1 Thess 5,1-6.9-11; Ps 27,1.4.13-14; Lk 4,31-37
1 Thess 5
1 Über Zeiten und Stunden, Brüder und Schwestern, brauche ich euch nicht zu schreiben.
2 Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht.
3 Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau und es gibt kein Entrinnen.
4 Ihr aber, Brüder und Schwestern, lebt nicht im Finstern, sodass euch der Tag nicht wie ein Dieb überraschen kann.
5 Ihr alle seid Söhne des Lichts und Söhne des Tages. Wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis.
6 Darum wollen wir nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein.
9 Denn Gott hat uns nicht für das Gericht seines Zorns bestimmt, sondern dafür, dass wir durch Jesus Christus, unseren Herrn, die Rettung erlangen.
10 Er ist für uns gestorben, damit wir vereint mit ihm leben, ob wir nun wachen oder schlafen.
11 Darum tröstet einander und einer baue den andern auf, wie ihr es schon tut!
In der heutigen Lesung geht es um die gebotene Wachsamkeit angesichts des baldigen Kommens Christi. Die Thessalonicher leben in einer Naherwartung, weshalb sie sich auch angesichts der schon verstorbenen Christen gefragt haben, wie es mit ihnen bei der Wiederkunft Christi ausgehen wird. Diese Themen sind für sie sehr wichtig, deshalb spricht Paulus auch heute vom Gericht Gottes und der Wachsamkeit der Christen bis dahin.
Er sagt, dass er den Adressaten keine Zeitangaben machen braucht. Das heißt nicht, dass es überflüssig ist, weil sie es bereits wissen. Es heißt, dass weder er noch irgendein anderes Geschöpf weiß, wann das Ende der Welt ist. Deshalb sollen sie alle ja wachsam sein. Es könnte ja jeden Moment eintreffen. Er beschreibt das plötzliche Hereinbrechen Gottes in die Weltgeschichte wie den Einbruch eines Diebes in der Nacht.
Während sich die Menschen in Sicherheit wiegen, kommt der Dieb und sie sind ihm wehrlos ausgeliefert. Das Bildfeld des Hauses und Diebes ist sehr verbreitet für das Ende der Welt und auch Jesus selbst greift es in den apokalyptischen Reden auf. Auch das zweite Bild ist verbreitet und Paulus benutzt es in den verschiedenen Briefen: das der gebärenden Frau. So wie die Wehen plötzlich einsetzen und sie ihnen einfach ausgeliefert ist, so sind die Wehen des Weltendes. Sonst ist das Bild bei Paulus ein wenig anders gelagert, nämlich so, dass die Wehen die bereits angebrochene Endzeit umschreiben, sodass erst der eigentliche Geburtsmoment das Ende der Zeiten darstellt.
Beide Bilder sind Anlass dafür, auf die unbedingt notwendige Wachsamkeit zu sprechen zu kommen. Weil die Thessalonicher nicht im Finstern leben, also Wissende sind aufgrund der Offenbarung Gottes, zugleich Hoffende und Österliche sind durch die Taufgnade und Erlösung Jesu Christi, weil sie in der anhaltenden Gnade leben dürfen, sind sie anders. Sie wiegen sich nicht in blinder Sicherheit und lassen ihr Leben schleifen, sondern sie leben so, dass der Menschensohn jederzeit kommen kann. Das geschieht durch ein Leben nach den Geboten Gottes.
Wer getauft ist, ist Sohn (und Tochter) des Lichts sowie des Tages. Christus ist ihre Sonne der Gerechtigkeit, und der ewige Tag durch den Sonnenaufgang des Auferstandenen. Die Sonne geht nie mehr unter bei jenen, die schon zur neuen Schöpfung gehören.
Das hat die Konsequenz, dass die Thessalonicher nicht schlafen sollen wie die anderen, also jene, die noch zur alten Schöpfung gehören, die keine Perspektive und Hoffnung haben, sondern wachsam und nüchtern sein. Die Nüchternheit hat damit zu tun, dass wenn man berauscht ist, das Bedürfnis hat, den Rausch auszuschlafen. Das geht aber nicht angesichts des Diebes, der in dieser Zeit kommen könnte.
Paulus denkt natürlich nicht, dass Christus ein Dieb ist. Wenn er kommt, möchte er den Menschen nichts Böses, aber es ist eine absolut ernste Sache. Es geht um alles, um das ewige Leben. Wer dann nicht im Stand der Gnade ist, obwohl er so viele Chancen von Gott bekommen hat, muss dann die endgültige Konsequenz tragen. Deshalb betont Paulus so eindringlich die Wachsamkeit der Christen. Aber wenn Christus dann kommt und alles ist gut, dann wird das ein absoluter Grund zur Freude sein!
Gott möchte uns nicht eins auswischen, sondern er hat uns alle zu einem ewigen Leben in seinem Angesicht bestimmt. Paulus ist also ein Werkzeug Gottes, uns zur Wachsamkeit aufzurufen, damit wir das ewige Heil erlangen können. Wir sind erlöst durch Jesus Christus. Er hat uns dieses ewige Leben ermöglicht. Unsere Aufgabe ist, dieses Geschenk nicht auf den Müll zu werfen.
Schon jetzt in diesem Leben dürfen wir in der innigen Gemeinschaft mit Gott leben, weil er für uns gestorben ist. Wir leben vereint mit ihm in jeder Lebenslage. Das Weltende soll uns also nicht Angst einjagen, sondern uns aufbauen, ja trösten in den schwierigen Zeiten unserer Weltgeschichte. So wie die Thessalonicher einander aufbauen sollen mit der Erkenntnis, dass sie als Erlöste jetzt schon jubeln können, so sollen auch wir einander aufbauen mit der Aussage, die Jesus auch im Lukasevangelium spricht: Richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe!
Ps 27
1 Von David. Der HERR ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist die Zuflucht meines Lebens: Vor wem sollte mir bangen?
4 Eines habe ich vom HERRN erfragt, dieses erbitte ich: im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel.
13 Ich aber bin gewiss, zu schauen die Güte des HERRN im Land der Lebenden.
14 Hoffe auf den HERRN, sei stark und fest sei dein Herz! Und hoffe auf den HERRN!
Wir beten heute einen ganz bekannten Psalm, der das Vertrauensverhältnis Davids zu Gott offenbart. Es gibt hier messianische Hinweise bzw. erkennen wir Christus im Psalm: Der HERR, Jahwe, ist mein Heil. Das hebräische Wort weist denselben Stamm auf wie der Name Jesu. Das ist kein Zufall. Der Psalm ist ganz und gar von Vertrauen geprägt („vor wem sollte mir bangen“, „Zuflucht“, „Hoffe auf den HERRN“). Es ist eben jenes unerschütterliche Vertrauen, das auch Paulus den Thessalonichern ans Herz legt. Denn Christus hat sie ja erlöst, damit sie mit ihm in Ewigkeit zusammenleben können, mit ihm, der versprochen hat: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
Zugleich wird die Sehnsucht nach dem ewigen Leben deutlich: „im Haus des HERRN zu wohnen alle Tage meines Lebens“; die Freundlichkeit des HERRN zu schauen“. Das entspricht unseren anagogischen Gedanken zum Beispiel bei den vielen Jesajatexten, in denen das Leben bei Gott im Himmelreich die ultimative Befreiung vom drückenden Joch ist. Es ist auch auf die Apostel zu beziehen, die mit einer brennenden Sehnsucht nach der Wiederkunft Christi leben und in einer absoluten Naherwartung leben. Gericht und Weltende sind keine bedrohlichen Dinge!
Im Psalm wird die Lichtmetapher verarbeitet, die im Johannesevangelium dann sehr wichtig wird. Hier wird auch der Übergang von der Dunkelheit ins Licht thematisiert, denn er beinhaltet die Einladung zur Hoffnung auf den HERRN. Diese Auslegung vom Licht Gottes sehen wir auch in der Lesung. Sie steht hinter der Einstellung des Paulus, der in der Dunkelheit der Endzeit umhergeht, aber aus dem Inneren so viel Licht ausstrahlt, dass es um ihn herum ganz hell wird. Er möchte ja, dass auch die Thessalonicher so sind. Jesus ist die Hoffnung der Menschen. Er schenkt dem Menschen eine Perspektive, einen Sinn im Leben, eine Berufung – nämlich die Berufung zur Heiligkeit. Und diesen Sinn möchten Paulus auch weitergeben, indem er alle Menschen zu Jesu Jüngern machen will.
„Das Land der Lebenden“ ist durch und durch ein Zeugnis für die Auferstehungshoffnung von Christen. Dies zeigt, dass David mal wieder geisterfüllt diesen Psalm formuliert. Wie kann ein israelitischer König 1000 Jahre vor Christi Geburt so etwas Österliches sonst sagen? Lob sei Gott, dass er schon damals diesen König mit seinen wunderbaren Verheißungen erfüllt hat! Das Land der Lebenden ist das Himmelreich. Wir werden leben, auch wenn wir sterben. Das wird Jesus immer wieder erklären. Denn Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten.
Lk 4
31 Jesus ging hinab nach Kafarnaum, einer Stadt in Galiläa, und lehrte die Menschen am Sabbat.
32 Sie waren außer sich vor Staunen über seine Lehre, denn er redete mit Vollmacht.
33 In der Synagoge war ein Mensch, der von einem Dämon, einem unreinen Geist, besessen war. Der schrie mit lauter Stimme:
34 He, du, was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!
35 Da drohte ihm Jesus: Schweig und verlass ihn! Der Dämon warf den Mann in ihre Mitte und verließ ihn, ohne ihm zu schaden.
36 Da waren alle erschrocken und einer fragte den andern: Was ist das für ein Wort? Mit Vollmacht und Kraft befiehlt er den unreinen Geistern und sie fliehen.
37 Und sein Ruf verbreitete sich in der ganzen Gegend.
Im heutigen Evangelium hören wir, dass Jesus gleichzeitig verkündet und das Verkündete umsetzt. Wir lernen zudem nun die Vollmacht kennen, die er seinen Aposteln dann übertragen hat.
Er kommt nach Kafarnaum, in die Heimat des Petrus, und geht wie jeder fromme Jude am Sabbat in die Synagoge, wo er lehrt. Er lehrt aber nicht wie ein gewöhnlicher Rabbi, sondern „wie einer, der Vollmacht hat“. Das Wort ἐξουσία exusia für Vollmacht ist schon im Alten Testament ein Begriff. In Dan 7,14 wird er bereits für den Menschensohn gebraucht (dasselbe Wort in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments), der vom „Hochbetagten“, den Daniel hier sieht, die Vollmacht übertragen bekommt. Auch im Buch Jesus Sirach wird derselbe Begriff schon gewählt, um die Vollmacht ganz auf Gott selbst zurückzuführen. Wenn die Menschen in Kafarnaum ihn nun in der Synagoge reden hören und hinter seiner Predigt eine Vollmacht erahnen, meint das eine über menschliche Fähigkeiten hinausgehende Vollmacht – eine von Gott kommende Kraft. Sie erahnen die Weisheit Gottes. Die Schriftgelehrten lehren dagegen so, wie sie es von ihren Lehrern gelernt haben. Was sie sagen, ist die Tradierung dessen, was schon immer galt. Jesus spricht aber nun ganz neu. Er spricht nicht wie ein Schriftgelehrter, der die Inhalte von seinem eigenen Lehrer übernimmt. Er legt die Hl. Schrift nun ganz neu aus, nämlich von sich her. Die Menschen sind deshalb so erstaunt, weil Jesus vom Hl. Geist erfüllt spricht. Der Geist Gottes ist es, der die Menschen im Innersten der Seele anrührt und die Augen öffnet.
Dann passiert etwas, das die Vermutung der Anwesenden bestätigt. Gott lässt folgende Situation zu, damit die Menschen eine weitere Lektion von ihm erhalten: Sie werden an die Identität Jesu herangeführt und lernen, dass dessen Botschaft und Verhalten absolut deckungsgleich sind. Ein Besessener ist anwesend und der Dämon in ihm konfrontiert Jesus mit seiner Identität. Jesus gebietet ihm zu schweigen. Wir denken an die ganz pragmatische Begründung, dass Jesus noch nicht direkt festgenommen werden kann, sondern seine Verkündigung erst einmal zuende führen muss. Er tut es auch, damit die Menschen seine Vollmacht ganz konkret sehen, mit der er gepredigt hat. Die Dämonenaustreibung ist eine Aufgabe, die die Pharisäer für gewöhnlich vornehmen. Das Procedere ist dasselbe, das bis heute bei Exorzismen gewählt wird: die Kommunikation mit dem Dämon durch den Besessenen erlangen, um den Namen des Dämons zu erfahren. Sobald dieser seinen Namen nämlich verraten hat, ist er entmachtet und die Exorzisten können dem Dämon befehlen, aus dem Besessenen herauszufahren. Bei Jesus ist es jetzt ganz anders. Es ist nicht Jesus, der auf den Besessenen zugeht und den Dämon zum Sprechen auffordert. Der Dämon meldet sich von selbst, was ungewöhnlich ist. Das tun die bösen Geister ja immer nur in der Gegenwart Gottes. Schon dies wird den Anwesenden zu denken gegeben haben. Dann bekennt der Dämon im Mann Jesu Identität – Heiliger Gottes. Das ist ein messianischer Hoheitstitel. Die Dämonen sind als gefallene Engel von Gott geschaffene Geistwesen. Die ganze Schöpfung existiert um Christi willen. Alles ist geschaffen, um ihn anzubeten und ihm die Ehre zu geben. Alles ist „durch ihn und auf ihn hin“ geschaffen. Deshalb kann auch dieser Dämon nicht anders, als ihn zu bekennen, der der Christus ist. Er gehorcht auch seinen Befehlen und fährt aus dem Mann aus. Welche Vollmacht muss dieser Mensch haben, dass sogar die Dämonen ihn bekennen? Das wird den Menschen eine riesige Lehre gewesen sein. So etwas haben sie noch nie gesehen und deshalb verbreitet sich dieses Ereignis in ganz Galiläa. Die Menschen haben ja lange auf den Messias gewartet. Nun kommt einer, der die Verheißungen erfüllt. Das verbreitet sich wie ein Strohfeuer.
Wenn wir die Vollmacht Christi einmal so richtig betrachtet haben und begreifen, dass er Gott ist, dann werden wir auch verstehen, welche Vollmacht die Geistlichen besitzen. Sie sind nicht Gott, nein, aber sie sind mit den Vollmachten Christi ausgestattet! Sie können Exorzismen vornehmen und die Dämonen hören auf sie! Sie können die vielen Heilstaten vollbringen, die Christus erwirkt hat, vorausgesetzt sie haben Glauben. Einmal sagen die Apostel zu Jesus, dass bestimmte Exorzismen nicht geklappt haben und Jesus hat sehr streng mit ihnen gesprochen, weil ihr Glaube nicht stark genug war. Das muss ein ständiger Appell auch bis in unsere Zeit hinein bleiben. Wenn wir vor den Geistlichen absoluten Respekt besitzen, ist das nicht gleichzusetzen mit einem unangemessenen Klerikalismus, was uns heute ständig weisgemacht wird. Die Weihe und Vollmacht Jesu Christi dürfen wir nicht missachten, denn Gott ist der Allmächtige und wir nur seine Geschöpfe. Zwischen der menschlichen Denkweise und dem Geist Gottes liegt jedoch eine so große Diskrepanz, dass es nur ein Entweder Oder geben kann. Entweder entscheiden wir uns für Gottes Weisheit oder bleiben weltlich gesinnt. Dann lehnen wir aber die ewige Neue Schöpfung ab, um an der gefallenen Alten Schöpfung festzuhalten. Möchten wir das, obwohl sie keine Zukunft hat?
Ihre Magstrauss