Mittwoch der 27. Woche im Jahreskreis

Jona 3,10b; 4,1-11; Ps 86,3-4.5-6.9-10; Lk 11,1-4

Jona 3
10 Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er tat es nicht.
1 Das missfiel Jona ganz und gar und er wurde zornig.

2 Er betete zum HERRN und sagte: Ach HERR, habe ich das nicht schon gesagt, als ich noch daheim war? Eben darum wollte ich ja nach Tarschisch fliehen; denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen.
3 Darum, HERR, nimm doch nun mein Leben von mir! Denn es ist besser für mich zu sterben als zu leben.
4 Da erwiderte der HERR: Ist es recht von dir, zornig zu sein?
5 Da verließ Jona die Stadt und setzte sich östlich vor der Stadt nieder. Er machte sich dort ein Laubdach und setzte sich in seinen Schatten, um abzuwarten, was mit der Stadt geschah.
6 Da ließ Gott, der HERR, einen Rizinusstrauch über Jona emporwachsen, der seinem Kopf Schatten geben und seinen Ärger vertreiben sollte. Jona freute sich sehr über den Rizinusstrauch.
7 Als aber am nächsten Tag die Morgenröte heraufzog, schickte Gott einen Wurm, der den Rizinusstrauch annagte, sodass er verdorrte.
8 Und als die Sonne aufging, schickte Gott einen heißen Ostwind. Die Sonne stach Jona auf den Kopf, sodass er fast ohnmächtig wurde. Da wünschte er zu sterben und sagte: Es ist besser für mich zu sterben als zu leben.
9 Gott aber sagte zu Jona: Ist es recht von dir, wegen des Rizinusstrauches zornig zu sein? Er antwortete: Ja, es ist recht, dass ich zornig bin und mir den Tod wünsche.
10 Darauf sagte der HERR: Du hast Mitleid mit einem Rizinusstrauch, für den du nicht gearbeitet und den du nicht großgezogen hast. Über Nacht war er da, über Nacht ist er eingegangen.
11 Soll ich da nicht Mitleid haben mit Ninive, der großen Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die zwischen rechts und links nicht unterscheiden können – und außerdem so viel Vieh?

Die heutige Lesung erzählt von der Reaktion Jonas auf Gottes Barmherzigkeit gegenüber Ninive. Der menschliche Ausdruck am Ende des dritten Kapitels „da reute Gott das Unheil“ erklärte ich gestern als eine Wendung, die man nicht wortwörtlich nehmen darf. Gott ist kein Sünder. Er ist der ganz Vollkommene. Er macht keine Fehler und muss deshalb nichts bereuen. Durch diesen Ausdruck wird jedoch etwas zutiefst Wahres ausgesagt: Gott hat Mitleid mit den Menschen. Er ist barmherzig und deshalb zerstört er Ninive nicht.
Jona wird deswegen wütend und verrät Gott den eigentlichen Grund für seinen Fluchtversuch nach Tarschisch: „denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Huld und dass deine Drohungen dich reuen.“ Er wusste, dass Gott barmherzig sein wird, und gönnt dies den Bewohnern der Stadt nicht. Es ist bemerkenswert, dass er so ein Gottesbild besitzt. Er versteht genau, wie Gott wirkt, aber es passt ihm nicht. So sagt er sogar dramatisch zu Gott, dass er lieber sterben als leben will.
Gott lässt sich das nicht sagen. Er fragt stattdessen zurück, ob es Jona zusteht, wütend zu sein.
Jona sagt nichts, sondern verlässt die Stadt, um sich in gewissem Abstand niederzulassen und abzuwarten. Dabei lässt Gott einen Rizinusstrauch wachsen, der ihm Schatten geben soll. Gottes Verhalten, Jonas Ärger zu vertreiben und ihm entgegen zu kommen, erinnert uns sehr daran, wie der barmherzige Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn mit dem älteren Bruder umgeht. Er kommt aus dem Haus, um ihm gut zuzureden, statt ihm Vorwürfe zu machen. Er möchte, dass gleichermaßen die reumütigen Sünder und ihre „Brüder“ zu ihm finden. So wie der barmherzige Vater sagt: Gönn deinem Bruder doch, dass er tot war und jetzt wieder lebendig ist! Es geht hier jetzt nicht um dich und was du bekommen hast, sondern um die Freude über einen zurückgekehrten Sünder!
So möchte Gott, dass Jona sich freut über die Bewohner der Stadt Ninive, weil sie die Güte Gottes erfahren haben.
Gott hat aber im Falle Jonas eine noch umfassendere Lektion: Am nächsten Tag lässt er nämlich zu, dass der Strauch von einem Wurm zerfressen wird und verdorrt. Zugleich lässt er die Hitze auf Jona einprasseln, die von einem heißen Ostwind herüberzieht.
Es setzt dem Propheten dermaßen zu, dass er fast ohnmächtig wird und wieder zu klagen beginnt: Wieder ist es ihm lieber zu sterben als zu leben.
Wieder stellt Gott ihm eine ähnliche Frage: „Ist es recht von dir, wegen des Rizinusstrauchs zornig zu sein?“ Dies bejaht der Prophet, wobei Gott ihm entgegnet: Du hast Mitleid mit einem Strauch, der innerhalb von einem Tag gekommen und gegangen ist, aber ich soll nicht Mitleid haben mit 120.000 Stadtbewohnern und so viel Vieh. Dabei bemerkt Gott, dass die Menschen nicht unterscheiden können zwischen links und rechts. Das heißt, sie wissen nicht, was sie tun. Sie wussten bis dato nicht, dass ihr Lebensstil sündig war. Wie denn auch? Sie kannten Gott und seine Gebote nicht.
Gott lehrt uns alle mit seinen Worten, wie wichtig die Barmherzigkeit ist. Wir müssen einander zurechtweisen und klar benennen, wenn etwas eine Sünde ist. Aber wir müssen einander auch vergeben. Wenn uns jemand aufrichtige Reue zeigt, müssen wir barmherzig reagieren. Wie soll Gott uns gegenüber barmherzig sein, wenn wir diese Haltung selbst nicht umsetzen? Jesus erklärt deutlich, dass uns in dem Maß vergeben wird, wie wir einander vergeben haben.

Ps 86
3 Mein Herr, sei mir gnädig, denn zu dir rufe ich den ganzen Tag! 
4 Erfreue die Seele deines Knechts, denn zu dir, mein Herr, erhebe ich meine Seele! 
5 Denn du, mein Herr, bist gut und bereit zu vergeben, reich an Liebe für alle, die zu dir rufen. 
6 Vernimm, HERR, mein Bittgebet, achte auf mein lautes Flehen! 
9 Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und sich niederwerfen, mein Herr, vor deinem Angesicht, sie werden deinen Namen ehren.
10 Denn du bist groß und tust Wunder, nur du bist Gott, du allein.

Auch der Psalm thematisiert die Vergebungsbereitschaft Gottes. Es handelt sich um einen Klagepsalm Davids, der mit der Überschrift „Hilferuf eines Armen zum barmherzigen Gott“ betitelt ist.
Der Ruf „Mein Herr, sei mir gnädig“ ist ein Ruf des Gottesvolkes, das mit ihm in einer Bundesbeziehung steht. Deshalb heißt es „mein Herr“. Doch angesichts der Lesung ist es auch zum Gebet derer geworden, die ihn bis dahin noch nicht kannten. Sie haben wirklich „den ganzen Tag“ nicht nur zum Herrn gerufen, sondern auch Buße getan. Ihr ganze Verhalten ist aufrichtig, weshalb Gott sein Urteil auch nicht ausführen will.
Der Beter ist in einer unerfreulichen Situation. Deshalb möchte er, dass der Herr seine Seele erfreut. Er sucht Trost bei Gott, zu dem er seine Seele erhebt. Auch hier ist wie schon so oft anzumerken, dass mit „Seele“ mehr als nur das Innere des Menschen gemeint ist. Der Beter möchte, dass Gott sein ganzes Leben, seine Existenz mit Freude erfüllt.
„Denn du, mein Herr, bist gut und bereit zu vergeben, reich an Liebe für alle, die zu dir rufen“ – das Volk Israel hat Gottes Vergebung immer wieder erfahren und kann mit Vertrauen diese Worte beten. Auch die Bewohner von Ninive werden die Güte Gottes erleben. König David selbst hat Gottes vergebende Barmherzigkeit erfahren, weil er von Herzen seine schweren Sünden bereut hat. Jesus war bereit, für all unsere Sünden zu sterben. Er bietet uns alles auf einem Silbertablett an. Nur können wir davon erst dann „profitieren“, wenn wir seine Erlösung auch annehmen. Dies geschieht in der Taufe. Und auch dann ist das nicht die Endstation, denn dass wir es wirklich ernst mit ihm meinen, beweisen wir mit unserem Lebenswandel nach der Taufe so wie David nach seiner Umkehr. Es ist wichtig, Taten sprechen zu lassen, denn hier geht es um die Liebe. „Ich liebe dich“ zu sagen, aber kein liebendes Verhalten an den Tag zu legen, entkräftet die Worte. Gott ist so vergebungsbereit, dass er unsere Vergehen nach der Taufe ebenfalls vergeben möchte. Und so dürfen wir zur Beichte kommen. Dann umarmt Gott uns bereitwillig mit seiner vergebenden Liebe und verändert das Leben jedes Reumütigen.
„Vernimm, HERR, mein Bittgebet, achte auf mein lautes Flehen!“ Gott hört unser Flehen und wenn wir im Stand der Gnade sind, müssen wir auch nicht lange auf die Erhörung warten.
„Alle Völker, die du gemacht hast, werden kommen und sich niederwerfen“ ist eine prophetische Verheißung, die sich schon mehrfach erfüllt hat und am Ende der Zeiten vollkommen erfüllen wird: Zur Geburt Christi kamen die drei Magoi aus dem Osten als Vertreter der „Völker“. Sie haben sich vor dem kleinen Kind in der Krippe niedergeworfen und seinen Namen geehrt. Es hat sich christologisch bereits erfüllt. Und aus allen Völkern kommen Menschen zur Braut Christi, um ein Teil von ihr zu werden. Die Menschen, die getauft werden, rufen seinen Namen an und nehmen ihn als ihren Herrn und Erlöser an. Sie schließen den Bund fürs ewige Leben mit Gott und versprechen, ihn in ihrem ganzen Leben zu verherrlichen. Die Kirche ist eine Sammlung von Menschen aus allen Völkern, die durch die Taufe geeint sind. Und regelmäßig kommen diese Menschen zusammen, um den Herrn in der Eucharistie anzubeten. Auch ekklesiologisch hat sich dieses Schriftwort erfüllt. Am Ende der Zeiten werden alle Völker kommen und den Herrn auf dem himmlischen Zion anbeten. Es wird die himmlische und ewige Anbetung sein, die nun unverhüllt ist. Wir werden vom Glauben zum Schauen kommen und den Herrn sehen, wie er ist, nicht mehr in den eucharistischen Gestalten.
Gott ist groß und wunderbar. Dies wird in der Johannesoffenbarung im Lied des 15. Kapitels aufgegriffen. Er allein ist Gott, alles Andere ist Götze. Wenn wir jedoch aufrichtig umkehren und alle Götzen aus unserem Leben entfernen, wenn wir ihm den ersten Platz in unserem Leben geben und nur ihm unsere ganze Liebe schenken, dann werden wir seine übergroße Barmherzigkeit erfahren.

Lk 11
1 Und es geschah: Jesus betete einmal an einem Ort; als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat!
2 Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.
3 Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen!
4 Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung!

Heute hören wir einen Abschnitt aus dem Lukasevangelium, in dem Jesus den Jüngern das Vaterunser beibringt. Es ist so, dass die Jünger Jesus beten sehen. Sie bitten ihn darum, dass er ihnen die Gebetsweise beibringe, die auch der Täufer seinen Jüngern beigebracht hat. Und so erklärt Jesus zunächst einmal die ersten Bitten, die im Grunde Wünsche darstellen, die sich auf Gott beziehen. Erst dann kommen Bitten für die Beter selbst. So soll es sein. Wir sollen nicht selbstzentriert beten, sondern zuerst auf den schauen, zu dem wir beten. Wir sollen ihn preisen und ihm die Ehre geben, bevor wir irgendetwas erbitten. Wir sagen Gott zu, dass sein Name geheiligt werden soll, deshalb der Konjunktiv „geheiligt werde“. Zudem soll sein Reich kommen. Was Jesus grundgelegt hat, soll sich ausweiten (in der Matthäusversion heißt es deshalb auch „wie im Himmel so auf Erden“), sodass das angebrochene Reich Gottes sich überall durchsetzt und offenbar wird. Gottes Wille soll überall geschehen. Im Himmel und auf der Erde, in der unsichtbaren Welt sowie in der sichtbaren Welt. Die Durchsetzung des Willens Gottes ist bereits in der unsichtbaren Welt erfolgt. Der Satan und seine gefallenen Engel sind aus dem Himmel verbannt, sodass hier Gottes Reich schon ganz und gar durchgesetzt ist. So wie es schon im Himmel ist, so soll es auch auf der Erde sein: Der Böse und seine Heerscharen sollen besiegt und von der Erde verbannt werden. Gottes Reich und sein Wille sollen ganz und gar auf Erden herrschen.
Dann beginnt der zweite Teil des Gebetes, der nun Bitten für die Menschen beinhaltet: „Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen“ drückt die Haltung aus, die schon die Väter in der Wüste gelernt haben: Gott gab jeden Tag Manna vom Himmel und nur so viel, dass es für den jeweiligen Tag reichte. So lernten die Menschen, Tag für Tag auf Gottes Vorsehung zu vertrauen. Wir bitten also von Tag zu Tag um die Güter, die wir für den jeweiligen Tag brauchen. So ist unsere Bitte frei von Habgier. Die Gabe von Manna ist zudem typologisch zum Himmelsbrot Christi zu betrachten, der von sich aus sagt: „Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. (Joh 6,49-51).“ Es geht also nicht mehr nur um das tägliche Brot zur Nährung des Leibes! Wir bitten also mit dieser Vaterunserbitte auch gerade um die tägliche Eucharistie! Sie nährt unsere Seele, auf dass auch wir nicht sterben werden, sondern das ewige Leben haben!
Gott soll uns ferner unsere Schuld vergeben, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben. Gott soll uns in dem Maß vergeben, wie wir unseren Mitmenschen vergeben. Das ist der Hauptgedanke auch der anderen Lesungen. Wenn wir möchten, dass Gott uns vergibt, können wir nicht gleichzeitig im unversöhnten Zustand mit unseren Mitmenschen sein. Wir setzen also die Bedingung, ob Gott uns vergibt, weil durch unser freiwillig verhärtetes Herz die vergebende Gnade nicht hineinkommt. Jesus sagt, wir sollen unsere Feinde lieben und für jene beten, die uns hassen. Das heißt aber nicht, dass wenn wir ihnen vergeben, wir ihre Taten gutheißen. Wir sagen uns nur von dem Zorn und den Rachegefühlen, dem Gift dieser schlechten Beziehung los. Wir überlassen Gott das Richten und sind plötzlich frei. Wir hängen nicht mehr an diesen schlechten Gefühlen, die uns von innen komplett vergiften.
„Und führe uns nicht in Versuchung“ heißt nicht, dass Gott selbst uns in Versuchung führt. Der Versucher ist immer nur der Böse. Gott ist nur gut. Gott kann uns aber erproben und das ist das Missverständliche an der Doppeldeutigkeit des griechischen Begriffs πειρασμός peirasmos: Es kann Versuchung (zur Sünde) meinen, aber eben auch Probe, Prüfung. Dabei bitten wir nicht darum, dass Gott uns nicht erproben soll, sondern dass wir dabei vor Verzweiflung bewahrt werden bzw. der Versuchung nicht anheimfallen. Wir können nicht vor allem bewahrt bleiben, solange der Böse auf Erde einen Spielraum hat. Der Kampf hat erst ein Ende, wenn das Reich Gottes auch auf Erden etabliert ist und der Böse endgültig vernichtet worden ist.

Das Gebet, das Jesus seinen Jüngern beigebracht hat, beten wir bis heute. Es ist die Essenz unseres Betens. Wir können es aber nur dann aufrichtig beten, wenn wir unser Leben wirklich der Vorsehung Gottes überlassen, mit Vertrauen zum Vater beten und Vergebungsbereitschaft gegenüber unseren Schuldnern aufweisen. Sonst ist das Vaterunser auf unseren Lippen ein Schauspiel, eine Heuchelei. Gott durchschaut das sofort. Und wenn andere reumütig sind und Gott ihnen vergibt, sollen wir nicht zornig werden wie Jona. Letztendlich sind wir doch berufen zu einer großen Gottesfamilie. Wie können wir es da anderen Menschen missgönnen, wenn Gott einen Heilsplan für sie hat?

Ihre Magstrauss

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