Dtn 4,1-2.6-8; Ps 15,2-3.4.5; Jak 1,17-18.21b-22.27; Mk 7,1-8.14-15.21-23
Dtn 4
1 Und nun, Israel, hör auf die Gesetze und Rechtsentscheide, die ich euch zu halten lehre! Hört und ihr werdet leben, ihr werdet in das Land, das der HERR, der Gott eurer Väter, euch gibt, hineinziehen und es in Besitz nehmen.
2 Ihr sollt dem Wortlaut dessen, worauf ich euch verpflichte, nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen; ihr sollt die Gebote des HERRN, eures Gottes, bewahren, auf die ich euch verpflichte.
6 Ihr sollt sie bewahren und sollt sie halten. Denn darin besteht eure Weisheit und eure Bildung in den Augen der Völker. Wenn sie dieses Gesetzeswerk kennenlernen, müssen sie sagen: In der Tat, diese große Nation ist ein weises und gebildetes Volk.
7 Denn welche große Nation hätte Götter, die ihr so nah sind, wie der HERR, unser Gott, uns nah ist, wo immer wir ihn anrufen?
8 Oder welche große Nation besäße Gesetze und Rechtsentscheide, die so gerecht sind wie alles in dieser Weisung, die ich euch heute vorlege?
In der ersten Lesung hören wir heute den Anfang der Abschlussrede des Mose, bevor das Volk Israel ins Verheißene Land einzieht. Er selbst darf ja nicht mit einziehen. Was Mose mit seiner Rede bzw. Predigt erzielen möchte, ist eine Wiederholung aller „Gesetze und Rechtsentscheide“, eine gewisse Zusammenfassung und Einschärfung, bevor das Volk Israel sich im Gebotenen Land niederlässt. Es soll keinesfalls den Bund vom Sinai brechen und Gott untreu werden.
Mose möchte nicht drohen, sondern sicherstellen, dass die Israeliten im Verheißenen Land wirklich ein Leben in Fülle haben werden. Dies ist aber nur möglich, wenn sie die Gebote Gottes halten. Das ist so entscheidend, dass sie „nichts hinzufügen und nichts davon wegnehmen“ sollen. Sie sollen es genau nehmen, nicht aufgrund von Buchstabentreue, wie wir später dann von Jesus erklärt bekommen, sondern aus Liebe zu Gott. Dieser ist schließlich Bündnispartner und von der innigen Gottesbeziehung her soll man die Gebote halten.
Die Israeliten sollen sie bewahren und halten, sie also immer in Erinnerung behalten und einander weitergeben. Zugleich sollen sie sie umsetzen und auch darin den anderen Menschen ein Vorbild sein. Das wird die größte missionarische Kraft sein, auch wenn das nicht als eigentliche Berufung der Israeliten ausgesprochen wird. Die umliegenden Völker sollen an den Israeliten sehen, dass sie anders sind. So werden sie dem einen wahren Gott die Ehre geben. Sie werden dies vor allem an der Weisheit und Bildung der Israeliten erkennen.
Vers 7 ist so tiefgründig, dass wir an dieser Stelle ein wenig länger verharren sollten: Israel ist zu seiner Zeit einzigartig. Nirgendwo herrscht zwischen einem Gott und einem Volk eine Bundesbeziehung wie bei Israel und Gott. Einen Bund einzugehen bedeutet ja eine gegenseitige Selbstübereignung der Bündnispartner. Gott ist Israels Gott und Israel ist Gottes Volk. Sie sind einander ganz Eigentum geworden im Sinne einer innigen Liebesbeziehung. Zwischen ihnen ist eine familiäre Bindung entstanden. So etwas gibt es in keiner anderen Religion ihrer Zeit. Nirgendwo steht Gott dem Volk so nahe wie in Israel. Das soll also aufleuchten wie ein Licht in der Dunkelheit, ganz wie Jesaja es im Kontext messianischer Verheißungen sagen wird. Das ist das Stichwort für die geistliche Betrachtung: Denn wir sind als Volk Gottes im Neuen Bund ebenfalls in einer solchen innigen Beziehung zu Gott. Es ist sogar noch inniger: Gott ist uns so nahegekommen wie nie zuvor! Er ist Mensch geworden, um ganz unter den Menschen zu wohnen. Er hat sein Heilswerk vollbracht, alle Menschen an sich zu ziehen und zu seiner Familie zu machen, nicht mehr nur die Juden! Seine Nähe zu uns ist nach seiner Himmelfahrt und der Geistsendung sogar noch intensiver geworden: In der Eucharistie kommt er uns so nahe wie noch nie. Wir empfangen ihn physisch, werden eins mit ihm. Er wird ein Teil von uns und wir werden ihm immer mehr gleichgestaltet. In der eucharistischen Vereinigung wird der Gedanke des Bundes so intensiv wie nie zuvor. Wir müssen erst recht sagen: So etwas wie bei uns gibt es in keiner Religion! Viele Menschen wollten wie Gott sein, aber nur ein Gott war bereit, Mensch zu werden, um uns zu Menschen zu machen, wie Gott sie gedacht hat. Und wo immer wir ihn anrufen, ist er ganz da. Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da ist er mitten unter ihnen. In jeder Katholischen Kirche ist der Herr physisch anwesend in der Eucharistie. Das ist das Maximum an Nähe, die Gott uns zuliebe einnimmt!
Gott ist die Gerechtigkeit schlechthin. Was er an Geboten von uns und zuvor schon von den Israeliten verlangt, ist nicht nur machbar, es ist auch der Garant für ein glückliches und erfülltes Leben. Gott ist ein Gott des Lebens und er möchte, dass wir ein Leben in Fülle haben. Seine Gebote sind gerecht und wahr. Wir müssen keine Zweifel darüber haben, warum Gott dies und das von uns verlangt. Alles ist absolut logisch und nachvollziehbar, wenn wir es genau betrachten. Wir müssen verstehen, dass wenn es um Beziehung zu Gott geht, auch in dieser Beziehung eine Vertrauensbasis vorliegen muss. Wenn wir ihm misstrauen, ist das ein Beziehungs- und ein Liebeskiller wie auch in zwischenmenschlichen Beziehungen.
Ps 15
2 Der makellos lebt und das Rechte tut, der von Herzen die Wahrheit sagt,
3 der mit seiner Zunge nicht verleumdet hat,/ der seinem Nächsten nichts Böses tat und keine Schmach auf seinen Nachbarn gehäuft hat.
4 Der Verworfene ist in seinen Augen verachtet, aber die den HERRN fürchten, hält er in Ehren. Er wird nicht ändern, was er zum eigenen Schaden geschworen hat.
5 Sein Geld hat er nicht auf Wucher verliehen und gegen den Schuldlosen nahm er keine Bestechung an. Wer das tut, der wird niemals wanken.
Im Psalm geht es mit den obigen Gedanken weiter. Die Paränetik, das Aufzeigen richtiger Verhaltensweisen, die man übernehmen soll, ist auch im Psalm dominierend: Es geht um die makellose Lebensführung. Damit ist die Haltung der Gebote gemeint, frei von den Sünden der Welt und damit die Erhaltung der Taufgnade für jene, die mit Gott im Neuen Bund verbunden sind. Das Rechte zu tun, heißt für die Juden zunächst, die Torah zu halten, die Gebote und Rechtsentscheide, von denen auch in Dtn die Rede ist. Die Wahrheit zu sagen, ist ein Kern der Gebote Gottes, denn es heißt im Dekalog „du sollst nicht lügen“. Der Zusatz „von Herzen“ heißt wörtlich eigentlich „in seinem Herzen“ und bezieht sich darauf, dass das Gesagte, mit dem Herzen übereinstimmt. Es geht um die Deckungsgleichheit von dem, was im Inneren ist und was man ausspricht.
Hier im Psalm wird herausgestellt, dass mit Worten viel angerichtet werden kann. Es wird ausgesagt, dass man mit der Zunge sündigen kann (Vers 3), nämlich verleumden, den Nächsten in Verruf bringen kann.
Vers 4 ist etwas schwierig zu verstehen und muss genau gelesen werden: „Der Verworfene“ bezieht sich auf jene Menschen, die Gott ablehnen. Gut ist, wer solche Menschen meidet, was mit „ist in seinen Augen verachtet“ ausgesagt wird. Er hält stattdessen die Gottesfürchtigen in Ehren.
Vorbildlich ist, wer sein Versprechen hält („was er …. geschworen hat“). Es bezieht sich vor allem auf den Bund mit Gott, auf das Gelübde, das er vor Gott abgelegt hat. Das gilt auch für die getauften Christen im Neuen Bund.
So ein Mensch ist nicht skrupellos und habgierig („nicht auf Wucher verliehen“) und auch nicht korrupt („nahm er keine Bestechung an“).
Die Aufzählung vieler guter Verhaltensweisen soll dem Beter vor Augen führen, wie man festen Schrittes den Weg Gottes geht. Denn „wer das tut, der wird niemals wanken“. Dieses Verhalten selbst ist bereits eine Kampfansage gegen den Teufel.
Jak 1
17 Jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben herab, vom Vater der Gestirne, bei dem es keine Veränderung oder Verfinsterung gibt.
18 Aus freiem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren, damit wir eine Erstlingsfrucht seiner Schöpfung seien.
21 Darum legt alles Schmutzige und die viele Bosheit ab und nehmt in Sanftmut das Wort an, das in euch eingepflanzt worden ist und die Macht hat, euch zu retten!
22 Werdet aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer, sonst betrügt ihr euch selbst!
27 Ein reiner und makelloser Gottesdienst ist es vor Gott, dem Vater: für Waisen und Witwen in ihrer Not zu sorgen und sich unbefleckt von der Welt zu bewahren.
Als zweite Lesung hören wir einen Abschnitt aus dem Jakobusbrief, der ebenfalls das heutige Thema stark betont: das richtige Verhalten.
Jakobus betont, dass alles Gute von Gott kommt, was mit „von oben herab, vom Vater der Gestirne“ umschrieben wird. Gott ist immer derselbe, deshalb gelten auch seine Gebote zu allen Zeiten. Deshalb können wir die Zehn Gebote nicht herunterspielen und sagen: Ach, das waren Gebote für die Israeliten, die nur für ihre Zeit gelten und heute nicht mehr. Es geht um göttliche Gebote und diese verlieren niemals an Relevanz.
Wir sollen unsere Berufung leben, denn Gott hat uns ja „aus freiem Willen“ geschaffen. Der Sinn unserer Existenz ist, die Erstlingsfrucht seiner Schöpfung zu sein. Es geht um die geistige Schöpfung, der wir durch die Taufe angehören. Wenn Jakobus die Getauften aber als Erstlingsfrucht bezeichnet, betont er, dass wir Gott gehören wie die Erstgeborenen, die im Tempel dargestellt worden sind. Wir gehören Gott und von dort aus sollen wir unsere Berufung leben. Das ist, was Mose den Israeliten ebenfalls zu erklären versucht. Es geht um die Bundesbeziehung mit Gott.
Da können wir nicht voller Begierde sein, die das Gegenteil der Gnade Gottes ist. Was ist schließlich mit „Wort der Wahrheit“ gemeint, durch die Gott uns geschaffen hat? Es ist ein und derselbe bei der ersten Schöpfung wie auch bei der zweiten – Jesus Christus. Er ist das Wort und er ist die Wahrheit. Durch ihn hat der Vater alles hervorgebracht, durch ihn hat er auch den Neuen Bund mit den Menschen geschlossen, durch den Gott seine neue Schöpfung jetzt schon begründet. Durch Christus hat der Vater uns freiwillig erlöst und so zu einer neuen Schöpfung wiedergeboren in der Taufe, damit wir ihm gehören als seine geliebten Kinder und Erben in seinem Reich.
Wenn Jakobus die Adressaten auffordert: „Legt alles Schmutzige und die viele Bosheit ab und nehmt in Sanftmut das Wort an, das in euch gepflanzt worden ist“, dann ruft er zur Umkehr auf. Die Angesprochenen sind ja Gemeindemitglieder der Diaspora, also schon getaufte Christen. Womöglich hat er von Wutausbrüchen und Streits gehört, weshalb er hier so großen Wert auf Sanftmut legt. Jedenfalls möchte er, dass die Getauften sich auf ihre Berufung zurückbesinnen, die mit der Taufe entstanden ist – die Berufung zur Heiligkeit. Diese verträgt sich nicht mit dem Schmutzigen und der vielen Bosheit, von der er hier spricht. Das Wort, das in die Menschen gepflanzt ist „und die Macht hat, [sie] zu retten“, ist Jesus Christus, der Logos. Er hat nicht nur die Macht, die Menschen zu retten, er hat sie schon erlöst. An den Menschen liegt es nun, die Erlösung anzunehmen und ein entsprechendes Leben zu führen.
Und dieses entsprechende Leben kann nicht nur von passivem Hören geprägt sein, sondern muss auch Tätigkeit aufweisen: „Werdet aber Täter des Wortes und nicht nur Hörer“. Dies stellt sonst einen Selbstbetrug dar, denn man ist durch die Taufe vom Wesen her so geschaffen, dass man das eingepflanzte Wort Gottes auch tut.
Im Jakobusbrief wird eine Haltung beschrieben, die auch schon in der prophetischen Literatur des AT thematisiert wird: Man kann Gott nicht dienen, z.B. im Gottesdienst, wenn man zugleich Böses tut, spricht oder denkt. Jesus hat gesagt, dass wenn wir noch eine ausstehende Versöhnung haben, sollen wir diese erst einmal durchführen, bevor wir ein Opfer darbringen können. Und hier heißt es nun im letzten Vers, dass Gott ein Opfer gefällt, bei dem man sich um die Randständigen und Hilflosen der Gesellschaft kümmert (Witwen und Waisen) und heilig lebt („sich unbefleckt von der Welt zu bewahren“). Mit „Welt“ ist die gefallene Schöpfung gemeint, nicht die Welt, wie sie Gott geschaffen hat. Heilig sein heißt, nicht jeden Dreck mitmachen, selbst wenn die Sünde auch in Mode ist und jeder sie tut. Wir sind aber zur Heiligkeit berufen und das heißt, dass wir unbefleckt sein sollen, frei von diesen Sünden. Gott schaut bei unserem Gottesdienst darauf, wie wir leben. Das gilt auch für uns heute: Wir können nicht in der Kirche ganz fromm dastehen, sodass uns die Menschen bewundern, und dann nach Hause kommen und weltlich leben. Wir können Jesus nicht in der Kirche zurücklassen und den Rest der Zeit so tun, als ob es ihn nicht gebe. Er möchte uns ganz und wenn wir es ernst meinen, sind wir in der Liturgie und im alltäglichen Leben gleich. Dann ist unser Innenleben so wie unser äußeres Erscheinungsbild, dann bestimmt Gott unser ganzes Leben, auch wo uns keiner mehr sieht und bewundert. Wir können uns selbst etwas vormachen, aber nicht Gott. Er sieht alles und er möchte, dass unser ganzes Leben ein Gottesdienst ist. Schließlich sind wir durch den Neuen Bund ganz sein Eigentum geworden.
Mk 7
1 Die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, versammelten sich bei Jesus.
2 Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen.
3 Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben; so halten sie an der Überlieferung der Alten fest.
4 Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln.
5 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen?
6 Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesaja hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte, wie geschrieben steht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir.
7 Vergeblich verehren sie mich; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen.
8 Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen.
14 Dann rief er die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage!
15 Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.
21 Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord,
22 Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft.
23 All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.
Im Evangelium geht es nun um eine Konfliktsituation zwischen Jesus/seinen Jüngern und den Pharisäern und Schriftgelehrten. Jesus und seine Jünger halten sich nicht an die Reinheitsgebote und andere Überlieferungen der Alten. Das stört die Pharisäer, die sehr viel Wert auf die Einhaltung der jüdischen Gebote legen. An sich ist dies nicht verwerflich, denn dafür hat Gott den Menschen diese Gebote zur gegebenen Zeit auch gegeben. Wir haben in Dtn ja davon gehört, dass alles eingehalten werden soll. Aber bei Jesus geht es um etwas ganz Anderes: Das Problem ist nicht, dass die Pharisäer sich vor dem Essen die Hände waschen und das auch von anderen erwarten. Das Problem ist, dass sie ihre Hände waschen, aber nicht ihr Herz. Sie sind Heuchler, weil sie sich um äußere Dinge kümmern, aber das Entscheidende nicht tun. Jesus vergleicht sie mit dem, was Jesaja schon beklagt hat: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir.“ Was bringen die noch so perfekt eingehaltenen äußeren Handlungen ohne entsprechende innere Haltung? Ganz wichtig: Jesus will nicht irgendwelche Gebote entkräften, zumindest nicht die göttlichen! Er kritisiert zurecht das von den Pharisäern errichtete menschliche Konstrukt um die göttlichen Gebote herum. Diese haben nichts mehr mit dem zu tun, worauf Mose das Volk Israel verpflichtet hat. Diese menschlich herbeigeführte Verkomplizierung führt vom wesentlichen Kern und von der ursprünglichen Absicht der Gebote Gottes weg.
Was wir in den Lesungen und im Psalm bedacht haben, verdichtet sich nun im Evangelium. Jesus ist es sehr wichtig, seine folgenden Worte den Menschen einzuprägen. Deshalb sagt er mit Nachdruck: „Hört mir alle zu und begreift, was ich sage“. Er möchte, dass die herbeigerufenen Menschen das nun Gesagte wirklich beherzigen, nicht einfach überhören.
Und dann kehrt er die Reihenfolge der pharisäischen Denkweise um: Nicht was von außen in den Menschen kommt, macht ihn unrein, sondern was von innen nach außen kommt. Nicht das von außen durch das Verdauungssystem in den Menschen kommende Essen z.B. macht den Menschen unrein – gemeint ist immer die kultische Reinheit oder Unreinheit! Jesus meint auch nicht, dass das von innen nach außen kommende Physische wie Exkremente, Ausfluss oder sonstiges, was im Buch Levitikus so detailliert beschrieben wird, unrein macht. Es geht nicht um den Verdauungsweg, sondern den Weg vom Herzen bis hin zum äußerlich erkennbaren Verhalten. Er entkräftet die Speisegebote der Juden, denn es ist die Zeit gekommen, dass die Menschheit dies begreifen kann. Nicht auf der Ebene des Verdauungstraktes wird entschieden, ob ein Mensch für den Gottesdienst rein ist oder wie wir sagen würden „im Stand der Gnade“ ist, sondern auf der Ebene des Herzens bzw. der moralischen Ebene. Ein elementarer Bestandteil des jüdischen Glaubens besteht im Bereich der Ritualgebote. Jesus steht als Gott über der geschriebenen Torah, weil er nun ihre Erfüllung und Personifizierung ist. Er kann die Gebote neu auslegen mit der allerhöchsten Autorität. Es heißt also nicht, dass plötzlich irgendwelche göttlichen Gebote geändert werden, sondern dass Gott zu jeder Zeit ein wenig mehr die Menschen heranführt und sich offenbart. Und wenn wir genau hinschauen, wird uns klar, dass der Kern der Aussagen der Torah auch weiterhin nicht angetastet werden.
Jesus führt weiter aus, was er mit der moralischen Ebene meint: Aus dem Inneren, aus der Seele, was biblisch oft mit „Herz“ umschrieben wird, kommen die bösen Gedanken, die einen zur Sünde verleiten wollen. Er zählt einen Sündenkatalog auf, um anhand der Beispiele den Jüngern zu verdeutlichen, was er meint. Und diese Gedanken sind es, die den Menschen unrein machen.
Wir müssen das richtig verstehen. Der Böse versucht uns dadurch, dass er uns solche Gedanken eingibt. Aber die Gedanken an sich sind noch nicht das Verwerfliche. Selbst Jesus ist ständig versucht worden. Das Entscheidende ist, was wir mit diesen Gedanken machen. Wenn wir sie zulassen und sie weiterdenken, sodass sie sich in unserer Seele breit machen können, dann wird unser Herz immer voller davon. Schließlich werden wir das zur Sprache bringen, es wird unsere Worte erfüllen, denn wie gesagt: Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund. Und was wir erst einmal laut ausgesprochen haben, werden wir auch eines Tages umsetzen. Das ist der Weg der Sünde. Und diese schneidet uns von Gott ab. Sie ist es, durch die wir uns aus dem Stand der Gnade hinausbewegen. Wenn wir den aufkommenden Gedanken aber einen Riegel vorschieben, wenn wir sie ablegen und als Versuchung entlarven, wo wir gerade in Zeiten der Versuchung beten, da haben wir eben nicht gesündigt. Wir tun es dann Jesus gleich, der in der Wüste vom Satan versucht worden ist.
All das erklärt Jesus in dem Kontext der Begegnung mit den Pharisäern am Tisch. Was bringt es ihnen, dass sie äußerlich ein Verhalten vorspielen, das nicht aus dem Inneren, aus ihrem Herzen entspringt? Wenn sie rein sein wollen, müssen sie nicht die Hände waschen, sondern ihre Herzen. Wenn sie würdig vor Gott im Kult hinzutreten wollen, müssen sie reinen Herzens sein, frei von bösen Absichten, von sündhaften Gedanken, unabhängig davon, ob sie diese auch umgesetzt haben oder nicht. Mit Groll und Rachegedanken im Herzen sind sie kultisch nicht rein, auch wenn sie ihre Hände gewaschen haben. Wenn sie verbittert gegen jemanden sind und doch alle kultischen Handlungen korrekt ausführen, ist es kein Opfer, das dem Herrn gefällt.
Das ist auch in unserer Liturgie der Fall. Zuerst sollen wir uns mit Gott und unserem Nächsten versöhnen (Beichte) und können erst dann die Kommunion empfangen. Und auch die liturgischen Handlungen zeigen es uns auf: Am Anfang der Messe bitten wir Gott um Verzeihung und bekennen unsere Sündhaftigkeit. Wir geben uns direkt vor dem Kommunionempfang den Friedensgruß, auch wenn diese Geste nicht in erster Linie eine Versöhnung zwischen den Menschen darstellen soll (es geht eher darum, den österlichen Frieden Christi weiterzugeben. Deshalb soll man ja auch nicht quer durch die Kirche laufen und jedem die Hand geben, sondern nur dem Nebenmann). Und der Priester wäscht während der Gabenbereitung seine Hände – nicht zur Reinigung, sondern als äußeres Zeichen des inneren Kerns: Er betet nämlich dabei die Worte des Psalms 51 „Herr, wasch ab meine Schuld, von meinen Sünden mach mich rein“. Er bittet Gott als Vorsteher der Messe um Vergebung, damit sein Opfer, das er dann in Leib und Blut Christi wandelt (nicht er, sondern Christus durch ihn!), ein reines Opfer sei. So söhnt er sich mit Gott aus, bevor er die Gaben opfert. Er wäscht die Hände ja direkt vor dem Beginn des Hochgebets.
Und wenn wir unser ganzes Leben so damit verbracht haben, diesen versöhnten Zustand beizubehalten, wird uns Gott als reine Opfergabe annehmen, wenn wir nach dem Tod vor ihm stehen. Dann wird er uns einen Platz zuweisen in seinem Reich.
Ihre Magstrauss