1 Tim 1,15-17; Ps 113,1-2.3-4.5au. 6-7; Lk 6,43-49
1 Tim 1
15 Das Wort ist glaubwürdig und wert, dass man es beherzigt: Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten. Von ihnen bin ich der Erste.
16 Aber ich habe gerade darum Erbarmen gefunden, damit Christus Jesus an mir als Erstem seine ganze Langmut erweisen konnte, zum Vorbild für alle, die in Zukunft an ihn glauben, um das ewige Leben zu erlangen.
17 Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen.
Im heutigen Abschnitt aus dem ersten Timotheusbrief hören wir den zweiten Teil des Gotteslobs, den Paulus im ersten Kapitel formuliert. In diesem bringt Paulus noch einmal zum Ausdruck, dass Gott ihm sein reiches Erbarmen zuteilwerden ließ. Er als so großer Sünder ist zum Völkerapostel geworden. Dieses Erbarmen Gottes zeigt sich darin, dass er Mensch geworden ist. „Christus Jesus ist in die Welt gekommen, um die Sünder zu retten.“ Paulus ist ein Kandidat, der besonders laut „o glückselige Schuld“ beten könnte in der Osternacht. Seine große Sünde ist ihm zum großen Erbarmen geworden. Er bezeichnet sich sogar als „der Erste“, das heißt als den größten Sünder, dem die größte Gnade zuteilgeworden ist.
Es geht aber nicht um ihn, sondern darum, dass an ihm „seine ganze Langmut“ offenbar werde. Es geht um Christus, der gekommen ist, um die Welt zu retten. An Paulus sollen die Menschen erkennen, wie sehr Gott die Menschen liebt. Wir sind nun jene, von denen er hier sagt, „die in Zukunft an ihn glauben, um das ewige Leben zu erlangen.“ Wir sehen an Paulus wirklich, dass Gottes Güte sehr groß ist. Ein solcher Mörder und Christenverfolger durfte den Menschen das Evangelium verkünden. Ihm verdanken wir, dass wir in diesen Breitengraden Christen sind.
Zum Abschluss des Dankgebets formuliert Paulus eine Doxologie. Diese ist eine abschließende Gebetsformel, die wir Christen aus dem jüdischen Kontext übernommen haben. Jene, die gepriesen werden, stehen im Dativ. Was ihnen erwiesen werden soll, steht im Nominativ. Dieser abschließende Preis wird dem „König der Ewigkeit“ erwiesen. Das ist Gott selbst, der zugleich ewig ist, unsichtbar, jedoch in Christus sichtbar geworden, und doch ist es ein einziger Gott, an den wir glauben. Ihm soll Ehre und Herrlichkeit erwiesen werden. Diese hat er bereits inne, doch unser Sinn im Leben besteht darin, ihm Ehre und Herrlichkeit zu erweisen, indem wir ganz bei ihm sind. Zum Schluss dieser Doxologie wird die Ewigkeitsformel verwendet, die auch dem jüdischen Gebetsformular entnommen ist. Im Deutschen wird die Kurzform „in alle Ewigkeit“ verwendet, wobei die ausführliche Form im griechischen Text „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ steht. Amen ist ein Ausruf der Bekräftigung.
Ps 113
1 Halleluja! Lobt, ihr Knechte des HERRN, lobt den Namen des HERRN!
2 Der Name des HERRN sei gepriesen von nun an bis in Ewigkeit.
3 Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang sei gelobt der Name des HERRN.
4 Erhaben ist der HERR über alle Völker, über den Himmeln ist seine Herrlichkeit.
5 Wer ist wie der HERR, unser Gott, der wohnt in der Höhe,
6 der hinabschaut in die Tiefe, auf Himmel und Erde?
7 Den Geringen richtet er auf aus dem Staub, aus dem Schmutz erhebt er den Armen,
Wir beten heute aus dem Psalm 113, einem Lobpreispsalm. Er ist eine wunderbare Antwort, ja eine Fortsetzung der Lesung.
„Halleluja“ ist dabei die kürzeste Aufforderung zum Lobpreis („Preist Jahwe“). Und direkt im Anschluss erfolgt eine weitere Lobpreisaufforderung („Lobt, ihr Knechte des HERRN, lobt den Namen des HERRN!“). Die „Knechte des HERRN“ sind wir alle, die wir an Gott glauben, aber auch alle Geschöpfe. Auch die Pflanzen und Tiere, die Berge und Täler, die Himmelskörper und die Gewässer loben den Namen des Herrn durch ihre Existenz. Sie verkünden Gottes Schönheit in ihren gelenkten Bahnen und ihrer Ordnung. Die Aufforderung an eine Gruppe klingt sehr liturgisch, weshalb der Psalm besonders auch im kirchlichen Kontext zu betrachten ist. Das heißt auch wir haben Grund zum Lobpreis und werden als „Knechte des HERRN“ aufgefordert zum dankenden Lobpreis.
„Der Name des HERRN sei gepriesen von nun an bis in Ewigkeit“ ist eine Wendung, die die Kirche übernommen hat, nämlich als Teil des sogenannten apostolischen Segens (der Herr sei mit euch…der Name des Herrn sei gepriesen….unsere Hilfe ist im Namen des Herrn….). Diesen dürfen die Nachfolger der Apostel beten und auf besondere Weise der Papst als Nachfolger Petri. Mit diesem apostolischen Segen sind unter anderem Ablässe verbunden. Mit diesem Vers wünschen wir, dass Gottes Name ewig gepriesen werde. Das ist die Dauerhandlung des Himmelreichs, weshalb wir diesen Wunsch mit dem Beginn des Vaterunsers vergleichen können. Gottes Reich soll kommen und sein Name geheiligt werden!
„Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang“ bezieht sich einerseits auf die Zeit: Vom Morgen bis zum Abend, also den ganzen Tag, soll der Lobpreis Gottes erfolgen. Immer wieder reflektieren wir die Haltung im gesamten Leben, alles als Gebet/Lobpreis zu sehen, damit man die guten Taten Gottes nie vergisst. Dies wird auch durch diese Wendung herausgestellt. Sie kann aber auch geographisch verstanden werden, denn mit Aufgang und Untergang werden die Himmelsrichtungen des Ostens und Westens umschrieben. So soll also der ganze Erdkreis Gott loben und preisen. Dadurch, dass man „sei gelobt“ als Partizip übersetzen kann, ist es zeitlos. Gottes Name soll dauerhaft gepriesen werden und zu allen Zeiten. Das sehen wir konkret jetzt an unserer Situation. Es wurde zu Davids Zeiten schon gebetet, es wurde von den Aposteln und Jüngern Jesu gebetet, von Jesus selbst! Und nun ist es Teil unserer heutigen Liturgie 2000 Jahre später! Und auch die zukünftigen Generationen werden den Namen Gottes loben und preisen. Es ist, als ob die grammatikalische Zeitlosigkeit des Verbs und des Verses so zur Andeutung der Ewigkeit wird. Denn dann wird es einen ewigen und umfassenden Lobpreis ohne Ende geben. Dieser Vers ist mit dem vorausgehenden Vers zusammen zu lesen.
Gott ist erhaben über alle Völker, dies sehen wir an Jesus, der der König der Könige ist. Gott ist stärker als alle weltlichen Herrscher zusammen. Er muss nur einmal eingreifen und die Herrschaft aller fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Gott ist auch höher als wir, die wir die Herrscher über unser eigenes Leben sind. Er ist der eigentliche Herr über unser Leben und weiß, was wir brauchen. Er bestimmt den Anfang und das Ende. Er beschenkt uns und begnadet uns. Er sieht das ganze Leben im Überblick, was wir nicht können. Und er sieht unsere Potenziale, die wir nicht einmal erahnen.
„Über den Himmeln ist seine Herrlichkeit“ bezieht sich auf die Himmel, die wir sehen können. Gottes Reich ist noch „über den Himmeln“ und somit ganz anders. Er ist der Transzendente. Gott ist Geist. Sein Reich ist nicht von dieser Welt. Er ist nicht greifbar.
Er steht über der gesamten Schöpfung, zu der Himmel und Erde zugleich gehören (Gen 1,1). Deshalb schaut er sogar auf den Himmel herab, der für uns so hoch oben ist. Gott ist so unvergleichlich, dass hier im Psalm die rhetorische Frage gestellt wird „wer ist wie der Herr?“ Keiner ist wie er. Er ist als Schöpfer ganz anders als alles, was wir in dieser Welt erfahren. Und doch erahnen wir ihn, wenn wir den Menschen ansehen – in seinen guten Eigenschaften. Denn schon die Genesis mit ihrem ersten Schöpfungsbericht bezeugt uns den Menschen als Abbild Gottes.
Und doch ist er kein weit entfernter Gott, der sich nicht um seine Schöpfung kümmert. Das ist das Missverständnis eines deistischen Gottesbildes, das die Aufklärer vertreten haben und bis heute freimaurerisches Gedankengut ist. Gott, der am höchsten von allen steht, schaut auf die, die am tiefsten Boden liegen. Er richtet sie auf und erhebt sie aus dem Staub. So groß ist Gottes Liebe und Barmherzigkeit. Seine Allmacht schließt nicht das Interesse für den Kleinsten der Kleinen aus. Im Gegenteil. Gottes Option ist immer eine Option für die Armen jeglicher Form – arm im Geiste, finanziell arm, sozial arm. So sollen auch die Apostel sein: Von ihrer höchsten Position kirchlicher Hierarchie hinabsteigen zu jenem, der ganz am Boden ist. Jesus macht es vor im Abendmahlssaal, als er mit der Fußwaschung an seinen Aposteln einen Sklavendienst verrichtet. Die Apostel sollen es in seiner Nachfolge besonders nachahmen, aber auch wir alle, die wir getauft und gefirmt sind, haben die Berufung zum Dienst am Nächsten.
Lk 6
43 Es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte bringt, noch einen schlechten Baum, der gute Früchte bringt.
44 Denn jeden Baum erkennt man an seinen Früchten: Von den Disteln pflückt man keine Feigen und vom Dornstrauch erntet man keine Trauben.
45 Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor. Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund.
46 Was sagt ihr zu mir: Herr! Herr! und tut nicht, was ich sage?
Im heutigen Evangelium spricht Jesus Dinge aus, die manch einer als „Schwarz-Weiß-Malerei“ bezeichnet. Doch das ist die Realität. Es geht um Beziehung und um Liebe. Bei Gott muss man sich entscheiden und da gibt es nur ein Ja oder Nein, kein Jein. Darum geht es Jesus, wenn er das Gleichnis von Früchten und Bäumen heranzieht:
„Es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte bringt, noch einen schlechten Baum, der gute Früchte bringt.“ Selbst die Natur zeigt, dass es unmöglich ist: Der Mensch als Baum ist ein typisches Sinnbild bei moralischen Aussagen, also wenn es um den Lebenswandel des Menschen geht. Ein Mensch, der innerlich von Gott geleitet wird, dessen Herz rein ist und der in sich keine bösen Gedanken und Absichten trägt, dessen Worte und Taten, die nach außen dringen, werden ebenfalls gut sein. Wer innerlich aber verdorben ist, dessen Herz von Begierde und bösen Absichten erfüllt ist, wird nur Verdorbenes sprechen und tun. Das ist ein Kausalzusammenhang, der sich nicht verbergen lässt. Wenig später heißt es: „Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund.“ Wir sehen an den Worten Jesu im Evangelium auch, was die Konsequenzen einer dämonischen Gemeinschaft sind – das wir immer mehr die Verhaltensweisen annehmen, die nicht von Gott kommen. Und wenn wir uns ganz mit Gott vereinen, nehmen wir ganz die Verhaltensweisen Gottes an. Deshalb werden wir immer mehr zum Leib Christi, den wir in der Eucharistie empfangen. Sie erfüllt und prägt unser Herz so sehr, dass wir verwandelt werden in das Bild Christi.
Das Baum- und Früchtemotiv ist nicht zufällig gewählt. Es hat neben der moralischen Bedeutung noch eine viel tiefere, die uns zur Eucharistie führt: So wie der erste Mensch von der Frucht des Baumes aß und damit die Sünde und der Tod in die Welt kamen, so hat der zweite Mensch eine Frucht am Holz des Kreuzes für uns dargebracht – sich selbst und seinen Tod, sodass wir, die wir von der Frucht dieses Baums essen – die Hl. Eucharistie, das ewige Leben haben. Das Bild ist also zutiefst eucharistisch!
Und Früchte dieses Baumes entspringen der Gnade Gottes. In seiner Nachfolge sollen wir selbst Bäume dieses ersten Baums sein – Menschen im Stand der Gnade, die mit Gott im Neuen Bund vereint sind. Wenn wir von derselben Art sind, werden auch wir dieselben Früchte tragen wie Christus, der mit Leib und Seele im Himmel thront als verherrlichter Menschensohn. So werden wir ebenfalls die volle Auferstehung mit Leib und Seele erleben.
Was im Menschen ist, sieht man an seinem Verhalten. So erkennt man den Baum ja auch an seinen Früchten. Der Baum mit seinen Wurzeln und seinem Stamm ist das Herz des Menschen, sein Inneres. Die Früchte sind sein Verhalten.
Am Ende hören wir auch, warum Jesus überhaupt davon spricht: Es geht immer noch um die Heuchler, die nach außen hin eine besonders ausgeprägte Frömmigkeit vorspielen, deren Herz aber ganz verdorben ist. Jesus möchte ihnen damit sagen: Ihr könnt mir nichts vormachen, ebenso wenig den Menschen. Das Schlechte im Menschen kommt früher oder später heraus.
Gott sieht den ganzen Menschen, sein Innen und Außen. Er entlarvt das „Herr, Herr!“ jener, die nicht den Willen Gottes tun. Er tut dies nicht, um die Menschen bloßzustellen und niederzumachen. Er tut dies, damit jeder Mensch sich bekehre und aufrichtig werde. Wir alle sind berufen zum Heil und zur Gemeinschaft mit Gott. Das geht aber nur, wenn wir den Schritt in die Deckungsgleichheit tun. Das Gute zu sagen, ist schon gut, aber der Rest muss damit zusammenpassen. Eine Erneuerung des Herzens ist der entscheidende Schritt zu einer umfassenden Bekehrung.
Ihre Magstrauss