Samstag der 26. Woche im Jahreskreis

Bar 4,5-12.27-29; Ps 69,33-34.35-36b.36c-37; Lk 10,17-24

Bar 4
5 Hab Vertrauen, mein Volk, du trägst den Namen Israel.

6 Ihr wurdet verkauft an die Völker, doch nicht zur Vernichtung. Weil ihr Gott erzürnt habt, wurdet ihr den Feinden preisgegeben.
7 Denn ihr habt euren Schöpfer zum Zorn gereizt, da ihr den Dämonen und nicht Gott Opfer darbrachtet.
8 Euren Ernährer habt ihr vergessen, den ewigen Gott. Ihr habt auch Jerusalem betrübt, die euch aufzog.
9 Denn sie hat mit angesehen, wie Gottes Zorn über euch hereinbrach; da sprach sie: Hört, ihr Nachbarinnen Zions! Gott hat große Trauer über mich gebracht.

10 Denn ich musste sehen, dass meine Söhne und Töchter verschleppt wurden, wie es der Ewige über sie verhängt hat.
11 Mit Freude habe ich sie großgezogen, / mit Weinen und Trauerklage musste ich sie ziehen lassen.
12 Keiner juble, dass ich Witwe bin und von so vielen verlassen; / der Sünden meiner Kinder wegen bin ich vereinsamt, / denn sie sind abgewichen vom Gesetz Gottes.
27 Habt Vertrauen, meine Kinder, schreit zu Gott! Denn er, der es verhängt hat, wird wieder an euch denken.

28 Wie euer Sinn auf den Abfall von Gott gerichtet war, so zeigt nun zehnfachen Eifer, umzukehren und ihn zu suchen!
29 Er, der über euch das Unheil gebracht hat, wird mit eurer Rettung euch ewige Freude bringen.

Die heutige Lesung ist erneut dem Buch Baruch entnommen. Es ist ein Ausschnitt aus den vier Oden, die Baruch ans Ende seiner Schrift setzt. Dabei lautet der Titel des gesamten Abschnitts „Jerusalem, Mutter Israels“.
Das Volk wird direkt angesprochen und ermutigt: „Hab Vertrauen, mein Volk, du trägst den Namen Israel.“ Dieser Name ist nicht selbst gegeben, sondern von Gott verliehen worden. Es ist der Name einer großen Verheißung, denn Israel ist eine Einheit aller zwölf Stämme. Zur Zeit seines prophetischen Wirkens ist es das nicht mehr. Umso hoffnungsvoller ist die Botschaft mit Blick auf eine zukünftige Einheit, die wir über den Alten Bund hinaus dem Neuen Bund zuschreiben, dem neuen Gottesvolk, das in Christus geeint ist.
Israel wurde an die Völker verkauft. Dies fasst die ganzen Fremdvölker und Bedrängnisse, schließlich das Babylonische Exil zusammen. An jemanden verkauft zu werden, bedeutet Versklavung. Das, was uns aber in die Sklaverei treibt, ist unsere Sünde. Aus dem Grund heißt es auch: „Weil ihr Gott erzürnt habt, wurdet ihr den Feinden preisgegeben.“ Die konkrete Sünde ist der Götzendienst als Maximum an Bundesbruch. Interessant ist, dass hier nicht die Rede von Götzen ist, sondern von Dämonen: Das ist eine wichtige Erkenntnis: Die anderen Gottheiten sind Nichtse, aber nicht nichts. Sie sind jemand, nämlich Dämonen. Auch Paulus wird deshalb vom Tisch der Dämonen sprechen, wenn er den Götzendienst als Ausschluss vom Kommunionempfang herausstellt (1 Kor).
Gott ist der Ernährer. Er spendet Leben und erhält am Leben. Wenn man ihn von sich weist, ist das ein besonders herber Schlag. Wenn es heißt, dass man auch Jerusalem von sich gewiesen hat, betrifft das vor allem den Tempel mit seinem Kult. Jerusalem wird oft in weiblichen Zügen verbildlicht und als Mutter dargestellt. Es ist nämlich der Ort der besonderen Gegenwart Gottes, die Quelle des Segens. Aber die Stadt ist auch Sitz des Königs und das Zentrum der Herrschaft über das Südreich Juda. Sie ist als befestigte Stadt ein Zufluchtsort. Umso schmerzhafter, dass sie zerstört wurde im Zuge der babylonischen Invasion. Sie hat bildhaft gesprochen mitansehen müssen, wie die Oberschicht Jerusalems deportiert wurde.
Jerusalem ist in Trauer über die Entreißung ihrer „Kinder“ durch Babylon. Es ist verwitwet – vor allem wegen des Verlusts Gottes im Tempel. Seine Herrlichkeit liegt nicht mehr auf seiner heiligen Stätte. All das ist geschehen aufgrund der Sünde ihrer Bewohner.
Die schmerzhaften Konsequenzen und die Lektion Gottes wird nicht ewig anhalten. Leiden ist immer streng begrenzt. Gott wird dem Ganzen ein Ende setzen. Die jetzt zur Zeit des Baruch im Exil verharrenden werden Licht am Ende des Tunnels vernehmen.
Es hängt wesentlich von der Haltung der Exilierten ab: Sie sollen mit zehnfachem Eifer Gott um Verzeihung bitten und umkehren!
Und wenn Gott auch ein streng begrenztes Unheil zugelassen hat – umso mehr kommt mit der baldigen Rettung aus dem Exil auch die ewige Freude. Gottes Heil ist nicht begrenzt!

Ps 69
33 Die Gebeugten haben es gesehen und sie freuen sich! Ihr, die ihr Gott sucht, euer Herz lebe auf!
34 Denn der HERR hört auf die Armen, seine Gefangenen verachtet er nicht.
35 Himmel und Erde sollen ihn loben, die Meere und alles, was sich in ihnen regt.
36 Denn Gott wird Zion retten, / wird Judas Städte neu erbauen. Man wird dort siedeln und das Land besitzen.
37 Die Nachkommen seiner Knechte werden es erben, die seinen Namen lieben, werden darin wohnen.

Als Antwort beten wir einen Ausschnitt aus dem Psalm 69. Es handelt sich eigentlich um ein Klagelied des Einzelnen. Wie so oft ist er gestaltet durch die Bausteine „Klage“, „Bitte“ und „Lobpreis“ nach einem Stimmungsumschwung. Diesem letzten Teil sind die heutigen Verse entnommen.
Der Lobpreis wird mit der Gebetserhörung und Rettung aus der Bedrängnis begründet. Deshalb passt der Lobpreis sehr gut im Anschluss an die ermutigenden Worte Baruchs im Babylonischen Exil.
Wie sehr sind die Exilierten Gebeugte! Die Bürde der Heimatlosigkeit und die Gefangenschaft drückte sie nieder. Doch ihnen ist diese Last genommen worden. Sie dürfen wieder aufrecht stehen und aufatmen. Der Stein vom Herzen lässt es wieder aufleben.
Gott erhört die Bitten der Menschen. Arm waren die Exilierten, nicht nur aus materieller Sicht, sondern aufgrund ihres Lebens fernab vom verheißenen Land. Ihnen ist das Allerwichtigste entzogen worden – die Gottesgabe des Landes und des Tempels. Arm waren sie vor allem, weil sie des Segens Gottes entbehrten! Doch Gott hat ihre Klage gehört und sie aus der Gefangenschaft gerettet.
Das ist der Grund für den universalen Lobpreis Gottes! Nicht nur die Exilierten loben ihn, sondern ganz im Psalmenstil fordern sie die ganze Schöpfung zum Lobpreis auf. Himmel und Erde zeichnen vertikal, die Meere horizontal ein universales Koordinatensystem.
Gott wird die zerstörte Stadt wieder neu aufbauen. Gott kann aus dem Zerstörten und Toten wieder Lebendiges machen. Er ist ein Gott des Lebens. Die Israeliten werden ihr Land zurückbekommen und fruchtbar sein. Ihre Nachkommen werden darin wohnen. Dabei ist der Nebensatz nicht zu übersehen: „die seinen Namen lieben“. Entscheidend ist eine wiederhergestellte Beziehung zu Gott. Alles Unheil nahm seinen Anfang schließlich in der Sünde als Bundesbruch gegenüber dem Bundespartner Gott.
Gott gibt dem Volk eine neue Chance, weil es aufrichtig bereut. Auch wir dürfen immer wieder einen Neuanfang Gottes erfahren, wenn wir von Herzen umkehren. Dann führt er auch uns zurück in die Heimat.

Lk 10
17 Die Zweiundsiebzig kehrten zurück und sagten voller Freude: Herr, sogar die Dämonen sind uns in deinem Namen untertan.

18 Da sagte er zu ihnen: Ich sah den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen.
19 Siehe, ich habe euch die Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten und über die ganze Macht des Feindes. Nichts wird euch schaden können.
20 Doch freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind!
21 In dieser Stunde rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen.
22 Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; niemand erkennt, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand erkennt, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.
23 Jesus wandte sich an die Jünger und sagte zu ihnen allein: Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht.
24 Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.

Im Evangelium kehren nun die 72 Jünger zurück, die Jesus in die umliegenden Städte entsandt hat. Voller Freude und Überwältigung berichten sie von den Früchten, die sie erfahren haben. Es stellte für sie ja eine Generalprobe dessen dar, was sie nach dem Pfingstereignis erwarten würde.
Sie sind ganz erstaunt davon, dass sogar die Dämonen in Jesu Namen ausgefahren sind. Es stellt für sie eine Bestätigung dar, dass Jesus Gott ist. Sogar die Dämonen sind ihm untertan!
Jesus entgegnet ihnen daraufhin, dass er „den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen“ gesehen hat. Wir erinnern uns daran, was in Offb 12 berichtet worden ist. Es geht um diesen himmlischen Kampf, bei dem sich eine Schar von Engeln gegen Gott erhoben hat und auf die Erde hinabgestürzt worden ist. Jesus sagt damit übrigens auch seine Präexistenz aus, also dass er vor seiner Menschwerdung in der Ewigkeit war. Er hat den Kampf mitbekommen, weil er Gott ist. In seinem Angesicht ist das passiert.
Und weil die Jünger in seinem Namen auftreten, gehorchen die Dämonen auch ihnen. Wenn er sagt, dass er den Jüngern seine Vollmacht übergibt, dann sind sie gewissermaßen unschlagbar. Dann können keine giftigen Tiere sie umbringen wie Schlangen und Skorpione, die wiederum als Tiere des Bösen gelten. Wir kennen ja die Erzählung vom Sündenfall und die Besetzung einer Schlange durch den Bösen.
Die Macht des Feindes kann den Jüngern nichts anhaben, wenn sie in der Vollmacht Jesu Christi auftreten. Wie viele Geistliche von heute sind sich dessen überhaupt bewusst, welche Macht sie haben! Und diese Macht ist übernatürlicher Natur, weshalb man es nicht als Klerikalismus missverstehen kann. Hier geht es nicht um menschliche und politische Macht, sondern um eine geistliche Vollmacht.
Es ist nicht entscheidend, dass die Geister den Jüngern gehorchen, sondern dass ihre Namen im Himmel verzeichnet sind. Was heißt das? Wir wissen von den apokalyptischen Büchern der Bibel von dem Buch des Lebens, in dem die Namen derer verzeichnet sind, die in das Reich Gottes gelangen dürfen, sozusagen das „Bürgerverzeichnis“ des Gottesreiches. Sie sind als Erben eingesetzt und wenn sie ihren Auftrag erfüllen, ihrer Berufung gerecht werden und ihre Berufung zur Heiligkeit leben, dann werden sie von der Liste nicht gestrichen. Das ist das eigentliche, über das sie sich freuen können.
Und dann setzt Jesus zum Lobpreis an seinen Vater an. Es ist ein Beispiel, wie wir selbst beten sollen, die wir als Getaufte Gott ebenfalls unseren Vater nennen dürfen. Im heutigen Evangelium hören wir, dass wir von der Knechtschaft zur Gotteskindschaft kommen, ganz wie die Exilierten von Babylon.
Gott ist wirklich „Herr des Himmels und der Erde“. Er hat sie nicht nur geschaffen und erhält sie, sondern er hat auch die Macht über alles. Das ist eine tröstliche Erkenntnis, denn auch wenn wir jetzt sehen, dass die Mächtigen dieser Welt böse sind, steht über ihnen dennoch der eine und wahre Gott. Sie haben jetzt vielleicht noch einen Handlungsspielraum, aber wenn Gott kommt, wird er sie alle in einem Moment entmachten – sie, die eigentlich nur Marionetten des Bösen sind.
Die „Unmündigen“ dieser Welt sind die Empfänger der entscheidenden Botschaft. An sie ist die Offenbarung ergangen, nicht an die Reichen, Weisen und Klugen, die ganz in der Weisheit der Welt wandeln. Die „Unmündigen“ sind die eigentlichen Weisen, denn sie wandeln in der göttlichen Weisheit. Von den Hirten auf den Feldern von Betlehem bis zu den Fischern am See von Tiberias sind es immer die einfachen Menschen, die eine große Aufgabe im Reich Gottes erhalten.
Alles ist vom Vater dem Sohn übergeben worden. Nicht nur der Sohn hat sich durch sein Leiden und seinen Tod ganz dem Vater hingegeben, sondern auch der Vater ganz dem Sohn. Dieser vollbringt das Werk des Vaters, ganz in dessen Willen. Ihre ganz innige Beziehung ist es, die uns den Vater sehen lässt, wenn wir Jesus sehen. Wenn wir die Offenbarung des Vaters erhalten möchten, müssen wir uns ganz an den Sohn Jesus Christus halten. Niemand kennt den Vater nämlich besser als er. Gott ist Geist und er ist Geheimnis. Wenn wir ihn kennenlernen möchten, muss er sich uns offenbaren. Dies hat er ganz in Christus getan. Er hat uns wahrlich sein Innerstes gezeigt, sein Herz.
Jesus wendet sich seinen Jüngern zu und versucht, ihnen zu verdeutlichen, welches Privileg ihnen widerfährt. Wie sehr haben Könige und Propheten sich danach gesehnt, Gott von Angesicht zu Angesicht schauen zu dürfen, und diese Jünger hier dürfen das nun! Das ist alles Andere als selbstverständlich! Diesen Höhepunkt der Offenbarung hätten viele Gerechte des AT gerne erfahren, doch es sind nun diese Jünger bei Jesus, die es erleben dürfen. Jesus sagt ihnen das, damit sie dankbar sind und Gott für diese große Gnade danken.
Wir dürfen Gott nicht unverhüllt schauen, nicht in der Gestalt des entäußerten Menschen, aber in der Gestalt der Eucharistie! Auch das ist ein überwältigendes Privileg, für das wir täglich dem Herrn danken müssen.

Ihre Magstrauss

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