lieben. Er soll an erster Stelle kommen. Und sodann sollen wir unseren Nächsten lieben, wie uns selbst. Jesus führt also zusätzlich zu Dtn 6,4 Lev 19,18 heran. Dadurch dass Jesus diese beiden Gebote zusammenführt, zeigt er ein tiefes Schriftverständnis und erklärt dadurch auch den Kern der Gebote 4-10 des Dekalogs als Nächstenliebe.
Jesus hat das Doppelgebot der Liebe ganz explizit als das wichtigste Gebot „im Gesetz“ genannt. Damit ist die Torah gemeint. Jesus sagt das deshalb mit aller Deutlichkeit, weil die Pharisäer und Schriftgelehrten vor lauter Erweiterungen und Einzelbestimmungen den Fokus verloren haben. Das Wichtigste ist ihnen abhanden gekommen und ihre verderbliche Absicht hier ist der beste Beweis: Sie verstehen die Liebe als den Kern nicht mehr. Stattdessen wollen sie die Torah instrumentalisieren, um Jesus auf die Probe zu stellen. Das ist eigentlich eine ganz schlimme Blasphemie aus jüdischer Sicht!
Jesus möchte die Menschen seiner Zeit wieder auf den Kern fokussieren, ohne die Torah aufzuheben. Deshalb antwortet er mit dem Doppelgebot der Liebe und schließt mit den Worten: „An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ Das Begriffspaar „Gesetz und Propheten“ ist die Zusammenfassung des Alten Testaments, das die jüdische Bibel darstellt. „Gesetz“ fasst die fünf Bücher Mose zusammen, während „Propheten“ die prophetischen Bücher meint.
Alles, was man in der jüdischen Bibel liest, hat mit Liebe zu tun. Was die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Sadduzäer, die religiöse Elite damit macht, hat nichts mehr mit Liebe zu tun. Und deshalb ist ihre Gerechtigkeit auch nicht vollkommen. Wenn die Juden die Gebote halten, sollen sie sie aus Liebe halten. Wenn wir die Zehn Gebote halten, sollen wir sie aus Liebe halten. Diese Absicht ist ausschlaggebend und das macht den christlichen Glauben auch so anspruchsvoll. Es geht nicht einfach darum, Pflichten zu erfüllen und ein entsprechendes Verhalten an den Tag zu legen. Es geht um Beziehung, an der man arbeiten soll. Wer jemanden liebt, wird alles tun, um ihn nicht zu verletzen. Das soll bei allem der Antrieb sein und darauf kam es Gott im Laufe der gesamten Heilsgeschichte an, bis heute und auch in Zukunft.

Aus Liebe und Treue bleibt auch Rut bei ihrer Schwiegermutter, obwohl sie gar nicht verpflichtet wäre, das zu tun. Bitten wir darum um Liebe auch in unseren Herzen, in unseren Familien, Städten, in der Kirche, zwischen den Nationen. Bemühen wir uns aufs Neue darum, das Wesentliche nicht aus dem Blick zu verlieren, nämlich die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Von dort aus werden wir alles Andere richtig begreifen und angehen.

Ihre Magstrauss

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